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Irgendwo am Wege lag einmal ein alter Hof, der Halstanäs genannt wurde. Der hatte den Waldessaum dicht hinter sich und war niedrig gebaut mit langen Reihen rotgestrichener Häuser. Neben dem Wohnhause stand ein großer Faulbaum, der das rote Ziegeldach mit schwarzen Beeren übersäte. Eine Feierabendglocke mit einem Schirmdach hing oben über dem Stallgiebel.
Dicht vor der Küchenthür war ein Taubenschlag mit kleinen niedlichen Balustraden bei den Fluglöchern, an der Mauer hing ein Eichhörnchenbauer, das aus zwei kleinen grünen Häusern bestand und einem großen Stahlrad, und vor der großen Syringenhecke stand eine ganze lange Reihe rindegedeckter Bienenkörbe.
Der Hof hatte einen Teich, der voll breiter Karauschen und schlanker Wassereidechsen war. Er hatte ein Hundehaus am Einfahrtsthor und weiße Zaunthüren an der Allee und an den Gartenwegen und überall, wo sich eine Zaunthür anbringen ließ.
Er hatte große Dachböden mit dunklen Dachkammern, die altväterische Offiziersröcke bargen und hundertjährige Frauenzimmerhüte. Er hatte große Kisten, mit Seidenshawls und »Brautputz« angefüllt, er hatte alte Spinette und Violinen und Guitarren und Fagotte. In Schränken und Sekretären lagen handgeschriebene Lieder und vergilbte alte Briefe, an den Wänden im Flur hingen Jagdgewehre und große Pistolen und lederbezogene Jagdtaschen, auf dem Boden lagen Lappenteppiche, aus Überresten alter Atlaskleider mit ausgemusterten Baumwollgardinen zusammengewebt.
Der Hof hatte einen großen Erker, wo die Hundsrose Sommer um Sommer ein schwankes Holzstacket hinanklomm. Er hatte große gelbe Flurthüren, die mit Drückern und Eisenbeschlägen verschlossen wurden, er hatte einen Flur, der mit Wachholderreisig bestreut war, er hatte niedrige Fenster mit vielen kleinen Scheiben und schweren Holzläden.
Eines Sommers kam der alte Oberst Beerencreutz gerade zu diesem Hof gefahren. Es dürfte wohl einige Zeit nach dem Jahre gewesen sein, in dem er von Ekeby fortzog. Zu dieser Zeit war er in einem Bauernhof in Svartsjö einquartiert, und er begab sich nur selten auf Reisen. Er hatte wohl die Kalesche und das Pferd behalten, aber sie mußten jetzt so ziemlich das ganze liebe Jahr in Ruhe bleiben. Er sagte immer, nun sei er ernstlich alt geworden, und für alte Leute will es sich am besten schicken, daheim zu sitzen.
Beerencreutz fiel es auch schwer, die Arbeit zu verlassen, die er sich vorgenommen hatte. Er war damit beschäftigt, Teppiche für seine beiden Zimmer zu weben, große vielfarbige Teppiche in reichen, wunderbar ausgeklügelten Mustern. Dies nahm ihm unendlich viel Zeit, vor allem, weil er seine eigene Webmethode hatte. Er benutzte nämlich keinen Webstuhl, sondern spannte das Garn quer über sein eines Zimmer, von Wand zu Wand. Das that er, damit er den ganzen Teppich auf einmal übersehen konnte. Aber dann das Schiffchen hineinzuschmuggeln und die Fäden zu einem festen Teppichgewebe zusammenzubringen, das war keine kleine Mühe. Und dann war da das Muster, das er selbst ausdachte, und die Farben, die zusammengepaßt werden mußten. Das nahm dem Obersten mehr Zeit, als irgend jemand glauben konnte.
