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XIII

Pearson kehrte zur Halle zurück, wo die junge schöne Italienerin immer noch allein saß.

Er erzählte seiner Braut, daß die Fremde seltsamerweise den Namen jener jungen Frau trage, welche Valrose als Mädchen einst so geliebt habe. »Mir sagt ein inneres Gefühl, daß sie es selbst sein müsse, und ich werde nicht eher Ruhe haben, bis ich dies festgestellt habe,« bemerkte er.

»Es wird nicht schwierig sein, es von ihr direkt zu erfahren,« ermunterte ihn Cecile. »Alle diese Ausländer unterhalten sich gern mit Fremden. Und wenn du auch nicht jetzt gleich zu ihr hinübergehen kannst, um sie zu fragen, bietet sich doch gewiß bald Gelegenheit hierzu.«

»Doch es ist mir ein unangenehmer Gedanke,« fügte sie nach kurzer Überlegung hinzu, daß du immer wieder mit der unseligen Valrose-Angelegenheit zu tun bekommst. Bedenke, wie viel Unheil sie für dich schon im Gefolge hatte! Du weißt jetzt, wie recht ich hatte, als ich vorausahnte, daß die Verbindung mit dem bedauernswerten Menschen nur Unglück bringen würde. Das tragische Ereignis in Paris ist der Beweis dafür.«

Pearson war zu einsichtig, um nicht gelten zu lassen, daß die späteren Geschehnisse das rätselhafte Vorgefühl Ceciles bestätigt hatten. Aber er war doch immer eigensinnig und konnte auch als verständiger Mensch nicht daran glauben, daß die bloße Feststellung, ob Signora Mattelli wirklich jene Frau sei, welche Valrose geliebt hatte, neues Unheil heraufbeschwören sollte.

»Ich kann nicht einsehen, daß die einfache Frage, welche ich an sie richten will, Gefahren birgt. Valrose war zweifellos ein Abenteurer; er war in schlimme Unternehmungen verwickelt. Aber ich bin überzeugt, daß diese Frau, mag sie nun die Heldin seines erlebten Liebesromans gewesen sein oder nicht, durchaus unschuldig ist und nichts von seinem Doppelleben wußte. Er wird sein Geheimnis ihr gegenüber ebenso gehütet haben, wie er es, mit Ausnahme seiner Spießgesellen, allen anderen gegenüber verbarg. Valrose hat zweifellos die Wahrheit gesagt, als er damals jenen kleinen. Ausschnitt aus seiner Vergangenheit enthüllte.«

Cecile seufzte ein bißchen über diesen Eigensinn. »Wenn ein Mann wie Arthur Valrose jemals im Stande war, die lautere Wahrheit zu sagen, magst du ja recht haben,« erwiderte sie leise zweifelnd.

Die gewünschte Gelegenheit bot sich bereits am folgenden Morgen. Pearson, der ein Frühaufsteher war, ging etwa eine halbe Stunde vor der üblichen Frühstückszeit hinunter und saß als einziger Gast im Lokal. Er war noch keine fünf Minuten dort, als die Italienerin eintrat. Offenbar war sie auch eine Frühaufsteherin. Er warf seine halbaufgerauchte Zigarette fort und verbeugte sich konziliant.

Die schöne Italienerin nahm seine Begrüßung mit gleicher Höflichkeit auf und begann sofort die Unterhaltung. »Das Wetter ist so herrlich, daß man gern den Tag nach Möglichkeit verlängern möchte,« bemerkte sie. »Ich kann nicht begreifen, warum die Leute, wenn draußen die Sonne so schön scheint, bis zum letzten Augenblick im Bett liegen bleiben. Wäre ich von meiner gestrigen Reise nicht etwas ermüdet gewesen, würde ich schon eine Stunde früher aufgestanden sein, um einen langen Spaziergang zu machen.«

Sie setzte sich hin, öffnete ihre Handtasche und entnahm ihr ein zierliches Etui, aus dem sie eine Zigarette hervorholte, die sie mit einem Zündhölzchen aus einer ebenso zierlichen Streichholzdose ansteckte. Ihre Bekanntschaft war noch zu neu, als daß Pearson gewagt hätte, sich neben sie zu setzen. So blieb er an ihrem Tische stehen, und als er sie rauchen sah, steckte er sich auch eine Zigarette an.

