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Fünfzehntes Bild

Im Schülerschen Gutshause feiern im großen Eßraum den Sederabend des Pessahfestes:

Herr und Frau Schüler; ihre dreiundzwanzig Kinder: Heinrich Menachem, seine Frau Elfriede und beider Sohn, der zehnjährige Oskar; alle die anderen Kinder; Dr. Engelbrecht Vogelsang, Katharinas Gatte; der Bischof Matthias von Paderborn; der Kaplan Bernard Michalski; Monsieur Filigran, Inspektor des Schülerschen Gutshauses; der Weinreisende Kissingen; Alexander Ostermorgen; Siegfried Ostermorgen, die Söhne des Jugendfreundes von Herrn Schüler; sieben arme Juden der jüdischen Gemeinde in Gaesecke: Nachtwächter Altmann, Hausierer Zilinsky, Wanderbursche Nathanael Brennessel, drei Lumpenhändler Perlmutter, Josefje, ihr kleiner Neffe.

Tischordnung:

Am Kopfende der großen Tafel: Herr Gutsbesitzer Schüler, ihm gegenüber Bischof Matthias; an den Längsseiten, links: Fanny, Herr Kissingen, Dora, Arthur Aronymus, Lenchen, Max, Meta, Meta Luise, Berthold, Karl, Siegfried Ostermorgen, Bettina, Alexander Ostermorgen, Elischen, Titi, Frau Schüler; rechts: Alex, Eleonore, Julius, Meyerchen, Menachem, Oskar, Elfriede, Ferdinand, Albert, Margarete, Monsieur Filigran, August, Katharina, Dr. Vogelsang, Simeon, Kaplan Bernard.

An der kleinen Tafel sitzen die sieben geladenen armen Juden der jüdischen Gemeinde in Gaesecke.

Schneeweiß steht die Tafel feierlich gedeckt. Die großen und die kleinen Töchter tragen alle samtne Kleider und die kleinen Söhne Samtjacken.

Zwei brennende jüdische silberne Leuchter stehen auf dem Tisch vor dem Platz des Gutsbesitzers. Vor dem Platz des Gutsbesitzers steht eine große Schüssel mit drei ungesäuerten Broten, in eine Serviette gehüllt. Außerdem stehen auf dem Tisch vor dem Vater kleine Schüsselchen mit Rettich, Bitterkraut, Petersilie und harten Eiern in Salzwasser.

Herr Schüler (mit weltmännischer Geste): Bevor ich mit der Zeremonie beginne, gestatten mir Euer Gnaden und Herr Kaplan Michalski –

Frau Schüler: Der Schutzengel unseres Hauses – – –

Kaplan: Er lieh mir nur sein Kleid.

Herr Schüler (fortfahrend, der Vater zeigt auf Alex im Krankenwagen): Dieser liebste Jüngling, mein Sohn Alex, hat sich vor Jahren einen Katarrh zugezogen, von dem er in Bälde geheilt sein dürfte.

Bischof lächelt liebreich dem Kranken zu.

Herr Schüler: Mir zur Linken – (Fanny streift schnell den großen Spiegel an der Wand) meine älteste Tochter Fanny, die ihren Sprachschatz erweiterte in einem französischen Pensionat voriges Jahr in Münster.

Fanny und des Kaplans Auge treffen sich. Der Kaplan bemerkt ihre Korallenohrringe, sichtlich beglückt.

Herr Schüler: Neben meiner lieben ältesten Tochter Fanny Herr Kissingen aus Kissingen im Bayerlande. Ein erprobter Weinkenner.

Der Bischof betrachtet ihn lange, überlegend.

Kaplan (wie zu sich selbst sagend, aber Fanny liest es von seinen Lippen): Der Doktor Faust – – –

Herr Schüler: Hier unsere heitere Dora wieder! Sie wurde gestern sechzehn Jahre alt. (Herr Schüler dankt mit weltmännischer Gebärde dem Bischof und dann dem Kaplan.) Unser Lenchen, Arthur Aronymus sein treues Schwesterlein.