Denn während Beerencreutz daran arbeitete, daß das Muster richtig ausging, saß er oft da und dachte an unseren Herrn. Der saß wohl an einem noch größeren Webstuhl und hatte ein noch wunderbareres Muster zu weben. Und er begriff, daß es in diesem Gewebe sowohl hell als dunkel geben mußte, damit es sich richtig ausnahm. Aber Beerencreutz konnte bisweilen dasitzen und so lange über das alles nachgrübeln, bis er zu sehen vermeinte, wie sein Leben und das Leben der Menschen, die er gekannt und mit denen er gelebt, einen kleinen Teil von Gottes großem Gewebe bildete, und er sah das Stück so deutlich vor sich ausgebreitet, daß er sowohl die Konturen als die Farben unterscheiden konnte. Und wenn man nun Beerencreutz recht angelegentlich gefragt hätte, dann würde er bekannt haben, daß er sein eigenes und seiner Freunde Leben in den Teppich webte, in einer geringen Nachbildung dessen, was er vermeinte, in Gottes Webstuhl dargestellt gesehen zu haben.
Doch pflegte der Oberst gern eine kleine Reise zu ein paar alten Gastfreunden zu machen, jedes Jahr gleich nach Johanni. Er hatte es von altersher am liebsten, durchs Land zu reisen, wenn der Klee noch auf den Wiesen duftete und blaue und gelbe Mitsommerblüten den Wegesrand hinab blühten, in zwei langen, ununterbrochenen Linien.
Dieses Jahr war der Oberst kaum hinaus auf die große Landstraße gekommen, als er seinen alten Freund, den Fähnrich von Oerneclou, traf. Und der Fähnrich, der das ganze liebe Jahr auf Reisen war und alle Höfe in Wermeland kannte, gab ihm einen guten Rat. »Fahrt nach Halstanäs und besuchet den Fahnenjunker Oestblad,« sagte er zum Oberst. »Ich kann Euch sagen, Bruder, daß ich keinen Hof im ganzen Lande weiß, wo ich mich wohler fühlte.«
»Was ist das für ein Oestblad, von dem Ihr sprecht, Bruder?« sagte der Oberst. »Ihr könnt doch nicht den tollen Fahnenjunker meinen, Bruder, den die Majorin zur Thür hinauswarf?«
»Just den meine ich,« sagte der Fähnrich, »aber Oestblad ist nicht der, der er gewesen. Er hat sich mit einem feinen Fräulein verheiratet, mit einem so recht durablen Frauenzimmer, Oberst, das einen Menschen aus ihm gemacht hat. – Das war freilich ein höchst unerwartetes Glück für Oestblad, daß eine so ausgezeichnete Dame sich in ihn verliebte. Sie war wohl nicht gerade sehr jung, aber jung war Oestblad ja auch nicht. Lieber Bruder, Ihr müßt nach Halstanäs fahren, um der Liebe Wunderwerk zu schauen.«
Und so fuhr der Oberst nach Halstanäs, um zu sehen, ob Oerneclou die Wahrheit gesprochen habe. Er hatte sich wohl bisweilen gewundert, was aus Oestblad geworden sein könnte. In seiner Jugend hatte er es so wild getrieben, daß nicht einmal die Majorin auf Ekeby Nachsicht mit ihm haben konnte. Sie hatte ihn nicht länger als ein paar Jahre auf Ekeby dulden können, dann war sie gezwungen gewesen, ihn fortzujagen. Oestblad war so tief verkommen gewesen, daß ein Kavalier kaum mit ihm hatte umgehen wollen. Und nun behauptete Oerneclou, daß er Haus und Hof besaß und mit einem hervorragenden Frauenzimmer verheiratet war.