Signora Mattelli hatte einen ausgesprochen fremdländischen Akzent, doch sprach sie gut englisch. Die Worte kamen ihr zwar etwas langsam, waren jedoch vollkommen richtig.

Sie unterhielten sich kurz über gleichgültige Dinge, und dann ging Pearson plötzlich zum Angriff über. »Ich irre mich wohl nicht, wenn ich glaube, mit Signora Mattelli das Vergnügen zu haben?« Sie blickte erstaunt zu ihm auf. »Sie kennen also meinen Namen? Sie haben sich erkundigt nach ...«

»Eine höchst einfache Sache,« antwortete er leichthin. »Ich bin mit meiner Braut und deren Familie hier, und wir bemerkten Sie gestern abend in der Halle. Gestatten Sie mir, Ihnen bei dieser Gelegenheit zu sagen, daß Miß Thurston, meine Verlobte, Sie sehr bewunderte. Aus reiner Neugier ging ich in das Büro, schaute in dem Gästebuch nach und sah, daß Signora Mattelli aus Rom hier wohnt und daß Sie diese Dame sein müssen.«

Die charmante junge Frau schaute ihn vergnügt lächelnd an, wobei sie ihr prachtvolles Gebiß zeigte. »Ich verstehe vollkommen. Gewiß wurde Ihr Interesse dadurch erregt, daß ich eine Ausländerin bin. Mein ständiger Aufenthalt ist Rom, doch reise ich viel umher. Ich verbrachte jetzt drei Wochen auf dem Kontinent und kam vor zwei Tagen von Paris herüber.«

Die Italienerin schien sehr offen und mitteilsam zu sein. Offenbar war sie frei an Vorurteilen, denn sie zeigte keinerlei Bedenken, sich mit einem ihr völlig fremden Herrn in eine Unterhaltung einzulassen. Wie reserviert würde in solchem Falle das Verhalten einer jungen Engländerin gewesen sein!

Er hatte nun keine Scheu mehr, die wichtige Frage zu stellen. »Habe ich recht, wenn ich vermute, daß Sie dieselbe Dame sind, die einst mit einem Freund von mir bekannt war, einem Engländer namens Arthur Valrose?«

Sie stutzte ein wenig, aber deutlich genug, daß es einem gleichgültigen Beobachter wie Pearson auffiel. Man bemerkte auch, daß sie bei Nennung des Namens erregt wurde. Ihre Stimme war nichts weniger als fest, als sie ihm ein wenig ausweichend antwortete.

»Sie sagen, Sie seien ein Freund von Arthur Valrose? Wie klein ist doch die Welt! Wie sonderbar, daß wir uns hier im Hotel treffen!«

»Vielleicht sollte ich richtiger Bekannter sagen, als Freund,« erklärte Pearson. Und nun erzählte er ihr, wie Valrose den vorletzten Abend seines Lebens mit ihm verbracht hatte, und berichtete über die Einzelheiten bei seinem Tode. Während seiner Ausführungen gewann seine Zuhörerin ihre Fassung allmählich wieder.

»Ich las von seinem geheimnisvollen Ende, und es hat mich tief betroffen,« bemerkte sie, als er fertig war. »Sprach er von mir nur als von einer Bekannten, oder einer Freundin, oder – ?« Sie hielt inne, und in ihren Augen stand die Frage geschrieben, der er jetzt Worte verlieh.

»Valrose erzählte mir von seiner tiefen Neigung zu Ihnen, und wie sehr er auf Sie eingewirkt habe, ihn zu heiraten, wie er dann aber erfuhr, daß Ihre Eltern Sie einem andern versprochen hatten. Er erwähnte auch, daß Sie später einen Herrn Mattelli geheiratet hätten. Dadurch erkannte ich Ihren Namen.«

Ein sehr trauriger Ausdruck trübte das schöne Gesicht der Signora. Man konnte leicht erkennen, daß sie gegen schmerzliche Erinnerungen ankämpfte.

