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Nach mancherlei weitläuftigen Verhandlungen, die, außer dem gegenseitigen Mißtrauen, noch durch eine plötzlich eintretende Krankheit des russischen Heerführers verzögert wurden, kam endlich ein neuer Operationsplan zwischen den Armeen der Oesterreicher und Russen zu Stande. Die Letzteren sollten einen Einfall in die Mark Brandenburg machen, die Ersteren dagegen zu neuen Unternehmungen in Schlesien schreiten, damit durch diesen Doppelangriff die preußische Macht wieder getrennt würde und die einzelnen Corps derselben um so leichter geschlagen werden könnten. Daun hatte jetzt nichts Geringeres im Sinn, als sofort zur Belagerung von Schweidnitz zu schreiten. Friedrich, von der russischen Armee nicht eben große Eile befürchtend, entschloß sich, seine Hauptmacht zunächst gegen Daun – der ihm indeß immer noch um das Doppelte überlegen war – zu führen und ihn wo möglich zur Räumung Schlesiens zu zwingen. In der That wußte er alsbald so geschickte Manoeuvres gegen ihn einzuleiten, daß Daun von seinem Vorhaben abstehen mußte und sich, seiner großen Ueberlegenheit zum Trotz, auf einen bloßen Vertheidigungskrieg zurückgeführt sah. Doch wußte wiederum Daun in den Gebirgen so sichre Stellungen zu nehmen, daß auch Friedrich seinen Plan, ihn ganz nach Böhmen hinauszudrängen, nicht zur Ausführung bringen konnte. So war auf's Neue geraume Zeit vergangen, ohne daß irgend etwas Entscheidendes vorfiel. Und als nun die Nachricht kam, daß die Russen bereits ihren Marsch nach Berlin angetreten hätten, als auch von Daun ein besondres Corps, unter dem General Lascy, ebendahin entsandt ward, so mußte sich Friedrich entschließen, sein Unternehmen gegen die österreichische Hauptmacht aufzugeben, um seiner bedrängten Residenz Hülfe zu bringen. Am 6. October brach er mit seiner Armee auf.
Der Marsch wurde durch keine besondern Zufälle gefährdet. Ein eignes Interesse bietet er aber durch mancherlei kleine Charakterzüge dar, die uns aufbehalten und die vorzugsweise geeignet sind, das gemüthliche Verhältniß des Königs zu den Seinen erkennen zu lassen.
So wird erzählt, wie die Armee einst, an den Grenzen der Lausitz, vor einem Morast Halt machte, um die Aufführung eines Dammes, der für das schwere Geschütz nöthig war, abzuwarten. Es war ein kalter und nebliger Herbstmorgen. Schnell wurden Holzstöße zusammengetragen und Feuer angemacht, zu deren Seiten die Soldaten sich lagerten. Neben dem einen Feuer stand Friedrich und lehnte sich, in seinen Mantel gehüllt, an einen Baum. Zieten kam zu demselben Feuer und setzte sich auf einen Holzblock nieder; vom Marsch ermüdet, schlief er bald ein. Ein Grenadier schob dem General ein Bündchen Holz unter den Kopf; Friedrich bemerkte es wohlgefällig. Ein Offizier kam herbei, dem König eine Meldung zu bringen, und trat nahe an Zieten; jener winkte ihn aber von der Stelle fort und sagte leise: »Weck' Er mir den Zieten nicht: er ist müde!« – Hernach kam ein Soldatenweib und stellte, ohne den König zu bemerken, einen Topf mit Kartoffeln an das Feuer. Sie kniete nieder und blies so eifrig in die Glut, daß die Asche Friedrich in's Gesicht flog. Er sagte nichts und zog nur den Mantel ein wenig vor. Zufällig ging ein Soldat vorbei, der den König erkannte; dieser machte das Weib auf die Nähe desselben aufmerksam; im höchsten Schreck ergriff sie ihren Topf und lief davon. Friedlich aber ließ sie zurückholen und die Kartoffeln in Ruhe an seinem Feuer gar kochen. Die Soldaten jubelten laut über ihren gnädigen König.
