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Zu Cork in Irland bestieg ein rosiger rundlicher geistlicher Herr die Kanzel, legte sein freundliches Gesicht in Kummerfalten und beklagte sich bitter über die Sittenlosigkeit der Weiber in seiner Gemeinde.
»Etliche unter ihnen«, sagte er, »haben der Stimme des Gewissens, die ich ertönen ließ, ihre Ohren nicht verschlossen. Eine aber ist darunter, die allen Mahnungen zum Trotz verstockt in der Sünde beharrt. Darum habe ich beschlossen, sie euch mit Namen zu nennen und so der Schande preiszugeben. – Nein – ich will sie lieber nicht nennen; vielleicht wirkt der Herr dennoch ein Wunder an ihr. – Doch, ich nenne sie: Es ist kein anderer Rat. Sie heißt – –. Nein – ich will den ehrlichen Namen ihres Mannes nicht mit Schmach bedecken. Aber ich will mein Gebetbuch auf sie werfen, damit ihr alle sie erkennet.«
Und er hob mit beiden Händen sein Buch:
Da duckten alle Frauen in der Kirche sich tief und angstvoll nieder.
»Gütiger Himmel, was habe ich für eine Gemeinde!« rief der geistliche Herr, ließ das Buch sinken und kletterte eilig von der Kanzel. Sein Gesicht hat er dabei dem Chronisten, der uns die Geschichte berichtet, nicht gezeigt.
In jener Gegend Irlands, wo die prächtigsten Querköpfe hausen, kauften einmal zwei Bauern gemeinsam eine Scheune, mit der Vereinbarung, daß jeder von ihnen die Hälfte des Raumes benutzen sollte. Dann aber verzankten sie sich auf Tod und Leben; und während der eine seine Scheunenhälfte mit Getreide vollpackte, ließ der andere seine grollend leer. Er kümmerte sich überhaupt nicht darum. Er ließ sich nicht einmal blicken.
Doch: Eines Sonntags ließ er sich blicken. Er kam vom Felde, blieb vor dem anderen, der eben zum Felde wollte, stehen und bemerkte so nebenbei:
»Ich wollte dir nur noch sagen: Was du mit deiner Scheunenhälfte machst, ist mir natürlich gleichgültig. Ich habe meine eben angezündet.«
Die Gerichtsdiener zu Cork hielten in Irlands alten Tagen ein auf einem Pfahl befestigtes Schild, das in mächtigen Buchstaben die Aufschrift »Silence!« – »Ruhe!« trug.
Wenn nun einer der Zuhörer während eines Prozesses durch beifällige oder mißfällige Gefühlsäußerungen störte, so fuchtelte ihm im Zuge der Strafprozeßordnung der Gerichtsdiener drohend mit dem Schild vor der Nase herum.
Beim zweiten Verstoß indessen schlug er pflichtgemäß den Ruhestörer mit dem Schild über den Kopf.
Ein wackerer rot- und schlauköpfiger irischer Pächter, der eine seiner grünen irischen Weiden an seine Mitbürger (für ihr Vieh natürlich) vermieten wollte, gab durch Anschlag bekannt, daß er Pferde in Kost zu nehmen bereit sei: »Für Pferde mit langen Schwänzen sind vier Schillinge, für Pferde mit kurzen Schwänzen zwei Schillinge täglich zu zahlen.«
Auf die Frage nach dem Grund dieser Staffelung ließ der Mann – er ruht seit hundert Jahren in Gott, aber sein Geist verdient fortzuleben – folgende Begründung vernehmen: »Pferde mit langen Schwänzen können sich der Fliegen erwehren und fressen daher den ganzen Tag; Pferde mit kurzen Schwänzen dagegen haben so viel mit dem Kampf gegen die Fliegen zu tun, daß sie höchstens die Hälfte fressen können. Das muß ich als ehrlicher Mann berücksichtigen.«
In York unterhielt man dereinst auf Gemeindekosten einen Mann, der durch wilde Schmerzensäußerungen dafür zu sorgen hatte, daß bei Sterbefällen kein peinlicher Mangel an äußerer Trauer bemerkbar wurde. Man nannte ihn den »Stadtweiner«.
Eines Tages nun sah der Bürgermeister, auf dem Wege zu einem großen Begräbnis, zu seinem Erstaunen den Stadtweiner müßig vor der Tür seines Hauses stehen und, Hände in den Hosentaschen, gelassen den Himmel betrachten.
»Warum gehst du nicht an deinen Dienst?« brüllte der Bürgermeister entrüstet.
»Muß heute das Weinen ausfallen lassen, Sir«, sagte der Stadtweiner. »Meine Frau ist gestorben.«
Mr. O'Gray, Richter zu Carkow in Irland, hatte es vor einem runden Jahrhundert einmal mit zwei sehr dunklen Ehrenmännern zu tun, von denen man mehr als nur vermutete, daß sie in unbewachten Augenblicken dem Straßenraube oblagen. Sie verteidigten sich mit viel List, und es war ihnen nichts Schlüssiges nachzuweisen: So daß Mr. O'Gray zu seinem Schmerz genötigt war, ihnen ihren »Freispruch aus Mangel an Beweisen« zu verkündigen.
