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In Berlin war Friedlich als Sieger eingezogen; er wünschte und hoffte, daß jetzt für die Friedens-Unterhandlungen ein günstiger Zeitpunkt gekommen sein würde. Aber die Oesterreicher und Sachsen theilten diese Gesinnung nicht; im Gegentheil hatte der sächsische Minister, Graf Brühl, der sich durch Friedrich's Manifest gegen Sachsen empfindlich verletzt fühlte, einen neuen Sturm heraufbeschworen. An demselben Tage, am 8. November, an welchem die Siegeszeichen der Schlachten von Hohenfriedberg und Soor in den Kirchen aufgehängt wurden, erhielt Friedrich die geheime Nachricht, daß die sächsische und die österreichische Armee unverzüglich zusammenstoßen würden, um ihn in der Mark Brandenburg anzugreifen. Bald kamen auch andre Nachrichten zur Bestätigung dieser ersten: in der sächsischen Lausitz wurden beträchtliche Magazine zum Unterhalt der österreichischen Truppen, die man daselbst erwartete, angelegt; ein Theil der österreichischen Armee machte sich bereit, aus Böhmen in Schlesien einzufallen; ein Corps der österreichischen Rhein-Armee, unter dem General Grünne, war im Anmarsch, um einen Angriff unmittelbar auf Berlin zu unternehmen.
Aber, so plötzlich diese Unternehmungen auf Friedrich hereinzubrechen drohten, ebenso schnell hatte er auch schon seine Maßregeln zu ihrer Abwehr ergriffen. Der alte Fürst von Dessau erhielt auf's Neue den Oberbefehl über die Armee bei Halle, mit welcher er im Herbste den sächsischen Truppen gegenüber gestanden hatte; er sollte von dieser Seite in Sachsen einbrechen, während Friedrich sich an die Spitze der schlesischen Armee setzte, um Sachsen von der Seite der Lausitz anzugreifen. So wollte man von beiden Seiten gegen Dresden vordringen. Zur Deckung Berlins konnte man nur eine geringe Besatzung zurücklassen; aber die Bürgerschaft stellte selbst ein beträchtliches Corps, welches sich rüstig im Waffenhandwerk übte; zugleich suchte man die Residenz durch Schanzarbeiten gegen einen ersten Angriff des Feindes sicher zu machen.
Friedrich traf am 15. November bei der schlesischen Armee in Liegnitz ein. Während die Oesterreicher in die Lausitz einrückten, beobachtete er dasselbe Verfahren, welches ihm schon einmal, bei Hohenfriedberg, zum Siege verholfen hatte. Er sprengte Gerüchte aus, als ob er furchtsam nur seine Grenzen zu decken suche und seine Hauptarmee zurückziehe; auch ließ er zu gleichem Zwecke wieder einige scheinbare Maßregeln treffen. Der Prinz von Lothringen ward glücklich auf's Neue getäuscht. Unerwartet stand Friedrich in der Lausitz und traf am 23. November, bei Katholisch-Hennersdorf, auf die sächsischen Regimenter, welche den Vortrab der österreichischen Armee ausmachten. Diese wurden geschlagen, und ihr Verlust brachte die österreichische Hauptarmee so in Verwirrung, daß sie sich von einem Orte zum andern zurückzog. Görlitz, mit einem beträchtlichen Magazine, mußte sich Friedrich ergeben, bald auch Zittau, wo der Nachtrab der Oesterreicher geworfen und ihre Bagage genommen ward; in kurzer Frist war die ganze Lausitz in Friedrich's Händen. Die österreichische Armee hatte sich nach Böhmen zurückgezogen. Gleichzeitig war auch der Angriff der Oesterreicher auf Schlesien glücklich abgeschlagen worden. Ganz Sachsen gerieth in Schrecken, und das Corps des General Grünne, welches sich bereits den brandenburgischen Gränzen näherte, ward eilig zu der sächsischen Armee zurückberufen.
