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So wie Moll, der die 16. und 17. Auflage der »Psychopathia sexualis« vollständig umgearbeitet hat, schließen ihr auch wir ein Kapitel über Therapie und Prognose an. Da es sich bei dem ganzen Werk nicht um ein Lehrbuch im eigentlichen Sinn handelt, sondern um eine Übersicht über das gesamte Gebiet der Sexualverirrungen (weniger praktischen Zwecken dienend, als dazu bestimmt, Wissen zu vermitteln), und da ferner die Aussichten, die Therapie der Perversionen mittels eines Buches zu lehren, bzw. aus einem Buche zu lernen, sehr gering sind, so glauben wir uns mit der Darstellung der verschiedenen Behandlungs möglichkeiten begnügen zu können Hier sei auch klargestellt, warum in einem gewissen Gegensatz zu Krafft-Ebing auf forensische Erörterungen verzichtet wurde. Entscheidend war die Überzeugung, daß bei den beträchtlichen Verschiedenheiten, die die Judikatur auf diesem Gebiet in den einzelnen Ländern aufweist, die Darstellung entweder lückenhaft bleiben oder den verfügbaren Raum weit überschreiten müßte. Für den Juristen, der letzten Endes den Rat und die Mitarbeit des Arztes doch nicht entbehren kann, ist es ja in erster Linie wichtig, das Tatsachenmaterial der Sexualverirrungen kennenzulernen..
So wurde denn auch, anders als Moll dies getan hat, auf die Darstellung einer eigentlichen Behandlungstechnik verzichtet; statt dessen wurden die bei den einzelnen Triebabweichungen in Betracht kommenden Methoden mitgeteilt.
Die Behandlung selbst ist schwierig und mühevoll, zeitraubend und keineswegs erfolgsicher. Unbedingt notwendig sind gründliches Verständnis der Perversionen, ein beträchtliches Maß von Einfühlungsvermögen, völliger Verzicht auf »moralische« Wertung. Wer sich mit der Behandlung der Perversionen beschäftigt, muß ferner gelernt haben, verschiedenen Gefahren auszuweichen. So kann es vorkommen, daß im Zuge der Behandlung der Patient (oder die Patientin) eine psychosexuelle Bindung an den Arzt erfährt, oder daß die Perversion, um deretwillen ärztliche Hilfe gesucht wurde, zwar aufgegeben wird, daß aber an ihre Stelle eine andere Perversion oder gar eine richtige Neurose tritt, oder schließlich – der häufigste Fall –, daß die eingehende Befassung mit der vorliegenden Sexualverirrung geradezu ihre tiefere Verankerung und deutlichere Ausprägung bewirkt.
Es ist natürlich Sache der Erfahrung, zu welcher Methode man bei der Behandlung der Perversion greift, und es besteht, um dies vorwegzunehmen, auch in dieser Beziehung ein Unterschied zwischen den in der ersten Gruppe zusammengefaßten Störungen der Sexualität und den Störungen der Erotik, hier also der zweiten Gruppe. Denn bei den Störungen der Sexualität wird die psychische Behandlung nur selten als einzige Methode in Betracht kommen oder auch bloß im Vordergrund stehen, gewöhnlich wird man physikotherapeutische, noch mehr aber hormonale Hilfsmittel heranziehen. Die Methode der Wahl ist zweifelsohne die Kombinationsbehandlung. Bei den viel schwerer zugänglichen Perversionen der zweiten Gruppe hingegen wird alles von der richtigen Psychotherapie abhängen.
Zur Behandlung einer Perversion kann es aus verschiedenen Indikationen kommen. Zunächst einmal auf forensischem Wege. Perverse, die wie Sadisten, Exhibitionisten, manchmal Homosexuelle mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind, werden in der Mehrzahl der Fälle den Gerichtsärzten zur Begutachtung übergeben, und es ist klar, daß sich daran häufig auch eine Behandlung schließen wird.