»Mr. Murphy«, sagte er hinterher zum Leiter des Gerichtsgefängnisses, »tun Sie mir die Liebe und halten Sie diese beiden Ehrenmänner noch bis sieben Uhr abends fest. Ich reise um fünf mit Extrapost nach Dublin und möchte gern zwei Stunden Vorsprung haben.«
Das war Huddy, Postmeister zu Lismore in Irland, 96 Jahre alt und »ein sehr jovialer Greis«; dem kam es eines Tages in den Kopf, eine ganz wilde Schnapswette um 25 Pfund Sterling zu tun. Er wollte den Weg von Lismore nach Fermoy, viereinhalb deutsche Meilen, in sechs Stunden zurücklegen, und zwar auf dem seltsamsten Gespann, das die an Narrheiten nicht eben arme Welt je gesehen hat. Als Wagen diente dem jovialen Greise ein altes Austernfaß, das man mit Rädern versehen hatte; darauf stand er, eine rote Nachtmütze auf dem Kopf, eine Fuhrmannspeitsche in der Hand. Seine Zugtiere aber waren: Ein Schwein, ein zahmer Dachs, zwei Katzen, ein Igel und eine Gans. Genau siebzehn Minuten vor der gewetteten Zeit traf er in Fermoy ein und machte sich sogleich daran, das gewonnene Geld in alter Frische zu vertrinken.
In Irland fingen sie vor anderthalb Jahrhunderten einen Straßenräuber, der landauf, landab als unübertrefflicher Meister in seinem Fach gepriesen war – ein Kerl aus einer richtigen Romanze. Man stellte ihm einen Landedelmann gegenüber, von dem man nicht so recht wußte, ob er bei den Räubereien mitgemacht hatte oder nicht. »Hat dieser Mann«, fragte der Richter »auch zu Eurer Bande gehört?«
Der Räuberhauptmann streifte den andern mit einem Blick, in dem sich Gleichgültigkeit und Hochachtung seltsam mischten. »Ich glaube, ja«, sagte er, »aber nur als Ehrenmitglied.«
Einer jener überlebensgroßen Iren, die, wenn sie besonders stattlich geraten sind, heutzutage den Stolz der Neuyorker Schutzmannschaft bilden, wurde von einem englischen Offizier gedrillt. Der aufgeregte kleine Hauptmann war mit seinem Rekruten gar nicht zufrieden und schob ihm die Stockkrücke drängend unters Kinn.
»Gerade stehen!« krähte er. »Kopf hoch! Augen geradeaus!«
»Und so soll ich's immer machen, Sir?« fragte Paddy.
»Jawohl!« krähte der kleine Hauptmann.
»Dann leben Sie wohl, Sir«, sagte Paddy. »Ich sehe Sie niemals wieder.«
Der graubärtige, ernste alte Mann, der beim Betteln aufgegriffen worden war, verlangte nachdrücklich, vor einen höhern Beamten geführt zu werden. Schließlich setzte er es durch.
»Herr Kommissar«, sagte er, »ich habe gebeten, mit einem höhern Beamten sprechen zu dürfen, weil ich hoffe, daß ich auf diese Weise die Antwort auf eine Frage erhalte, die mich seit langem beschäftigt. Wie ist es eigentlich zu erklären, daß das Betteln als Vergehen bestraft wird, während man das Wohltun als Tugend preist?«
Der abgestürzte englische Flieger war mit den Trümmern seines Flugzeuges in einem Walnußbaum gelandet und kletterte mühsam zur Erde.
»Ich wollte einen neuen Rekord aufstellen«, sagte er zu dem Besitzer des Grundstücks.
»Das ist Ihnen ja auch gelungen«, sagte der freundliche Landmann. »Sie sind bestimmt der erste Mensch, der von einem Baum heruntersteigt, ohne vorher hinaufgeklettert zu sein.«
Der Ire fuhr friedlich in der Eisenbahn von London nach Greenwich, als es plötzlich einen Zwischenfall gab: Einer der Fahrgäste vermißte seine Brieftasche und beschuldigte den Iren, sie gestohlen zu haben. Bei näherem Nachsehen stellte sich dann heraus, daß der Verlierer selbst auf der Tasche gesessen hatte.
»Wollen Sie den Mann denn nicht wegen Beleidigung belangen?« fragte eine mitfahrende Dame entrüstet.
»Warum, Ma'am?« fragte der Ire gelassen. »Es war doch nur ein beiderseitiger Irrtum. Er hat mich für einen Dieb – und ich habe ihn für einen anständigen Menschen gehalten.«