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Wenn ich einschlafen will, muß ich immer erst eine ganze Menagerie von Stimmen zum Kuschen bringen. Man glaubt gar nicht, was für einen Lärm die in meinem Zimmer machen.
Man hat mich oft gebeten, gerecht zu sein und eine Sache von allen Seiten zu betrachten. Ich habe es getan, in der Hoffnung, daß eine Sache vielleicht dadurch besser werden könnte, daß ich sie von allen Seiten betrachte. Aber ich kam zu dem gleichen Resultat. So blieb ich dabei, eine Sache nur von einer Seite zu betrachten, wodurch ich mir viel Arbeit und Enttäuschung erspare. Denn es ist tröstlich, eine Sache für schlecht zu halten und sich dabei auf ein Vorurteil ausreden zu können.
Wenn sich die Schlange vor mir auch windet – ich zweifle doch an ihrer Zuverlässigkeit.
Wort und Wesen – das ist die einzige Verbindung, die ich je im Leben angestrebt habe.
Auf dem Weg, auf dem man zu sich kommt, steht auch noch ein lästiges Spalier von Neugierigen, die wissen möchten, wie es dort aussieht.
Wenn Tiere gähnen, haben sie ein menschliches Gesicht.
So würdig wie das Pferd die Schmach, erträgt sein Herr die Würde nicht.
Die Undankbarkeit steht oft in keinem Verhältnis zur empfangenen Wohltat.
An vieles, was ich erst erlebe, kann ich mich schon erinnern.
Die Entschuldigung: »Das ist ihm so in die Feder geflossen« – mein Ehrentitel. Die Anerkennung: »Das fließt ihm nur so aus der Feder« mein Vorwurf. Aus der Feder fließt Tinte: das ist tüchtig und ein Verdienst. In die Feder fließt ein Gedanke: dafür kann man nicht, es ist eine Schuld von tieferher.
Eines Dichters Sprache, eines Weibes Liebe – es ist immer das, was zum erstenmal geschieht.
Umgangssprache entsteht, wenn sie mit der Sprache nur so umgehn; wenn sie sie wie das Gesetz umgehen; wie den Feind umgehen; wenn sie umgehend antworten, ohne gefragt zu sein. Ich möchte mit ihr nicht Umgang haben; ich möchte von ihr Umgang nehmen; die mir tags wie ein Rad im Kopf umgeht; und nachts als Gespenst umgeht.
Das Unverständliche in der Wortkunst – in den anderen Künsten verstehe ich auch das Verständliche nicht – darf nicht den äußeren Sinn berühren. Der muß klarer sein, als was Hinz und Kunz einander zu sagen haben. Das Geheimnisvolle sei hinter der Klarheit. Kunst ist etwas, was so klar ist, daß es niemand versteht. Daß über allen Gipfeln Ruh ist, begreift jeder Deutsche und hat gleichwohl noch keiner erfaßt.
Worüber ich nicht wegkomme: Daß eine ganze Zeile von einem halben Menschen geschrieben sein könne. Daß auf dem Flugsand eines Charakters ein Werk erbaut wäre.
Alles anklagen ist Einheit. Alles vertragen ist Kleinheit. Zu allem ja sagen, ist Gemeinheit.
»Das Leben geht weiter.« Als es erlaubt ist.
Kindspech ist eben das, womit man auf die Welt kommt.
Ein dick aufgetragener Vaterstolz hat mir immer den Wunsch eingegeben, daß der Kerl wenigstens Schmerzen der Zeugung verspürt hätte.
Wider besseres Wissen die Wahrheit zu sagen, sollte für ehrlos gelten.
Unter den vielen deutschen Dingen, die jetzt auf -ol ausgehen, dürfte Odol noch immer wünschenswerter als Idol sein.
Um in einem kriegführenden Land eine Grenzübertrittsbewilligung zu erhalten, braucht man einen »triftigen Grund«. Ich wäre in Verlegenheit, keinen zu finden.