So fuhr der Oberst hinauf nach Halstanäs und sah da auf den ersten Blick, daß dies ein richtiger alter Herrenhof war. Er brauchte nur die Birkenallee zu sehen, mit all den eingeschnittenen Namen und den hohen verzweigten Bäumen. Solche Birken hatte er nie anderswo als auf alten ansehnlichen Landsitzen gesehen. Der Oberst fuhr sachte in den Hof ein, und mit jedem Augenblick wurde er vergnügter. Da waren Lindenhecken von der richtigen Sorte, so dicht, daß man darüber gehen konnte, und da waren ein paar Terrassen mit Steinstufen, die so lange dort gelegen, daß sie sich halb in die Erde eingegraben hatten.
Als der Oberst an dem Teich vorbeifuhr, sah er die dunklen Rücken der Karauschen in dem gelblichen Wasser schimmern. Die Tauben flogen mit schmetternden Flügelschlägen vom Wege empor, das Eichhörnchen hielt sein Rad auf, der Kettenhund lag still mit der Schnauze auf den Vorderbeinen, wedelte mit dem Schwanze und knurrte leise dazu.
Dicht neben dem Erker sah der Oberst einen Ameisenhaufen, wo die Ameisen ungestört in ihren Angelegenheiten auf und ab gingen. Er sah auf die Blumeneinfassung an der Rasenkante, da wuchsen all die alten Sorten, Narcissen und Morgenstern und Hauslauch. Aber oben auf dem Graswall, da wuchsen kleine weiße Maßliebchen, die so alt hier geworden waren, daß sie sich selbst säeten und wie Unkraut gehalten wurden.
Beerencreutz wiederholte es bei sich selbst: Das war wirklich ein richtiger Herrenhof, hier hatten Pflanzen, Tiere, sowie Menschen das allerbeste Gedeihen.
Als er endlich beim Hausthor vorfuhr, wurde er so freundlich bewillkommnet, als er es nur wünschen konnte, und sobald er sich vom Reisestaub gereinigt hatte, geleitete man ihn zu Tische. Und man bewirtete ihn mit guten, reichlichen, althergebrachten Speisen, und zum Nachtisch bekam er Spritzkuchen, solche, wie seine Mutter sie ihm vorzusetzen pflegte und wie er ihresgleichen nie in der Welt gegessen.
Und Beerencreutz betrachtete mit Erstaunen Fahnenjunker Oestblad. Er sah ihn umhergehen still und vergnügt, mit einer langen Pfeife im Munde und der Hauskappe auf dem Kopfe. Er hatte einen alten Hausrock, aus dem es ihm schwer fiel, herauszukriechen, wenn er sich zum Mittagessen fein machen sollte. Das war das einzige Überbleibsel des alten Wilden, das Beerencreutz an ihm sah. Er ging und beaufsichtigte die Arbeitsleute, wies die Tagewerke an, sah nach, wie es auf Feld und Wiese wuchs, pflückte eine Rose für seine Frau, als er durch den Garten ging, und fluchte nicht und spie nicht aus.
Aber am verwundertsten wurde der Oberst, als er sah, daß der alte Fahnenjunker Oestblad Bücher führte. Er nahm den Oberst in das Kontor und zeigte ihm große Bücher mit roten Lederrücken. Und die führte er selbst. Er liniierte sie mit roter und schwarzer Tinte und richtete Kontos und Namen ein und schrieb alles auf bis zu einem Briefporto.
Aber Fahnenjunker Oestblads Frau, die ein geborenes Fräulein war, nannte Beerencreutz Vetter, und sie waren bald so weit, daß sie den Verwandtschaftsgrad nachrechneten, und sie sprachen von allen Verwandten. Und schließlich bekam Beerencreutz solch ein Vertrauen zu Frau Oestblad, daß er sich mit ihr über die Teppichweberei beriet.
Es war eine ausgemachte Sache, daß Beerencreutz über Nacht bleiben mußte. Er wurde in ein breites Himmelbett mit einem ganzen Berg von Polstern gebettet, in das beste Gastzimmer rechts vom Flur, dicht neben dem Schlafgemach. Der Oberst schlief gut, sowie er ins Bett gekommen war, aber mitten in der Nacht erwachte er. Er stand da sogleich aus dem Bette auf, der alte Oberst, und ging und schlug die Läden vom Fenster zurück.
