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Sklaven der Maschine

Je mehr ich an Jacksons Arm dachte, desto tiefer war ich erschüttert. Ich stand einer Tatsache gegenüber. Zum ersten Male sah ich das Leben, wie es war. Meine Universitätsjahre, Studium und Kultur waren nichts Wirkliches gewesen. Ich hatte nur die Theorien des Lebens und der Gesellschaft kennengelernt, die sich gedruckt alle sehr schön ausnahmen, jetzt aber hatte ich das Leben selbst gesehen. Jacksons Arm war eine Tatsache. Ernsts Worte: »Tatsachen, Verehrtester, unwiderlegbare Tatsachen!« klangen mir noch in den Ohren.

Es erschien mir ungeheuerlich, unmöglich, daß unsere ganze Gesellschaft auf Blut begründet sein sollte. Aber Jackson! Ich konnte nicht von ihm loskommen. Immer wieder flogen meine Gedanken zu ihm zurück, wie die Kompaßnadel zum Pol. Er war ungeheuerlich behandelt worden. Man hatte ihm sein Blut nicht bezahlt, um eine höhere Dividende ausschütten zu können. Und ich kannte eine ganze Reihe glücklicher, wohlhabender Menschen, die diese Dividende erhalten und Nutzen aus Jacksons Blut gezogen hatten. Konnte ein Mann so ungeheuerlich behandelt werden, und konnte die Gesellschaft so sorglos ihren Weg wandeln, mochten dann nicht viele Menschen so ungeheuerlich behandelt worden sein? Mir fielen die Frauen in Chikago ein, von denen Ernst gesprochen hatte, die für neunzig Cents die Woche arbeiteten, die Kinder, die in den Spinnereien im Süden fronten. Und ich konnte ihre blassen, weißen Hände, aus denen das Blut herausgepreßt war, sehen, wie sie die Stoffe für meinen Mantel herstellten. Und dann dachte ich wieder an die Sierra-Spinnereien und die Dividenden, die bezahlt worden waren, und deutlich sah ich das Blut Jacksons auf meinem Mantel. Ich konnte Jackson nicht entgehen. Immer wieder kehrten meine Gedanken zu ihm zurück.

Tief in meinem Innern hatte ich das Gefühl, daß ich am Rande eines Abgrunds stände. Mir war, als sollte mir eine neue, furchtbare Offenbarung des Lebens werden. Und nicht mir allein. Meine ganze Welt stürzte zusammen. Mein Vater zum Beispiel! Ich konnte den Einfluß Ernsts an ihm beobachten. Und der Bischof! Als ich ihn das letzte Mal sah, hatte er einem Kranken geglichen. Er befand sich in einer nervösen Erregung, und in seinen Augen lag ein unaussprechliches Grauen. Aus dem wenigen, das ich erfuhr, konnte ich ersehen, daß Ernst sein Versprechen, ihm die Hölle zu zeigen, gehalten hatte. Was für Höllenszenen der Bischof aber gesehen hatte, erfuhr ich nicht, denn vor Entsetzen schien er nicht darüber sprechen zu können.

Als ich einmal besonders stark fühlte, daß in meiner kleinen Welt und in allem um mich her das Unterste zu oberst gekehrt wurde, dachte ich, daß Ernst die Ursache sei; und ich dachte weiter: »Wir waren so glücklich und zufrieden, ehe er kam!« Aber im selben Augenblick empfand ich diesen Gedanken als Verrat an der Wahrheit, und Ernst erschien mir wie ein Verklärter, ein Wahrheitsapostel, der mit strahlendem Antlitz und der Furchtlosigkeit eines Engels Gottes für Wahrheit und Recht, für die Armen, Verlassenen und Unterdrückten kämpfte. Und dann stand er wieder in einer andern Gestalt vor mir, in der Jesu! Auch Jesus hatte für die Verlassenen und Unterdrückten gegen die ganze bestehende Macht der Priester und Pharisäer Partei ergriffen. Und ich dachte an seinen Tod am Kreuze, und mein Herz krampfte sich zusammen, wenn ich an Ernst dachte. War auch er für das Kreuz bestimmt? – Er, mit seiner klingenden, kriegerischen Stimme und all seinem herrlichen Mannesmut!