Diese Perversen gelangen also ganz unfreiwillig in die Hände des Arztes, und ähnlich liegen die Dinge dort, wo die Familie, gewöhnlich die Eltern, den Patienten zum Arzt bringen. Weit seltener sucht der Perverse aus vollkommen freiem Willen ärztliche Hilfe, in der Regel nur dann, wenn die sozialen Folgen, die sich aus seiner Perversion ergeben können, ihm schlimmer erscheinen als der Verzicht auf seine abnorme Triebeinstellung. Und dann gibt es noch eine letzte Gruppe, die zwar freiwillig den Arzt aufsucht, keineswegs aber, um sich behandeln oder gar heilen zu lassen, sondern lediglich zu dem Zweck, um durch eine eingehende Besprechung ihres Zustandes (die oft noch durch viele Seiten lange Krankengeschichten ergänzt wird) sich die Überzeugung zu verschaffen, ihre Einstellung sei unabänderlich, und auch der Arzt vermöge nichts gegen sie.
So wie die Frage, ob der Patient unfreiwillig oder freiwillig zur Behandlung kommt, bei den Perversionen von erheblicher Bedeutung ist, so oder doch wenigstens so ähnlich ist es um das Alter des Patienten bestellt. Jüngere Menschen oder solche, die zwar an Lebensjahren älter, aber doch dem infantilen Typus zuzurechnen sind, also alle jene, bei denen es noch nicht zur vollen psychosexuellen Differenzierung gekommen ist, sind ungleich günstigere Objekte der Behandlung als ältere, reife, festgefügte Personen. Eine gewisse Einschränkung ist hier allerdings notwendig. Es gibt nämlich Fälle, bei denen die Perversion erst im hohen Lebensalter manifest geworden ist. Dann und besonders wenn solche Perverse sich freiwillig in Behandlung begeben, sind die Erfolgsaussichten etwas günstiger.
Nach diesen kurzen allgemeinen Bemerkungen wenden wir uns nun den einzelnen Sexualverirrungen zu und betonen sogleich, daß bei deren erster Gruppe die Möglichkeit eines Erfolges verhältnismäßig am besten ist. Die Sexualität ist eben weit weniger kompliziert als die Erotik und also auch psychotherapeutisch eher beeinflußbar. Hiezu kommt noch die Möglichkeit, hier durch physikotherapeutische Maßnahmen und durch Hormonkuren auch die Physis des Patienten umzustimmen. Gerade in letzterer Hinsicht scheinen sich dank den Fortschritten der Endokrinologie die Aussichten ständig zu verbessern, doch ist heute noch alles im Fluß, und derzeit ist ein reger Optimismus sicher noch nicht angebracht.
Bei der Behandlung der sexuellen Anästhesie ist vielleicht die wichtigste Frage, ob der Zustand überhaupt abgeändert werden soll, denn man wird ihn in der Mehrzahl der Fälle als das Ergebnis zu betrachten haben, das die Psyche im Kampf gegen ihre perverse Einstellung anderer Art erreicht hat. Ist die Behandlung erfolgreich, so besteht die starke Gefahr, daß jene Perversion manifest wird, und daß dann der Patient wesentlich schlechter dran ist als vorher. Sexuell anästhetische Personen sind nämlich in der Mehrzahl der Fälle latent homosexuell, und es ist klar, daß eine auf therapeutischem Wege provozierte Homosexualität ein höchst unerwünschtes Behandlungsergebnis wäre. Dort natürlich, wo die Anästhesie erworben ist, sei es durch Abstinenz, sei es durch Exzesse, wird die Behandlung zweifelsohne einzusetzen haben und sich auf psychische, physiko- und organotherapeutische Methoden stützen. Stets ist auch die Umwelt des Patienten (Wohnort, Familie, Beruf) zu berücksichtigen, eine Änderung in dieser Hinsicht kann für den Behandlungserfolg entscheidend sein.
