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8. Die Vorladung.

Als der Pfarrer auf seinem Zimmer im Gasthofe angelangt war, erstaunte er nicht wenig, auf dem Tische einen mit dem Stadtwappen versiegelten Zettel zu finden, überschrieben: »Vorladung an Herrn Pfarrer Krause von Flühdorf, – Polizei-Direktor.« – Unfreundlich kreuzte diese unerwartete Erscheinung seine, auf ganz andere Dinge gerichteten Gedanken. Er fragte, das fatale Papier uneröffnet in der Hand haltend, den eintretenden Wirth um Auflösung. Aber mit Achselzucken antwortete dieser: er begreife nicht, wodurch die Vorladung eigentlich veranlaßt worden. Vielleicht sei der Polizei-Direktor aufgebracht, daß der Herr Pfarrer das gefundene Loos nicht ihm zugestellt, vielleicht vermuthe er etwa ein Billet von einer verbotenen Lotterie. Auf alle Fälle rathe er dem Herrn, auf der Stelle hinzugehen; indem der Herr Direktor in Amtssachen keinen Spaß verstehe, – Der Zettel ward nun eröffnet und wies in der That nur eine trockene Citation, auf der Stelle zu erscheinen.

Mißmuthig stolperte Gottfried durch die engen Gassen und grollte dießmal seinem lieben Papier in allem Ernste; denn was konnte ihm diese fatale Lettre de Cachet andres bringen als Unheil und einen unverdienten Wischer, oder gar eine Geldbuße!? – Geldbuße? Geldbuße? Mit wahrem Schreck führte das redliche Männchen seine Hand in die Tasche, drückte voll schmerzlicher Inbrunst zwei große Thaler in seinem Beutelchen zusammen, nahm in Gedanken schon Abschied von ihnen, und hätte sich in seiner Angst bald verschworen, sein Lebenlang keinen Papierstreifen mehr aufzuheben.

Er kam an, ward vorgelassen und fand in der ganzen Geschichte – einen freundlichen Spaß! Ein Jugendfreund seines Vaters hatte sich hier gesetzt, nachdem er als Gerber ein hübsches Vermögen erworben. Er hatte mit seinem geraden verständigen Wesen sich bis zum Rathsherrn und Polizei-Direktor emporgeschwungen, vernahm die Anwesenheit des Sohnes von seinem Jugendfreunde und citirte in einem Anfall muthwilliger Laune ihn nach aller Form, um ihm für die Zeit seines jedesmaligen Aufenthaltes in A... Kost und Wohnung in seinem Hause anzubieten. Somit war ja der gute Papyrius mit seinem Papiere schon wieder ausgesöhnt.

Aber vollends küssen mußte er diese Vorladung, als sich beim fröhlichen Nachtessen auswies, daß der Herr Rath sogar Vormund der holden Lise und ihrer frommen Tante sei. Denn hier erhielt er nun vollständige Kenntniß von beiden. »Ist die junge Lise,« – so sprach jener – »das Muster eines lieben, verständigen, fleißigen Mädchens, so ist die alte Lise hingegen mir sehr fatal. Einst ein verliebtes Weltkind, wie wenige, fing sie nach dem ersten halben Säculum ihres Lebens an fromm zu thun. Wie vormals von den derbsten Gassenhauern, so fließt sie jetzt von geistlichen Gesängen über. Und während sie hinter geistlichen Büchern zu brüten scheint, geht keine Katze unbekrittelt über die Gasse. Sie ist anbei einem periodischen Schwindel unterworfen, weil sie ihrem schwachen Magen immer und immer wieder mit Elixieren zu Hülfe kommt.«

»O wehe mir!« seufzte der Pfarrer im Stillen. »Wenn auch das Loos mir die holde Lise zuführte, so müßte ich ja wohl die unholde in den Kauf oben drein haben! Wehe mir dann, wenn ein solch altes Uebel in mein Haus zöge! Das wäre ja schlimmer als Salz und Pfeffer auf Zuckerbrod!«


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