Während des Marsches rief Friedrich öfters seinen Leuten, wenn, sie ermüdet waren und sich einem nachlässigen Gange überließen, die Worte zu: »Gerade, Kinder, gerade!« Sie aber antworteten nicht selten: »Fritz auch gerade!« Ein Husar, der einst denselben Zuruf erhielt, erwiederte mit Laune, den Anzug des Königs musternd: »Fritz auch gerade, und die Stiefeln in die Höhe gezogen!« Friedrich nahm solche Antworten stets mit freundlichem Wohlwollen auf; dafür folgten ihm auch seine Soldaten mit unbedingter Hingebung. Sein steter Morgengruß war: »Guten Tag, Kinder!« und stets tönte es zurück: »Guten Tag, Fritz!«
Gegen das Ende des Marsches – so wird weiter berichtet – stieg einst ein Husarenweib, das alle Züge der Armee mitgemacht hatte, vom Pferde, ging in eine offene Scheune und gebar dort, ohne weitere Unterstützung einen Knaben. Gleich nach der Niederkunft raffte sie all ihr Geräth, nebst dem Kinde, wieder zusammen, schwang sich ohne Sorgen auf ihr Pferd und ritt nahe zum König heran. »Majestät,« rief sie ihm entgegen, »hier ist ein junger Fritz, den ich eben in einer Scheune geboren habe!« Friedrich fragte, ob das Kind schon getauft sei. »Nein,« antwortete sie, »aber Fritz soll er heißen!« – »Gut,« entgegnete der König, »habt Sorge für ihn, und wenn es Friede wird, so meldet Euch bei mir: ich werde für den Jungen sorgen!« –
Friedlich durfte vielleicht um so mehr hoffen, daß der Zug der Russen gegen die Mark nicht mit genügender Entschlossenheit würde ausgeführt werden, als schon vor seinem Aufbruch aus Schlesien ein besondres Unternehmen, das sie mit außerordentlicher Zurüstung eingeleitet, auf eine überraschend glückliche Weise abgeschlagen war. Es lag den Russen daran, auch in Pommern festen Fuß zu fassen und, soviel es irgend möglich war, im Besitz der Ostseeküsten vorzudringen. So erschien, gegen Ende August, eine gewaltige russische Flotte vor Colberg und begann, nachdem sie ein großes Kriegsheer ausgeschifft hatte, die Belagerung der Festung. Die Besatzung von Colberg war wenig bedeutend; aber der Commandant, Oberst von der Heyde, wußte alle hartnäckigen Angriffe, alles Feuer der Belagerungsgeschütze mit so großer Besonnenheit und Standhaftigkeit abzuwehren, daß mehrere Wochen vergingen, ohne daß die Feinde wesentliche Vortheile erreicht hätten. Schon war noch eine kleine schwedische Flotte zur Verstärkung der russischen gekommen. Plötzlich aber und unerwartet nahte sich der bedrängten Festung der sehnlich erwartete Entsatz. Es war ein kleines Corps preußischer Truppen, das aus Niederschlesien aufgebrochen und in so eiligen Märschen herangezogen war, daß es aus dem Boden hervorgewachsen schien. Der Vortrab dieses Corps, eine Schaar von 300 Husaren, warf sich ungestüm auf die feindliche Infanterie, die schon die ganze preußische Armee vor sich zu sehen glaubte; ein großer Theil ward niedergehauen und gefangen, die übrigen flüchteten auf die Schiffe, zum Theil auch suchten sie eilig, den Seestrand hinab, das Weite. Die schwedische Flotte hatte sich bei dem Anfall der preußischen Husaren, schleunig auf die hohe See hinaus begeben, als ob jene auch die Fähigkeit hätten, ihr in's Wasser zu folgen. Am 23. September hatte sodann auch die russische Flotte die Segel gelichtet. Das preußische Corps aber war hierauf nach Schwedisch-Pommern gesandt worden, den dortigen Feind im Zaume zu halten.
