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Ich glaube gleich beim Eingang zu diesem Aufsatz ohne weiteren Beweis annehmen zu dürfen, daß die Seichtigkeit der Schauspiel- sowohl als Romanen-Dichter unter uns, zu einer Größe gediehen ist, bei der sie sich mit dem Kredit, den sie findet, nur bei einem Publikum erhalten kann, das sich jetzt über gewisse Prachtphrases, Mode-Bilder und Mode-Empfindungen verglichen, und dahin vereint zu haben scheint, den Wert oder Unwert einer Schrift bloß nach dem Grade der Näherung an jenes Konventions-System zu bestimmen. Die Gabe das Kapital von Bemerkungen über den Menschen zu vergrößern und eigne Empfindungen mit dem verständlichsten individualisierenden Ausdruck zu Buch zu bringen und dadurch auch noch Männer zu unterhalten, die jenes System nicht kennen, und mehr als transzendente Setzer-Künste von einem Schriftsteller verlangen, scheint von Tag zu Tag mehr zu erlöschen. Und was Wunder? die hellsten Köpfe unserer Nation, Leute von Welt und Erfahrung lesen nun, nachdem sie sich so viel hundertmal betrogen gefunden haben, die neuen Produkte dieser Art gar nicht mehr, und die Beurteilung, Anpreisung und Vergötterung derselben ist größtenteils in den Händen von Ex-Primanern, die jenen Werken ihre erste Form sowohl als nachherige Ausbildung zu danken haben, und von Leuten, die die Welt so wenig kennen, als die Welt sie. Das Makulatur von heute rühmt das Makulatur von gestern, und Pfefferdutten-Kredit gründet sich auf Pfefferdutten-Lob. Steht irgend einmal ein Kenner in einem Journal oder einer Zeitung, die in höheren Wissenschaften Kredit hat, auf, und redet die Wahrheit, so nennt es die Menge in stolzer Bequemlichkeit, Intrigue der Stechbahne oder gelehrte Pedanterei oder altkluge laudes temporis acti. Vox populi heißt auch hier vox Dei und Buchhändler-Absatz der Maßstab für innern Wert. Es hat sich nämlich in unsere Schauspiele sowohl als Romane und Gedichte (ich rede hier von der bei weitem größeren Anzahl) eine gewisse Gradus ad Parnassum-Methode eingeschlichen, eine schlaue den Ohren der Zeit angepaßte Logodädalie und Versetzungs-Kunst des tausendmal Gesagten, die die Lesegesellschaften in Erstaunen setzen, aber jeden wahrhaften Kenner des Menschen mit unbeschreiblichem Unwillen erfüllen. Hierzu trägt wohl freilich die Leichtigkeit, womit wir im 20ten Jahr schon so vielerlei Kenntnisse sammeln können, nicht wenig bei. Durch die Gewohnheit immer süße Lehre leicht zu empfangen, erschlappt bei den meisten das Talent selbst zu suchen. Sie sehen daher in allen Dingen gemeiniglich nur, was sie schon wissen. Empfehlung vertritt die Stelle von eigner Prüfung, Nachschlagen von Nachdenken und Ansehen die von Würdigkeit. Unglückseliger Weise sind die Werke, worin der moralische Mensch, oder nur gewisse Seiten desselben gut entwickelt liegen, so äußerst selten, und weil auch bei den wenigen noch scharfe Beobachtung seiner selbst und Zusammenhaltung mit sich selbst nötig ist, und die Stelle der Zeichnungen vertreten muß, so werden sie so äußerst selten gelesen und verstanden, daß ihr Einfluß auf unsere jungen schönen Geister nur sehr gering ist. Man schreibt daher leichter Romane aus Romanen, Schauspiele aus Schauspielen und Gedichte aus Gedichten, ohne im Stand zu sein oder auch nur den Willen zu haben, die Zeichnung endlich einmal wieder mit der Natur zusammen zu halten. Törigt affektierte Sonderbarkeit in dieser Methode wird das Kriterium von Originalität, und das sicherste Zeichen, daß man einen Kopf habe, dieses, wenn man sich des Tags ein paarmal daraufstellt. Wenn dieses auch eine Sternische Kunst wäre, so ist wohl so viel gewiß es ist keine der schwersten. Mit etwas Witz, biegsamen Fibern und einem durch ein wenig Beifall gestärkten Vorsatz sonderbar zu scheinen, läßt sich eine Menge närrisches Zeug in der Welt anfangen, wenn man schwach genug ist es zu wollen, unbekannt genug mit wahrem Ruhm es schön zu finden, und mäßig genug es auszuführen. Was kann endlich daraus werden? Nichts anders, als man malt den Menschen nicht mehr, wie er ist, sondern setzt statt seiner ein verabredetes Zeichen, das mit dem Original oft kaum so viel Ähnlichkeit hat, als manches heraldische mit dem seinigen. Solche Schriften lassen sich freilich lesen, ja ich will nicht leugnen, daß ein schlauer Kopf sogar eine gewisse Art von Kunst darin anbringen könne, die einem andern Kopf von ähnlicher Schlauigkeit Vergnügen machen und daher eines gewissen Grades von Vollkommenheit fähig sein kann. Aber das Ganze bleibt doch allemal eine erbärmliche Plackerei, die weder dem Mann von Geschäften noch dem Ausländer gefallen kann, wie die Proben, die man mit einigen unserer berüchtigtsten hat machen wollen, sattsam gelehrt haben. Mancher der wohl fühlt wo ihn der Kothurn und Soccus drückt, wirft sich, wie man zu sagen pflegt, daher in das Fach der weinerlichen Liebe, wo sowohl ihm als dem Leser, jedem nach seiner Art, das quod natura omnia animalia docuit zu statten kommt, jenem das Schreiben so wie diesem die Selbstvergleichung erleichtert, und beiden ihren Mangel an Einsicht nicht fühlen läßt. Ein jeder, wenn er über das 16. Jahr weg ist, hat schon seine Beobachtungen hierzu gemacht, und findet sich und seine Schöne im Schauspiel und Roman, so wie der Verliebte jedes Mädchen auf ein paar hundert Schritte für die seinige hält. Was er noch nicht gefunden hat, das lernt er finden, und was er noch nicht ist, das wird er. Wo ein Volk einmal aus Mangel an Geschmack und an Kenntnis des Menschen von andern Seiten, so weichlich geworden ist, daß es nur allein für Werke dieser Klasse Gefühl hat, und nur Schriftsteller die die Heimlichkeiten ihrer Jugend unter dem Kredit des reifem Alters auf diese Art ausplaudern, für Seher zu halten anfängt, da geht es Fall auf Fall. Denn wohin kann ein solcher Trieb nicht führen, wenn ihm, wie bei uns, jeder Bube der seinen Siegwart halten kann, unter dem Kredit des sichern Zeichens eines auserwählten Gefühls und der bereits geschehenen Einweihung in die innersten Mysterien der Natur nachhängen zu müssen glaubt. Daher entstehen die häufigen Vermählungen von warmen Herzen mit leeren Köpfen, und durch jede wird entweder ein sogenannter liebenswürdiger Schriftsteller, oder ein sogenannter menschenfreundlicher, liebevoller Leser. Denn unter allen Verbindungen von Mängeln und Vollkommenheiten der menschlichen Seele ist, wenn mich meine Beobachtung nicht ganz trügt, grade die eben genannte diejenige, bei der man mit der größten Leichtigkeit schreibt, und mit der größten Toleranz liest. Der Beifall eines entnervenden Buchs kann daher leicht epidemisch werden, der von einem in die Seele redenden, stärkenden ist allezeit gering. Ein alter Weiser Arkesilas der Akademiker. hat schon gesagt aus jedem Mann läßt sich ein Kastrat machen, aber aus keinem Kastraten ein Mann.