Friedrich benutzte diese ersten günstigen Erfolge, um König August die Hand zum Frieden, auf den Grund der mit England abgeschlossenen hannoverschen Convention, zu bieten. Aber August, oder vielmehr Brühl, verlangte vorerst Einstellung der Feindseligkeiten und Bezahlung aller durch den Einmarsch der Preußen verursachten Kriegsschäden. Auf diese Bedingung einzugehen hatte Friedrich natürlich keine Lust; auch weiter fortgesetzte Verhandlungen führten zu nichts. Brühl hatte seinen König klüglicher Weise, als die Gefahr sich Dresden näherte, nach Prag geführt, damit er ihm so den Anblick des Kriegselendes erspare und damit nur seine Stimme das Ohr des Königs zu erreichen vermöge.
So mußte der Krieg mit erneutem Eifer fortgesetzt werden. Friedrich rückte in Sachsen ein und trieb den Fürsten von Anhalt, der seine Anstalten, aus Eigensinn oder Alter, ziemlich säumig begonnen hatte, zur Eile. So brach nun auch dieser auf, besetzte Leipzig am 30. November und kam am 6. December zu Meissen an, während Friedrich sich demselben Punkte näherte. Der Prinz von Lothringen hatte indeß Böhmen auf's Neue verlassen; er vereinigte sich am 13. December mit den Sachsen bei Dresden. Das sächsische Ministerium wies seiner Armee jedoch, unverständiger Weise, so weitläuftige Quartiere an, daß er vierundzwanzig Stunden Zeit gebraucht hätte, um sie zusammenzuziehen; seine Protestationen gegen diese Einrichtung waren vergeblich. An der Spitze der sächsischen Armee, die Dresden zunächst gegen den Angriff der Preußen decken sollte, stand Graf Rutowski; als diesen der Prinz von Lothringen ersuchte, ihn im Fall eines Angriffes möglichst zeitig benachrichtigen zu lassen, erwiederte der Graf, er brauche keine Hülfe. So hatten die Sachsen ihr Schicksal selbst heraufbeschworen.
Am 15. December rückte der Fürst von Anhalt gegen Dresden vor. Gleichzeitig besetzte Friedrich Meissen, welches die Verbindung der beiderseitigen Elbufer ausmachte, so daß er nach beiden Ufern hin den etwaigen Unternehmungen des Feindes begegnen konnte. Hier empfing er einen Brief, welcher von Seiten der sächsischen Regierung ein günstigeres Eingehen auf seine Anerbietungen verhieß und die Kunde brachte, daß auch Maria Theresia zum Frieden geneigt sei. Kaum aber hatte er den Brief zu Ende gelesen, als plötzlich der Himmel von einem Feuerscheine übergossen ward und das Getöse einer fürchterlichen Kanonade erscholl. Es war der Beginn der Schlacht, welche der Fürst von Dessau den Sachsen lieferte.
Bei Kesselsdorf hatte der Fürst Leopold diese in einer vortrefflichen Stellung gefunden. Nur der linke Flügel der Sachsen, der sich auf Kesselsdorf stützte, war zugänglich, aber hier drohte eine starke Batterie jeden Angriff abzuschlagen. Die übrigen Theile des sächsischen Heeres standen auf hohem Felsrande, vor dem sich ein tiefer Grund hinzog und dessen mit Eis und Schnee bedeckte Abhänge unersteiglich schienen. Um so größeren Ruhm aber verhieß der Sieg: – es war der Tag gekommen, an welchem der alte Heerführer seine fünfzigjährige Kriegerbahn durch die glänzendste That krönen sollte. Kaltblütig traf er seine Anordnungen. Auf den unerschrockenen Muth seiner Soldaten konnte er sicher bauen, denn ihm, den sie für ganz kugelfest hielten, folgten sie, wo er sie auch führen mochte. Er sprach noch ein kurzes Gebet, das seinen Sinn zu kräftigen wohl geeignet war. »Lieber Gott« – das waren seine Worte – »stehe mir heute gnädig bei! Oder willst Du nicht, so hilf wenigstens die Schurken, die Feinde nicht, sondern siehe zu, wie es kommt!