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Fünfter Aufzug

Erste Szene

Wald bei Marburg

Nacht. Sturm und Gewitter. Konrad von Marburg tritt auf, die Kapuze übergestülpt, den Weg suchend.

Konrad

Domini canes! – Sebald! –
Wo steckst du, Sebald? –
Der Wagen zerbrochen – und mein Werk zerbrochen –
Die Gäule durchgegangen – und mein Fuhrmann!
Ich auf den nassen, finstern Weg geworfen,
Nicht weit von meiner kranken Heiligen
Und dennoch ewig weit! – Ich spür' auf mir
Von zu viel Feinden Fluch und Flammengeruch!

(Reißt die Kapuze zurück!)

Peitsch', Regen, mir den Pfaffen ab! Sieh da:
's steckt drin ein wüster, ungebroch'ner Bauer,
Ein Hund des Herrn, der auf der Ketzerjagd
Zu Frankfurt aus der Fährte kam – und jetzt
Zu Stall schleicht, naß und beutelos! – Ho, Sebald!

(Suchend ab.)

Ruprecht kommt, erregt um sich spähend; hinter ihm Vargila.

Ruprecht

Habt Ihr die Stimme vernommen?

Vargila

Daß dich –! Ruprecht!
Du toller Bursch, ist das der Weg nach Marburg?!

Ruprecht

Das Fuhrwerk hab' ich erkannt – den Fuhrmann auch –
Und wißt Ihr, wer da rief?!

Vargila

Wie sollt' ich's wissen?!
Ich weiß nur, daß du Narr vom Sattel sprangst
Und »Da! da! da!« besessen in den Wald!
Brennst du mir durch? Ist dies der Dank dafür,
Daß ich dich aus dem Wartburg-Kerker holte?!
Wir sind hier nah bei Marburg – –

Ruprecht

Ja, doch sind
Vom Wege abgekommen, als wir vorhin
Den durchgegangenen Gäulen über die Heide
Im Sturmritt folgten! Sucht Ihr dort den Weg –
Ich suche hier!

(Nahe ihm am Ohr)

Und wißt Ihr, was ich wittere?
Der Teufel streicht um Marburg, will die Seele
Der sterbenskranken Heiligen bedrängen!

Vargila

Ein Halbnarr, Bursche, warst du je! Der Teufel?!

Ruprecht

Er nahm Gestalt des Pfaffen Konrad an!
Den Laienbruder, den die Pferde schleiften,
Hab' ich erkannt: der krumme Kerl heißt Sebald!
Es war ein Spuk: der Wagen samt dem Fuhrmann
Verschwand die Felsen hinab! Es spukt hier, Herr!
Wir müssen den Wald erst säubern, eh' wir einziehn
Zu unsrer kranken Frau Elisabeth.

(Geht suchend ab nach rechts. Blitz und Donner.)

Vargila

(faßt sich an die Stirn, ruft zurück nach links)

He, Ritter, dieser Bursch entsprang nicht uns –
Doch springt er in den Wahnsinn! Bleibt nur dort
Und haltet unsre Pferde, bis wir hier
So etwas wie 'ne Wegesspur entdeckt!

(Suchend ab.)

Pater Konrad kommt zurück. Ruprecht tritt ihm plötzlich in den Weg.

Ruprecht

He, du da! Steh'!

Konrad

(fährt herum)

Wer ist da?!

Ruprecht

Der dich sucht!

Konrad

Wer sucht mich?

Ruprecht

Ein Freund!

Konrad

Wie heißt der Freund?

Ruprecht

Hat dich schon lang
Begleitet in der roten Henkerkappe
Mit Feuerbrand und Blutbefehl: – der Tod!

(Donner und Blitz. Pause.)

Konrad

(ist zurückgewichen, schlägt das Kreuz)

Apage, Satanas! – Wer du auch seist,
Ob Mensch, ob ein Gespenst – ich bin nicht feig!
Wisse zudem, daß ich ein Priester bin,
Geweiht von Gott: zehnfach ist drum verflucht
Wer an mich Hand anlegt!

Ruprecht

Konrad von Marburg,
Wo kommst du her?

Konrad

Schuld' ich dir Rechenschaft?

Ruprecht

Ich bin der Kriegsmann Ruprecht –

Konrad

Ketzer Ruprecht!