Bischof: Es erinnert mich unbedingt an dein gutes, sanftes Mütterchen, Bernard, dieses herzige Kind. (Kleine Pause.)

Herr Schüler: Mein Max, unser angehender Bildner, Meta und Luise, unsere kleinen Zwillinge.

Bischof: Auf ein Haar – – –

Frau Schüler: Darum nennen wir die beiden Kinder, jedes von ihnen, einfach Meta.

Herr Schüler: Karl, mein hoffnungsvoller Sohn, Herr Siegfried Ostermorgen. Unsere Bettina, Herr Alexander Ostermorgen, Siegfrieds Bruder, die Söhne meines Schulfreundes Ostermorgen aus Bochum. Meine drittälteste Tochter Elise, die Belesene, (mit einer chevaleresken Geste auf seine Gattin zeigend) meine, Seiner Gnaden schon bekannte, liebe Gattin, Frau Henriette.

Frau Schüler (hebt das kleine Titichen an ihrer Seite in die Höhe): Unser Kleinstes.

Herr Schüler: Neben meinem Sohne Alex: Eleonore! Nach Goethes Eleonore fuhr ums Morgenrot.

Bischof (zum Kaplan): Zehn Eleonoren unter zwanzig kleinen Jungfrauen zählen die Priester unter den Firmantinnen.

Herr Schüler: Mein dritter Sohn, unser Julius. In den Werken Goethes bewandert. Unser Meyerlein, Bauer will er mal werden! (Mit großer Geste) Augustus.

Bischof: Mit der strotzenden Stirn des Römers.

Herr Schüler: Menachem, mein Erstgeborener und seine treue Gattin Elfriede und beider hoffnungsvoller Sohn Oskar.

Bischof kräuselt finster wie der die Stirne in Falten.

Herr Schüler: Der liebe Berthold. Nach meinem einzigen Bruder benamet. Unsere Margarete. Monsieur de Filigran, mein Inspektor. Meine Zweitälteste geliebte Tochter Katharina und ihr Gatte, der Apotheker Dr. Engelbrecht Vogelsang aus dem Wuppertal; (verlegen) der Ärmste verlor vorigen Monat beide Eltern an einem Tag. Neben ihm mein zweiter Sohn Simeon, meine geistige Stütze. – Und nun. wären wir endlich bei unserem hochverehrten Herrn Kaplan angelangt.

Bischof (zum Kaplan, zeigt auf das kleine, ebenfalls feierlich gedeckte Nebentischchen der Tafel): Und wer sind die?

Herr Schüler (flüstert): Sieben arme Juden unserer Gemeinde! (Herr Schüler stellt die sieben der Gemeinde vor.) Wie es so Sitte ist am Sederabend bei uns Juden. (Er weist auf den Nachtwächter.) Der sorgliche Vater unseres Dorfes: Altmann! Er bläst mit seinem Horne allabendlich die Kinder Gaeseckes in den Schlummer. (Er weist auf Brennessel.) Unser Weltenbummler: Nathanael Brennessel! Ein nimmermüder Wanderer. (Nathanael kichert.) Pan nannte ihn der berühmte Vater meiner Gattin Henriette. (Herr Schüler weist auf Lämmle Zilinsky.) Lämmle Zilinsky aus Lemberg, unser Großkaufmann. Seine Ware kann ich mit gutem Gewissen empfehlen. (Zilinsky reißt sich in der Schüchternheit fast die Knöpfe seines Kaftans ab. – Herr Schüler gnädig) Meine drei lieben Freunde Perlmutter. Sie sammeln die Antiquitäten des Dorfes! Ihr kleiner Neffe, der Josef.

Der eine der drei Perlmutter: Josefje, erheb dich!

Bischof (zum Kaplan): Antiquitäten?

Kaplan (lächelnd): Drei Lumpensammler.