Und in diesem Augenblick wußte ich, daß ich ihn liebte, daß ich vor Verlangen, ihn zu trösten, verging. Ich dachte an sein Leben. Niedrig, rauh und armselig mußte es gewesen sein. Und ich dachte an seinen Vater, der für ihn gelogen und gestohlen und sich zu Tode gearbeitet hatte. Und er selbst hatte als zehnjähriger Knabe in der Spinnerei arbeiten müssen! Mein Herz schien zerspringen zu wollen vor Sehnsucht, ihn mit meinen Armen zu umschlingen und sein Haupt an meiner Schulter zu bergen – dieses Haupt, das von so vielen Gedanken schmerzen mußte, und das in einer freundlichen Stunde Ruhe, Linderung und Vergessen finden sollte!

Ich traf Rechtsanwalt Ingram bei einer kirchlichen Veranstaltung. Ich kannte ihn seit Jahren sehr gut. Ich entdeckte ihn hinter großen Palmen und Gummibäumen, ohne daß er indessen etwas davon ahnte. Er begegnete mir mit konventioneller Freundlichkeit und Höflichkeit. Er war immer sehr elegant, taktvoll, diplomatisch und aufmerksam und machte äußerlich den distinguiertesten Eindruck aller Herren in der Gesellschaft. Neben ihm sah selbst der verehrte Rektor der Universität unelegant und unbedeutend aus. Und doch sah ich, daß Ingram sich in derselben Lage befand wie die unbelesenen Maschinenarbeiter. Auch er war nicht Herr seines Handelns. Auch er war an das Rad gefesselt. Nie werde ich die Veränderung vergessen, die mit ihm vorging, als ich den Fall Jackson erwähnte. Seine lächelnde Freundlichkeit verschwand wie ein Geist. Ein entsetzter Ausdruck entstellte plötzlich sein liebenswürdiges Gesicht. Ich spürte dieselbe Unruhe, die ich bei dem Ausbruch von James Smith gefühlt hatte. Aber Herr Ingram fluchte nicht. Das war der sichtbare Unterschied, der zwischen dem Arbeiter und ihm bestehen blieb. Man rühmte ihn als einen Mann von Witz, aber jetzt war nichts davon zu bemerken.

Er blickte nur, ganz unbewußt, hin und her, um eine Gelegenheit zu finden, mir zu entschlüpfen. Aber er stand zwischen Palmen und Gummibäumen.

Nein, ihm war nicht wohl bei dem Klang von Jacksons Namen. Warum ich die Angelegenheit erwähnt hätte? Mein Scherz gefiel ihm nicht. Es wäre geschmacklos und sehr unüberlegt von mir. Ob ich nicht wüßte, daß sein Beruf keine persönlichen Gefühle zuließe? Die ließe er zu Hause, wenn er in sein Bureau ging. Hier hätte er nur berufliche Gefühle.

»Hätte Jackson Schadenersatz haben sollen?« fragte ich ihn.

»Gewiß«, antwortete er. »Das heißt, dies ist ein persönliches Gefühl. Aber das hat nichts mit der rechtlichen Seite der Sache zu tun.«

Er versuchte sich zu sammeln.

»Sagen Sie, hat Recht etwas mit Gesetz zu tun?« fragte ich.

»Sie haben einen falschen Ausdruck gebraucht«, antwortete er lächelnd.

»Macht?« fragte ich, und er nickte. »Und doch meinen wir, durch das Gesetz immer zu unserm Recht zu kommen.«

»Das ist eben das Paradoxe dabei«, entgegnete er. »Wir erhalten nicht Gerechtigkeit, sondern Recht.«

»Jetzt sprechen Sie beruflich, nicht wahr?« fragte ich. Ingram errötete, errötete wirklich und warf wieder ängstliche Blicke um sich. Aber ich versperrte ihm den Weg und machte keine Anstalten, ihn freizugeben.

»Sagen Sie mir,« fragte ich, »wenn jemand seine persönlichen Gefühle mit dem Beruflichen vermengt, gibt das dann nicht eine Art geistiger Mißgeburt?«

Ich erhielt keine Antwort. Herr Ingram hatte unrühmlich die Flucht ergriffen, wobei er eine Palme umwarf.