Ruprecht

Du kommst von Frankfurt und du willst nach Marburg
Zu Frau Elisabeth, die nun am Tod liegt,
Durch dich zur Strecke gebracht – stimmt das, du Henker?!
Du hast die Ritter Dörnbach, Schweinsberg, Herborn
Der Ketzerei verklagt – stimmt das?

Konrad

(in steigendem Zorn)

Das stimmt!
Strauchdieb, so werd' ich's halten bis zum Tod!
Was weißt du Wurm von Frau Elisabeth?!

Ruprecht

Das weiß ich, daß sie die beste Mutter war,
Die aus der Wartburg fortlief in den Schnee,
Um ihren Kindern Mutterschaft zu halten!
Und weiß, daß Ihr die Edelfrau gepeitscht habt,
Wie Ihr mein eigen Weib verdorben – –

Konrad

(lacht verächtlich auf)

Margret!
Die Köhlerin! Die ich mit Füßen fortstieß!

Ruprecht

(die Hand am Schwert, wild)

Pfaffe, du stirbst!

Konrad

Wann Gott will, eher nicht!

Ruprecht

Und jene Ritter –

Konrad

– jenes Raubgezücht,
Das Bürger schindet und den Kaufmann prellt –
Ich werde sie brennen, wo ich sie erwische!
Unkraut soll brennen!

Ruprecht

(furchtbar)

Du brennst keinen mehr!
Es ist ein Schnitter, der heißt Tod – der hat
Gewalt, zu töten! Bet' ein Paternoster!

Konrad

(plötzlich in Angst, zurückweichend)

Hilfe! Ich bin mit einem Rasenden
Im grauenhaften Wald! – Sebald!

(Flieht.)

Ruprecht

(ihm nach hinter die Szene)

Dein Sebald
Hat sich vom Fels zu Tod geschmettert – –

Konrad

(mit ersterbendem Ruf)

Hilfe!

(Kleine Pause. Die Blitze dauern in größeren Zwischenräumen noch etliche Zeit an, der Donner verhallt. Es wird nach und nach heller. Später bricht der Mond durch.)

Vargila

(hinter der Szene)

Das wilde Heer gespenstert durch den Wald –

(Tritt auf)

He, Ruprecht! Hier hinaus der Weg! – Wer etwa
Dem Luftheer in die Hände fiel – Hals um!
Der ist verloren! – Holla, wer braucht Hilfe?!

Ruprecht

(tritt auf, ohne Schwert, schauerlich-gelassen)

Niemand, Herr Vargila! Das ist getan!

Vargila

Wir laufen um und um, den Weg zu suchen –

Ruprecht

Den fand ich nicht – doch fand ich etwas Beßres!

(Kreuzt die Arme.)

Vargila

Was soll das? Stehst du mit gekreuzten Armen,
Als wär' jetzt Feierabend? Vorwärts, Bursch!
Es kann kein Stündchen mehr bis Marburg sein!
Die hohe Frau wird sterben!

(Ein zweiter Ritter tritt hinzu.)

Ruprecht

(mit unheimlicher Stimme)

Sagt der Frau:
Wenn sie zum Himmel einzieht, soll sie sich
Zur Hölle umschaun: – alldort wird sie sehn
Den Mann, der ihr den Ring gebracht – der jetzt
In diesem Wald den Diener Satans totschlug,
Damit die Heil'ge ruhig sterben kann!

(Der Mond bricht durch unruhige Wolken.)

Schaut hin, wer dort am Baum hängt! Kennt ihr den?!

(Erschauernd)

Ich hab' den Pater Konrad umgebracht!

(Beide Ritter prallen entsetzt zurück.)

Vargila

Wahnsinnig bist du!

Ruprecht

Bin ich nun ein Feigling?!
Schleppt mich aufs Rad! Hier meine Hände!

Vargila

(entsetzt zum Ritter)

Rührt ihn
Nicht an! Dies ist ein Gaukelspiel der Hölle!
Teufel gehn um, wenn eine Heil'ge stirbt!

(Reißt den Ritter mit sich fort)

Was geht uns deine Tat an?

(Zurückrufend)

Häng' dich selber!

(Zwischenvorhang und sofort Übergang in das nächste Landschaftsbild.)

Zweite Szene

Früher Herbstmorgen. Freundlicher Hügel bei Marburg. Im Hintergrund ein ärmlich Häuschen. Jutta und Eisentrud stehen in leisem Gespräch beisammen, oft nach dem Häuschen schauend.

Jutta

Es war in dieser Nacht ein kurz, doch schrecklich
Gewitter.