Er hatte die Aussicht nach dem Garten, und nun sah er in der hellen Sommernacht alle alten Apfelbäume des Hofs, die knorrig dastanden mit wurmstichigen Blättern und mit unzähligen Stützen unter den morschen Ästen. Er sah den großen Wildapfelbaum, von dem man zum Herbst ganze Tonnen ungenießbare Früchte ernten würde. Er sah die Ananaserdbeeren, die gerade anfingen, unter dem dichten Laub zu erröten.
Der Oberst stand und sah das an, als wenn es ihm nicht möglich wäre zu schlafen. An seinem Fenster daheim im Bauernhofe hatte er einen steinigen Waldhügel und ein paar Wachholderbüsche. Es war nicht zu verwundern, daß ein Mann wie Beerencreutz sich unter gestutzten Hecken und blühenden Rosen heimischer fühlte.
Wenn man einen Garten in einer stillen Nacht sieht, hat man oft das Gefühl, daß er nicht echt und wirklich sein kann. Er kann so still sein, daß man eher glaubt, sich in einem Theater zu befinden, man glaubt, daß die Bäume gemalt sind und die Rosen aus Papier zusammengekleistert. Und etwas derartiges war es auch, was der Oberst fühlte, als er da stand. Es kann nicht möglich sein, dachte er, daß all dies richtig ist. Das ist wohl ein dummer Traum. Aber da fielen von dem großen Rosenbusch, der dicht unter dem Fenster stand, sacht ein paar Rosenblätter zu Boden, und da fühlte er wieder, daß alles echt war. Alles war echt und richtig, Tag und Nacht war derselbe Friede über allem.
Als er sich wieder niederlegte, ließ er die Fensterläden offen stehen. Er lag in seinem hochgetürmten Bett und sah einmal ums andere hinaus auf den Rosenbusch. Er konnte keine Worte dafür finden, wie sehr er ihm gefiel. Es drückte ihn ganz wunderlich, daß ein Mann wie Oestblad jede Nacht ein solches Paradies vor seinem Fenster haben sollte.
Je mehr der Oberst an Oestblad dachte, desto mehr verwunderte es ihn, daß dieses Fohlen in einen solchen Stall geraten war.
Es war nicht viel mit ihm los gewesen zu der Zeit, als er von Ekeby fortgejagt wurde. Es ließ sich nicht leicht voraussehen, daß er ein vermögender, wohlbestallter Mann werden würde.
Der Oberst lag da und lachte leise, und es kam ihm in den Sinn, ob Oestblad sich jetzt wohl noch erinnerte, wie er sich einstmals in der Welt zu erlustigen pflegte, als er noch auf Ekeby hauste. In einer recht dunklen, unheimlichen Nacht hatte er sich wohl mit Phosphor bestrichen, sich auf ein schwarzes Pferd gesetzt und war fortgeritten über die gutsherrlichen Hügel, wo Schmiede und Müller ihre Wohnstätten hatten. Und wenn dann jemand zufällig herausguckte und einen Reiter vorbeisprengen sah, in blauweißem Lichte leuchtend, dann hatte der sich beeilt, Laden und Gitter wohl zu verschließen, und hatte gesagt, daß es heute Nacht wohl das Beste wäre, seine Gebete andächtig zu sprechen, denn nun wäre der böse Feind in Person auf Seelenjagd aus.
Ach ja, ach ja, einfältiges Volk auf diese Art zu schrecken, damit ergötzte sich mancher in früherer Zeit. Aber Oestblad trieb den Spaß weiter als irgend ein anderer, von dem der Oberst je gehört hatte.