Nunmehr versuchte ich mein Heil bei den Zeitschriften. Ich schrieb einen ruhigen, zurückhaltenden, leidenschaftslosen Aufsatz über den Fall Jackson. Ich griff darin die Männer, mit denen ich gesprochen hatte, nicht an, erwähnte sie nur. Ich legte die Tatsachen dar, sprach von den langen Jahren, die Jackson in der Spinnerei gearbeitet, von der Anstrengung, die er gemacht hatte, um die Maschine vor Schaden zu bewahren, und von dem daraus folgenden Unfall, sowie von seiner jetzigen furchtbaren, bedauernswerten Lage. Weder die drei Tageszeitungen, noch die beiden Wochenblätter unserer Stadt nahmen den Aufsatz an.

Ich wandte mich an Percy Layton. Er hatte sein Staatsexamen gemacht, war dann zum Journalismus übergegangen und verdiente sich augenblicklich seine Sporen als Reporter an der einflußreichsten der drei Zeitungen. Als ich ihn fragte, warum die Zeitungen nichts über Jackson und seinen Fall bringen wollten, lächelte er.

»Redaktionspolitik«, sagte er. »Damit haben wir nichts zu tun. Das ist Sache der Redakteure.«

»Was heißt Politik?« fragte ich.

»Wir sind alle solidarisch mit den großen Unternehmungen«, erwiderte er. »Selbst wenn Sie die Anzeigegebühr bezahlen würden, könnten Sie etwas derartiges nicht in die Zeitungen bringen. Und wenn einer von uns versuchen wollte, es einzuschmuggeln, würde er seine Stellung verlieren. Sie würden es nicht hineinbringen, und wenn Sie die zehnfache Gebühr zahlten.«

»Und wie steht es mit Ihrer eigenen Politik?« forschte ich. »Es sieht fast so aus, als hätten Sie auf Befehl ihrer Arbeitgeber, die ihrerseits wieder den Befehlen der Unternehmungen gehorchen, die Wahrheit zu verdrehen.«

»Damit habe ich nichts zu tun.« Einen Augenblick schien ihm die Sache unbehaglich zu werden, dann aber sah er einen Ausweg, und seine Miene erhellte sich. »Und selbst schreibe ich nichts Unwahres. Ich halte mein Gewissen rein. Aber natürlich gibt es bei meinem Tagewerk viele Widerstände. Das gehört nun einmal dazu, sehen Sie«, schloß er naiv.

»Aber Sie hoffen doch, eines Tages am Redaktionstisch zu sitzen und die Politik zu leiten.«

»Bis dahin bin ich abgehärtet«, lautete seine Erwiderung.

»Da Sie heute noch nicht abgehärtet sind, bitte ich Sie, mir Ihre aufrichtige Meinung über die allgemeine Redaktionspolitik zu sagen.«

»Ich denke nicht darüber nach«, antwortete er schnell. »Man kann es sich nicht leisten, über die Stränge zu schlagen, wenn man als Journalist Erfolg haben will. Soviel habe ich jedenfalls schon gelernt.«

Er nickte weise mit seinem jungen Kopfe.

»Aber das Recht?« beharrte ich.

»Sie verstehen das Spiel nicht. Alles ist natürlich recht, wenn es auf die rechte Weise gebraucht wird. Sehen Sie das nicht ein?«

»Köstlich unklar«, murmelte ich; aber das Herz schmerzte mir um seine Jugend, und ich fühlte, daß ich es herausschreien oder in Tränen ausbrechen mußte.

Ich fing an, die äußere Schale der Gesellschaft, in der ich lebte, zu durchschauen und die schreckliche Wirklichkeit dahinter zu entdecken. Es schien eine geheime Verschwörung gegen Jackson zu bestehen, und mir tat der jammernde Anwalt leid, der seinen Prozeß so unrühmlich geführt hatte. Und diese heimliche Verschwörung wuchs beständig. Sie richtete sich nicht gegen Jackson allein, sondern gegen jeden Arbeiter, der in der Fabrik zum Krüppel wurde. Und wenn gegen jeden Arbeiter in den Spinnereien, warum nicht auch gegen jeden in jeder andern Fabrik? Wirklich, war es nicht überall so, in der ganzen Industrie?