Eisentrud

Ich hab's auch gehört.

Jutta

Die Herrin
Ward plötzlich wach, fuhr auf und sah umher
Und schrie entsetzt den Namen »Pater Konrad«!

Eisentrud

Das tut sie oft im Traum. Und jetzt?

Jutta

Sie schläft,
So lächelnd, wie ich nie ein Lächeln sah:
Als wär' ein Alp gewichen – wie wenn Kranke
Kurz vor dem Tode leicht und schmerzfrei lächeln –
Wenn's überwunden ist –

Eisentrud

O Jutta!

Jutta

Laß uns
Bereit sein, Eisentrud! ... Sieh, wie der Mond
So sanft und bleich im Morgenrot vergeht!
Ein Engel schwebt gen Himmel ... Zwar die Nebel
Kauern im Tal, jedoch die Luft ist rein
Und wunderblau ... Es wird ein schöner Tag,
Ein sterbeschöner Herbsttag ... Ach!

(Sie weint.)

Eisentrud

(den Kopf an Jutta lehnend)

Jutta!

(Beide weinen.)

Margret kommt, einen Korb am Arm, ein Tuch um den Kopf gebunden.

Margret

(die beiden erblickend)

Was ist das?! He, woher? Hat euch der Pater
Nicht klar und deutlich ausgewiesen?

(Stellt den Korb hin, stemmt die Arme in die Seiten.)

Jutta

Margret,
Seid gut und zankt nicht!

Margret

Und wo ist die Nonne?
Die taube Suse, die ich bei der Frau
Als Wache gelassen?!

Jutta

Laßt sie schlafen! Wir zwei
Sind heimlich angekommen, haben wechselnd
Gewacht am Lager unsrer lieben Kranken –

Margret

So geht der Satan um! – Heilig! Nur heilig! –
Indes ich in der Stadt bin, übernachtend,
Weil mich das Wetter überfiel – schleicht ihr,
Trotz Pater Konrads strenger Weisung, heimlich
Zu unsrer Frau?! Ihr schert euch weg! Sogleich!
Ich bin hier Schaffnerin, nicht ihr! Hinweg!

Jutta

(wird ärgerlich)

Ich bitt' Euch, schweigt jetzt, unsre Herrin schläft!
Es ist die Hütte einer Sterbenden –

Margret

(kurz und hart auflachend)

Was? Sterbenden? Wär' ich nur so gesund!
Zu heut' hat sie die Kranken und die Armen
Des ganzen Kirchspiels eingeladen! Karren
Mit Brot führt man heran. Habt ihr nicht Augen?
Und seht ihr nicht, wie's dort lebendig wird?
Verzärtelt ist sie, doch nicht sterbend – liegt oft
Verzückt in Ohnmacht –

Jutta

Wir sind gestern abend
Hier angekommen, überall erzählt man,
Sie liege sterbend. Uns folgt auf dem Fuße
Herr Vargila. Auch Bischof Egbert wird
Von Bamberg kommen und die Kinder bringen –

Margret

Weiß das der Pater Konrad?! – Heilig! Heilig! –
Das ist ja Überfall! Wer hat denn nur
Die Lüge ausgeheckt, die Frau sei sterbend?!
Meint ihr, weil Pater Konrad fort ist, dürft ihr
Hier Herren spielen?! – Holla! Hier steh' ich!

(Tritt vor die Tür)

Und keiner kommt hindurch! Der Pater Konrad
Kommt heut' noch heim – –

Vargila ist mit seinen Begleitern aufgetreten.

Vargila

(hat das letzte gehört)

Dein Pater kommt nicht heim!

Jutta

(auf ihn zu)

Gott sei gedankt, Herr Vargila! Befreit uns
Von diesem frechen Weib!

Vargila

(zu Margret)

Du bist ja wohl
Das Weib des wunderlichen Ruprecht? Fort!
Sag' deinem Gatten Abschied! Eben führen
Die Schergen deinen Mann zum Turm – als Mörder!
Wen er gemordet, wird man dir erzählen.
Hinab! Und bitte, daß man neben ihn
Dich hänge, du verbuhlte Frömmlerin!

(Margret geht entsetzt und murmelnd ab.)

Wie geht's der Frau? – Wir hatten uns verirrt,
Fanden heut' früh erst Dienerschaft und Freunde –
Wir sind doch nicht zu spät gekommen? – Gott,
Da ist sie selbst! Seht doch, gesund! Seht: aufrecht!