Aber das ist bei weitem noch nicht alles. Man liest nicht allein Bücher mit Vergnügen, die von Kenntnis leeren Köpfen herrühren, sondern man rühmt sogar an ihnen den Mangel an reellen Kenntnissen, oder doch an Büchern. Das ist alles mögliche. Ich weiß hierauf nichts zu erwidern, als daß eben dieser Mangel Ursache ist, warum die wenigsten von Leuten gelesen werden, und werden können, die etwas mehr sind als Faulenzer wie sie, Unwissende wie sie, und Kraft-Barden wie sie. Sie selbst fühlen dieses für ihre Personen, aber für ihre Werke wollen sie es nicht fühlen. Sie vermeiden den Umgang von durchschauenden Köpfen aus Furcht entdeckt zu werden, die durchschauenden Köpfe entdecken das alles in ihren Werken, und weil diese mit Büchern keine Komplimente machen, so vermeiden sie sie – in der Stille. Ich bin daher überzeugt, die Kredit-Skale unsrer schönen Schriftsteller würde größtenteils umgekehrt werden, wenn die Männer anfangen wollten zu reden, die immer aus Bedachtsamkeit schweigen, und hingegen die jungen warmen Herzen schweigen wollten, die jetzt aus Unverstand sprechen. Ist es nicht eine seltsame Verblendung in diesen Geschöpfen, daß sie auf ihr eigenes unreifes Gefühl hin, ihre Helden der Zeit und der Ewigkeit empfehlen zu können glauben, sie, die nicht im Stande sind einen vernünftigen Mann eine Viertelstunde zu unterhalten? Indessen alles hängt doch bei ihnen zusammen. Sie schimpfen auf Voltairen, Popen und Wielanden, sogar gegen Milton habe ich einige murmeln hören. Mein Gott! Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buch? Daß doch diesen würdigen jungen Männern, die einmal für allemal einsehen müßten, daß wenig dazu gehört klüger zu sein als sie, nicht ein einziges Mal einfällt, daß, um einzusehen wie leer ihre Götzen sind, man vielleicht bloß klüger sein dürfe als sie! Milton war einer der gelehrtesten und tätigsten Männer seiner Zeit. Aus seinem verlornen Paradies hätte Newton Ideen schöpfen können, wenn er sie nicht gar daraus geschöpft hat. Selbst die Leber-Reime eines solchen Mannes müssen dem Ausländer und dem Manne von Geschäften gefallen. Was aus einem solchen Kopf kommt, darf sich auch nicht schämen zu einem ähnlichen Kopf hinzugehen. Sein Werk gleicht den Werken der Natur. Dort hängt der silberne Mond am blauen Firmament, dem entzückten Säugling auf den Armen seiner Wärterin, darnach zu greifen, dem einsamen Wanderer zu leuchten und Eulern und Mayern seine Bahn zu bestimmen. Beattie zitiert den Milton so wie er die Natur zitiert, und glaubt mit der Natur zusammen zu treffen, wenn er mit ihm zusammentrifft, alles dieses ist dem Schüler noch verborgen, der sein Auge an dessen Bildern weidet, oder der mit Entzücken die unerreichbare Harmonie seiner Verse hört. Man vergleiche nun die Werke seiner meisten Nachahmer mit ihm. Der Säugling greift darnach, der Wandrer tappt dabei und Euler und Mayer lassen sie liegen. Es ist da keine Beschäftigung für sie. Manche Dichter unter uns werden daher nur von gewissen Dichtern gelesen. Daß man so schreiben könne, daß jeder etwas in einem Werk findet vom Schüler bis zum Philosophen und dem Weltmanne hinauf, darf ich wohl nicht erweisen, die Natur macht alle ihre Werke so, allein der Mann der das tun will muß kein einseitiger Tropf sein. Er muß reich genug sein an Bemerkungen, eine hinzuwerfen auch wo er nicht gewiß ist ob sie gleich gefunden werden wird, und Goldstücke hinzugeben mit einer Miene, aus der sich gar nichts auf den Gehalt schließen läßt: und nicht wie unsere Prächtigen, rote Heller mit einer Majestät zurück schmeißen, daß, wer bloß die Miene sieht denken sollte es wären Goldstücke. Unserer kritischen Jugend sind dieses noch Geheimnisse. Vorpredigen hilft hier schlechterdings nichts. Es kommt nicht auf den Beweis von ein paar Sätzen an; die warme Jugend muß vernünftiger werden. Ich sehe daher mit Vergnügen jetzt einen Geschmack an vernünftiger Naturgeschichte, die mehr als Namen-Register, und an Physik, die mehr als Taschenspielerkunst ist, aufleben und mit ihm Beobachtungsgeist und Aufmerksamkeit auf sich selbst und die Natur. Nehmen diese mehr überhand, so mögten die Dichter-Stände im Tempel des deutschen Ruhms ziemlich leer werden, und mancher, der jetzt die Ewigkeit in stolzer Ruhe abwartet, sich genötigt sehen wieder vor die Türe zu tretten. Allein was wäre dann mit den jungen Posaunern und Speichelleckern anzufangen, die ihre Helden so schändlich getäuscht haben. O die läßt man unter ihrem eignen wertesten Namen stehen. Sich in einen Ochsen verwandeln ist noch kein Selbstmord, obgleich nicht geleugnet werden kann, daß es schon ziemlich viel ist.
Allein bis die Zeit kommt, da die Jugend selbst in die Werkstätten gehen kann, so sehe ich nicht ein wie man ihnen leichter nützliche Begriffe beibringen könne, als durch den Weg eines Orbis pictus. Nämlich durch ein Buch, worin man ihnen allerlei Bemerkungen über den Menschen vorsagte und vorzeichnete, wodurch sie, wenn sie doch ohne die Werkstätten besucht zu haben fortschreiben wollen, (und dieses unterlassen sie sicherlich nicht) in den Stand gesetzt werden, alles mehr zu individualisieren, und auch in einer einfältigen Geschichte doch wenigstens die Illusion so weit zu treiben, als unter diesen Umständen möglich ist. Ein anderer Vorteil eines solchen Buchs wäre dieser, der junge Schriftsteller (ich rede jetzt bloß von dramatischen und Roman-Dichtern) würde desto mehr aufmerksam auf sich und andere gemacht, je minder gemeinplatzartig die Bemerkungen an sich wären, und lernte, das, was täglich durch Augen und Ohren in ihn strömt mehr apperzipieren, und erwachte wohl endlich in sich selbst. Ich bin aus vielfältiger Erfahrung überzeugt, daß mancher schlechte Schriftsteller ein sehr guter hätte werden können, wenn er sich, so wie er war, zu nutzen gewußt hätte. Viele beliebten Schriftsteller unter uns haben auch ihren Kredit nicht sowohl ihrem absoluten Wert zu danken, als vielmehr der Schlauigkeit, ihre Wenigkeit vorteilhaft zu präsentieren. Die meisten Menschen sind bessere Beobachter, als sie glauben und kennen den Menschen besser, als sie wissen, es sind nur die falsch verstandenen Vorschriften anderer die sie irre führen. Sie machen selbst von diesen Kenntnissen häufig Gebrauch, allein gemeiniglich nur im Handel und Wandel. Sobald sie die Feder ergreifen, so ist es als wenn der Unsegen über sie käme, und das gemeiniglich desto stärker, je mehr sogenannte schöne Lektüre sie haben. Sie fangen alsdann augenblicklich an ein Gala-Deutsch zu sprechen und alles ist so festlich und buchmäßig, daß gar nichts drüber geht. Wenn sie das ganze Jahr mit ordentlichen, natürlichen Zügen einher gegangen sind, so fangen sie nun so süß und selig an zu schmunzeln, wie alte Jungfern wenn sie sich malen lassen sollen. Es geht ihnen wie jenem Kammermädchen, die, unter ihresgleichen, sich ruhig überlassen, ganz reines Deutsch sprach, aber immer Klopfstock und Trepfe sagte, sobald sie vornehm reden wollte. Einem Werk also, das bei verschiedenen Ständen im menschlichen Leben, nicht bloß in Regeln lehrte, sondern durch Beispiele zeigte, worauf man zu achten hätte; eine Menge von Bemerkungen selbst enthielte, keine allgemeine, leere Silhouetten auf die sich in unsern neusten Werken fast alles allein einschränkt, sondern Züge und Farben, die der Silhouette Bestimmtheit und Leben geben, könnte, sollte ich denken, der Nutzen nicht fehlen. Ja der dramatische und Roman-Dichter könnte solche Züge ungescheut nützen, so wie der Chirurgus oder Manufakturist die Entdeckungen des Physiologen und des Chymisten. Dieses wäre kein Plagiat, was man so aus der Natur nimmt, ist nicht gestohlen, die Ehre es in den gefälligsten Plan zu ordnen und zum Nutzen der Welt anzuwenden bleibt ihm ohnehin, so wie die Schande des Mißbrauchs. Schwer wäre es allemal ein solches Werk zu verfassen. Vielleicht hat Horaz mit seinem berühmten difficile est proprie communia dicere nichts anders gemeint als eben dieses; dem abstrakten Charakter einer gewissen Gattung, der sich zum Teil schon mit dem Wort erlernt, alle die Bestimmtheit, Individualität und Wärme vermittelst gewisser Zusätze durch plus und minus zu geben, die sich nicht anders als durch genaue Beobachtung und nähere Kenntnis der Welt finden lassen. Horaz mag indessen gemeint haben, was er will, so macht man den Einsichten desselben wenigstens durch diese Deutung seiner Worte so lange keine Schande, als man wegen des difficile einig ist. Und dieses ist hier der Fall.
