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Nun ist die Zeit gekommen, daß der Krieg gegen den armen Hasen eröffnet ist. Woher die Feindschaft zwischen dem Menschen und dem Hasen besteht, das weiß man nicht. Nach der Schöpfungsgeschichte ist Feindschaft gesetzt zwischen dem Weibe und der Schlange; irgendeine Urkunde aber über die auffällige Feindschaft zwischen dem Manne und dem Hasen mangelt gänzlich.
Die Meinung, daß der Mensch den Hasen lediglich seines zarten und bekömmlichen Fleisches verfolge, ist irrig; auch das Eichhörnchen und der Sperling zeichnen sich durch wohlschmeckendes Fleisch aus, sind aber den Nachstellungen der Menschen wenig ausgesetzt.
Jedenfalls steht die Tatsache fest, daß, wenn der Tag der Eröffnung der Hasenjagd da ist, sonst ganz friedliche Leute und ehrbare Bürger von einem rasenden Blutdurst befallen werden. Vom Mädchen reißt sich stolz der Knabe, der Mann muß hinaus in die Ferne, er findet zu Hause keinen bleibende Statt, was schert ihn Weib, was schert ihn Kind? Geschäft, Beruf, Gelderwerb, alles tritt vor der krankhaften Begier, möglichst viele Hasen zu töten, in den Hintergrund.
Es ist kein Wunder, daß der Hase deswegen eine große Rolle in der Literatur einnimmt. Die Dichter aller Zeiten haben aus ihm immer gern einen lyrischen Hasenpfeffer oder einen gut gespickten Balladenbraten gemacht. Auch in der bildende Kunst spielte er eine Rolle; die alten Ägypter bildeten ihn gern ab oder formten Amulette nach seinem Ebenbilde, denn sie hielten ihn für ein glückbringendes Tier. Das glaubt man auch heute noch, vorausgesetzt, daß er einem nicht über den Weg, sondern in die Küche rennt.
In der deutschen Literatur nimmt der Hase einem hervorragenden Platz ein. Ich erinnere nur an das bei aller Sinnigkeit durch seine raffinierte Kunstform bedeutende Gedicht, das anscheinend aus der vorkarolingischen Zeit stammt: Lepus, der Hase, Sedabat, er saß, In via, auf der Straße, Edebat, er aß.
Nicht minder bekannt ist das reizende Poem: Häschen in der Grube saß und schlief; Armes Häschen, bist du krank, daß du nicht mehr hüpfen kannst; Häschen hüpf, Häschen hüpf!
An die schwermütige Poesie Lenaus erinnert folgende Hasenballade: Zwischen Berg und tiefem Tal Saßen einst zwei Hasen, Fraßen ab das grüne, grüne Gras bis auf den Rasen. Als sie nun satt gefressen, Setzten sie sich nieder, Kam der Jägers- Jägersmann, Schoß sie beide nieder.
Das folgende Lied, dessen Verfasser leider auch unbekannt ist, scheint der modernen impressionistischen Dichterschule anzugehören, wie man aus der grotesken Bizarrerie der Form und der messerscharfen Pointierung der Fabel schließen kann: Der Jäger und sein Hund Fanden 'n Hasen und Wollten ihn schießen, aber derselbe lief in den Haber.
Der Hase ist dem Jäger so wichtig erschienen, daß er ihn zum Gegenstand einer besonderen Geheimsprache gemacht hat. In der Jägersprache heißt er im allgemeinen der Krumme, der männliche Has Rammler, der weibliche Satzhase, die Jungen Quartalshäschen, woraus aber nicht ähnliche Schlüsse zu ziehen sind wie beim Quartalssäufer. Der Schwanz heißt die Blume, die Beine Sprünge, die Ohren Löffel, die Eingeweide Gescheide, das Fleisch Wildbret; ein Dreiläufer ist nicht etwa ein Hase mit drei Beinen, sondern einer, der zu drei Vierteln ausgewachsen ist.
