Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Aus der Branche

Herr v. Hofmannsthal

der vom Rausch bei goldenen Bechern, in denen kein Wein ist, längst ernüchtert dahinlebt, macht sich nichts mehr daraus, daß man ihm daraufgekommen ist, wie er hinter dem Rücken der Unsterblichkeit mit dem Tag und dem Theater gepackelt hat. Nur die Schwäche ist ihm geblieben, feierlich zu begründen, was klug ersonnen war. Wenn man ein ganzes Goetheleben – Italienreise, Verpflegung mit inbegriffen – in relativ kurzer Zeit durchgemacht hat, so ist es nicht unbegreiflich, daß etwas im Ton zurückbleibt, was der Verteidigung nüchterner Theaterpläne zugutekommt. Man denkt dann nicht geradezu ans Repertoire und an Herrn Reinhardt, sondern spricht vom »Repertorium der deutschen Bühne«, das auch andere, etwa Tieck und Immermann, »in einem weltbürgerlichen Sinne ausbauten«. Sie seien sich bewußt gewesen, für das Theater und nicht für die Literaturgeschichte zu arbeiten. Der sich aber auf jene beruft, arbeitet selbst bei dieser Gelegenheit für die Literaturgeschichte. Er glaubt, ihr näher zu sein, wenn er so gestikuliert wie die, die zu ihr gehören. »Indem ich das Spiel von ›Jedermann‹ auf die Bühne brachte, meine ich dem deutschen Repertorium nicht so sehr etwas gegeben als ihm etwas zurückgegeben zu haben ...« »Denn die englische Form des Gedichtes ist die lyrische Urform und weist auf einen späteren Bearbeiter hin, der mit so herrlichen Gaben Hans Sachs sehr wohl hätte sein mögen, aber dennoch nicht geworden ist.« »Gibt man sich mit dem Theater ab, es bleibt immer ein Politikum.« »Nicht das Gedicht, sondern der Raum, den wir wählten, die Menge, vor die wir es brachten, war hier der Gegenstand einiger Kritik.« »Man sprach vereinzelt von einem gelehrten Experiment ...« »Ich habe Herrn Reinhardt nie schematisch handeln sehen, und ich glaube nicht, daß er etwas Geringes gegen das Gefühl des Dichters, für den er arbeitet, unternehmen würde, geschweige denn etwas so Großes.« »Ich nehme also mit besonderem Vergnügen die Verantwortung dafür auf mich, daß wir dieses Gedicht vor eine große, sehr große Menge brachten ...« Wäre es itzt nicht an der Zeit, daß der ehrwürdige Rodauner sich einmal in seiner Loge erhöbe und den Lachern ein »Man lache nicht!« zuriefe? Die große Menge hatte doch schon bei der Geburt des Herrn von Hofmannsthal gehofft, daß er einmal in den Schlafrock des alten Goethe hineinwachsen werde. Jetzt sollte er einmal ernstlich dazu schauen. Die Allüren sind da, die Beschäftigung mit dem Theater gleichfalls, gelegentliche Feuilletons zum Lobe schmieriger Kompilatoren können als Gelegenheitsdichtungen aufgefaßt werden – kurz, es ist alles da: nur der dritte Teil des Faust bleibt unvollendet.

Mein Gutachten

Ein Gedicht ist aufgefunden worden, man schreibt darüber, man glaubt, es sei von Heine, aber man traut sich nicht recht, es könnte auch von einem Nachahmer sein, man zweifelt, und so. Es enthält die folgenden Strophen:

Eine Jungfrau war einst die Erde,
Eine holde, brünette Maid;
Der hatte ein blonder Jüngling,
Der Mond, seine Liebe geweiht.

Sie liebten sich beide herzinnig
Und hätten so gern sich vereint;
Der Vater aber, der strenge,
War ihrer Liebe gar feind,
– – – – – – – – – – – –

Drum drehet sich um die Erde
Der Mond als ihr treuer Trabant;
In stiller Trauer die Blicke
Zur fernen Geliebten gewandt.

Er umschwebt sie auf all' ihren Pfaden,
Wohin sie auch wandeln mag,
Und schaut in schmerzlicher Sehnsucht
Mit bleichem Antlitz ihr nach.
– – – – – – – – – – – –

Er sendet Liebesboten
Allnächtlich zu ihr hin;
Das sind die Strahlen, die heimlich
Durchs Dunkel der Bäume ziehn.

Die nächtlich duftenden Blumen
Betrauern der Herrin Geschick,
Und senden dem Freund ihre Antwort
In süßen Düften zurück.

Auf ihrem Wellenbusen,
Zum Zeichen ihrer Treu,
An einer Sternenkette,
Trägt sie sein Konterfey.
– – – – – – – – – – – –

Ich als Sachverständiger erkläre mit aller Bestimmtheit, daß gar kein Zweifel bestehen kann, sondern daß dieses Gedicht entweder von Heine oder von einem Nachahmer ist. Also jedenfalls von Heine, indem es wahrscheinlich von diesem und sicher von einem Nachahmer ist. Auf unklare Annahmen wie: Dieses Gedicht ist von Heine, oder: Dieses Gedicht kann nur von einem Nachahmer sein, lasse ich mich nicht ein. Es ist von Heine.

Eine Rundfrage

In Berlin wurde rundgefragt, welche Arbeiten wir im kommenden Jahre von unseren Lieblingen zu erwarten haben. Die Lieblinge zögerten nicht, dem Publikum Einblick in den Zeugungsakt zu gewähren, und plauderten »aus der Werkstatt«. Einer bedankte sich noch für die Aufmerksamkeit und teilte mit:

... daß ich an einer großen modernen Komödie arbeite und an einem umfangreichen Roman, welcher in der Fischer-von-Erlach-Zeit zu Wien und Florenz spielt: ferner arbeite ich an drei modernen Einaktern und an einer großen modernen Pantomime.

Der Mann nennt sich natürlich Salten. Wenn's über ihn kommt, wird es schwer sein. Man denke, die vielen modernen Stoffe, und dann erst noch das à la Fischer von Erlach. Rothschild mit den vielen Hemden – zieht an zieht aus, zieht an zieht aus – hat's leichter gehabt. Es gehört schon eine gehörige Umsicht und Versiertheit in der Kunst dazu, die Zeugungsakte nicht zu verwechseln.


 << zurück weiter >>