»Da er Ihnen anscheinend alles erzählt hat, brauche ich nicht zu verhehlen, daß ich seine Liebe erwiderte. Doch war ich leider nicht tapfer genug, mich gegen die landläufigen Anschauungen aufzulehnen, fand auch nicht den Mut, dem heftigen Vorurteil meiner Familie entgegenzutreten. Ich wagte es nicht, mein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.«

»Und alles endete im Elend,« fügte Signora Mattelli mit einem verzweifelten Zucken ihrer schönen Schultern noch hinzu. »Mein Gatte zeigte sich als ein Mensch, mit dem es nicht möglich war zu leben. Auch meine Angehörigen mußten das endlich einsehen. Nach einem Jahre kamen wir überein, uns zu trennen. Und nun wandere ich einsam in der Welt umher, weiß nicht, wo ich hingehöre, bin weder Mädchen, noch Frau oder Witwe.«

Pearson empfand großes Mitleid mit ihr. Was für eine trostlose Lage für eine so junge und schöne Frau! Aber wäre ihr Los nicht ebenso trübe gewesen, wenn sie Valrose geheiratet hätte? Er hätte sie gern gefragt, ob sie irgendwelchen Verdacht gegen ihn gehabt, und ob sie die eigenartigen Verhältnisse gekannt hätte, welche bei der gerichtlichen Untersuchung zu Tage gefördert wurden.

Doch kannte er Signora Mattelli erst zu kurze Zeit um sie schon heute mit solch schmerzlichen Erinnerungen zu bedrängen. Er mußte zufrieden sein, schon so weit ihr Vertrauen gewonnen zu haben. Pearson erfuhr auch, daß die Italienerin mindestens eine Woche, vielleicht sogar vierzehn Tage in Scarborough verbringen wolle. In dieser Zeit würde sich ja noch reichlich Gelegenheit finden, auf die Sache zurückzukommen. Wenn er nur Cecile dazu bringen könnte, an der Italienerin Gefallen zu finden! Vielleicht ließ sich etwas wie eine Freundschaft zwischen den Beiden anbahnen.

Pearson erzählte seiner Braut, was sich zwischen ihm und Signora Mattelli zugetragen hatte, und bemerkte mit Befriedigung, daß Cecile ihre anfängliche Abneigung gegen seine weiteren Bemühungen in der Valrose-Angelegenheit etwas gemildert hatte. Sogar die Tatsache, daß die schöne junge Frau von ihrem Gatten getrennt lebte, schien für Cecile kein Anlaß zu neuen Vorurteilen zu sein. Cecile's Eltern gegenüber wollte er von der Sache überhaupt nicht sprechen, denn ihr Interesse an Valrose war längst verflogen.

Man hätte nicht sagen können, daß sich zwischen den beiden jungen Damen eine wirkliche Freundschaft entwickelte, aber schon ihr gleiches Alter führte sie naturgemäß zusammen. Die Folge war, daß sie öfters gemeinschaftliche Autofahrten mit dem Brautpaar machte. Die junge Frau war sehr belesen, hatte eine gute Bildung, und da auch sie Musik leidenschaftlich liebte, war das ein weiterer Anknüpfungspunkt zwischen ihr und Cecile.

Thurston schien die Annäherung der Beiden nicht besonders gern zu sehen und sprach mit seiner Tochter auch einmal darüber.

»Ich würde an deiner Stelle nicht zu intim mit ihr werden, Kind,« warnte er seine Tochter. »Gegen ein bißchen Geplauder hin und wieder, wenn ihr euch im Hotel begegnet, ist nichts einzuwenden. Doch empfehle ich, keine näheren Beziehungen anzuknüpfen. Ich gebe gern zu, daß die Signora eine sehr reizende junge Frau ist, aber mehr weißt du nicht von ihr. Und was macht sie ganz allein hier? Sie trägt wohl einen Trauring, aber wo ist ihr Mann? Alleinstehende Damen, die sich in den Hotels herumdrücken, sind mir stets verdächtig.«

Cecile amüsierte sich innerlich ein bißchen über diese plötzliche strenge Anwandlung ihres Vaters. Vermutlich verdroß es ihn immer noch, daß er dem verstorbenen Valrose gegenüber so vertrauensselig gewesen war, und er war nun geneigt, alle Leute, über die er nichts Genaues wußte, als Abenteurer anzusehen. Und am meisten, dann, wenn es sich um Ausländer handelte.