Die Beobachtung der geringern Klasse von Menschen, die jedem frei steht, erleichtert aber doch auch von der andern Seite die Sache wieder. Ja ich glaube daß sich die höhern ohne Kenntnis der niedrigen nicht einmal gut beobachten lassen. Die Klasse des Pöbels enthält die Originale zu unsern Versteinerungen der höhern Welt. Niemand wird hoffentlich solche Bemühungen lächerlich finden, da ohne Beobachtung fortzuschreiben nicht für lächerlich gehalten wird. Hier einmal wieder hinzusehen, ist, dünkt mich, was es auch sein mag, gewiß nicht unnützer, als nach Griechenland zu reisen und das heilige Grab der schönen Künste zu besuchen.
Ich gebe hier unsern Lesern unter Herrn Chodowickis Beistand eine Probe, wie ich glaube daß ein solches Werk abgefaßt werden müsse um nützlich und lehrreich zu sein. Das Was an sich selbst ist unerschöpflich, und dieses müssen unsere Leser nicht aus diesen Proben schätzen wollen. Ich habe einen guten Vorrat von Bemerkungen liegen. Erhalten diese Beifall und sind sie nicht ohne Nutzen so sollen die andern künftig nach und nach alle folgen, und zwar so: Ich werde nur das sagen, was ich selbst beobachtet habe, und Herr Chodowiecki wird zeichnen was Er beobachtet hat. Er wird sich so wenig nach mir richten, als ich mich nach ihm, ausgenommen, wo ich seine Zeichnungen erkläre. Hieraus erwächst unserm Publikum der Vorteil: Sollten meine eignen Bemerkungen schlechterdings nichts wert sein, so wird man mir es doch hoffentlich Dank wissen, daß ich diesen großen Meister bewogen habe seine eignen Beobachtungen nach und nach in unsern Blättern der Welt vorzulegen, nach einem Plan, nach welchem sein, soviel mir bewußt ist, noch nie erreichtes Talent auch in den kleinsten Figuren Seelen darzustellen, lehrreicher erscheinen muß, als in manchem geistlosen Roman, zu dessen Illumination man ihn bestellt hat. Wäre ich so glücklich hierdurch auch nur einige unserer jungen Schriftsteller zu bewegen, nur erst ein Zehenteil ihrer Empfindelei gegen Hang zur Beobachtung umzutauschen, so hoffte ich bald das zweite und dritte und endlich gar alles zu bekommen. Denn, ich wiederhole es noch einmal, ohne sich und andere zu beobachten und zu kennen, und das Erkannte so bestimmt sagen zu lernen, daß man die Wahrheit, Neuheit und Individualität der Bemerkung auch durch das abgeschliffenste Wort erkennt, dürfen sie keinen Anspruch auf wahren Ruhm in diesem Fache machen. Kein Mensch der nicht, so zu reden, jedermanns Heimlichkeiten zu sagen weiß, sollte sich an einen Roman oder ein Schauspiel machen. Ich sage hiermit nicht, daß er es alsdann sollte oder könnte, wenn er dieses kann, sondern nur, daß er es ohne diese Gabe nicht kann. Auch wird ihm ohne diese Gabe alles Lesen der Alten und Neuern nichts helfen. Denn wie kann er nützen, was er nicht wahr findet, und wie kann er wahr finden, was er nicht mit einem sicher erkannten Original, es sei nun er oder sein Nächster zusammen zu halten weiß. Daher rührt es, daß Leute, die Ihren Homer immer studieren, Ihren Ossian immer in der Tasche haben und Ihren Horaz auswendig wissen, wann sie selbst zu schreiben anfangen, schreiben, als hätten sie es aus Ihrem Hübner oder aus Ihrem politischen Redner gelernt. Seinen Homer studieren, ist überhaupt eine Redensart, bei der mich allemal ein heimlicher Unwille anwandelt, sie ist das rechte Losungswort der Galanten, Prächtigen, denen im Herzen nichts über einen Musenalmanach geht. Seinen Homer? Ja ich glaube fast was mancher studiert, ist Sein Homer: der gesprächiche erfahrungsvolle Alte, verstellt und verzerrt durch das brechende Mittel des stockigen unerfahrnen Krafthasen der ihn studiert, und so hat freilich jeder den seinigen. Zum Beschluß nur ein paar Worte, zur Überzeugung auch derjenigen, denen Raisonnement nicht schmeckt. Von Shakespears und Fieldings Wert sind glaube ich auch diejenigen überzeugt, von denen sie nicht deutlich erkannt werden. Allein was taten Shakespear und Fielding? Bei den großen Talenten und Erfahrungen die vielleicht im Jahrhundert nur Einem zu Teil werden, fing jener an Schauspiele und dieser Romane zu schreiben, in einem Alter, in welchem unsere Helden, aus Verdruß über ihre mißlungene Unternehmungen sich in das Häusliche zurückziehen müssen, für welches sie vielleicht allein geboren waren. Was die Ausführung unsers Vorhabens selbst betrifft, so sehe ich freilich voraus, daß wir uns mancher Deutung aussetzen werden. Wir können aber aufrichtig versichern, daß wir nie auf einzelne Personen Rücksicht nehmen wollen. Kaffeeschwesterliches Gezischel muß sich indessen, so wie das deutende Gemurmel der sich immer getroffen findenden hochmütigen Schwäche jedermann gefallen lassen. Es ist unmöglich die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne hier einen Bart und dort ein Kopfzeug zu versengen, und verdrüßliche Auslegung von Satyren muß man immer erwarten, so lange man die Gegenstände dazu nicht aus dem alten Testament nimmt.
a) männliche
A) Probe von Bemerkungen für den Dichter
Die Bedienten, worunter ich alles verstehe, was wenigstens zuweilen Livree trägt oder tragen sollte, von dem nettsten Kerl an, der seine Bildung hinter den Stühlen des ersten Speisesaals der Welt empfangen hat, bis zu dem ungehobelten Bauerjungen, der noch im Kamisol mit Aufschlägen das Apportieren lernt, sind nicht die letzten Menschen auf die der Dichter zu sehen hat. Es ist diejenige Klasse, bei der Kopf und Schwanz im Zirkel der menschlichen Gesellschaft einander fassen, und unter deren Einfluß gemeiniglich diejenigen wieder mehr oder minder stehen, die sonst keine Befehle erkennen. Die langen Arme der Großen, sich selbst überlassen, sind daher bei weitem nicht so furchtbar, als die verzwickten kurzen ihrer Kammerdiener. Sie sind daher in Schauspielen und Romanen vortrefflich zu gebrauchen, Streiche durchzusetzen, wo viel Kraft mit Unverstand nötig ist. Ein Zement in der Verbindung von Begebenheiten, das alles zusammenhält, was sonst nicht halten will. Schreiben kann man gemeiniglich über sie, was man will, denn sie lesen und rezensieren entweder nicht, oder sie machen sich eine Ehre daraus. Verweis, wenn er nur ihre Wichtigkeit zu erkennen gibt, ist ihnen lieber als Lob, oder vielmehr allein Lob. In einem gewissen Alter wenigstens. Fehlen können heißt bei ihnen independent sein, und was ihre Herrschaft nicht erfährt, so viel als hätte sie es zugegeben. Sie rühmen sich daher immer unter einander ihrer Unordnungen, und wenn sie keine begangen haben, so werden sie erdichtet. Der Keller und die Dame vom Haus sind die wichtigsten Gegenstände, die Küche und die Kammermädchen die nächsten. Wer das nicht tut ist ein Knasterbart oder ein Pinsel etc.