Doch war die Hoffnung, die Friedrich aus diesem Ereigniß schöpfen konnte, vergeblich gewesen. Kaum war er, am 15. October, in die Nähe der märkischen Grenze gekommen, so hörte er, daß seine prachtvolle Residenz, bereits die Beute der Feinde geworden sei. Nach den vielfachen Berathungen zwischen den Oesterreichern und Russen hatten sich die Letztern endlich schnell gegen die Mark gewandt. Der Vortrab der russischen Armee, unter dem General Tottleben, erreichte schon am 3. October Berlin. Zunächst zwar leistete die schwache Besatzung nachdrücklichen Widerstand; hiebei zeichneten sich zugleich einige der ersten Generale der preußischen Armee, die hier ihre Heilung von ehrenhaften Wunden erwarteten, – unter ihnen Seydlitz, – rühmlichst aus. Auch waren schnell einige preußische Truppencorps herangezogen, die zur Vertheidigung wirksame Anstalten machten. Als nun aber das Corps des General Tottleben bedeutend verstärkt ward, als auch jenes österreichische Corps unter General Lascy, welches Daun entsandt, gegen Berlin herangezogen kam, sahen sich die preußischen Truppen, wollten sie nicht die Stadt der Gefahr eines Sturmes Preis geben, zum Rückzuge genöthigt. Der Hof hatte schon seit längerer Zeit einen sichern Aufenthalt in Magdeburg genommen. Die Besatzung Berlins capitulirte und Tottleben hielt am 9. October seinen Einzug. Indeß war das Schicksal der preußischen Residenz minder hart, als man es, bei den bisherigen Greueln, die die Russen überall verübt, erwarten zu dürfen glaubte. Der russische Befehlshaber ließ sich die Zahlung einer, allerdings sehr starken, Contribution verbürgen; seinen Truppen aber ward strenge Mannszucht anbefohlen. Die Contribution betrug zwei Millionen; doch auch hieraus erwuchs den Bürgern keine Last, indem Friedrich es war, der dieselbe nachmals, zwar im allergrößten Geheimniß, ganz aus eignen Mitteln bezahlte. Nur von den Oesterreichern, die Tottleben gern ganz von dem Besitze Berlins ausgeschlossen hätte, wurden mancherlei Ausschweifungen verübt und vorzüglich bedeutend war der Verlust an Kriegsmaterial, das theils mitgenommen, theils vernichtet wurde. Hohes Verdienst erwarb sich ein edler Bürger Berlins, der Kaufman Gotzkowsky, der überall begütigend und lindernd zur Hand war. Auch Potsdam, namentlich Sanssouci, erfuhr eine glimpfliche Behandlung; hier commandirte ein österreichischer General, Fürst Esterhazy, der sorgsam für die Sicherung alles königlichen Privat-Eigenthumes wachte und sich, zum Andenken, nur Ein Bild aus dem Schlosse mitnahm. Um so ärger aber wütheten die Feinde auf den übrigen Schlössern und auf den Dörfern außerhalb Berlins. Vornehmlich traf Charlottenburg ein trauriges Schicksal. Hier ward Alles in dem Schlosse des Königs zerstört: die Mobilien und Gefäße wurden zertrümmert, die Tapeten zerrissen, die Gemälde zerschnitten, die Kapelle geplündert und die schöne Orgel, die in derselben stand, zerbrochen. Die meiste Wuth äußerte sich gegen die kostbaren Antiken, die Friedrich aus dem Nachlaß des Kardinals Polignac erstanden und zum Schmuck dieses Schlosses und seines Gartens verwandt hatte; alle Statuen und Büsten wurden zerschlagen, ja, damit ihre künstige Wiederherstellung unmöglich sei, mit barbarischer Lust vollständig zermalmt. Und diese Greuel wurden nicht von den uncivilisirten asiatischen Horden ausgeübt: es waren vornemlich sächsische Regimenter, – von jenen, die bei Pirna gefangen und nachmals wieder zum Feinde übergegangen waren, – die auf so unwürdige Weise ihrem Haß gegen den Preußenkönig Luft machten.