»Herr Mattelli existiert gewissermaßen nicht für die Signora,« erklärte Cecile. »Sie spricht ganz offen über die Sache. Ihr Gatte ist mehrere Jahre älter als sie und ein zügelloser, brutaler Mensch. Diese unangenehmen Eigenschaften hat er, wie es scheint, vor der Ehe sorgfältig unterdrückt. Ein Zusammenleben mit ihm war nicht möglich, und Frau Mattelli mußte die Hilfe ihrer Eltern anrufen, was dann zu einer Trennung führte. Gewiß beruht das alles auf Wahrheit, denn sie scheint ein ganz besonders glückliches Temperament zu besitzen und zu jenen sanften schmiegsamen Naturen zu gehören, die sich leicht einem Mann anpassen, wenn dieser es ihnen nicht ganz unmöglich macht.«

Auf Thurston schienen die Bemerkungen seiner Tochter aber nicht viel Eindruck zu machen. »Also eine sogenannte unverstandene Frau ...,« bemerkte er. »Schon wenn dieser Typ englisch ist, mag ich ihn nicht; und wenn er fremdländisch ist, mißtraue ich ihm erst recht. Ich empfehle, höflich zu ihr zu sein, und nichts weiter.«

Bei dieser nicht mißzuverstehenden Einstellung ihres Vaters setzte Cecile ihrem Verkehr mit der Italienerin einen Dämpfer auf, wenn sie auch der Ansicht ihres Vaters nicht beipflichtete. Sie gab es in der Zukunft auf, die junge Frau zu ihren Autofahrten einzuladen. Der schönen Signora entging diese Abkühlung in Ceciles Benehmen natürlich nicht, und sie sprach sich Pearson gegenüber bei Gelegenheit darüber aus.

»Ich fürchte, ich habe Ihre allerliebste Braut irgendwie gekränkt,« sagte sie mit ihrer weichen, schmeichelnden Stimme.

Pearson wurde sehr verlegen. Cecile hatte ihm ihres Vaters Auffassung mitgeteilt und sich darüber beklagt, daß Pearson ihr diese gesellschaftliche Verpflichtung auferlegt hatte. »Es handelt sich doch nur um eine flüchtige Bekanntschaft, und wenn eine von uns abreist, ist die Sache erledigt,« hatte sie ihrem Bräutigam gesagt. »Es ist doch nicht, als ob ich die Absicht hätte, sie nach Rosebank oder Whitehall Court einzuladen.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, Signora, was für einen Grund Sie haben, so etwas zu glauben,« stammelte der junge Mann, der nicht wußte, was er sagen sollte.

»O, ich habe es deutlich bemerkt,« erwiderte die Italienerin in ihrem langsamen, korrekten Englisch. »Das Wesen von Miß Thurston ist völlig verändert. Gewiß, sie ist jetzt auch durchaus höflich, aber bisher war sie mehr als das, wie Sie wissen.«

Pearson wußte es wohl und kannte auch die Ursache. Er wußte, daß das veränderte Benehmen seiner Braut auf die Vorstellungen ihres Vaters zurückzuführen war, der nicht noch einmal üble Erfahrungen mit Reisebekanntschaften machen wollte. So nahm er seine Zuflucht zu einer nichtssagenden Ausrede.

Sie gab keine Antwort, zuckte nur leicht mit den Schultern, und ihr Gesichtsausdruck ließ deutlich erkennen, daß seine Worte sie nicht zu überzeugen vermochten. Sie war vielmehr der Ansicht, daß Pearson den wahren Grund kannte, ihn aber aus Besorgnis, sie zu kränken, nicht sagen wollte.