Sie sind mehr oder minder immer die Spiegel ihrer Herrschaften. Die Alten gleichen ihnen oft völlig. Der Koch des Pompejus sah aus wie Pompejus, und ich habe einen ähnlichen Fall gesehen. Es läßt sich nur schwach erklären, aber es ist wahr. Im Gehen, Stehen und Tun haben die jungen Hofleute, leichtsinnige Spieler, junge Nachtschwärmer und Räuber der Unschuld, die feinsten. Unter ihresgleichen sind diese ihre Herrn völlig, nur muß man sie nicht sprechen hören. Hier bleiben sie zurück, und was bei der Herrschaft bloß Mangel an Kenntnissen ist, zeigt sich bei ihnen bis auf die Sprache. Dieser Hauptartikel wird in Schauspielen und Romanen äußerst vernachlässigt und stört oft alle Illusion. Die alten treuen Bedienten, sind da gemeiniglich geschwätzige weinerliche Moralisten, und die jungen untreuen sprechen wie Leute von Stand, die sich mit affektierter Herablassung ein paar Stuffen von Liederlichkeit hinunter stellen. Machen nicht junge Kavaliere den schleppenden Postillion mit schmierigem Stiefel, klirrendem Sporn und unsymmetrischer Frisur? das machen die Bedienten auch freilich und wohl natürlicher. Allein im Sprechen steigen sie aufwärts, so wie der Herr in Handlungen herunter, aber mit sehr ungleichem Glück.
Sie fangen ihre Perioden oft mit sondern an: sie sagen vielmehr, wo keine Vergleichung, und teils wo es keine Teilungen gibt, vergessen also auch das zweite. Mancher sagt erstlich, gleich drauf drittens und viertens und dann zweitens, dieses hat Shakespear genützt. Man wird mir hoffentlich nicht vorwerfen, daß dieses den Bedienten nicht allein eigen sei. Ich weiß dieses, ich bringe es aber unter ihre Klasse, weil sie es auch tun, und ich mich künftig mit ähnlichen Klassen nicht viel abgeben werde. So etwas ganz in einem Charakter durchsetzen, tut eine unglaubliche Würkung, aber es ist sehr schwer und erfordert viel Erfahrung. Fieldings Partridge ist hierin das größte Meisterstück, das ich kenne. Ich gebe daher noch einige Beispiele, alle aus eigner Beobachtung.
Die Feinen unter ihnen wissen ihre Ausdrücke oft auf eine eigne Art zu reinigen. Es ist jetzt sehr viel Unkot in dem Gäßgen, sagte einmal einer, mit einer Miene, mit der er selbst das schon gereinigte Unkot noch mehr säuberte.
Er ist immer außer sich bei solchen Gelegenheiten, warf ein Herr seinem Bedienten vor. Erlauben Sie gehorsamst, war die Antwort, ich hatte würklich meine ganze Abwesenheit beisammen. Er fängt an mit: will ich sagen und in der Hitze des Vortrags spricht er: sagt ich. Die gemeinen Leute in England, wenn sie etwas erzählen füllen alles mit says I, und says he an.
Subtile Verwechselungen: Er hat noch kein Blut gerochen, (statt Pulver.) Er hat ihn blutdürstig geschlagen; ein totaler Feldzug; die Garnison ist geräumt worden, ohne allen Respekt zu sprechen, statt mit Respekt. Da nun, wo Gott für sei, der Fall geschehen ist usw., auch gröbere die genutzt und nachgeahmt werden können. Seine Füße hatten keine Portion zum Körper. Die königliche Sozinität zu Berlin, sagte einmal der Bediente eines Gelehrten etc.
Bringt desto mehr Französisch an, je weniger er weiß, und ist es nur ein Wort, so kommt es sehr oft.
Mein Herr, sagen sie von ihrem Herrn wenn sie nicht bei ihresgleichen sind, unter sich sagen sie bloß Meiner. Meiner hat heute wieder gebrummt; meiner schläft noch. Zumal ist dieses unter den Deutschen gebräuchlich. Ob es wohl ein Zeichen von deutschem Freiheitsgeist ist? Unser kommt ebenfalls häufig vor. Ach! unser Hut ist gestern in die Gosse gefallen, sagte ein Junge von dem Hut seines Herrn, der die Familie viel gekostet hatte. Zuweilen heißt auch Wir nur so viel als meiner. Wir müssen bald heiraten, sonst gehts nicht gut.
In ihren Suffixis sind sie gemeiniglich sehr umständlich und unglücklich: Sie sagen Mitleidigkeit, Interressantigkeit, Melancholichkeit und endigen auch wohl gar um sicherer zu gehen in ungichkeit. Sie haben verschiedentlich eine dunkle Vorstellung von unsrer hohen Prose und nennen es vornehme Gedanken, gravitätische Redensarten und reputatische Wörter.
Übrigens gibt es unter ihnen Staatsleute, Juristen und Theologen, so gut als Jäger und Läufer, und jede Klasse hat wieder ihre eigne Mischungen. Regierende, Steigende, Fallende, Abgedankte, Dienstsuchende alles Ihr Gnaden und Hochwohlgeboren Nennende und sich immer Bückende, das sichere Zeichen, daß der schwankenden Staude die stützende Stange gebrochen ist; Schmierige und Kerls, wie die Engel, denen man die Vertraulichkeit mit der Dame ansieht; junge noch unabgerichtete Pudel und alte treue Familienstücke, die nur zum Totfüttern im Gesindestall stehen; lange aufgeschossene Don Quixote, mit geerbter oder ertrödelter Livree, die ihnen immer zu weit und zu lang oder zu enge und zu kurz ist; fette Hammel unter geputzten Schäfchen mit Berlocken etc.
B) für den Schauspieler
Er liest gern Federn vom Hut, und hascht Fliegen wie ein Sterbender, dreht den Hut vor dem Nabel wie eine Windmühle. Dieses muß sparsam gebraucht werden.
Poliert Knöpfe mit dem Rockärmel, oder bürstet den Hut damit, oder einen Ärmel mit dem andern, oder eine Wade mit der andern.
Überhaupt hält er viel auf Beine und Waden, weil eine Tradition unter ihnen ist, daß einige dadurch ihr Glück gemacht hätten.
Macht sich, wenn er bei Geringern ist, mit ausgespreizten Beinen kleiner, als er ist und spricht wichtig. Dieses tun zuweilen sogar die Kurzen wenn sie bei Langen stehn.
Schlägt, wenn er seidene Strümpfe an hat, Stechfliegen mit großem Anstand auf den Waden tot.
Faßt seinen Kameraden in der Erzählung bei den Rockknöpfen. Stößt bei seinen Scherzen seinen Kameraden mit dem Zeigefinger in die Seite um ihm den Beifall und das Lachen zu erleichtern.
Zeigt gerne ein schönes Schnupftuch, und sieht nach gemachtem Gebrauch hinein, nach Art seiner schwindsüchtigen Herrschaft. Horcht an der Uhr die ihm doch immer zu geschwind geht, als wenn sie zu langsam ginge.
Der Hut verdiente bei ihnen eine eigne Betrachtung. Denn da die Art des Schnitts bei ihnen von dem Herrn abhängt, und die Art ihn gelegentlich zu setzen von ihnen selbst, so ereignet sich dabei oft der seltsamste Kontrast. Der Hut zu einer Domdechanten-Livree zugleich zum Staat und wider den Hieb, läßt niedlich wenn er alle die kleinen Nachlässigkeiten eines Wünschhütchens mitmachen soll. Übrigens muß er allezeit so sitzen, daß die affektierte geschwätzige Liederlichkeit zu viel Stirne, die affektierte stille aber oder der Hochmut zu viel Seite sehen läßt. Je stiller die Menschen sind desto mehr nähert sich der Hut der horizontalen Lage, und je weiser sie sind desto mehr tritt die Griffspitze desselben über die Nase.