Aber nur wenige Tage dauerte die feindliche Besitznahme der preußischen Residenz. Schon am 11. October traf die Nachricht ein, daß Friedrich zur Befreiung der Seinen heranziehe, und das bloße Wort: »Der König kommt!« verscheuchte wie ein rascher Windstoß die Schaaren der Feinde. Am 12. zog Alles in großer Eile davon; die Russen gingen über die Oder zurück; General Lascy wandte sich nach Sachsen; auch Daun, der von Schlesien aus Friedrich nachgezogen war, rückte in Sachsen ein. Friedrich erhielt die Nachricht von dem Abmarsch der Feinde, unmittelbar nachdem ihm ihre Ankunft gemeldet war. Er hatte also nicht nöthig, weiter in die Mark vorzurücken; dagegen ward nun seine Anwesenheit in Sachsen dringendes Erforderniß. Er machte sich also, nachdem er das Wichtigste wegen einer Entschädigung der großen Verluste, welche die Mark erlitten, angeordnet hatte, auf's Neue auf den Weg, um den entscheidenden Kampf aufzusuchen.
Wohl war es ein glänzendes Zeugniß seiner Feldherrngröße, daß der bloße Klang seines Namens im Stande gewesen war; die übermächtigen Feinde auseinanderzustäuben. Dennoch war der Gewinn nur gering, und nach der Weise, wie sich die Verhältnisse gegenwärtig gestellt hatten, war in der That noch das Schlimmste zu befürchten. Ganz Sachsen war in den Händen des Feindes. Als Friedrich hier, im Sommer, von Dresden abgezogen war, hatte er nur ein geringes Corps, der großen Reichsarmee gegenüber, zurücklassen können. Anfangs hatte dies Corps einige glückliche Erfolge gehabt. Dann aber war die Reichsarmee vorgeschritten; das preußische Corps mußte zum Schutze Berlins nach der Mark eilen, und nun fanden die Feinde keinen Widerstand mehr, um ganz Sachsen zu besetzen. Alle festen Städte fielen in ihre Hände. Glückte es jetzt Daun, Friedrich in Sachsen festzuhalten oder gar zu schlagen, so stand die Mark auf's Neue den Russen offen; auch warteten diese nur auf solche Kunde, um unverzüglich wieder hervorzubrechen und ihre Winterquartiere im Brandenburgischen zu nehmen. Friedrich erkannte die ganze Größe der Gefahr; aber die Reihe aller der Leiden, die er seither bereits ertragen, hatte seinen Muth gestählt. Er war entschlossen, das Aeußerste zu wagen. »Nie werde ich,« schrieb er an d'Argens, »den Augenblick sehen, der mich nöthigen wird, einen nachtheiligen Frieden zu schließen; kein Bewegungsgrund, keine Beredsamkeit werden im Stande sein, mich dahin zu bringen, daß ich meine Schande unterschreibe. Entweder laß ich mich unter den Ruinen meines Vaterlandes begraben; oder wenn dem Geschick, das mich verfolgt, dieser Trost noch zu süß scheinen sollte, so werde ich mein Unglück zu endigen wissen, wenn es nicht mehr möglich ist, dasselbe zu tragen. Stets handelte ich der innern Ueberzeugung und jenem Gefühl von Ehre gemäß, welches alle meine Schritte leiten wird. Nachdem ich meine Jugend meinem Vater, meine männlichen Jahre meinem Vaterlande aufgeopfert habe, glaube ich berechtigt zu sein, über mein Alter zu gebieten. Ich hab' es Ihnen gesagt und wiederhole es nochmals: nie wird meine Hand einen schimpflichen Frieden unterzeichnen. Ich bin fest entschlossen, in diesem Feldzuge Alles zu wagen und die verzweifeltsten Dinge zu unternehmen, um zu siegen oder ein ehrenvolles Ende zu finden.«
Das Glück begünstigte den Beginn. Wittenberg und Leipzig wurden wieder mit preußischen Truppen besetzt: die Reichsarmee zog sich, ohne sich mit den Oesterreichern vereinigt zu haben, gegen Thüringen zurück. Daun lagerte bei Torgau; mit ihm mußte nun der entscheidende Kampf gekämpft werden.