« Dann gab er das Zeichen zum Angriff. Zweimal wurde der Angriff auf die Batterie durch den Hagel der feindlichen Granaten zurückgeschlagen. Da rückten die Sachsen zur Verfolgung vor, aber augenblicklich stürmte auch ein preußisches Dragoner-Regiment auf sie ein und schmetterte sie nieder. Schnell war das Dorf besetzt, die Batterie erobert, die feindliche Reiterei auseinander gesprengt, sodaß Alles in verwirrter Flucht sein Heil suchte. Indeß hatte der linke Flügel der Preußen, unter Anführung des Prinzen Moritz von Dessau, kühnen Muthes jenen morastigen Grund durchschritten und den Felshang erklettert; nach kurzem Kampfe waren die Feinde auch hier zum Weichen gebracht. Der Graf Rutowski kam mit seinen Sachsen fliehend in Dresden an, wo der Prinz von Lothringen eben beschäftigt war, die österreichische Armee zusammenzuziehen. Dieser schlug dem Grafen vor, mit ihm vereint am folgenden Tage den Preußen auf's Neue entgegen zu gehen. Aber Jener war zu sehr von Furcht erfüllt, als daß er etwas Weiteres zu wagen versucht hätte. Er bewies dem Prinzen, daß sie, um ihre Truppen zu retten, sich gegen die böhmischen Grenzen zurückziehen müßten, was denn auch sogleich in's Werk gesetzt ward.
Friedrich besuchte am zweiten Tage darauf das Schlachtfeld und sah mit Bewunderung, wie sein tapferes Heer das unmöglich Scheinende möglich gemacht hatte. Der Fürst von Anhalt, der ihn führte, erhielt die ehrenvollste Anerkennung so heroischer Thaten. Am 18. December zog Friedrich in Dresden ein, nachdem sich die Stadt seiner Gnade hingegeben hatte; ein Corps Landmiliz, das man überflüssiger Weise nach dem Abmarsche der Armee in die Stadt gelegt, ward entwaffnet und, nebst andern Gefangenen, zur Ergänzung der preußischen Armee verwandt. Unmittelbar nach seinem Einzuge begab sich Friedrich auf das Schloß, zu den Kindern König August's, die hier zurückgeblieben waren. Er bemühte sich, ihre Besorgnissen mildern; als sie den Handkuß abstatteten, umarmte er sie liebreich, und sicherte ihnen alle Ehren zu, die ihrem Range gebührten. Die Wache des Schlosses blieb zu ihrer freien Disposition. Eben so begegnete er den Ministern des Königs und den fremden Gesandten auf's Leutseligste. Am Abend besuchte er das Theater, wo man ihm die Oper Arminio vorführte. Es war eine von den Opern, mit denen Brühl den Gesinnungen seines Herrn zu schmeicheln wußte. Diese enthielt eine künstlerische Anspielung auf die Verbindung König August's mit Maria Theresia. Wohlweislich aber ließen die Sänger einen Chor aus, der auf Friedrich's Benehmen zielen sollte, dessen Moral aber jetzt auf König August selbst zurückfiel; es hieß darin, daß es thörichter Stolz sei, seinen Thron auf den Ruinen einer fremden Macht zu erbauen. Am folgenden Tage wohnte Friedrich einem feierlichen Tedeum bei, das in der Kreuzkirche gesungen ward.
Nun gediehen die Friedens-Verhandlungen zum schnellen Schlusse, indem auch vom österreichischen Hofe ein Gesandter zu demselben Zwecke nach Dresden geschickt war. Am 25. December wurde der Friede zu Dresden geschlossen. Es wurden darin im Wesentlichen alle Bestimmungen des Breslauer Friedens wiederholt, nur mußte Sachsen sich dazu verstehen, an Preußen die Summe von einer Million Reichsthaler zu zahlen. Friedrich erkannte die Wahl des Großherzogs Franz zum Kaiser an.