(Die Herren verneigen sich tief.)

Elisabeth ist aus der Hütte getreten, auf eine alte Nonne gestützt; sie selbst ist im Ordenskleid der grauen Schwestern, sehr blaß, aber von innerer Heiterkeit verklärt.

Elisabeth

Ist das nicht unser lieber Vargila?

Vargila

(auf einem Knie)

Ich bin's, Frau Landgräfin, bin Euer treuer
Diener Rudolf von Vargila – und hier
Noch andre Freunde, sind heut' früh gekommen,
Grüße zu bringen von der ganzen Wartburg!
Auch von Herrn Raspe – von der ganzen Wartburg!

Elisabeth

Wartburg! Wie süß das klingt! Wie Jagdhorngruß
Aus weiter, weiter Ferne! Unsre Wartburg!
Und seh' ich recht: Jutta und Eisentrud?
So hab' ich also nicht geträumt heut' nacht?

(Beide knien und küssen ihr die Hände.)

Ihr Vielgetreuen, seid ihr wieder bei mir?

Jutta

Wir konnten nicht mehr leben ohne Euch!

Elisabeth

(fährt wie traumbefangen über die Stirn)

Warum doch ginget ihr? Wie war das gleich?
Vergebt, mir ist, als hätt' ich schwer geträumt,
So schwer, und wäre nun erwacht ... So rein
Ist diese Morgenluft ... Als wär' ich schon
Gestorben – und die sanfte Sonne dort
Blickt' in ein Paradies von Seligen –

(Jubelnd, beide Arme ausstreckend, indes der ferne Gesang der Bettler leise beginnt »Christ ist erstanden« usw.)

O Schwester Sonne, sei gegrüßt! Seht hin:
Der Berg belebt sich mit den Seligen!
Sie kommen, laufen, schweben auf den Hügel,
Sie haben mich erschaut – o tausend Kinder,
Willkommen, Kinderlein, im Himmelsgarten!

Viele Bettler jedes Alters und Geschlechts füllen in immer wachsendem Gewoge die ganze Bühne, das Osterlied singend (wie im ersten Akt).

Alle Bettler

(in brausendem Ruf)

Heil, Frau Elisabeth! Heil, Kaiserin der Armen!

Elisabeth

(glückselig zwischen ihnen einhergehend, Hände schüttelnd, Köpfe streichelnd, von ihnen am Gewande geküßt)

Meinhardus – Elsbeth – Gäste von der Wartburg
Aus Rosentagen – seid ihr auch gekommen?
Dank, Dank, ihr ehrt mich! Freunde, schaut empor:
Der Himmel hat die Rosen angenommen,
Die ihr mir einst am Wartburghang geschenkt:
Der ganze Himmel ist voll Rosenglut!
Schnell, Jutta, Eisentrud! Dort harren schon
Die Wagen, hochgefüllt mit Brot und Kleidern –
Teilt aus! Laßt sich das Volk in Reihen lagern!

(Die Bettler ziehen sich nach und nach teilweise hinter die Szene zurück! man hört geschäftiges Hin- und Hereilen; Jutta und Eisentrud ordnen und befehlen. Der Himmel steht in hellem Rot.)

So hat mich Gott gesegnet, Vargila:
Das Brot, das einst ich im Gewande trug,
Hat sich vertausendfacht – seht: kommt auf Wagen!
Und statt der Kinder, die mir Gott gegeben,
Bin ich die Mutter dieser Tausende
Und – –

(Sie erblickt plötzlich die Ankommenden: Bischof von Bamberg mit den drei Kindern, Gärtner-Mönch mit Rosen und Lilien; sie erschrickt heftig, stößt einen Seufzer aus: »Oh!« zittert und greift um sich, als wollte sie sitzen.)

Jutta

(herbeieilend, stützt sie, so daß sie sich setzen kann, und zwar mit geschloßnen Augen an einen Baumstamm gelehnt)

Es ist zuviel für sie ... Zweimal empfing
Sie schon die letzte Ölung, sagt die Frau –

(Die Bettler kommen nach und nach wieder auf die Bühne, ängstlich nach Elisabeth blickend.

Eisentrud

(zum Bischof)

Niemand mag essen – Schauer geht durchs Volk –
Sie sagen, ihre Herrin sterbe – seht,
Ich konnte sie nicht halten –

Bischof

(ebenso gedämpft)

Laßt sie!
Die Leute sind so scheu und still – kein Kaiser
Stirbt wie die Bettlerin Elisabeth!