Da war ein altes Wurzelweib in Oiksta gestorben, was ein Käthnergut unter Ekeby war. Und Oestblad erfuhr das zufällig, und ebenso erfuhr er, daß die Leiche aus dem Hause gebracht und in eine Scheune getragen worden war. Als es Nacht wurde, zog Oestblad die Feuerkleider an, bestieg das schwarze Pferd und ritt zum Hofe. Und die Leute auf dem Käthnergut, die noch auf und im Freien gewesen waren, hatten einen Feuerreiter hinauf zur Scheune reiten sehen, wo die Leiche lag, sie dreimal umkreisen und dann durch das Thor verschwinden. Sie hatten den Reiter auch herauskommen sehen, abermals dreimal das Haus umkreisen und dann verschwinden.
Aber am Morgen, als man zur Scheune kam, um nach der Leiche zu sehen, war sie fort. Und da glaubte man, daß der böse Feind sich der Toten bemächtigt und sie entführt hatte, und damit gab man sich zufrieden.
Aber ein paar Wochen später fand man die Leiche oben auf dem Heuschober in der Scheune, und da entstand ein großer Lärm über die Sache. Da spähte man aus, wer der Feuerreiter war, und die Bauern lauerten Oestblad auf, um ihm einen Denkzettel zu geben, und die Majorin wollte ihn nicht mehr an ihrem Tische und in ihrem Hause sehen, sondern füllte seinen Ranzen und bat ihn, anderswohin zu ziehen.
Und Oestblad zog hinaus in die Welt und machte sein Glück.
Der Oberst fühlte etwas ganz Wunderliches, wie er da im Bette lag. Es war beinahe, als sollte er anfangen, sich zu fürchten. Er hatte früher gar nicht so recht gedacht, wie abscheulich diese Geschichte eigentlich war. Hatte wohl vielleicht sogar darüber gelacht; es war ja nicht üblich, daß man sich das, was einem alten Wurzelweib geschah, so sonderlich zu Herzen nahm. Aber Gott erbarme sich, wie rasend würde man werden, wenn einer unserer eigenen Mutter so etwas angethan hätte.
Den Oberst überkam ein erstickendes Gefühl. Er atmete mit Schwierigkeit.
Es stand erschreckend furchtbar vor ihm, das, was Oestblad gethan. Es wurde zu einem förmlichen Alp. Er fürchtete sich, die tote Alte hinter dem Bett hervorkommen zu sehen. Es war ihm, als müßte sie hier in der Nähe sein.
Und aus den vier Ecken des Zimmers erklang es dem Obersten mit entsetzlicher Gewißheit: Das verzeiht Gott nicht. Das hat Gott nicht vergessen.
Der Oberst schloß die Augen, aber da sah er mit einemmale Gottes großen Webstuhl vor sich, in dem das Gewebe aus Menschenschicksalen gewebt war. Und er glaubte das Viereck zu sehen, das Fahnenjunker Oestblads Leben war, und er sah es auf drei Seiten von Dunkel umgeben. Und er sah ein, er, der sich auf Gewebe und Muster verstand, daß die vierte Seite auch mit Dunkel belegt werden mußte. Es ging nicht anders an, sonst war das Gewebe verfehlt. Der kalte Schweiß brach auf seiner Stirne hervor. Es dünkte ihm, daß er auf das Unerbittlichste und härteste in der ganzen Welt hinabschaute. Er sah, wie das Schicksal, das ein Mensch sich in seinem verflossenen Leben geschaffen, ihn verfolgte. Und da dachte mancher, daß er dem entkommen könnte!
Entkommen, entkommen! Alles war aufgezeichnet und eingeritzt, und die eine Farbe und Figur zwang die andere hervor, und alles wurde so, wie es werden mußte.
Oberst Beerencreutz setzte sich mit einemmale gerade im Bett auf, er wollte hinaussehen auf Blumen und Rosen und denken, daß vielleicht unser Herr dennoch vergessen könnte.
Da im selben Augenblick, als Beerencreutz sich im Bette aufsetzte, öffnete sich die Schlafzimmerthür, und ein fremder Mann steckte den Kopf herein und nickte dem Oberst zu.
