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Warum ich dieses Büchlein schrieb

Vor Jahren veröffentlichte ich verschiedene Abhandlungen über Kräuter im «Sarganserländer»; nebst dem hielt ich da und dort den Leuten Vorträge über die alten Hausmittel; von allen Seiten drängte man mich, das Beste in einem Schriftchen herauszugeben. Wohl existierten eine Menge Kräuterbücher, allein die meisten sind zu umfangreich und zu teuer, einzelne zu wenig praktisch oder benennen die Pflanzen ausschliesslich mit hochdeutschen Ausdrücken, während bei uns oft andere Namen gebräuchlich sind.

Wenn man mir zuruft: Schuster bleib beim Leisten, die Kräuterkunde sei Ärztesache und gehe den Pfarrer nichts an, so kann ich erwidern, dass ich gerade wieder einen Leist aus dem Dunkel herausgezogen habe, auf dem in früheren Zeiten fast alle Landpfarrer gearbeitet haben. Im Mittelalter war jeder Pfarrer etwa Mediziner; jedes Kloster hatte einen Mönch, der sich mit der Kräutermedizin befassen musste; ja sogar Bischöfe scheuten sich nicht, Kräuterbücher herauszugeben. Somit arbeite ich nicht auf gestohlenem Grunde, sondern auf einem alten Erbteil.

Viele Ärzte verweisen zudem die Leute immer auf Hausmittel. Ist's nicht gut, wenn ich da den Leuten den Gebrauch dieser Hausmittel neuerdings zeige? Der Ärzteberuf leidet darunter nicht, denn in das ganze grosse Gebiet der Chirurgie und der Serumbehandlung greife ich nicht ein.

Überdies haben manche Ortschaften 2 bis 3 Stunden und noch mehr zum Arzte, und im Wintersturm ist's oft fast unmöglich, den Doktor herbeizuholen; in manchen Fällen, wie Kolik, Blutvergiftung usw., ist das Übel bis zum Eintreffen des Arztes unheilbar geworden; etwas Kräuterkenntnis kann da manchem das Leben retten. Weit entfernt also, Konkurrent der Ärzte zu sein oder gar Gegner, bin ich deren Ministrant.

Die Kräuterkunde ist viel älter als die heutige chemische Medizin; sie geht bis hinunter zur Wiege der Menschheit. Selbst den Tieren hat der Schöpfer einen Instinkt gegeben, der sie bei Krankheiten zu gewissen Pflanzen hintreibt. Hund und Katze nehmen Zuflucht zum Schliessgras oder Knäuelgras, die Mäuse legen sich einen Vorrat an von Pfefferminzwurzeln, die roten Ameisen pflanzen überall auf ihren Wohnungen den Thymian, verwundete Gemsen wälzen sich auf Alpenwegerich usw. Soll der Mensch allein ganz unbehilflich dastehen und zuerst zehn Jahre studieren müssen, bis er sich helfen kann? Unser Büchlein zeigt, dass der Herrgott dem Menschen die besten Heilkräuter in den Weg gelegt hat, vor die Hausflur, in den Garten als unvertilgbares Unkraut, in die nahe Wiese, in den Berg und Wald.

Dem Volke zu helfen ist eine christlich-soziale Tat; mögen daher alle jene, denen das Wohl des Volkes am Herzen liegt und die dazu Zeit und Gelegenheit haben, die alte, vergessene Kräuterkunde studieren und den Leidenden schnelle, wohlfeile, unschädliche Hausmittel reichen. Es gibt dann immer noch Fälle genug, wo diese nicht mehr ausreichen und der Arzt geholt werden muss, der mit allen modernen Hilfsmitteln ausgerüstet ist.

Sollte mich jemand auf nützliche und einfache Mittel aufmerksam machen, werde ich solche gern bei einer Neuauflage dieses Schriftchens verwerten.

Damit Gott befohlen!

 

Wangs bei Sargans, im Oktober 1911.
Johann Künzle, Pfarrer

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Etwas für die Herren Professoren

Mein ganzes Leben werde ich dem hochw. Pater Ludwig, ehemals Botanik-Professor in Einsiedeln, jetzt verstorbenem Jubelgreis, dankbar sein dafür, dass er uns bei den Nachmittagsspaziergängen alle ihm vorgezeigten Pflanzen genau erklärt hat. Das hat mir fürs praktische Leben mehr genützt als Homer und Virgil, denn diese lieben Pflanzen fand ich immer überall wieder; als später Pfarrer Kneipp auf die Heilkraft der Kräuter aufmerksam machte, war es mir ein leichtes, selbe zu finden.

Würden die Herren Reallehrer und überhaupt die Botanikprofessoren der Mittelschulen, statt nur die vorgeschriebenen langweiligen und bald vergessenen Allgemeinheiten zu behandeln, auch die Heilkräuter zeigen und sammeln lassen, so würden sie grosse Wohltäter ganzer Gemeinden werden, und aus dem dürren Bakel würde ein grüner Baum mit heilsamen Früchten. Das wäre echt soziale, caritative und christliche Arbeit und würde den Lehrer mehr adeln als ein Doktortitel und seiner Schule Ansehen und Beliebtheit verschaffen.

Gottlob dämmert es auch in diesen Kreisen. Im Kanton Wallis ist «Der junge Botanist» obligatorisch in den Volksschulen; mehrere Gymnasien machen ausdrücklich auf die Heilkräuter aufmerksam, wie Einsiedeln und Stans; auch viele Töchterinstitute, wie «Stella maris» in Rorschach, legen Heilkräuterherbarien an; selbst Primarschulen, wie in Marbach und Rebstein, führen die Schüler ein in die Kenntnis der Heilkräuter.

Dabei hat sich gewisser Kreise die Furcht bemächtigt, es könnten nun die Heilkräuter ausgerottet werden; man vergisst, dass das Vieh alljährlich die Alpen abgraset und dadurch die Kräuter nicht ausgerottet werden, sondern nur dichter erscheinen. Selbst die ausdauernden Wurzeln, wie Meisterwurz und Benediktskraut, weisen dieselbe Erscheinung auf, da es ja sehr selten gelingt, die ganze Wurzel zu kriegen und die zurückgebliebenen Schosse immer wieder neu austreiben.

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