Das Blut heißt Schweiß und hat einmal zu einem geschichtlich beglaubigten Mißverständnis geführt. Eine hohe fürstliche Person schoß einst bei einer Treibjagd auf einen Hasen, der so wenig devot war, daß er kein Schrot annahm. »Schweißt er?« fragte der hohe Schütze. »Wenn er so am Laufen bleibt,« meinte ein Treiber, »dann soll er wohl bald schwitzen!«
Der Hase findet nicht nur in der Küche, sondern fast ebensoviel bei der Herstellung von Sprichwörtern Verwendung. Ein Hasenfuß und ein Bangehase ist ein Mensch, der nach dem Vorbilde des Hasen das Hasenpanier ergreift, in der Vorsicht den besseren Teil der Tapferheit erblickt und seinem Gegner dadurch, daß er einige Meilen zwischen sich und ihn legt, die Möglichkeit zur Begehung leichterer und schwererer Realinjurien raubt. Der Spruch: »Viele Hunde sind des Hasen Tod« ist ebenso bekannt wie die Redensart: »Da liegt der Hase im Pfeffer!«
Hasenpfeffer ist übrigens eines von den Dingen, die dem doppelten Kopfe des Janus gleichen. Es gibt Hausfrauen, die ihr Leben lang in dem Wahne sind, man könne aus ein und demselben Hasen ein gutes Pfeffer und einen schönen Braten herstellen; daß ist eine der größten Verirrungen des Menschengeistes. Nein, ent-oder-weder; ein Mittelding gibt es nicht. Die Rippen, die Blätter, den Kopf, das Herz mit einer kilometerlangen Sauce bis an die Barrieren der Unmöglichkeit aufzubauschen und damit einem Mann, sechs Kindern und dem Dienstmädchen ein Mittagessen vorzugaukeln, das ist eine Vorspiegelung falscher Tatsachen in idealer Konkurrenz mit einem schweren Nötigungsversuch durch Ausnutzung der Wehrlosigkeit der betroffenen Personen.
Auch beim Braten des Hasen werden folgenschwere Fehler begangen; manche Hausfrauen verlangen, der Hase soll Hautgout haben, und lassen ihn so lange unter dem Küchenfenster hängen, bis er aus Ekel vor sich selbst aus der Haut fährt. Länger als acht Tage darf der Hase nicht hängen. Dann muß er gut gespickt und schnell gebraten werden. Wird der Hase richtig gebraten, so muß die Köchin einen Unfall von Hitzschlag erleiden. Wer mehr als zwei Gäste zum Hasenbraten einladet, ist ein Mensch ohne Gemüt, und wer keinen sehr alten, sehr guten Rotspon dabei gibt, verrät wenig Herz und hat keinen Anspruch auf unsere Freundschaft.
Der Hase ist leichter zu verdauen als zu erlegen; für die meisten Schützen ist er vorn zu schnell und hinten zu kurz. Die Art, ihn zu erlegen, ist verschieden. Ungebildete Leute fangen ihn in Schlingen. Ihn auf dem Anstand zu schießen, gilt für unanständig; als weidmännliche Jagdart gilt es, wenn der Mensch in hellen Haufen zusammenströmt und ihn zu Hunderten erschlägt. Dem Hasen selbst kommen alle Jagdarten gleich gemein vor. Nach allgemeinen Volksglauben frißt der Hase am liebsten Kohl. Das ist Kohl; weder Weiß- noch Rotkohl, weder Braun- noch Sauerkohl reizt ihn, wenn er etwas anderes hat. Erst wenn der Schnee fußhoch liegt, frißt er Kohl, bekommt aber meist die Kolik oder Cholera hinterher.
Nach dem Volkglauben schläft der Hase mit offenen Augen. Das ist ebenfalls nicht richtig. Woher dieser Glaube kommt, weiß man nicht; wahrscheinlich daher, weil die meisten Menschen beim Beobachten die Augen zuhaben.
Es gibt zwar Hühnerhunde, aber keine Hasenhunde. In der Hühnerjagdzeit bekommt der Hund Schläge, wenn er einen Hasen steht, in der Hasenjagdzeit, wenn er die Hühner steht. Bald heißt es: »Pfui Has!« und bald: »Pfui Vogel!« Infolgedessen werden die meisten Hunde so verwirrt, daß sie zur richtigen Zeit immer das Falsche oder zur falschen Zeit immer das Richtige tun.
Außer dem Menschen stellen auch Füchse, Habichte, Krähen, Katzen und Wiesel dem Hasen nach. Um nicht auszusterben, hat der Has es sich darum angewöhnt, sich drei- bis viermal im Jahre fortzupflanzen, was man den ersten, zweiten, dritten und vierten Satz nennt.
Regnet es im Frühjahr viel, so kommt der erste Satz um; regnet es im Spätfrühjahr, so geht der zweite Satz verloren; regnet es weiter, so geht es dem dritten und vierten Satz so, wie es dem zweiten ging, wenn es ihm so ging, wie es dem ersten ging.
Geht es dem Hasen schlecht, so bekommt ihm das nicht, und geht es ihm besser, so hat er auch nichts davon.
Es ist eben ein merkwürdiges Tier, der Hase.