Es war jetzt so hell, daß der Oberst den Mann ganz deutlich sah. Das war wahrlich das häßlichste Gesicht, das er je gesehen. Es hatte graue Schweinsaugen und eine eingedrückte Nase und einen dünnen, borstigen Bart. Er konnte nicht sagen, daß der Mann wie ein Tier war, denn Tiere sind meistens schön. Aber er hatte doch einen tierischen Stempel. Sein Unterkiefer war vorgeschoben, das Kinn war dick und seine Stirn verschwand ganz unter dem struppigen Haar.
Er nickte dem Oberst dreimal zu und jedesmal dazwischen kicherte er mit einem breiten Grinsen. Dann streckte er eine Hand aus, die rot von Blut war, und zeigte sie gleichsam triumphierend.
Bis dahin hatte der Oberst in einer Art Lähmung still gesessen, aber nun sprang er auf und war in zwei Schritten bei der Thür. Doch als er hinkam, war der Mann verschwunden und die Thür versperrt.
Der Oberst wollte schon rufen und klopfen, als es ihm einfiel, daß die Thür von seiner Seite verriegelt sein mußte, da er dies selbst am Abend besorgt hatte. Und als er sie untersuchte, verhielt es sich so, und sie war durchaus nicht geöffnet worden.
Und den Oberst überfiel eine Art Beschämung darüber, daß er auf seine alten Tage anfing, Gespenster zu sehen. Er ging und legte sich ohne weiteres nieder.
Als die Nacht endlich vorbei war und das Frühstück verzehrt, war der Oberst noch beschämter über sich selbst. Er hatte sich in solchen Schrecken versetzt, daß er gezittert hatte und von kaltem Schweiß bedeckt war. Er erwähnte mit keinem Worte die ganze Sache.
Aber später am Tage machten Oestblad und er eine Runde um die Besitzung. Und als sie nun an einem Arbeiter vorbeikamen, der dastand und Torf ausstach, erkannte Beerencreutz ihn wieder. Das war der Mann, den er in der Nacht gesehen, er erkannte ihn Zug für Zug. »Lieber Bruder, diesen Mann würde ich nicht einen Tag länger in meinen Diensten behalten,« sagte Beerencreutz, als sie ein Stück gegangen. Und nun erzählte er Oestblad, was er in der Nacht gesehen. »Ich erzähle dies einzig und allein, damit Ihr Euch warnen laßt, Bruder, und diesen Menschen aus Euerem Dienste jagt.«
Aber Oestblad wollte nicht, er wollte gerade diesen Arbeiter nicht fortjagen. Und als Beerencreutz immer eindringlicher wurde, bekannte er endlich, daß er gegen diesen Mann nichts thun wollte, weil er der Sohn eines Wurzelweibes war, das auf Oiksta nahe von Ekeby gestorben war. »Ihr erinnert Euch wohl der Sache, Bruder,« fügte er hinzu.
»Ist das so, dann würde ich lieber ans Ende der Welt ziehen, als einen einzigen Tag in der Nähe dieses Mannes leben,« sagte Beerencreutz. Und eine Stunde später reiste er seiner Wege und war beinahe erzürnt darüber, daß seine Warnung kein Gehör fand.
»Hier geschieht ein Unglück, bevor ich wieder herkomme,« sagte der Oberst zu Oestblad, als er Abschied nahm.
Im nächsten Jahre um dieselbe Zeit machte sich der Oberst bereit, nach Halstanäs zu fahren. Doch ehe er hinkam, mußte er grausige Kunde vernehmen. Genau ein Jahr nach der Nacht, die er dort verbracht, waren Fahnenjunker Oestblad und seine Frau in ihrem Schlafzimmer ermordet worden, von einem seiner Käthner, einem Manne mit dickem Stierhals, eingedrückter Nase und Schweinsaugen.