Bischof (enthusiasmiert von der Demut des Hausherrn): Wahrlich, wir sind bei einem Fürsten zum Mahle.

Herr Schüler (legt sein Gebettuch um die Schultern und betet): Boruch ata adoney elohenu melech haolum hamozi lechan min haarez. (König der Welt, der hervorbringt das Brot aus der Erden.)

Er liest aus der Hâggâdâ eine kleine Stelle vor, aus dem kleinen Osterbüchlein. Er wickelt die ungesäuerten Brote aus der Serviette, bricht sie in kleine Stücke; er tunkt das erste Stück in Salz, legt etwas von den Bitterkräutern darauf, erhebt sich und reicht es selbst dem Bischof. Das zweite Stück muß Arthur Aronymus holen, seinem Kaplan zu reichen. Arthur Aronymus ist sehr niedergeschlagen.

Bischof: Mich dünkt, das Büblein, Bernard sein kleiner Freund, will heute abend nicht so recht mitmachen?!

Frau Schüler: Er wollte neben seinem lieben Herrn Kaplan sitzen, Euer Gnaden.

Bischof (mit selbstverständlicher Anordnung des Tisches): Da hat er recht! Schnell wechsle er seinen Platz mit dem älteren Bruder, damit wir keinen unzufriedenen Gast zwischen uns an der Tafel beherbergen.

Der Bischof reicht gewohnheitsgemäß dem Kaplan seine Hand zum Kusse dar. Simeon, etwas unwillig, aber kultiviert beherrscht, erhebt sich und setzt sich auf Arthur Aronymus' Platz zwischen Dora und Lenchen. Arthur Aronymus strahlt die Mutter an, er und der Kaplan sitzen fortan Hand in Hand. Jedem von den Kindern und Gästen müssen die beiden Brüder Berthold und Ferdinand von dem in Salz getauchten ungesäuerten Brot reichen mit den bitteren Kräutern. Simeon und Julius sind dabei, die Gläser zu füllen mit Moselwein.

Frau Schüler (leise zu Elischen): Wenn nur die Karpfen nicht kalt werden.

Es stehen große zugedeckte Schüsseln auf der Tafel und in den Saucieren Rosinensauce.

Bischof: Ich bitte unseren liebenswürdigen Gastgeber, nicht ein Wörtchen oder eine der gottalten Silben der Zeremonie des Heiligen Sederabends zu vergessen. Wir, Unser Gnaden, der Bischof Matthias, würden Uns Vorwürfe machen, Uns gar einbilden, der Störenfried des Festes zu sein, und (zu Frau Schüler gewandt) Wir möchten Uns so recht zu Hause fühlen.

Frau Schüler: Euer Gnaden, Herr Bischof, im Traume wäre es meinem Gatten und mir, seiner Gattin, nicht eingefallen, daß der Herr Bischof und der uns so willkommene zurückgekehrte Herr Kaplan mit unserer Familie gemeinsam dieses heilige Fest feiern werden.

Bischof (breit lachend): Aber die liebreiche, jugendfrische Madame Mutter hat sich Uns, den Bischof Matthias von Paderborn, doch nicht gar als einen Duckmäuser vorgestellt!

Bischof bewegt die Hände, als ob er sagen wollte: beileibe nicht. – Herr Schüler spricht noch einige Segensworte, er erhebt sich darauf und füllt das Glas des Bischofs selbst wieder mit dem Moselwein; er übergibt Simeon die Flasche. Der kleine Oskar blickt unverwandt, beinahe schon ehrgeizig, aber finster auf den Bischof.

Arthur Aronymus (zum Kaplan, der sich das Lachen verbeißt): Guck mal, Bernard, wie der Oskar deinen Bischof anguckt, mir wirklich unangenehm.

Die Mamsell und die Clara, die im Eßraum warten, beginnen auf einen Wink der Mutter die Karpfen herumzureichen; zuerst reichen sie dem Bischof die Schlüssel. Bischof greift zu und sagt zum Kaplan:

Bischof: Das wird deinem Oheim aber munden.