Die größten Meister, die ich hierin gesehen habe, sind Garrick und Lewis in Coventgarden. Der erstere als Archer, in the Beaux stratagem und als Don Leon in Rule a wife and have a wife, und der letztere als Chapeau in den Cross purposes. Von Garrick als Archer habe ich im deutschen Museum einmal eine Nachricht gegeben. Als Don Leon verstellt er sich ebenfalls wieder zum Bedienten, macht aber nicht den Stutzer in Livree, sondern den unerfahrnen, unschuldigen Halb-Tölpel, der keinen Finger biegt so lange er neue Handschuhe an hat, mit parallelen Füßen einher schreitet, das moralische Gewicht seines Bortenhuts balanciert als wär es physisch, und überhaupt die Pracht desselben bis in die Schultern herunter zu fühlen scheint.
Ich kann nicht sagen ob dieses Stück auf das deutsche Theater gebracht ist, so viel ist gewiß, ein Schauspieler kann hier so viel Talent anbringen und Weltkenntnis zeigen als er nur immer hat, und wäre es auch noch so viel. Ich habe es nie gelesen, sondern nur ein einziges Mal aufführen sehen, habe es auch jetzt nicht bei der Hand. Ich gebe also nur kurz die Rolle des Don Leon aus dem Gedächtnis. Eine vornehme Dame, will zum Deckel ihrer Liebeshändel mit einem Grafen, einen schlechten einfältigen Menschen heiraten, den sie hernach, was das Schlechte betrifft, schon standsmäßig zu heben gedenkt, allein klüger will sie ihn nicht machen. Dieses steckt die Schwester des Don Leon ihrem Bruder, als eine vortreffliche Gelegenheit die reiche Dame zu erwischen, er gibt sich also unter vielen andern auch bei ihr an, und zwar unter der Maske eines unerfahrnen dienstlosen Bedienten. Er erscheint vor der Dame, die ihre Freundinnen bei sich hat, welche mit erkennen helfen sollen. Seine Präsentation ist kümmerlich, mit einem langen Stock, demütigem Rücken, und einer Blödigkeit die über alles geht. Wie er die Damen ansichtig wird, fällt ihm der Hut, und indem der gerettet werden soll, der Stock; auf einem gewixten Fußboden, wäre er wohl gar selbst hinten drein gefallen, Mangel an Gleichgewicht war hinlänglich da. Dieses war ein herrlicher Anfang für einen Deckel zu Liebeshändeln, zumal da der Tölpel nicht übel aussah. Er erhielt auch gleich Beifall. Komm küsse mich sagt die Dame. Dieser Befehl bringt ihn einen halben Schritt näher zur Türe, und sein Gesicht und Rücken über zwei Drittel von der Dame ab, und er unterhält sich, wie man leicht denken kann, indessen hauptsächlich mit seinem Bortenhut. Närrchen du mußt nicht blöde sein, ich will dir ja nichts tun, komm, küsse mich. Hierauf nähert er sich endlich, und sobald das schwere Geschäft vorüber ist, geht er heimlich froh nach der alten Stelle an der Türe und fährt in der Unterhaltung mit seinem Bortenhut fort. Dieses alles tat Garrick mit einer solchen Natur, daß man sich ganz darüber vergaß, und es mir unbegreiflich ist, wie ein so wohlgezogener ausgebildeter Körper wie Garricks solchen Vorstellungen gehorchen konnte. Weiter gehört eigentlich diese Rolle nicht hieher. Allein, da sie von vielen für eine der größten Künste dieses Mannes im Komischen gehalten wird, so will ich die Schilderung vollenden. Die Heirat wird richtig, und was wird da? der Tölpel verschwindet allmählig, so wie der Kavalier auskriecht, und Garrick schleicht wie die Geschöpfe im Nil-Schlamm, halb Tier und halb Erdenkloß, herum. Nicht mehr blöde aber submiß, billigt nicht alles aber gehorcht noch aus Erkenntlichkeit, ist noch oft stumm aber nachdenkend. Die Dame bemerkt dieses mit einer sehr zweideutigen Gemütsverfassung. Aber der Plan soll durchgesetzt werden. Sie kauft ihm eine Offizierstelle, und er soll nach Minorca. Auch das läßt sich die gute Seele gefallen. Allein einmal, da er mit seiner Dame spricht, hört man ein starkes Pochen in dem Nebenzimmer. Was ist das, mein Schatz? fragt die Dame. »Ich lasse die Spiegel und Bilder abnehmen.« »Warum denn das?« »Wir wollen sie mitnehmen« – »Warum denn mitnehmen, lieber Schatz, ich bleibe ja hier.« – Nun erhebt sich Don Leon mit unbeschreiblichem Anstand und liebreichem Ernst. Nein mein Engel, sagt er, wo ich hingehe da mußt du mit. Der Donnerschlag war freilich dem Grafen empfindlicher als der Dame. Er gebietet ihr drauf in die Nebenstube zu treten, und als ihr der Graf mit einem verächtlichen Blick auf den Bedienten in Uniform nachfolgen will, so besteigt er nun den Gipfel seiner Rolle und erscheint als Don Leon, stößt den Grafen zurück, setzt seinen Hut mit großer Würde auf und legt die Hand an den Degen. Fort, sagt er, dort hinaus liegt Ihr Weg Herr Graf, und zeigt ihm mit einem Kopfnicken die andere Türe. Das Stück endigt sich sehr vergnügt für die Dame, denn sie merkte nun daß sie einen Mann von Ehre geheiratet und einen Pinsel von Buhler verloren hat.
Chapeau in den Cross purposes ist grade das Gegenteil von dem verstellten Don Leon, und das höchste Ideal von raffinierter Bedientenliederlichkeit. Herr Lewis der ihn macht, und so ein Mann muß ihn machen, ist ein vortrefflicher Schauspieler, jung, breitschultrig und schön. Chapeau (es ist noch früh Morgens) geht in einem leichten fliegenden grünen Westgen, worunter noch ein seidenes ist, mit seidnen Beinkleidern, und weißen seidnen Strümpfen. Bei allen seinen Tritten sieht man, daß er die Augen des Geistes auf seine Figur gerichtet hat, die er meistermäßig zu tragen weiß, und fühlt wie schön er ist; er trinkt mit einem Laffen von Kameraden, der, wie er sagt, sich den Tee abgewöhnt hat, Chocolade, spricht in dem feinsten Hof-Englisch, unter kleinen Flickschwüren und Mode-Sentenzen der Spieltische, von Galanterien und hohem Spiel, schnupft mit gefälligem Leichtsinn, kommandiert die kleinen Pudel des Hauses, und er selbst hört indessen der Glocke seines Herrn, der ihm klingelt, mit einer Ruhe zu, als würde ihm ein Ständchen gebracht. Wehe der jungen Unschuld, wenn ein solcher Kerl zwischen ihr und dem Laster zum Unterhändler wird. Nächst Garricks Archer ist dieses das Vollkommenste, was ich in dieser Art gesehen habe. Ich breche hier diese Schilderung ab, man tut sich kein Gnüge und wird am Ende doch nur von denen verstanden, die es schon wissen.
C) Für den Dichter und den Schauspieler
Vorstellungen von Herrn Chodowiecki
Wenn auch diese beiden Platten wider die Ordnung gebunden werden sollten, so wird man doch nicht leicht übersehen wo Anfang und Ende ist. Er fängt an mit dem Tabak austeilenden, aufgestutzten, wichtigen und glücklichen Bengel, und endigt mit dem ehrlichen Alten, der aus seinem treuen Dienst nichts mitnimmt, als was ein armseliges Schnupftuch faßt. Der Ausdruck in beiden Gesichtern ist so, daß man jeden Künstler auffordern kann, in größern Köpfen, wenn er kann, ein Gleiches zu tun. Bei dem Hof bedienten ist die rote Nase kaum zu verkennen. Die ganze Reihe bedarf keiner Erklärung. In der zwoten Reihe hat der Läufer etwas von Garricks Archer und hauptsächlich dessen gefälliger Nachlässigkeit, ist aber nicht lang, geschmeidig und Weltmann genug für den Chapeau des Lewis. Beim gleich drauf Folgenden verraten Zopf und paralleler Hut einen Geistlichen, dem unbeträchtliche Konsistorial-Politik geläufiger sein mag, als die Intriguen des Tanzsaals. Die dritte Abteilung ist vortrefflich, man bemerke die Hüte der drei Letzten, die auf Nachfolger warten. Der vierte und fünfte abgedankt und dienstsuchend haben, außer ihren Händen, nichts mehr in der Tasche.
