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[Vorwort]

Chrut und Uchrut

1 Million Auflage

Als Kräuterpfarrer Künzle, der ehemalige Dorfpfarrer von Wangs und spätere Pionier der Kräuterheilkunde,

vor 40 Jahren

mit seinem unscheinbaren Kräuterbüchlein «Chrut und Uchrut» die Öffentlichkeit überraschte, wirkte dies auf weite Kreise unseres Volkes wie eine sensationelle Entdeckung. Dennoch ahnte damals niemand, am wenigsten der Verfasser selbst, dass sein kleines, jedoch originelles Pflänzchen in wenigen Jahren zum grossen, segenspendenden Baume heranwachsen würde. – Pfarrer Künzles «Chrut und Uchrut» ist inzwischen in vielen Auflagen erschienen, mit über 1 Million Exemplaren nur in deutscher Sprache allein, und überdies in mehrere andere Sprachen übersetzt worden. Die heutige Auflage beweist die Richtigkeit von Pfarrer Künzles Kräuterheilkunde. Sein Losungswort «zurück zur Natur» hat überall, wo es vernommen wurde, gezündet und verständnisvollen Beifall gefunden. Der Verkünder der giftfreien Kräuterheilmethode fand überall dankbare Interessenten, die seinem Rufe bereitwillig folgten und dadurch wieder zu Gesundheit und Wohlbefinden gelangten. Wenn auch das berühmte Erstlingswerk des Kräuterpfarrers einem weiteren Schrifttum rief, wie etwa dem bekannten Volkskalender Pfarrer Künzles oder seiner Monatsschrift «Salvia» und schliesslich dem reich illustrierten Folianten des «grossen Kräuterheilbuches», so hat doch das ebenso bescheidene wie inhaltsreiche Büchlein «Chrut und Uchrut» von seiner Berühmtheit und Beliebtheit kaum etwas eingebüsst. Es ist nach 40 Jahren immer noch so aktuell und als stiller Hausfreund ebenso geschätzt wie ehedem. Es gilt als wahre Fundgrube der oft so verblüffend wirksamen Hausmittel gegen mancherlei Gebresten und Leiden. «Chrut und Uchrut» wird daher – selbst wenn es schon vergilbt und «zerbrechlich» und vom vielen Gebrauch ganz abgegriffen ist – in den Tagen der Krankheit immer wieder hervorgeholt und zu Rate gezogen. Es ist aber nicht nur in den Stuben und Kammern des eigenen Landes zu finden, sondern auch im Ausland, ja sogar in Übersee. Wie sehr das Kräuterbüchlein «Chrut und Uchrut» auch im Auslande geschätzt ist, geht aus den in der Schweiz eintreffenden Berichten immer wieder hervor. Nichts könnte das Gesagte rührender und deutlicher illustrieren, als der vielsagende Brief aus einem Flüchtlingslager Hamburgs, in welchem der von so vielen Lebensnöten gequälte Absender, ein aus dem baltischen Norden vertriebener und verarmter Kolonist, sich darüber beklagt, dass er auf der Flucht vor den Sklavenjägern des 20. Jahrhunderts – sein Kräuterbüchlein «Chrut und Uchrut» habe zurücklassen müssen.

Die Herausgeberin

Kräuterpfarrer Künzle AG

Kräuterpfarrer Künzle

Kräuterpfarrer Künzle im 70. Altersjahr

Johann Künzle wurde am 3. September 1857 in Hinterespen bei Heiligkreuz in der Gemeinde Tablat (dem heutigen St. Gallen-Ost) geboren. Sein Vater, Jakob Anton Künzle, heimatberechtigt in Gossau, Kanton St. Gallen, besass ein bescheidenes Bauerngut, das er mit seiner zahlreichen Familie bewirtschaftete. Als gelernter Gärtner arbeitete Vater Künzle daneben bei städtischen Herrschaften um einen Taglohn von Fr. 2.–. Das Herz des Hauses und der Familie war die Mutter, Anna Maria geb. Fürer, eine frohmutige, arbeitsame und hochintelligente Frau.

Johann war das jüngste von 12 Kindern, von denen 7 im kindlichen Alter den Flug zum Himmel nahmen.