Er freut sich wie ein Kind. Kaplan etwas verlegen.

Bischof (im Ton des Kindes, den Kindern zuzwinkernd): Immer muß er sich ärgern über seinen bischöflichen Oheim; im Garten schon gab Er ihm Gelegenheit dazu.

Die Kinder lachen frisch.

Kaplan: Aber Euer Gnaden!

Bischof: Noch vor einer Stunde, als der kleine mutwillige Matthias (zu den Kindern im Einverständnis) wieder so recht herzlich über die Schelme da (er zeigt auf die Kinder am Tisch) sich im Gutsgarten amüsierte. (Der Bischof lacht plötzlich stürmisch, kaum kann er sich beruhigen.) Aber daß mir das Hexenverbrennen fürder aufhört!!

Kaplan (demutsvoll): Eine beglückende Stunde war 's Eurem geistlichen Sohn, Euer Gnaden so herzhaft lachen zu hören.

Bischof reicht gewohnheitsgemäß wiederum dem Kaplan die Hand zum Kuß. Eine Ruhe tritt ein, sie essen alle mit Appetit den Fisch usw., bis der Bischof bemerkt, daß der Vater etwas Festliches sagen will, legt Messer und Gabel nieder, faltet die Hände und legt sie auf den Tisch, hebt aufmerksam den großen Kopf mit den runden lachenden Augen.

Bischof: Der Herr des Hauses beginne. (Er mahnt die kleinen Kinder mit seinem großen Finger.) Wir lauschen andächtig seinem Wort.

Herr Schüler: Eure Gnaden beliebten die stumme Frage an meine Wenigkeit zu richten betreffs der bitteren Kräuter. Sie symbolisieren gewissermaßen die Bitternis der Knechtschaft, die unser Volk erduldete im fremden Lande; das ungesäuerte Brot jedoch an den eilenden befreienden Auszug aus Ägypten.

Die Leute am kleinen Tische beginnen zusammen zu murmeln, doch immer andächtig mit Maß und Ziel. Sie speisen wieder; auch alle an der großen Tafel.

Der eine der drei Perlmutter: Zwei Goyen am Sederabend Seiniges?

Zilinsky (schüchtern): Der neben dem Bischof ist a halber Jid.

Brennessel: Mach ich nun wieder mal nach Paderborn, weiß ich, wo ich logier!

Alle: Na wo?

Brennessel: Im Dom bei Seiner Fürstlichkeit. Bei Emm!

Weist mit dem Auge auf den Bischof.

Nachtwächter (philosophisch): Schwatz nicht. Eene nüe Weltgeschichte beginnt!

Perlmutter (zu den Brüdern): Hol'n wir die alte mit unseren Hundekarren in de Häuser ab.

Bischof (taucht wieder ein Stück ungesäuertes Brot in den Mosel. Dann zum Kaplan): Probable! (Er nimmt von dem ihm gereichten Pudding.) Tauche er, Bernardchen, sich auch einmal so ein Stückchen von dem heiligen ungesäuerten Brot in seinen Mosel.

Er winkt den Kindern zu, jedem einzelnen, dasselbe zu tun.

Herr Schüler (etwas verlogen, aber weltmännisch zu den armen Juden am kleinen Tisch): Nun, hat man euch, meine lieben Gäste, auch in keiner Weise vergessen?

Zilinsky (wickelt aus einem alten Zeitungsfetzen ein weißes Pelzkrägelchen und gestikuliert, bis Arthur Aronymus es bemerkt. Arthur tritt an seinen Tisch): Hat er mer doch seine Leckereien seine gebracht am christlichen Morgen Weihnacht, mit Tränli in die Oigen seine.

Legt ihm, schüchtern lächelnd, das Krägelchen um den Hals. Arthur Aronymus präsentiert sich zunächst dem Kaplan und dann der ganzen Gesellschaft.