Verhielt es sich aber so, dann war die Gesellschaft eine Lüge. Ich schreckte vor meinen eigenen Schlüssen zurück. Es war zu furchtbar und abscheulich, um wahr zu sein. Aber Jackson und Jacksons Arm und das Blut, das mein Kleid befleckte und von meinem eigenen Dache herabtropfte? Und es gab viele Jacksons – hunderte allein in den Spinnereien, wie Jackson selbst gesagt hatte. Ich konnte Jackson nicht entfliehen.

Ich suchte Herrn Wickson und Herrn Pertonwaithe, die beiden Hauptaktionäre der Sierra-Spinnereien, auf. Aber sie konnte ich nicht zum Wanken bringen wie die beiden Maschinisten, die in ihren Diensten standen. Ich sah, daß ihre Moral der der übrigen Gesellschaft überlegen war. Es war eine Moral, die ich die aristokratische oder Herrenmoral Ehe Avis Everhard geboren war, schrieb John Stuart Mill in seinem Essay »Über Freiheit«: Wo auch immer es eine aufsteigende Klasse gibt, entsteht ein großer Teil der Moral aus den Interessen und dem Überlegenheitsgefühl dieser Klasse. nennen möchte.

Sie redeten weitschweifig über Politik und identifizierten Politik und Recht. Mit mir sprachen sie väterlich, sie behandelten mich gönnerhaft mit Rücksicht auf meine Jugend und Unerfahrenheit. Sie waren die Hoffnungslosesten, die ich in meiner Sache aufgesucht hatte. Sie waren durchaus überzeugt, daß die Spinnereien richtig geleitet wurden. Darüber gab es keine Frage, keine Erörterung. Sie waren überzeugt, daß sie die Führer der Gesellschaft waren und der großen Masse das Glück brachten. Sie entwarfen ergreifende Bilder von dem Elend, das über die Arbeiter kommen mußte, wenn sie beschäftigungslos wurden, was sie allein durch ihre Weisheit verhüteten.

Gleich nach der Begegnung mit diesen beiden Herren traf ich Ernst und berichtete ihm, was ich erfahren hatte. Er sah mich befriedigt an und sagte:

»Wirklich ausgezeichnet! Sie beginnen auf eigene Faust nach Wahrheit zu schürfen. Es ist Ihre eigene, empirische Verallgemeinerung, und sie stimmt. Kein Mensch an der Industriemaschine ist Herr seines Handelns, außer den Großkapitalisten, und die sind es letzten Endes auch nicht. Sie sehen, die Herren sind vollkommen überzeugt, daß sie in allem, was sie tun, recht haben. Das ist der Gipfelpunkt der Absurdität in der ganzen Situation. Sie sind so tief in ihre menschliche Natur verstrickt, daß sie nichts tun können, ohne es für Recht zu halten. Sie brauchen eine Sanktion für ihr Tun.

»Wenn sie etwas tun wollen, etwas Geschäftliches, beraten sie, bis in ihrem Hirn irgend ein religiöser oder ethischer, wissenschaftlicher oder philosophischer Begriff entsteht, der ihnen einen Rechtsstandpunkt verleiht. Und dann machen sie sich daran und wissen nicht, daß der Wunsch der Vater des Gedankens ist, eine der Schwächen der menschlichen Seele. Was sie auch tun, sie finden immer eine Sanktion dafür. Eine der angenehmsten und unumstößlichsten Fiktionen, die sie geschaffen haben, ist, daß sie der übrigen Menschheit an Weisheit und Tüchtigkeit überlegen sind. Daher ihre Anmaßung, daß ihnen die Aufsicht über Brot und Butter der übrigen Menschheit zusteht. Sie sind es auch, die die Lehre vom göttlichen Recht der Könige wieder zum Leben erweckt haben – in ihrem Fall der Handelskönige Im Jahre 1902 der christlichen Zeitrechnung machte sich der Präsident des Anthracit-Kohlentrusts, George F. Buer, durch die Verkündung folgender Prinzipien bemerkbar: »Die Rechte und Interessen des Arbeiters werden durch die Männer geschützt, denen Gott in seiner unendlichen Weisheit die Besitzinteressen des Landes in die Hände gegeben hat.«.