Über die Lebensweise im stillen Hinterespen erzählte Pfarrer Künzle: «Sie war höchst einfach. Man stand immer früh auf, gewöhnlich um 5 Uhr, im Sommer um 4 Uhr, im Heuet um 3 Uhr. Wer in die Stube hinunterkam, nahm das Weihwasser und grüsste: «Gelobt sei Jesus Christus!» Vor und nach dem Essen wurde gebetet. «Mer got nöd go esse wie Chatz und Hond!» war der Grundsatz, der damals allgemein befolgt wurde von Katholiken und Reformierten. Fleisch gab's nur sonntags, sonst Milch, Habermus, Gersten- oder Gsödsuppe, Chäs-Chnöpfli, Erdäpfel. An höheren Feiertagen gab's manchmal auch Öhrli und dürre Birnen. Zur Beleuchtung brauchte man Unschlittkerzen, bis im Jahre 1868 auch zu uns eine Petroleumlampe kam, die man jedoch mit grosser Vorsicht und Scheu behandelte. Vom Frühjahr bis in den Spätherbst gingen wir Buben barfuss.»

Mit 13 Jahren verlor Johannes seinen Vater. Dank der Hilfe seiner älteren Brüder, von denen zwei Lehrer geworden waren (Wilhelm, der später nach Amerika auswanderte und, heimgekehrt, dem Staate St. Gallen als Sekretär des Departements des Innern diente und sich daneben als hervorragender, geistvoller und origineller Schriftsteller betätigte, und August, der 51 Jahre als erfolgreicher Lehrer in Schönenwegen wirkte), konnte er sich dem Studium zuwenden.

Am bischöflichen Kolleg zu St. Georgen absolvierte er die ersten Klassen des Gymnasiums. Als das Knabenseminar im Jahre 1874 aufgelöst wurde, bezog er die Stiftschule Einsiedeln und schloss hier mit der Reifeprüfung 1877 sein Mittelschulstudium ab. Anlagen, Erziehung und eigenes Sehnen, worin er Gottes Ruf sah, zogen den jungen Studenten zum Dienste am Altare Gottes.

Im Spätherbst 1877 immatrikulierte er sich an der Universität Löwen zum Studium der Theologie und Philosophie. Die Mittel, welche ihm die Angehörigen zur Verfügung stellen konnten, hätten nicht genügt, wenn der energische, tatkräftige Student nicht durch Zeitungsartikel, Klavierstunden und Sakristanendienst jährlich Fr. 500 verdient hätte.

Im Sommer 1880 sagte Johann Künzle der «Alma mater lovanensis» Valet und trat mit leichtem Ränzel die Heimreise an. Er hat sie nie vergessen, denn damals, als er an den Bodensee kam, war dieser zugefroren, dass man mit Ross und Schlitten darüberfahren konnte.

Im Oktober 1880 trat Johannes nach ernster, letzter Prüfung seiner Berufung zum Priesterstande ins Priesterseminar St. Gallen ein. Am 2. April 1881 wurde er von Bischof Greith zum Priester geweiht. Schon drei Tage nach der Primiz musste er die Stelle als Pfarrverweser in Gomiswald antreten. In Erinnerung an diese schnelle und prompte Einführung in die Seelsorge meinte er später launig: «Ich wurde gleichsam ins Wasser geworfen und lernte schwimmen!»

Im Juni 1881 erhielt der Neupriester Johann Künzle seine erste Kaplanstelle in Mels. Er nahm seine liebe, alternde Mutter mit sich, die ihm den Haushalt führte.

1883 finden wir Johann Künzle als Kaplan in Kirchberg, wo er vor allem die Jugend zu betreuen hatte. Das Verhältnis muss ein ideales gewesen sein, denn nach langen Jahren konnte der betagte Kräuterpfarrer mit einem Freudenschimmer in den Augen erzählen: «Die Kirchberger Jugend war wie Hung und Schmalz und ganz leicht zu leiten.»

Im Frühjahr 1885 wählte die kleine Bergpfarrei Libingen ihn zu ihrem Pfarrer. Die dortige Kirche war restaurationsbedürftig. Um seine Pfarrkinder nicht mit Sondersteuern zu belasten, unternahm Pfarrer Künzle selber eine Sammelreise nach Belgien und restaurierte dann den Libingern ihr armseliges Kirchlein. Von seiner Libinger Zeit rühmte Pfarrer Künzle: «Es war die glücklichste Zeit meines Lebens!»