Die zweite Platte enthält Bediente in Gegenwart ihrer Herren, einem guten, einem Zänker und einem unverständigen, der den ehrlichen Alten auf die windige Selbstempfehlung eines Kriechers wegjagt. Zu einer weiteren Erklärung fehlt hier der Raum und sie ist auch größtenteils unnötig, ich mache nur den Leser auf den Hasenfuß in der untersten Reihe aufmerksam, mit dem gleichwohl die Dame redet. Die Verdienste dieser Leute müssen groß sein, denn man findet sie überall.
(Die weiblichen Bedienten künftig.)
Erste Fortsetzung
Charaktere für den Roman oder das Schauspiel so zu individualisieren, daß der Leser, auch wenn man die Namen davor wegstriche, dennoch die Person jedesmal erkennen müßte, wie man von Shakespeare Heinrich IV. behauptet, ist eine sehr seltene Kunst. Ich sage mit Vorbedacht selten, denn würklich ist, so schwer auch die Sache an sich selbst sein mag, doch gewiß die Seltenheit größer als die Schwierigkeit. Es liegt von der Gabe hierin glücklich zu sein, nach meiner Beobachtung, in jedem Menschen sehr viel mehr als er selbst weiß, oder wenigstens anzuwenden im Stande ist so bald er die Feder anfaßt. Die Ursachen davon, so viel wenigstens hieher gehört, zu entwickeln, behalte ich mir vor, und führe nur einige Hauptumstände an, die das Verderben der meisten sind: Eingebildete Impotenz würkt reelle, dieses ist der seltnere Fall bei unsern Romanenschreibern; vorsätzliche Spannung würkt Überspannung, das ist der gemeinere; und Mangel an Philosophie und Menschenkenntnis gebiert konventionelle Phraseologie und macht Alltagsschriftsteller, das ist der gewöhnlichste Fehler. Ich habe nicht selten Leute schlecht schreiben gesehen, die in einer vertrauten Gesellschaft vortrefflich sprachen, und die, die besser träumen (im Schlaf) als sie schreiben, findet man überall. Im Traum des gemeinsten Menschen spricht der Undeutliche undeutlich und der Geheimnisvolle geheimnisvoll, oft recht zur Qual des Träumenden selbst, der doch der Urheber von allem ist, und der, wenn er wachend so etwas schreiben sollte, sich gewiß die Qual sehr erleichtern, aber auch, dafür wieder als gemeiner Phraseologe einher treten würde.
Ich überlasse die Auflösung dieses psychologischen Problems, die nicht sehr schwer ist, dem Leser selbst. Findet er sie, so wird er bald auch erkennen was er zu tun hat, um einen Charakter so fest mit der Feder zu zeichnen, als er ihn im Traum handeln läßt, wenn es ihm nämlich nicht gänzlich an dem fehlt, was man sich hierbei zwar nicht selbst geben, aber auch gar wohl besitzen kann, ohne es zu wissen. Das erste ist auch hier das Nachzeichnen, ehe man sich ans Schaffen macht. Don Quixote, Sancho, Falstaff und Pastor Adams haben vermutlich alle existiert. Daß sie im Leben nicht alles das getan haben, wovon ihre verewigten Geschichtschreiber reden, rührt bloß daher, daß sie nicht Gelegenheit gehabt haben es zu tun. Parson Adams lebte vor nicht gar langer Zeit noch in England, der Vicar von Wakefield wird noch jetzt hier und da dort anzutreffen sein, und selbst Falstaff existiert noch, unter der Klasse von Menschen, die man dort Jolly Dogs nennt.
Herr Engel hat, wo ich nicht irre in seinem Philosophen für die Welt, zu einer andern Absicht geraten, bekannte Charaktere z. E. den von Marinelli vor sich zu nehmen, und nun eine Erziehung eines Menschen dazu zu erdichten, wie sie beschaffen sein muß, um zuletzt einen Marinelli aus ihm zu machen. Dieses ist gewiß ein vortrefflicher Gedanke und wer sich an den Handel macht, wird wenigstens bald finden, was für Artikel in seinem Warenlager fehlen und notwendig erst angeschafft werden müssen, ehe er weiter geht. Leichter wäre es vielleicht anfangs sich bloß den Marinelli in einer andern Lage von Umständen zu denken, z. E. als Oberaufseher über eine Erziehungsanstalt für junge Frauenzimmer; oder als Ex-Jesuit von Rang in einem Lande wo man anfängt den Leuten ihre in Beschlag genommene Vernunft wieder zurückzugeben. Den Falstaff könnte man sich vor der Inquisition denken (die freilich eine bloß angestellte sein müßte) um einmal den Besserungs-Plan zu hören, den er sich fürs Künftige entwerfen würde und die Buße und Bekenntnis der Sünden. Kann dieses ein Schriftsteller.nicht so, daß er damit den Beifall eines Kenners erhält, so muß er wohl vom Roman und Schauspiel wegbleiben, wo ja, was er also nicht kann, doch auf jeder Seite gezeigt werden müßte, wenn er anders auf wahren Ruhm hierin Anspruch machen will Es hierein allgemein weit zu bringen, dazu gehören freilich Shakespearsche Anlagen, Verbindungen und Zeiten in der Welt, die vielleicht nur beisammen so selten gesehen werden: man muß aber von der andern Seite auch bedenken, daß man durch Fleiß immer ein sehr guter Porträtmaler werden kann, wenn man auch gleich nicht die natürliche Anlage jenes Reisenden dazu hat, der Voltairens, den er nur einmal gesehen hatte, Silhouette gleich vor dessen Haustür in den Schnee p... konnte.
So viel nur über die Schwierigkeit die die völlig bestimmte Darstellung der Personen hat, zu deren Erleichterung ich nur etwas wieder beibringen will. So kann der Leser, dem ich nicht einmal Nachschlagung des 3.Stücks dieses Magazins im I.Band, vielweniger Erinnerung an den Inhalt desselben zumuten kann, doch meine Absicht bei diesem Unternehmen wieder erkennen. Ich schränkte mich dort bloß auf den Ausdruck der Personen sowohl in Worten als Gebärden und einiges in ihrer Art zu handeln ein, das mir vorgekommen, und auch zu diesem nur liefre ich nun Beiträge um den Beobachter aufmerksam zu machen. Mit den Verschiedenheiten des Temperaments und der Laune habe ich hier nichts zu tun.
Ich habe schon erinnert, daß ich für einen Hauptfehler der meisten Romanenschreiber und dramatischen Dichter halte, daß sie in die Sprache ihrer Personen und zumal der geringeren so selten die verwirrte Philosophie dieser Leute, und die unbestimmte Wörterkenntnis einmischen, die sich doch im gemeinen Leben, sobald sie nur etwas über den Alltagsdienst hinausgehen, augenblicklich zeigt. Bei dem gemeinen Mann in Niedersachsen ist offenbar nicht bloß die Sprache platt, seine Philosophie ist es auch, man findet sie nicht bloß in seinem Urteile über den Krieg sondern über jeden Vorfall des gemeinen Lebens. Es gibt wenig Menschen, die nicht im gemeinen Leben unvermerkt über das hinausgehen, was sie verstehen, der vernünftige Mann freilich tut es entweder nie oder doch nicht da wo man Ernst von ihm verlangt; das gemeine Volk aber jeden Augenblick, und selbst so wie schlechte Schriftsteller sich oft am klügsten dünken, wenn sie in Worten reden, die sie nicht verstehen, eben so redet das gemeine Volk, oft allen Vernünftigen unverständlich, grade wenn es gut reden will und dieses bloß um das Vergnügen zu genießen einen Augenblick sich selbst weise und vornehm vorzukommen. Ein Charakter, so durchgeführt, gefällt auch wenn man ihn nicht einmal als Triebwerk zu einem großen Zweck betrachtet allen Menschen, hohen und niedrigen und denen doppelt, die die Kunst bemerken die darin verborgen liegt. Der Beifall ist unausbleiblich. Das Kammermädchen der Sophie und Partridge im Fündling, erhalten dadurch das Anzügliche, sehr vieles aber geht in Übersetzungen verloren, und ist kaum möglich beizubehalten, wenn man nicht statt Sprache in Sprache zu übersetzen, auch Sitte in Sitte übersetzt. Ernstliche Aufmerksamkeit auf die Sprache der Menschen aller Stände und Vergleichung ihrer Fehler mit ähnlichen in der hohem Welt gewährt gewiß größeres Vergnügen als mancher glaubt, der dieses zum erstenmal liest, und ist für unsre Absicht das sicherste und einzige Mittel wider das gemeinste wiewohl das gröbste Vergehen der Romanschreiber – da nämlich alle Personen denken und reden wie Se. Wohlgeboren – der Herr Verfasser.