Kaplan (mit gesenktem Kopf zu Arthur Aronymus): Wolltest dus nicht von mir annehmen?

Arthur Aronymus: Ich weiß nicht, Bernhardchen!

Frau Schüler: Herr Lämmle Zilinsky, das ist aber rührend von Ihnen! Betrachte der Herr Vater das kostbare Geschenk!

Die Mamsell reicht noch einmal dem Bischof die Speise, dann allen am Tisch.

Bischof: Prächtig, prächtig. Der Bischof ist kein Kostverächter, verehrte Mamsell!

Oskar (plötzlich hart und finster): Ich werde ein Mönch.

Bischof (zu gleicher Zeit, zum Kaplan gewandt): Was sagt er?

Menachem: Sch!

Bischof: Wie oft diskutierten wir und der große Rabbuni von Rheinland und Westfalen bis spät in den Nächten über tief religiöse Probleme.

Frau Schüler: Und nun ruht mein armer Vater einsam in der Erden – – –

Bischof: Gottes Wege sind unerforschlich, sein Tun uns ein ewiges Rätsel.

Arthur Aronymus (stark, wie aus einem Medium äußert sich aus ihm die Stimme des Rabbis): Der Rabbuni ist nicht einsam – – – er ist versammelt mit den Vätern.

Alle auf das tiefste erschüttert, selbst der Vater. – Pause. – Arthur Aronymus, zu sich gekommen, rennt verblüfft aus dem Eßraum.

Bischof: Diese Wahrheit suchte sich zu entströmen, ein reines Kinderherz.

Frau Schüler stehen Tränen im Auge. Der Kaplan eilt hinter Arthur Aronymus.

Kaplan: Ich werde ihn wiederholen.

Bischof: Unser lieber Kaplan Bernard liebt den Jungen. Ich kanns verstehen.

Frau Schüler dankt dem Bischof. Fanny verläßt ebenfalls den Eßraum, die Schwestern Katharina und Elise wechseln verständnisvolle Blicke.

Bischof (zu Simeon, der ihm wieder vom Weine eingießt): Mit Fürlieb, Herr Mundschenk. So ein Tropfen »fließende goldene Sonne« – – sagt unser zeitloser westfälischer Poet: Peter Hille. – Heilig soll er gesprochen werden. (Kleine Pause. Der Bischof bemerkt den leeren Platz, wo Fanny gesessen, und sich wie ein Vater um die Situation kümmernd) Ei, ei, was trieb die schöne Jungfer von der Tafel? – (Kleine Pause) – Hier hätte unser Bernard für ein Bändchen anmutiger Poeme wohl reichlich Stoff gefunden. –

Elischen (verlegen): Ich dachte mir, daß der Herr Kaplan Gedichte schreibt.

Bischof (etwas ernst): Heiligengedichte ab und zu – in der hohen Würde seines Seelenamtes. Er soll uns gleich eins deklamieren.

Kaplan und Arthur Aronymus treten wieder in den Eßraum, der Kaplan hält einen großen Baukasten unter dem Arm. Arthur Aronymus baut, gedeckt vom Kaplan, einen weiten Dom auf den Boden des Raumes. Der Bischof bemerkte nicht, daß die beiden zurückkamen; mit Herrn Kissingen beschäftigen sich seine Gedanken.

Bischof: Nun dämmerts Uns!! Wie gehts dem alten Señor Giacomo seinem Pappa und seinem allerliebsten Schwesterlein, der kleinen Señorita Jeannetta?

Kissingen (verbeugt sich mit spanischer Grandezza): Mein alter Señor und ich, sein Sohn, erinnern uns mit besonderer Genugtuung des hohen Besuches.

Bischof (des Bischofs Augen begegnen Herrn Schülers Augen bedeutungsvoll): Ein salomonisch reicher Weinbauer, des jungen Señors Vater – – –

Kissingen: Bestattete den alten Adelsmann resigniert in Bayerns Erde.