»Die Schwäche ihrer Stellung liegt darin, daß sie nur Geschäftsleute sind. Sie sind keine Philosophen, sie sind weder Biologen noch Soziologen. Wären sie es, so würde natürlich alles gut sein. Ein Geschäftsmann, der zugleich Biologe und Soziologe wäre, würde annähernd das Richtige für die Menschheit zu tun wissen. Aber außerhalb des Reiches ihrer Geschäfte sind diese Männer stumpfsinnig. Sie kennen nur ihre Geschäfte. Sie kennen weder die Gesetze noch die Gesellschaft, und doch machen sie sich zu Herren über das Geschick der hungernden Millionen und der übrigen Millionen dazu. Eines Tages wird die Geschichte auf ihre Kosten schmerzlich lachen.«

Über den Erfolg meiner Unterredung mit Frau Wickson und Frau Pertonwaithe war ich nicht weiter überrascht. Sie waren Damen der Gesellschaft »Gesellschaft«. Hier mit einer Einschränkung zu verstehen; dieser Ausdruck war damals gebräuchlich für die Drohnen, die nicht arbeiteten, sondern sich nur aus den Honigwaben der Arbeiter den Wanst füllten. Weder Geschäftsleute noch Arbeiter hatten Zeit für die »Gesellschaft«. Die Gesellschaft war eine Schöpfung der faulen Reichen, die nicht arbeiteten und sich auf diese Weise die Zeit vertrieben.. Sie bewohnten Paläste. Sie besaßen viele Häuser, die über das Land, im Gebirge, an den Seen und am Meere verstreut waren. Sie hatten ein Heer von Bedienten, und ihre soziale Betätigung war verwirrend. Sie begönnerten die Universitäten und die Kirchen, und namentlich die Geistlichen lagen in demütiger Unterwürfigkeit vor ihnen auf den Knien »Bringt uns euer beflecktes Geld,« lautete der Wahlspruch der Kirche in dieser Periode.. Sie waren Mächte, diese beiden Frauen, und das waren sie kraft ihres Geldes. Mit ihrem Gelde förderten sie in bemerkenswertem Maße die Gedanken, wie ich bald von Ernst lernen sollte.

Sie ahmten ihre Männer nach und redeten in den gleichen hohen Tönen über Politik und über die Pflichten und die Verantwortlichkeit der Reichen. Sie hatten dieselbe Moral wie ihre Männer – die Moral ihrer Klasse, glatte Phrasen, die sie selbst nicht verstanden. Als ich ihnen von der bedauernswerten Lage der Familie Jackson erzählte und meine Verwunderung aussprach, daß sie nichts für den Mann getan hätten, wurden sie aufgebracht. Ich erfuhr, daß sie niemand für Belehrungen über ihre sozialen Pflichten dankbar seien. Als ich sie rundweg bat, Jackson zu helfen, lehnten sie es ebenso rundweg ab. Das Merkwürdige war, daß sie es fast mit den gleichen Worten ablehnten, und das, obgleich ich sie jede für sich aufsuchte, und keine von beiden wußte, daß ich die andere besucht hatte oder besuchen wollte. Beide antworteten, daß sie sich freuten, es einmal deutlich aussprechen zu können: Nie würden sie eine Prämie auf Fahrlässigkeit aussetzen, und ebenso wenig wollten sie durch Unterstützung die Armen verleiten, sich in die Maschine zu werfen In der Nummer vom 19. August 1906 des »Outlook«, einer kritischen Wochenschrift, die in dieser Periode erschien, wird berichtet, wie ein Arbeiter seinen Arm verlor, und zwar unter Umständen, die denen des von Avis Everhard erzählten Falles ganz ähnlich sind..

Und sie meinten es aufrichtig, die beiden Frauen. Sie waren trunken von der Überzeugung ihrer Überlegenheit und der ihrer Klasse. Für alles, was sie taten, fanden sie eine Sanktion in ihrer Klassenmoral. Als ich Frau Pertonwaithes Haus verließ, warf ich noch einen Blick zurück und dachte an Ernsts Worte, daß auch sie an die Maschine gefesselt seien, wenn sie auch obendrauf säßen.


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