Die Sache schien der schönen Italienerin näher zu gehen, als Pearson vermutete, denn nach einer Verlegenheitspause ließ sie eine Bemerkung fallen, die deutlich ihre Verbitterung zeigte.

»Ich habe dieses liebenswürdige junge Mädchen sehr gern; sie schien so frei und offen zu sein, und so gar nicht kleinlich. Aber es ist schon so: eine Frau in meiner Lage, die allein steht und niemand hat, der sie beschützt, wird nur zu leicht mißverstanden und falsch beurteilt. Es gibt recht wenig Nächstenliebe auf der Welt.«

Als Pearson seiner Verlobten berichtete, wie die Signora sich beklagt hatte, war das junge Mädchen sehr betrübt. Es war ihr schrecklich, jemand weh zu tun, und wenn sie gerecht sein wollte, mußte sie zugeben, daß ihr verändertes Benehmen der Italienerin gegenüber nicht ganz korrekt war. Mit einem Menschen in Beziehungen treten, um ihn dann plötzlich ohne ein Wort der Aufklärung wieder fallen zu lassen – konnte es etwas Verletzenderes geben?

Cecile war entschlossen, ihren Fehler wieder gut zu machen und besprach die Angelegenheit mit ihrem Vater. Sie wollte Signora Mattelli bitten, wieder an ihren Autofahrten teilzunehmen, und wiederholte Thurston ihre Auffassung, die ihr Verlobter bereits kannte. Es sei nicht ihre Absicht, den Verkehr als etwas anderes anzusehen wie eine flüchtige Hotelbekanntschaft.

Der Finanzmann zuckte bei diesem geschickten Überredungsversuch sichtlich zusammen; er wurde dabei lebhaft an seine eigene Unbedachtsamkeit mit Bezug auf Arthur Valrose erinnert. Nach kurzem Hin und Her gab er jedoch nach, Unter der ausdrücklichen Bedingung, daß nach ihrer Abreise von Scarborough die Beziehungen aufhören müßten.

Cecile, mit ihrem Erfolg zufrieden, wollte keine Zeit verlieren, die Italienerin wieder zu beruhigen. Sie suchte noch an demselben Nachmittag Signora Mattelli auf und forderte sie auf, sich an der nächsten Autofahrt zu beteiligen.

Die liebenswürdige Südländerin schien jedoch sehr viel Selbstbewußtsein zu besitzen und nicht dazu aufgelegt zu sein, den Verkehr plötzlich wieder anzuknüpfen. Höflich, aber bestimmt lehnte sie unter dem Vorwand ab, wichtige Briefe schreiben zu müssen. Und Cecile fühlte, daß, wenn sie ihre Einladung am folgenden Tage wiederholen würde, irgendeine andere Entschuldigung bei der Hand sein würde.

Anscheinend war Signora Mattelli keine Natur, die leicht verzieh. Keinesfalls war sie so schmiegsam, wie Cecile angenommen. So hatte Cecile sich also in ihrem Charakter geirrt. Von jetzt ab fand von keiner Seite mehr eine Annäherung statt. Signora Mattelli sprach bei den gelegentlichen Begegnungen im Hotel so wenig wie möglich mit ihren früheren Bekannten.

Pearson gegenüber war sie jedoch nicht in der gleichen Weise pikiert, da sie ihn in der Angelegenheit offenbar für schuldlos hielt. Sie unterhielt sich nach wie vor gern mit ihm. Wahrscheinlich hielt sie Ceciles Sinnesänderung für Eifersucht und rächte sich nun auf ihre Weise.

Pearson unterhielt die Beziehungen zu Frau Mattelli natürlich nur mit dem ausgesprochenen Nebengedanken, über das geheimnisvolle Leben Valroses etwas aus ihr herauszubekommen, und er wandte dabei alle seine diplomatischen Kunstkniffe an. Seine Bemühungen führten jedoch zu keinem Erfolg. Einmal leuchtete ihm die Hoffnung, auf eine Spur gekommen zu sein, aber es war nur eine Täuschung.