Bischof (liebenswürdig drohend): Aber es blieb ihm der Dünkel des spanischen Juden, dem Pappa Giacomo! Ists so, mein junger Freund?

Fanny tritt ins Zimmer, stellt sich hinter den Stuhl der Mutter. Draußen vor dem Hause erheben sich Stimmen.

Frau Schüler (zu Fanny): Du bist so echauffiert?

Kaplan (tritt an den Tisch und sagt zum Bischof): Den Dom hat mir der kleine Schelm gebaut, Herr Oheim Bischof.

Bischof (betrachtet mit Bewunderung die Großzügigkeit des kindlichen Baus): Potz Tausend! Komm er (er winkt Arthur Aronymus) zum Bischof Matthias einmal. Wir möchten dem großen Baumeister die Hand drücken. (Die Eltern sehr geschmeichelt. Bischof in erhobenem Ton) Ich segne das alte Volk Israel! Jedes seiner Kinder versinnbildigt so eine kleine Thora in samtnem Tragkleide, aber eine von den kleinen Thoraim trägt Silberschellen um den Hals. Mich dünkt, (er streichelt die Haare Arthur Aronymus') die ist 's!

Bischof umarmt Arthur Aronymus. Alle sind tief gerührt.

Bischof: Ja, ja, Frau liebreiche Mutter Henriette, der greise (er sieht sich überall um, ein Veto erwartend) Bischof weiß Bescheid, auch im Reliquienschrein des Judentums.

Er reicht gewohnheitsmäßig Frau Schüler die Hand zum Kuß. Arthur Aronymus springt wieder zum Kaplan heran, der feierlich entzückt das kleine Gotteshaus bewundert. Jäh setzt Arthur Aronymus im Übermut über den Dombau, daß die Klötze nur so herumfliegen. Der Kaplan bleich und konsterniert. Der Bischof merkt den Vorgang.

Bischof: Nun ist er dir wahrlich entkommen, armes Bernhardchen! Aber tröste dich, mein guter Sohn in Christo, der alte Gott Israels läßt die Seelen seiner Kinder nicht im Stich!

Frau Schüler (neigt dankbar bejahend den Kopf): Und mit einem bißchen Liebe gehts schon, daß Jude und Christ ihr Brot gemeinsam in Eintracht brechen, noch wenn es ungesäuert gereicht wird. (Draußen lärmen die Leute jetzt grenzenlos und rufen zu gleicher Zeit mit drei Mägden, die in den Eßraum eilen) Sie wollen ihren Bischof sehen!

Leute (draußen): Wir wollen unsern Bischof sehen!!!

Mägde: Partout!

Bischof erhebt sich mächtig. Katharina ist dabei, die Tür zu öffnen, die zur Terrasse führt. Alle haben sich erhoben, um dem Bischof zu folgen, nur Fanny hält die Mutter zurück. Kissingen wartet in der Nähe Fannys wie ein Kavalier.

Fanny: Mutter, denk mal, armes Mädchen hat er mich genannt! Ich, die schöne Fanny, ein armes Mädchen?

Kissingen: Die Blume von Westfalen?

Er ahnt, eifersüchtig.

Fanny (durch seine Bestätigung noch empörter): Ein armes Mädchen, ich? (Lacht höhnisch auf) Der affi– der Kaplan, nennt mich armes Mädchen!?!

Frau Schüler (zuckt mit der Schulter): Wieviel Herzblut mag ihm das gekostet haben! Aber Fanny!

Sie eilt auf die Terrasse.

Kissingen (tritt auf die nachsinnende verstummte Fanny zu und dann begeistert): Soll ich ihn fordern auf spanische Säbel, holde Jungfer Fanny?

Er führt sie am Arm auf die Terrasse.

Die Leute (das ganze Dorf muß man hören von draußen, jubeln dem Bischof zu, und dann singen sie das Lied) Nun danket alle Gott! Dorfmusik, Trompete, Waldhorn usw., Trommeln, Flöten, Harmonika.

Ende


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