Daun's Armee zählte über 64 000 Mann. Die Stellung, welche er auf den Höhen bei Torgau eingenommen hatte, war fast jener gleich, in der einst die Russen bei Kunersdorf standen; auf der vordern Seite war das Lager durch steileren Abfall des Bodens, durch Bäche und Sümpfe, auf der hintern Seite durch einen starken Verhack geschützt. Friedrich führte ihm 44 000 Mann entgegen. Der Localität gemäß beschloß Friedrich, mit dem Haupttheil seiner Armee die Stellung des Feindes zu umgehen und ihn von hinten anzufallen, während ein besondres Corps, unter Zieten's Leitung, auf der vordern Seite gegen ihn rücke und ihn hier in Schach halte, um sodann, wenn Friedrich die Macht der Oesterreicher geworfen, ihnen in den Rücken zu fallen und ihre gänzliche Vernichtung herbeizuführen.
Am 3. November, in früher Morgenstunde, machte sich Friedrich auf den Marsch; seine Armee ging in drei von einander getrennten Colonnen durch den großen Wald, der sich bis an die eine Seite der feindlichen Stellung heranzog. Ein österreichisches Regiment, das als Vorposten im Walde stand, gerieth hiebei ganz unerwartet zwischen die beiden ersten Colonnen der preußischen Armee und wurde fast gänzlich gefangen genommen. Man hatte indeß, um an das bestimmte Ziel zu gelangen, mehrere Meilen Weges zurückzulegen; Mittag war bereits vorüber, als Friedrich den Saum des Waldes erreichte und sich endlich der feindlichen Stellung gegenüber befand. Jetzt hörte man von jenseit eine Kanonade beginnen, die immer heftiger ward. Zieten war nemlich auf einen vorgeschobnen Posten der österreichischen Armee gestoßen, der ihm die Annäherung streitig machte, so daß er sich genöthigt fand, Kanonen aufzufahren. Dies hielt Friedrich für das Zeichen einer förmlichen Schlacht, die bereits auf jener Seite beginne, und so entschloß er sich rasch zum Angriffe, obgleich er noch nicht seine ganze Armee beisammen hatte und namentlich die Cavalerie noch im Walde zurückgeblieben war. Es war zwei Uhr, als seine ersten Regimenter dem Feinde entgegenrückten. Aber Daun war schon früher von Friedrich's Bewegungen unterrichtet worden und hatte ihnen gemäß seine Maßregeln getroffen. Ein furchtbares Kanonenfeuer empfing die preußischen Grenadiere, so daß sie reihenweise zu Boden geschmettert wurden. Ein Theil der preußischen Armee mußte im Saum des Waldes marschiren; auch dahin flog der Regen der feindlichen Kugeln. Die Bäume stürzten zerschmettert zusammen und schlugen die Soldaten zu Boden; ein ungeheurer Eichenast brach unmittelbar vor dem Könige nieder und erschlug zwei Mann, die vor ihm gingen. Er mußte vom Pferde steigen und seine Truppen zu Fuß in die Ebne hinausführen. Der erste Angriff war umsonst, zwei Drittheile der Grenadier-Regimenter lagen zerschmettert auf dem Boden, die übrigen mußten sich zurückziehen. Neue Truppen waren unterdeß herangekommen und drangen wiederum gegen die Anhöhen vor. Auf's Neue brüllte der Donner des Geschützes, die Erde erbebte, die grauen Regenwolken, die den Himmel bedeckt hielten, zerrissen. »Hat Er je« – so wandte sich Friedrich an einen Adjutanten – »eine stärkere Kanonade gehört? ich wenigstens niemals.« Wieder stürzten in Schaaren die Preußen zu Boden, aber unerschrocken schritten die Uebrigen vor, überstiegen den Verhack und gewannen die Höhen; hier behaupteten sie sich standhaft gegen die heftigsten Angriffe der Oesterreicher, auf beiden Seiten wurden die Reihen licht, bis endlich österreichische Cavalerie in die Preußen einbrach und sie wiederum von den Höhen hinabtrieb.