Frau Mattelli hatte eine Anspielung auf ihre unglückliche Ehe gemacht, und Pearson benutzte diese Gelegenheit, ihr auf den Zahn zu fühlen. Ihr Schicksal würde sich wohl anders gestaltet haben, meinte er, wenn sie Valrose geheiratet hätte.

Die Signora war, als sie ihn vernahm, sehr nachdenklich geworden. Wie geistesabwesend dämmerte sie eine Zeitlang vor sich hin und konnte anscheinend nicht die richtigen Worte finden, um sie zu einem Begriff zu formen.

»Nein, nein, gewiß nicht. Auch dort war für mich kein Glück,« sagte sie endlich.

»Woher kommt es, daß Sie dessen so sicher sind, Signora?«

Sie war offensichtlich etwas erschrocken über diese unverhüllte Frage, und ihre Antwort kam sehr zögernd. »Ach, ich weiß nicht recht, was ich meinte, als ich so sprach. Als Valrose in mein Leben trat, kannte ich die Männer noch nicht. Seitdem habe ich Erfahrungen gemacht. Ich bin nicht sicher, ob er treu und zuverlässig und der Liebe einer Frau würdig gewesen wäre.«

Frau Mattelli mußte einen Grund haben, so zu urteilen. So viel Mühe er sich aber auch gab, sie zu einem nochmaligen Eingehen auf das Thema zu bewegen, – sie wich ihm mit weiblicher List aus.

»Wir wollen nicht mehr von ihm sprechen, Mister Pearson. Das Thema ist mir äußerst peinlich, und ein Herr wie Sie, der so gut weiß, was Liebe ist, wird mir das nachfühlen können.«

Nachdem die erste Woche vergangen war, teilte Signora Mattelli Pearson mit, daß sie ihren Aufenthalt zu verlängern beabsichtige, da es ihr in Scarborough so gut gefalle. Die Beziehungen zwischen ihr und Cecile waren inzwischen immer oberflächlicher geworden; man wechselte hier und dort ein paar Worte, wenn man sich zufällig traf, das war aber auch alles.

Verschiedene Hotelgäste waren auf die schöne junge Italienerin aufmerksam geworden. Besonders einige Damen schienen sie in ihr Herz geschlossen zu haben, unter ihnen eine Frau Knott, welche nicht müde wurde, eine Anknüpfung zu suchen. Sie war eine jugendliche, fesche Erscheinung Ende der Zwanzig.

Frau Knott wohnte im Hotel zusammen mit ihrem Gatten, einem reichen Fabrikbesitzer aus den nördlichen Provinzen, der dem Alter nach ihr Vater hätte sein können, und der durch die Art, wie er seine junge Frau vergötterte, ein wenig zum Lachen reizte. Man hatte ihr deshalb den Spitznamen »Des alten Mannes Liebling« gegeben.

Frau Knott war eine gutherzige, liebenswürdige Dame, nur war ihr Benehmen etwas laut, und ihre Neigung, sich übermäßig aufzuputzen, gab Stoff zu allerhand Kritik. Ihr verliebter Ehemann gab seiner Verehrung auf besondere Weise Ausdruck. Er behängte sie mit Juwelen und herrlichen Ringen im Übermaß, und außer einem sehr kostbaren Diamantenkollier trug sie noch ein Halsband aus Perlen, damit der Reichtum des Ehepaares für jedermann offensichtlich wurde. Allabendlich erschien Frau Knott, leuchtend im Glanze prachtvollster Edelsteine, zum Diner.

Die Italienerin mochte etwas länger als eine Woche Hotelgast sein, als sich eine intime Freundschaft zwischen ihr und Frau Knott anzuspinnen begann. Sie unternahmen zusammen weite Spaziergänge, machten in Frau Knotts Rolls-Royce schöne Touren und schienen in der Tat fast unzertrennlich.

Cecile war zufrieden über diese Wendung. Sie hatte mit der Signora Frieden schließen wollen, diese hatte aber getrotzt. Sorge brauchte sie sich also über die Angelegenheit nicht mehr zu machen. Signora Mattelli hatte sich ihren Umgang nach eigenem Geschmack gewählt, womit auch Thurston zufrieden war.


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