Da wird aus Amsterdam gemeldet, die rücksichtslosen Engländer hätten ein neutrales Schiff durchsucht und den Koffer einer Holländerin verdächtig gefunden, in welchem sich auch tatsächlich ihr Gatte, ein armer Deutscher, der erblindet war, befunden habe; ohne Gnade sei er verhaftet. worden. Ob das Gerücht nun auf dem ehrlichen Weg eines Mißverständnisses entstanden ist oder ob der Bericht ein blinder Passagier war, den man in die Schiffsladung des solchen Zufällen ausgesetzten Zentralorgans deutsch-österreichischer Intelligenz geschmuggelt hatte – der Fall beweist so augenfällig, daß es ein blinder Passagier sehen muß: wie bewegt die Handlung wird, sobald man den Weg aus der Phrase wieder zurück ins Leben nimmt. In der Geschichte der Kriegslüge eines der anschaulichsten Beispiele. Ein Deutscher hat eine Seereise als blinder Passagier in einem Koffer mitmachen wollen; aber wenn man eine Redensart auspackt, kann es leicht geschehen, daß so einer zum Vorschein kommt.
Die Redensart wird durch tausend Röhren ins Volksbewußtsein geleitet. Ein verwundeter Soldat, der sicherlich nie ein Buch, wohl auch keine Zeitung gelesen hatte, war doch des Tonfalls habhaft, mit dem ein gutes Gewissen Abschied nimmt. »Jetzt kann ich ruhig sterben«, sagte er. »vierzehn hab i heut umbracht!«
Dreifachem Reim entziehe sich die Welt – dem Reim auf Feld und Geld und Held.
Nein, der Seele bleibt keine Narbe zurück Der Menschheit wird die Kugel bei einem Ohr hinein- und beim andern herausgegangen sein.
Da Ornament und Redeblume am liebsten von einer Zeit getragen werden, deren Wesen dem verlorenen Sinn dieser Formen widerstrebt, und um so lieber, je weiter sie jenem Sinn entwachsen ist, ihr eigener Inhalt aber nie imstande sein wird, neue Ornamente und Redeblumen zu schaffen, so wird ein Staat noch »zum Schwerte greifen«, wenn es ihm schon längst geläufig sein wird, zum Gas zu greifen. Kann man sich denken, daß solcher Entschluß je zur Redensart werden könnte? Es sollte Aufschluß über die Technik geben, daß sie zwar keine neue Phrase bilden kann, aber den Geist der Menschheit in dem Zustand beläßt, die alte nicht entbehren zu können. In diesem Zweierlei eines veränderten Lebens und einer mitgeschleppten Lebensform lebt und wächst das Weltübel. Die Zeit ist nicht phrasenbildend, aber phrasenvoll; und eben darum, aus heillosem Konflikt mit sich selbst, muß sie immer wieder zum Schwerte greifen. Die neue Begebenheit wird keine Redensart hervorbringen, wohl aber die alte Redensart die Begebenheit!
Seitdem der Raufhandel eine Handelsrauferei geworden ist, sollte Hektor wieder bei der Andromache zu finden sein, seinen Kleinen lehren, Speere werfen und vor allem die Götter ehren.
»Den Weltmarkt erobern«: Weil Händler so sprachen, mußten Krieger so handeln. Seitdem wird erobert, wenngleich nicht der Weltmarkt.
Was ist das nur? Wie schal schmeckt das Leben, seitdem es ein Ding wie »Mannesmannröhren« gibt. Wenn's irgendwo so organisatorisch klappt, so halten sie wohl Mannesmannszucht.
Sollte »Schlachtbank« nicht vielmehr von der Verbindung der Schlacht mit der Bank herkommen?
Was jetzt die größte Rolle spielt, das spielt jetzt keine Rolle: Blut und Geld.
Nein, den Generaldirektoren braucht ihr Braven nicht die vorschriftsmäßige Ehrenbezeigung zu leisten. Wenngleich sie euch in den Krieg geführt haben.
»Vater, Brot!« – »Kinder, Rußland verhungert!«
Klerus und Krieg: man kann auch den Mantel der Nächstenliebe nach dem Winde hängen.