b) weibliche
A) Probe von Bemerkungen für den Dichter
Sie sind in der Komposition, des Romans zumal, von unglaublicher Wichtigkeit. Es wird selten eine Geschichte gut detailliert und gehörig gemischt werden können, ohne etwas aus dieser Klasse hinein zu schmeißen. Wir reden hier nur von der mittlern Klasse, die das Kammermädchen und einige Stufen unter ihr begreift. Es ist also hier die Viehmagd so gut ausgeschlossen, als die dienende Dame am Hofe, aus deren Nähbeutel das Schicksal nicht selten Fäden herholt Weltbegebenheiten an einander zu knüpfen.
Sie sind in großen Städten gemeiniglich sehr fein, weil sie mit Feinheit und hier und da sogar mit Schlauigkeit gewählt werden; man darf nur an solchen Orten etwas weniges Erfahrung mitbringen um einzusehen, daß jedes Kammermädchen das Paradigma abgeben könnte eine Hofdame darnach zu deklinieren. Die feinsten darunter gehören auch daher mehr in jene Klasse als hieher. Doch grenzen sie durch Niedrigkeit der Herkunft oft an die folgende Stufe, die mehr hieher gehört.
Sie besitzen mit einem großen Teil des weiblichen Geschlechts, zumal so bald sie die Tanz-Tarantel gestochen hat, oft in einem hohen Grade die Gabe sich dumm zu stellen ehe sie klug sind; das, was sie nicht verstehen, so anzuhören als verstünden sie es, und was sie verstehen als verstünden sie es nicht; die Gabe auf den nicht hin zu sehen, den sie nur allein gegenwärtig fühlen und mit dem freundlich zu tun, von dem sie sich kaum bewußt sind, daß er gegenwärtig ist: mit einem Wort die ganze Kunst auszustreichen, auf daß und damit man es lese, wie einige Leute in ihren Briefen die Gewohnheit haben, ist ihnen bekannt. Einen Seufzer zu verhusten, ist ihnen sehr früh eine Kleinigkeit. Man irrt sehr wenn man alle diese Züge nur in der hohem Welt sucht, dieses verstehen sicherlich Personen, die Lebenslang 20 mit der Nulle voran, und Michl in ihren Hausrechnungen, wenn sie welche für sich führen, statt Milch schreiben, auch wohl gelegentlich behaupten, es sei recht. Es geht weit, und würde unmöglich sein wenn es studiert werden müßte: so aber ist es die Geometrie der Spinne, die weder von Geometrie noch von Absicht etwas weiß; genug es fehlt ihr was, und ein dunkles Gefühl belehrt sie, daß dieses Etwas über kurz oder lang in ihrem Netz hängen bleiben wird.
Sie haben einen unwiderstehlichen Hang ihr künftiges Schicksal zu wissen, oder welches auf eins hinaus läuft, das Alter, die Schönheit und den Stand ihres künftigen Bräutigams. Sie tun unglaublich viel es zu erfahren. Sie ziehen Karten, stechen Sprüche, zupfen Blumenblätter aus, bei welchen sie die Namen der Wahlfähigen hersagen. Sie kochen, braten, backen Weissagungen, an gewissen Tagen und Stunden des Jahres; sie ließen lange vor Montgolfier, Montgolfieren aus angezündetem Flachs in den Spinnstuben steigen, um etwas Künftiges zu erfahren, schämen sich daran zu glauben und gehen mit dem Glauben daran zu Bette; sie suchen 4 blättrichte Kleeblätter und legen sie in die Gesangbücher, um sich in der Kirche daran zu erbauen, wenn nichts Bessers zu tun ist; sie tragen doppelte Nüsse und Haselnüsse bei sich, oder verwahren sie in ihren Kisten und Kleiderschränken. Selbst ihre Nähpulte enthalten daher gemeiniglich etwas was nicht hinein gehört, wenn es auch nur Erbsen oder Salz wäre. Wenn sie Geduld haben ein Punktierbuch verstehen zu erlernen, so ist es fast das einzige was ihnen den Mangel dessen einigermaßen ersetzt, was sie zu erpunktieren trachten. Diese Bücher sind für sie ganz unschädlich, denn sie punktieren fort bis die günstige Antwort erscheint, und dann ist alles gut.
Zur Sprachverwirrung und Philosophie des Standes gehört:
Das liebe Gewitter hat eingeschlagen.
Ich werde mich bisher besser aufführen als ich hinführo getan habe.
Du liebste Zeit! (dear me!) kommt allen Augenblick vor, wenn eine Stadtneuigkeit verschlimmert werden soll, wozu dieses Geschlecht mehr beiträgt, als man glaubt.
O Madam! Es ist der guteste, besteste, schönstgewachsenste junge Herr; so sprechen die redseligen.
Von einem Offizier sagt eine: ach es ist ein gar bequemer, theologischer Herr (sie wollte überhaupt Gutmütigkeit ausdrücken).
Von zweien, die aus einer Oper kamen, konnte die eine die glitzernden Schmelz-Schuhe einer Jungfer Kastratin nicht vergessen, und die andre sprach noch ein paar Tage von einem scharmant-schönen Baß-Kastraten, der den Ju-Pitter vorgestellt hätte.
Eine dritte hatte eine Kutsche mit zwei scharmanten Mätressen vorbeifahren sehen. (Diese war von geringerm Stand.)
Den Kerl mögt ich nicht haben, der ist ja so schwarz wie ein Mohrenbrenner. (Das Wort ist, wie man sieht, aus Mohr und Kohlenbrenner zusammengesetzt.)
Ja reden Sie mir nur nicht von dem Menschen, ich kenne die Hämmel in Schafskleidern. (Soll heißen Wölfe.)
Ich weiß nicht die Französin sieht seit einiger Zeit so ungelblicht aus (aus ungesund und gelblicht). Dieses habe ich selbst gelesen und las anfangs ungebleicht.
Eine die krank gewesen war, sagte, als sie sich besserte, sie hätte nun wieder Neigung zum Appetit.
Eine hiesige nannte die Mediceische Venus auf der Bibliothek die Medicinische Venus und ein aisches häßliches. Ding, weil sie nackend ist.
Eine andre nannte eine Köchin, deren lediger Brodherr verstorben war, ohne damit spotten zu wollen, eine verwitwete Hausjungfer.
Er ging gesund zu Bette, und als er diesen Morgen aufstehen wollte, war er tot.
Zum wenigsten wird öfters statt sogar oder zum teuersten von ihnen gebraucht: zum wenigsten das Wasser in der Wohnstube war gefroren.
Helfen Sie mir doch sagen was das ist, anstatt sagen Sie mir doch etc.
Das Witzigste was ich noch von dieser Klasse sagen gehört habe war, daß einmal eine, etwas aufgebracht, von einer andern sagte, was will denn das dicke, zweischläfrige Mensch. Dieser Ausdruck würde den Falstaff nicht geschändet haben, wenn er ihn von der Wirtin (mine Hostess of the Garter) gebraucht hätte.