Schon in seinen Studienjahren war die Pflanzenkunde sein Lieblingsfach gewesen, eine Liebhaberei, die er von seinem Vater geerbt hatte. Darum ist es nicht zu verwundern, dass Pfarrer Künzle auch bald auf die Heilkraft der Pflanzen aufmerksam wurde. Er erzählt selbst, wie er Kräuterpfarrer wurde: «Ich kam als Seelsorger bei Krankenbesuchen zu Vätern und Müttern, die nach Ausspruch der Ärzte dem Tode entgegengingen, weg von einer Schar kleiner Kinder. Ich nahm dann meine Kräuterkenntnisse zusammen und brachte sie öfters wieder auf die Beine. Unter andern einen armen, protestantischen Mann, der schon zwei Jahre an Gicht und geschwollenen Gliedern voll Schmerzen im Bette lag. »Den musst du wieder aus dem Bette bringen«, sagte ich mir, und brachte es nach vier Wochen zustande. Nun hiess es: «Der Pfarrer kann fast Wunder wirken, der hilft ohne Unterschied der Konfession!» Jeden Abend kamen Scharen von Arbeitern und Arbeiterinnen zu mir und flehten um Hilfe. Ich tat, was ich konnte. Da verklagte man mich beim Bischof, der vorderhand von meinem «Dökterle» nichts wissen wollte. Da schickte ich ihm einige Geheilte, die ihre Geschichte ihm erzählten, worauf der Bischof zufrieden war und mir die Heilweise erlaubte.»

Im Jahre 1890 folgte Pfarrer Künzle einem Rufe nach Amden, wo er bis 1893 blieb. Hier musste er manchen Wettlauf mit dem Tode bis zum guten oder bitteren Ende machen. Der nächste Arzt wohnte nämlich im fernen Näfels. Bis dieser oft bei Nacht und Nebel auf gefährlichen, mehrstündigen Bergwegen eintraf, wäre jede Rettung ohne rechtzeitige, sachgemässe Hilfe des Pfarrers bei akuten Krankheiten und Unfällen vergeblich gewesen. In Amden begann ihm auch die Arbeit, welche er schon in Libingen angefangen hatte, bald über den Kopf zu wachsen, nämlich die Schriftleitung und Verwaltung der zwei religiösen Zeitschriften «Pelikan» und «Eucharistie». Erstere hatte bald einen Abonnentenbestand von 100 000 in der Schweiz, Österreich und Süddeutschland. So resignierte er im Einverständnis mit dem Bischof auf die Pfarrei und zog mit seiner lieben Mutter nach Feldkirch hinüber.

Von 1896 bis 1907 betreute er sodann die Pfarrei Buchs, hernach amtete er während zwei Jahren in Herisau und von 1909 bis 1920 stand er der Gemeinde Wangs im St. Gallischen Oberland als Seelenhirte vor. Täglich wurde er dort mündlich und schriftlich von vielen Kranken um Rat und Hilfe bestürmt, so dass er auf die Dauer die schwere Arbeitsbürde als Seelsorger und Heilkundiger nicht mehr ertrug. Um sich in seinem vorgerückten Alter noch ganz als Samaritan der leidenden Menschheit widmen und als Pionier der giftfreien Kräuterheilkunde wirken zu können, zog er ins Bündnerland, nach Zizers.

Zuerst hatte er aber einen heftigen Kampf mit der Behörde und der Ärzteschaft auszufechten, bevor ihm die Ausübung seiner Heilmethode erlaubt wurde. Eine spontane Volksinitiative ebnete ihm den Boden zur Erreichung seins Zieles.

Als 65jähriger Student musste Pfarrer Künzle im Jahre 1922 vor einer hochnotpeinlichen Ärzteprüfungskommission ein Examen ablegen, das er glänzend bestand. So wurde er behördlich als Kräuterpfarrer anerkannt und mit einem Schlage weltberühmt. Vom In- und Ausland pilgerten leidende Menschen (darunter selbst gekrönte Häupter) zum Priesterarzte nach Zizers. Er wurde zum autoritären Hierarchen der Botanik und der giftfreien Kräuterheilkunde.

Wie kaum einer hat es Pfarrer Künzle verstanden, den Menschen als Ganzes zu nehmen und den Wechselwirkungen von Leib und Seele Rechnung zu tragen. «Er besass», so schrieb ein angesehener Zeitungsredaktor über ihn, «das Geheimnis, gedrückte Seelen aufzurichten und so die Vorbedingungen zu schaffen für eine erfolgreiche Behandlung des kranken Leibes. Er hatte zudem einen eigentlichen intuitiven Spürsinn für die verborgenen Heilkräfte in den Pflanzen.»

So wurde er durch tiefgründiges, eifriges Studium des alten und besten Kräuterbuches von D. Jacobi Theodos, Tabernaemontani, sowie durch persönliches Forschen, durch Laboratoriumsexperimente und therapeutische Versuche zum Medizinalchemiker mit ungeheurem Erfolg. Von aller Herren Ländern flogen ihm Briefe zu, und Patienten verschiedener Herkunft und Sprachen suchten ihn in Zizers auf.