Elisabeth

(erwacht wieder, matt)

Bringt mir die Kinder ...

Gärtner-Mönch

(kommt mit den drei Kindern, den Strauß von Rosen und Lilien in der Hand, legt die Blumen hin, zieht das Käppchen, weist auf die Kinder und auf die Blumen)

Ich bring' Euch Blumen, liebe Frau, sorgsam
Gehegt –

Elisabeth

(matt lächelnd)

Hab' Dank ... Ich habe Blumen lieb ...
Habt ihr vor eurer Mutter Angst? Kommt, Kinder!

(Sie schmiegen sich an sie.)

Gott, Gott, verzeih' mir! Ich kann meine Kinder,
Die süßen drei, nicht aus dem Herzen streichen!
O Gottesblumen! O ihr süßen Kleinen!

(Küßt sie in stürmischer Zärtlichkeit, sinkt dann matt und glücklich lächelnd zurück; viele weinen. Kleine Pause.)

Ich hör' ein Weinen – um wen weint man, Freunde?

Jutta

Um Euch, geliebte Frau!

Elisabeth

(heiter, aber matt)

Bin ich denn nicht
Ganz glücklich? Seht mein Auge an: erspäht ihr
Noch eine Träne drin?

Bischof

(der selbst über die Augen fuhr)

's ist Menschenart,
Schwester Elisabeth, sie weinen um
Dein Los –

Elisabeth

Mein Los?

Bischof

Dein vieles Herzeleid.

Elisabeth

(heiter)

Mein vieles Herzeleid? Ei, Freunde, soll ich
Zu guter Letzt noch schelten? Bin ich nicht
Von allen, die hier sind, die Heiterste?
Segnet mein Leid, ich bitt' euch! Denn mein Leid
War meinem Geist als Nahrung unerläßlich:
Ihr seht, mein Geist gedieh davon und wurde
Ganz heiter, ganz gesund!

Eisentrud

Doch Euer Leib
Ist aufgezehrt, ist nur ein Schattenbild –

Elisabeth

(langsam, sinnend)

Ich hab' den Leib für nichts geachtet – ja –
Ich tat vielleicht darin zu viel ... Doch sah ich
Die Menschen gar zu sehr des Leibes pflegen:

(deutlich)

Drum trieb's mich, euch zu zeigen, daß ihr nicht
Der Schwere dieser Welt gehorchen dürft ...
Ich bin euch allen gut ... Die Menschen sind
Nicht bös, sie sind nur arme Irrende ...
Nehmt euch der Kinder an ...

(Sie küßt sie zärtlich und gibt sie ab an Jutta.)

Jutta

(aufweinend, die Kinder übernehmend)

Wie soll ich's tragen,
Frau, liebe Herrin, wenn Ihr nicht mehr seid?!

Elisabeth

(reckt sich hoch auf, fast feierlich)

Wer sprach da »nicht mehr seid«?! – Wer hat so schlecht
Von mir gelernt?! – O Jutta, du? – Jutta:
Ich war der leise Schall von einer Stimme,
Die auf der Welt ein Wort sprach – und verging.
Das Wort ist freilich nicht mehr da, doch hallt es
In vielen Herzen nach – und all die Herzen
Verwandeln das vernommene Wort in Tat –
Und neue Tat ruft neue Worte wach –
Und immer weiter – immer herrlich weiter –
Bis diese Erde ganz voll Gottes ist!

(Immer verzückter)

Erhebt mich! Ich will stehend den Herrn empfangen!

(Sie steht zwischen Jutta und Eisentrud)

Gesandtschaft kommt, mich abzuholen – seht –
O Licht, das viele Licht! Mir der Gesang,
Der allen Raum schier unaussprechlich füllt?
Ich nehm's in Demut an! Und diese Rosen,
Die du mir herhältst, Heiland, sind sie mein?

(Wie ein Kind)

Und ich darf kommen –? Kann man denn auf Luft gehn?
Ich sinke ja – –

(Jubelnd)

Ja, Herr, –

(Stößt die Dienerinnen weg, breitet jubelnd beide Arme aus)

– ich komme!!

(Sinkt tot in sich zusammen, wird langsam von Jutta und Eisentrud umgelegt. Der Bischof tritt herzu, legt die Blumen auf ihre gefalteten Hände und macht über die Tote feierlich das Zeichen des Kreuzes, während das Lied gedämpft einsetzt: »Alleluja! Alleluja!«)


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