Wenn sie jung und gesprächig sind, so sind sie gewöhnlich unerschöpflich, so bald sie Kinder auf den Armen haben, und selbst die jüngsten und völlig unschuldigen, sprechen und handeln alsdann mit einer Art von Begeisterung, und die Biegsamkeit unsrer Sprache gibt ihnen dazu Raum genug: alles verkleinert sich mit dem Kinde:
Guten Morgelchen mein Engelchen! Prositchen mein Herzchen, (wenn das Herzchen nießet!) Adieuchen! O du lieber Göttchen! hörte ich einmal, da sich das Kind weh getan hatte; in Frankfurt einmal: Sieh Wilhelmchen, das ist dein klein Ma Soeurchen! So geht es durchaus mit Nominibus, verbis, adverbiis etc. Ich kann bei dieser Spielerei nicht umhin über eine andere Eigenheit unserer Sprache eine ernsthafte Anmerkung zu machen. Es ist ein rechter Favorit-Spott der Ausländer, zumal der Engländer und Franzosen, über unsere Sprache, daß sie sagen es sei törigt von uns gehandelt zu Einer Person, bald Du, bald Er, bald Ihr, bald Sie zu sagen. Ja Deutsche und noch ganz neuerlich ein sehr guter Kopf geben ihnen darin recht, Letztrer sagt: die Engländer, indem sie alles mit You anredeten, gingen in einer Torheit (nämlich der, eine Person in der mehreren Zahl anzureden) doch nur halb so weit als wir. Ich muß gestehen, daß ich dieses nicht glaube, und ich hoffe der Leser wird mir, am Ende Recht geben. Es ist allemal hart und unbillig verjährten Sprachgebrauch, den der Weiseste nicht mehr ändern kann, eine Torheit zu schelten und fast unverzeihlich wenn eben in diesem Sprachgebrauch sehr viel mehr verborgen läge als sich manche Tadler vielleicht vorstellen. Der Tadel kann sich nicht darauf beziehen, daß wir eine Person so anreden als wären es mehrere, denn das tun jene Nationen selbst, er beziehet sich also entweder auf unsre größere Mannigfaltigkeit hierin, oder darauf daß wir, um diese Mannigfaltigkeit zu erhalten, die Personen die wir anreden, auch als Dritte betrachten, in dem wir Er und Sie sagen. Ersteres ist sicherlich kein Fehler, so lange mit der Mannigfaltigkeit der Zeichen auch Mannigfaltigkeit der Begriffe verbunden ist, und dieses ist hier gewiß der Fall. Wir unterscheiden in Verhältnissen zwischen Menschen gegen Menschen sehr viel feiner als andere Völker, und dieses, der Grund davon liege nun in Deutschem Familien-Stolz oder Deutscher Philosophie, ist allemal ein großer Gewinn für die Sprache überhaupt, wie wir gleich sehen werden. Letzteres, wenn es Tadel verdient, verdient ihn nicht mehr als jede Vieldeutigkeit der Wörter wovon es in allen Sprachen wimmelt; denn kein Deutscher der mit jemanden durch Er und Sie spricht, denket sich dabei jetzt noch dritte Personen. Diese Wörter sind also weiter nichts als alte Zeichen auch für neue Begriffe beibehalten, welches freilich zuweilen Zweideutigkeit verursachen kann, so wie tausend Wörter in allen Sprachen der Welt es können; so wie sie auch bei Vous und You, und dem M stattfinden, das bei uns allerseits, bald 1000 bald Monsieur und bald Magister bedeutet. Das ist eine Kleinigkeit. Hierüber geht aber auch der Spott nicht her, sondern über jene Mannigfaltigkeit, und die Subtilität in der Unterscheidung, und mich dünkt einen solchen Tadel kann sich ein philosophisches Volk wohl gefallen lassen. Dafür können wir nun aber auch mit unserm Du, Er, Ihr, Sie, mit einer einzigen Silbe Verhältnisse von Menschen ausdrücken, wovon der Engländer und Franzose gar keinen Begriff hat oder wenigstens keinen bestimmten, weil ihm das Zeichen dazu fehlt. Sie sehen es auch alle ein, so bald sie die Sprache vollkommen verstehen, zum sichern Beweis, daß der Tadel sich auf Unwissenheit gründete, oder auf Trägheit eine Schwierigkeit zu überwinden. Echt-Deutsche Romane sind daher diesen Nationen unübersetzbar. Ich mögte wohl wissen wie sich der Engländer die Verachtung ausdrücken wollte, die das Er mit sich führt, wenn ein Vorgesetzter zu jemanden, zu dem er sonst im Dienst Sie zu sagen pflegte, nun da er ihn auf einem Betrug ertappt, mit Er anredet, das kaum vor der völligen Überführung angeht und schon zur Strafe gehört. Oder wenn Leute von Stand in Streit geraten, und einer den andern fragt: hör er was will er? oder von der andern Seite das liebreiche scherzende Er zwischen Personen die sich gewöhnlich duzen, ferner die mannigfaltige Treuherzigkeit in unserm Ihr? Ja selbst das seelenverbindende Du, wenn es zumal zwischen Personen von verschiedenem Geschlecht aus dem Sie erwächst, ist für ihn verloren, denn sein Thou ist entweder feierlich wie im Gebet, oder dichterisch oder drolligt oder quäkerhaft. Er muß sich mit Umschreibungen helfen, aber das Umschreiben haben wir alsdann entweder zu gut, oder können es im Fall der Not auch, so gut als die Ausländer und die Wilden. Es läßt sich aber besser denken, als schreiben oder lesen. Es ist überdem leicht und überhaupt von seltnem Gebrauch, es wäre denn, daß eine einmal zu einem wichtigern Zweck aufgeführt würde, und nur die Bedenkzeiten der andern Personen mit solchem Spiel unterbräche, oder auch sich selbst Herz damit zu geben etwas, ohne sich mit Mienen zu verraten, entweder zu sagen oder anzuhören.
Überhaupt ist ihnen eine Gesprächigkeit von der Art derjenigen, durch die das Capitol gerettet wurde, sehr eigen, hauptsächlich wenn sie einmal das Heiraten aufgegeben und sich entschlossen haben sich in einer Familie auftrocknen zu lassen.
Im Schreiben sind die meisten würklich unnachahmlich.
Mein geehrtestes vom 15ten dieses;
Ich verbleibe Dero Hochedelgeborne Dienerin.
Da sehen wir uns mündlich.
Wenn sie jetzt keine Zeit haben so sehen wir uns im Dunkeln am Fenster.
Eine schrieb: Ich weiß wohl es kömmt alles daher, weil ich einmal den Willen des Herrn nicht tun wollen. (Sie meinte dem Herrn vom Hause nicht zu Willen sein.)
Es ist Schade, daß man dergleichen Briefe so selten zu sehen bekommt, sie haben würklich meistens etwas Auszeichnendes, und unterscheiden sich von Briefen gleich unstudierter Mannspersonen sehr. Man sollte glauben ein besondrer Genius wache selbst über ihre Schreibfehler:
Die kleine Fröhlen ist ganz von den Pocken verschönt worden (verschändt), statt Kniee schreiben die meisten Keine, doch weiß ich auch daß eine Dame ein Keinstück statt Kniestück schrieb.
In einer gewissen großen Stadt (vermutlich in mehrern) sollen sie sogar gelehrte Briefwechsel führen, und ein paar solcher Briefe sind mir versprochen. Auch sollen sie da mitunter keinen Teufel mehr glauben, nämlich so lange sie gesund sind, und das Licht brennt und es nicht donnert. Wie sehr wohl und leicht sich eine bei ihrer Atheisterei befunden haben muß, kann man aus einem Brief an ihre Freundin sehen, worin sie ausdrücklich sagte: sie danke Gott alle Morgen auf den Knien (vermutlich auf den Keinen) dafür, daß er sie zur Atheistin habe werden lassen. Die Postskripte zu ihren philosophischen Briefen, handeln von Bändern, Spitzen, Schuhen etc.
Ich muß hier beschließen, weil ich, wie der Leser sehen wird, schon beträchtlich über die gewöhnliche Seitenzahl eines Magazin- Stücks hinweg bin. Ich füge aber demohngeachtet, weil es auf dem Titul versprochen steht, das Kupfer des Herrn Chodowiecki bei, worüber ich im nächsten Stück etwas sagen werde.