Schon am 28. December hielt Friedrich seinen Einzug in Berlin, den der Enthusiasmus des Volkes für den jungen königlichen Helden zu einem seltnen Feste gestaltete. Feierliche Züge holten ihn ein, Frauen und Mädchen bestreuten den Weg, auf dem er hinfuhr, mit Blumen, von allen Seiten erscholl der begeisterte Ruf: »Es lebe der König, es lebe Friedrich der Große!« Der König war ernst und tief bewegt; er grüßte nach allen Seiten, sprach mit Allen, die seinem Wagen nahe kamen, und bemühte sich sorglich, die Zudrängenden vor Schaden zu behüten. Den Abend, die ganze Nacht hindurch war die Stadt festlich beleuchtet. Tausend verschiedenartige Sinnbilder waren an den Fenstern aufgestellt, fast an allen Häusern las man die Inschrift: Vivat Fridericus Magnus! Bis zum Morgen zog das Volk jubelnd umher, Freudenschüsse erschollen rings durch die Straßen.
Friedrich war am Abend, in Gesellschaft seiner Brüder, in die Stadt gefahren, um noch einmal den Jubel seines Volkes in Augenschein zu nehmen. Doch hatte er dabei ein besondres, schmerzlich theures Geschäft im Sinne. In einem abgelegenen Gäßchen ließ er den Wagen halten, trat in ein Haus, und stieg die engen Treppen empor. Dort wohnte sein alter treuer Lehrer Dühan. Der Greis hatte nicht zu ihm kommen können, denn die letzte Krankheit hielt ihn an sein Lager gefesselt. Friedrich trat an das Bett des Sterbenden. »Mein lieber Dühan,« sprach er zu ihm, »wie schmerzt es mich, Sie in diesem Zustande zu finden. Wollte Gott, ich könnte etwas zu Ihrer Wiederherstellung und zur Linderung Ihrer Leiden thun: Sie sollten sehen, welche Opfer Ihnen meine Dankbarkeit mit Freuden bringen würde.« – Dühan antwortete: »Ew. Majestät noch einmal gesehen zu haben, ist der süßeste Trost, der mir zu Theil werden konnte. Nun wird mir das Sterben leichter werden!« Er machte eine Bewegung, die Hand des Königs zu ergreifen und sie zu küssen. Friedrich ließ es nicht zu, sagte ihm mit tiefstem Schmerze Lebewohl und eilte fort. Am folgenden Morgen starb Dühan. – Auch Andre waren nicht zu Friedrich's Begrüßung erschienen. Seine liebsten Freunde, Jordan und Keyserling, waren dem alten Lehrer im Laufe des verflossenen Jahres bereits vorangegangen. »Das war meine Familie,« so hatte Friedrich auf die Nachricht von ihrem Tode noch an Dühan geschrieben, »und ich glaube nun verwittwet und verwaiset zu sein und in einer Herzenstrauer, welche finstrer und ernster ist als die schwarzen Kleider. Erhalten Sie mir Ihre Gesundheit und bedenken Sie, daß Sie mir beinahe allein noch von allen meinen Freunden übrig sind.« Friedrich sorgte mit Vatertreue für die Kinder der Verstorbenen.
Der Krieg zwischen Oesterreich und Frankreich währte noch geraume Zeit fort. Erst der Friede von Aachen, am 18. October 1748, brachte denselben zum Schluß. Friedrich erhielt in diesem Frieden eine neue Gewähr für den Besitz Schlesiens. Sein Verhältniß zu dem Könige von Frankreich war so gut wie aufgelöst, obgleich das zwischen beiden bestehende Bündniß erst im Jahre 1756 zu Ende gehen sollte. Noch einmal hatte sich Friedrich, als die letzte drohende Gefahr ihm von Sachsen und Oesterreich bereitet ward, an König Ludwig gewandt, aber er hatte nur eine Antwort erhalten, die den abgeneigten Sinn mit leeren Höflichkeiten schlecht übertünchte. Dafür ward der Friede von Dresden nach Frankreich in ähnlichem Style gemeldet. Und als, vor dem Abschlusse des Aachener Friedens, ein englischer Gesandter mit Friedrich unterhandelte, so konnte dieser seinem Hofe in voller Wahrheit berichten: »Das Herz des Königs ist noch deutsch, ungeachtet der französischen Verzierungen, welche auf der Oberfläche erscheinen.«