Ein dritter Angriff begann. Die preußische Cavalerie hatte endlich den Kampfplatz erreicht und hieb nun mit frischem Muthe in die österreichischen Schaaren ein. Beide Armeen standen mitten im Gewehrfeuer einander gegenüber; hin und her schwankte Gewinn und Verlust. Friedrich theilte redlich die Arbeit der Seinen. Schon waren zwei Pferde ihm unter dem Leibe erschossen, da traf eine Kugel seine Brust; er sank, ohne einen Laut, vom Pferde, die Adjutanten unterstützten ihn, sie rissen ihm entsetzt die Kleider von der Brust, – die Kugel hatte ihn nicht gefährlich verletzt, durch den Pelz und das Sammtkleid, die der König trug, war ihre Kraft gehemmt worden, sie hatte ihm nur den Athem genommen. Auch kam ihm gleich die Besinnung wieder. »Es ist Nichts!« so rief er den besorgten Dienern zu, stieg wieder zu Pferde und gab erneute Befehle für den Kampf. Aber wieder drang die österreichische Reiterei vor, die Preußen mußten auf's Neue weichen. Jetzt brach die frühe Novembernacht herein, die Fortsetzung des Kampfes hemmend.
Die preußische Armee zog sich vom Schlachtfelde zurück und stellte sich in einiger Entfernung auf's Neue, die Ereignisse des nächsten Tages abzuwarten, in Ordnung. Friedlich begab sich in ein benachbartes Dorf. Alle Häuser lagen voll Verwundeter, er nahm sein Nachtquartier in der Kirche. Hier ließ er sich verbinden und ertheilte die nöthigen Befehle für die Aufstellung der Armee; der Feind, so fügte er hinzu habe wohl nicht geringern Verlust erlitten, als das eigne Heer, und da ihm Zieten noch im Rücken stehe, so werde er es nicht wagen, in seiner Stellung zu bleiben; dann sei die Schlacht doch gewonnen. Gleichwohl konnten sich die Offiziere, die ihm, zum Theil ebenfalls verwundet, gefolgt waren, nicht so tröstlicher Hoffnung hingeben. In bangem Schweigen gingen mehrere Stunden hin. Schon hatte es neun Uhr geschlagen, da ward plötzlich eine unerwartete Freudenbotschaft gebracht: Zieten hatte noch spät den Kampf begonnen und hatte gesiegt! Jetzt verwandelte sich die bange Stille in lauten Jubel und frohes Dankgebet. Friedrich aber setzte sich auf die Stufen des Altars nieder, schrieb einige Depeschen, gab neue Befehle und legte sich dann auf das dürftige Strohlager, das man ihm bereitet hatte, zur Ruhe nieder.
Zieten hatte nämlich, nachdem er jenen ersten Posten der Oesterreicher geworfen, bis gegen Abend, der Anordnung des Königs gemäß, unthätig dem Feinde gegenüber gestanden. Erst als er die Überzeugung erhielt, daß Friedrich's Unternehmen abgeschlagen sei, entschloß er sich zum Angriff. Vor ihm lag ein Dorf, welches von Feinden besetzt war; er griff es an, die Feinde wurden hinausgeschlagen, aber sie steckten das Dorf in Brand, um die Verfolgung zu verhindern. Der Feuerschein jedoch wurde die Leuchte, die sein weiteres Beginnen bei der einbrechenden Nacht begünstigte. Er entdeckte, daß die österreichische Armee auf den Höhen sich nach der Mitte zu zusammengezogen habe und daß die Seite unbesetzt sei. Nun drang er hier mit seinen rüstigen Schaaren empor und setzte sich den Feinden gegenüber auf dem Berge fest. Ein hartnäckiger Kampf entspann sich, ohne zu einer baldigen Entscheidung zu führen. Indeß hatten einige der Regimenter, welche von Friedrich's Seite bereits an dem früheren Kampfe Theil genommen, die Erneuerung des Gefechtes bemerkt. Sie eilten, zur Entscheidung beizutragen; der Feuerschein diente auch ihnen zur Leuchte, während sie, in der Tiefe, ungesehen herannahen konnten. Sie fielen den Reihen der Oesterreicher in die Seite, und schnell war das Geschick des Tages entschieden. Die Oesterreicher zogen sich von dem Schlachtfelde, das sie bereits als ein Siegesfeld betrachtet hatten, zurück. Daun war schon vorher verwundet worden und hatte sich nach Torgau bringen lassen; jetzt gab er den Befehl, daß noch in derselben Nacht seine Armee sich auf das andre Ufer der Elbe begeben und Torgau verlassen solle.