Der Name «Kräuterpfarrer Künzle» wurde im Volke zum Begriff. Ausser nach Russland gingen seine Kräuterheilmittel nach allen Ländern Europas und sogar nach überseeischen Gestaden. Die goldene Ader, welche ihm daraus zufloss, liess er grösstenteils Armen und Kranken, ohne Unterschied der Konfession, zukommen. Er zählte zu den grössten Wohltätern der Schweiz, obwohl bei ihm die rechte Hand nicht wusste, was die linke tat. Seine Liebestätigkeit geschah unauffällig und im verborgenen, und er selbst vergass sie in vielen Fällen bald wieder. Fast alle sozialen Werke in der näheren und weiteren Umgebung zählten ihn zum Wohltäter.

Er selber lebte höchst einfach, wie es einem Jünger dessen, der nichts hatte und nicht wusste, wohin er sein Haupt legen konnte, geziemt. Er floh auch jeden Ruhm. Als echter Republikaner Gottes und katholischer Priesterdemokrat wollte er nur seinem höchsten Herrn den Weihrauch spenden, für ihn selber war er unerträglich.

Redaktor Ruesch sel. schrieb in den «Republikanischen Blättern» einmal über Pfarrer Künzle: «Der Priester Johannes Künzle hat der ganzen Kirche und dem ganzen Schweizer Volke das Vorbild ungekünstelter und unverblümter Natürlichkeit gegeben, wie es seit Franziskus von Assisi vielleicht keines mehr gab. Er war seiner Lebtag, um Beliebtheit oder Anstoss nicht fragend, die kurzwegige Ehrlichkeit und Offenheit, mit der das Reich Gottes aufgebaut und alles Dumme und alle Schlechtigkeit auf Erden besiegt werden könnte. Er hat immer das Volk, das einfachste, schlichteste Volk geliebt und jeder Bergbauer galt ihm so viel wie ein Kardinal, nicht innen bloss; er ist imstande, es in Gegenwart der Eminenz zu sagen. Der Reformierte steht ihm so nahe wie sein Glaubensgenosse. Für ihn ist der Glaube und die Rechtschaffenheit ein Heilkraut der Gesellschaft, und er fragt nicht nach der Wiese, in der er es findet. Dies alles liegt in seinem Wesen, ist erkämpfter Charakterwert. Und vor dem ziehe ich den Hut ab!»

Man staunt auch, zu erfahren, dass der bärtige, hochoriginelle Pfarrer, der die Hoheit und Weite der Natur in sich trug, der nichts Enges, Kleinliches, materiell Gebundenes kannte, dessen Ausdrucksweise voll Kraft und Saft, voll Mutterwitz und sprühendem Humor einmalig war, auch als begabter Komponist und Dichter Vorzügliches leistete, selbst verschiedene Dramen verfasste und acht Sprachen in Wort und Schrift beherrschte.

Am bekanntesten wurde sein im Jahre 1911 herausgegebenes Büchlein «Chrut und Uchrut», das in beinahe einer Million Exemplaren freudige Aufnahme beim Volke fand und in verschiedene Sprachen übersetzt ist. In seiner Monatsschrift «Salvia», durch seinen Volkskalender sowie durch das «Grosse Kräuterheilbuch» führte er viele zu der Apotheke Gottes, zu den sicheren, giftfreien Heilquellen der Natur zurück. Zurück auch zu einer gesunden Ernährung und nicht zuletzt auf den einzigen richtigen Pfad, der zum Geber alles Guten führt.

Die wissenschaftliche Anerkennung seiner Entdeckungen und seiner Heilmethode, die lange kritisch und ablehnend war, erlebte der selbstlose Menschenfreund sehr spät.

Im Jahre 1945, am 9. Januar, verliess Pfarrer Künzle im patriarchalischen Alter von 87½ Jahren infolge Herzembolie in seltener Geistesfrische fast unbemerkt diese Welt. Er ging hinüber in die bessere, ins selige Reich, wo die schönsten Alpenblumen und Kräuter ihm duften und blühen.

Sein Werk aber lebt weiter, und unzählige Leidende erinnern sich heute noch des Kräuterpfarrers und greifen zu den von ihm geschaffenen Heilmitteln, um durch sie die Gesundheit wieder zu erlangen. Pfarrer Künzle hat durch sein beispielhaftes Leben als Seelsorger, Wohltäter und Priesterarzt goldene Spuren in der Welt hinterlassen, die durch Jahrhunderte nicht verwischt werden, weil alles Gute die Zeit überdauert.


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