Wer den Patrioten des andern Landes für einen Lumpen hält, dürfte ein Dummkopf des eigenen sein.
Eine Heimat zu haben, habe ich stets für rühmlich gehalten Wenn man dazu noch ein Vaterland hat, so muß man das nicht gerade bereuen, aber zum Hochmut ist kein Grund vorhanden, und sich gar so zu benehmen, als ob man allein eines hätte und die andern keines, erscheint mir verfehlt.
Seitdem man dem Bürger einen Spieß in die Hand gegeben hat, wissen wir endlich, was ein Held ist.
Am Tor eines deutschen Militärbüros sah ich ein Plakat, aus dem die Worte hervorsprangen: »Macht Soldaten frei!« Es war aber gemeint, daß Zivilisten als Schreiber für die Kanzlei gesucht werden, um den dort beschäftigten Soldaten den Abgang an die Front zu ermöglichen.
Ich hörte Offiziere über die schlechte Bedienung schimpfen. Man sagte ihnen, die Zivilbevölkerung sei an der Front. Sie waren aber nicht zu beruhigen und nannten es einen Skandal.
Krieg ist zuerst die Hoffnung, daß es einem besser gehen wird, hierauf die Erwartung, daß es dem andern schlechter gehen wird, dann die Genugtuung, daß es dem andern auch nicht besser geht, und hernach die Überraschung, daß es beiden schlechter geht.
Viele, die am 1. August 1914 begeistert waren und Butter hatten, haben gehofft, daß am 1. August 1917 noch mehr Butter sein werde. An die Begeisterung können sie sich noch erinnern.
Das muß man zugeben: Wo die Deutschen hinkommen, machen sie ihre Sache ordentlich. Wenn's auch nicht immer ihre, sondern manchmal eine fremde Sache ist.
Die artilleristische Überlegenheit ist ein Vorteil, wenn durch sie noch wichtigere Kulturgüter als sie geschützt werden sollen. Da aber die artilleristische Überlegenheit das Vorhandensein wichtigerer Kulturgüter ausschließt, so bleibt, um den Vorteil der artilleristischen Überlegenheit zu erklären, nichts übrig als die Erwägung, daß durch die artilleristische Überlegenheit die artilleristische Überlegenheit geschützt werden soll.
Kriege und Geschäftsbücher werden mit Gott geführt.
Alle Vorräte, an Getreide, Mehl, Zucker, Kaffee und so weiter, sind nacheinander gestreckt worden. Mit den Waffen wär's noch zu probieren.
Soldaten, die nicht wissen, wofür sie kämpfen, wissen doch einmal, wofür sie nicht kämpfen.
Persönlich geht mir nur die Entwürdigung der Menschheit nahe und ihre Bereitschaft, sie zu ertragen. Persönlich würde ich mich nur gegen eine geistige Musterung sträuben. Und daß ich tauglich erklärt würde.
Die Welt wird sich einmal wundern, daß sie kein Geld mehr hat. So geht's jedem, der es verpulvert.
Die Quantität läßt nur noch einen Gedanken zu: abzubröckeln.
Neulich ertappte ich mich dabei, wie ich plötzlich halblaut das Wort »Mörder« sagte. Zum Glück hatte mich niemand gehört. Hätte ich »Wucherer« gesagt, so hätten sich alle umgedreht und keine Erklärung hätte mir geholfen. So aber konnte ich erforderlichenfalls vorbringen: daß ich eben darüber nachgedacht hätte, wie nötig es wäre, die Todesstrafe teils abzuschaffen, teils einzuführen. Und daß ich mich gerade zur Staatsprüfung vorbereite.
Als zum erstenmal das Wort »Friede« ausgesprochen wurde, entstand auf der Börse eine Panik. Sie schrien auf im Schmerz: Wir haben verdient! Laßt uns den Krieg! Wir haben den Krieg verdient!
Der Zustand in dem wir leben, ist der wahre Weltuntergang: der stabile.