Die Nacht war wild und unruhig. Von beiden Armeen war eine bedeutende Menge Soldaten versprengt, die nun, ohne Kenntniß von dem Ausgange der Schlacht, truppweise umherirrten und sich zu den Ihrigen zurückzufinden suchten. Der Brand des brennenden Dorfes war erloschen, die Feuer, welche in großer Anzahl, zum Schutz gegen die Kälte der Nacht angezündet waren, dienten nur dazu, die Suchenden irre zu führen. Die Oesterreicher richteten ihre Schritte nach dem Rauschen des Elbstromes, doch fielen ganze Bataillone von ihnen in die Hände der Preußen. Preußische Trupps trafen auf einander; unvermögend, sich zu erkennen, beschossen sie sich gegenseitig. An den Feuern lagen häufig Gesunde und Verwundete von beiden Heeren nebeneinander: des Mordens müde, hatten sie das Übereinkommen getroffen, daß derjenige Theil von ihnen am nächsten Morgen als gefangen betrachtet werden sollte, dessen Armee gesiegt hätte. Zugleich aber schwärmten wilde Rotten auf dem Leichenfelde umher und beraubten die Todten und die Verwundeten. Endlich brach der Morgen an. Friedrich erschien auf der blutigen Wahlstatt, für die Pflege der Verwundeten zu sorgen; allgemein war die Freude, ihn, von dessen Verwundung man gehört, gesund wieder zu sehen. Ein Grenadier, schon mit dem Tode ringend, rief freudig aus: Nun will ich gern sterben, da ich weiß, daß wir gesiegt haben und daß der König lebt! Als Friedrich und Zieten einander begegneten, fielen sie sich tiefbewegt in die Arme; Friedrich weinte laut und war unvermögend, dem treuen Diener seinen Dank auszusprechen.
Der Verlust auf beiden Seiten war sehr bedeutend gewesen. Die Preußen hatten 12 bis 13 000, die Oesterreicher über 16 000 Mann verloren. Doch waren die Letzteren immer noch bedeutend stärker als die Preußen; mit kühner Entschlossenheit hätten sie Friedrich den weitern Gewinn des Sieges streitig machen können. Aber die plötzliche Niederlage nach dem gewissen Siege, den man schon durch eilige Couriere nach Wien gemeldet, hatte sie muthlos gemacht. Sie zogen nach Dresden und suchten sich nur im Besitz dieser Stadt zu halten. Friedrich machte einige Versuche, sie auch noch von hier zu vertreiben und ganz nach Böhmen zurückzudrängen; doch war die winterliche Jahreszeit solchem Unternehmen nicht mehr günstig. Von beiden Seiten wurden die Armeen nun in die Winterquartiere geführt. Die Russen gingen nach Polen zurück, die Reichsarmee nach Franken. Durch ein besondres österreichisches Corps waren einige Versuche auf Oberschlesien gemacht worden, die aber ebenfalls erfolglos blieben. Mit gewaltig überlegenen Kräften war dieser Feldzug von Seiten der Gegner, so wie die früheren Feldzüge, begonnen worden; und doch behielten sie von all ihren Erwerbungen am Schlusse desselben nichts, als das einzige Glatz!
Zwischen den französischen Armeen und denen der verbündeten Truppen unter dem Herzog Ferdinand von Braunschweig war in dem verflossenen Jahre mit wechselndem Erfolge gekämpft worden. Die Franzosen hatten ein ungeheures Heer ausgerüstet, aber theils die geringe Tauglichkeit der Führer, theils der Zwiespalt unter diesen hatte ihre große Überlegenheit unwirksam gemacht. Bald schritt man von der einen, bald von der andern Seite vor, ohne daß entscheidende Ereignisse herbeigeführt wurden. Im Beginn des nächsten Jahres, im Februar, erfocht zwar der Herzog Ferdinand durch plötzlichen Angriff sehr bedeutende Vortheile, aber auch diese gingen im folgenden Monat wieder verloren. Die Truppen wurden beiderseits in die eben verlassenen Winterquartiere zurückgeführt, ohne daß die gegenseitigen Verhältnisse der feindlichen Mächte im Wesentlichen eine veränderte Gestalt gewonnen hätten.