Im gesamten Bereich der Triebabweichungen ist die sexuelle Hypästhesie der Behandlung noch am leichtesten zugänglich, und gleichzeitig hat gerade hier die Therapie besonders wichtige Aufgaben zu erfüllen. Es kann nämlich nicht mehr geleugnet werden, daß zwischen dem normalen Geschlechtsleben und der normalen sozialen Leistungsfähigkeit des Mannes wie der Frau ein ganz wesentlicher Zusammenhang besteht, so daß ein Sinken der Geschlechtskraft entweder zu einer Verringerung der Arbeitskraft führen oder doch wenigstens gewisse Vorbedingungen für eine solche Verringerung schaffen kann. Schon deshalb erscheint es geboten, zu dieser Perversion praktisch Stellung zu nehmen und energisch ihre Heilung oder wenigstens Besserung zu erstreben.
Es ist bei der Behandlung der sexuellen Hypästhesie notwendig, beide Geschlechter getrennt zu besprechen. Beim Manne ist sie, wie wir gesehen haben, in erster Linie psychisch bedingt, und demgemäß muß auch die Therapie zunächst auf dem Gebiet der Seele erfolgen. Dies gilt vor allem für die Potenzangst. Am wichtigsten ist die Differentialdiagnose, die Unterscheidung zwischen Potenzangst und Potenzschwäche, denn es wird immer noch in viel zu vielen Fällen eine wirkliche Schwächung der Potenz angenommen und auf organische (endokrine) Defekte zurückgeführt, wo in Wirklichkeit nichts anderes vorliegt als das mangelnde Vertrauen zur eigenen Geschlechtskraft. Ein Fehler dieser Art ist schon deshalb folgenschwer, weil eine gegen eine – fälschlich diagnostizierte – Potenzschwäche einmal begonnene Behandlung den Patienten in seiner Überzeugung, es liege ein organisches Leiden vor, ganz außerordentlich zu bestärken vermag. Es ist also in jedem Fall zu empfehlen, taktvoll und schonungsvoll die Vita sexualis des Patienten bis in alle Einzelheiten zu erforschen, auf latente Perversionen zu achten, die Erlebnisse der Kindheit zu berücksichtigen und dabei die gesamte Persönlichkeit zu erschließen Ohne eigentliche Stellungnahme zu den verschiedenen Methoden der modernen Tiefenpsychologie möchten wir doch gerade im Zusammenhang mit der sexuellen Hypästhesie der Erfolge gedenken, die die Individualpsychologie bei deren Behandlung zu verzeichnen hat.. Es gilt dann, den Patienten davon zu überzeugen, daß keine organische, sondern bloß eine funktionelle Unterwertigkeit vorliegt. Erst dann, wenn dieser Abschnitt der Behandlung erledigt ist, ist die Zeit gekommen, mit den physiotherapeutischen Maßnahmen zu beginnen oder hormonale Präparate zu verordnen.
Selbstverständlich gibt es auch Fälle von sexueller Hypästhesie, die auf organischen Defekten beruhen, besonders bei älteren Männern. Aber auch hier hat sich mit der Organtherapie und der Physikotherapie eine entsprechende psychische Behandlung zu verbinden, was schon deshalb wichtig ist, weil ja doch das eine oder das andere Mal eine bloße Potenzangst als wirkliche Potenzschwäche angesprochen werden kann, was, wie bereits früher betont, bei einer rein physisch gerichteten Behandlung therapeutisch ungünstig wäre.
Während die sexuelle Hypästhesie des Mannes bereits seit sehr langer Zeit Gegenstand ärztlichen Bemühens war und ist, wurde der gleiche Zustand bei der Frau eigentlich erst sehr spät in den Kreis ärztlicher Tätigkeit einbezogen. Die moderne Gynäkologie hat sich aber mit Erfolg bestrebt, diese Lücke auszufüllen. Wir haben bereits gesagt, daß die Hypästhesie der Frau stets als psycho-physisch bedingt zu betrachten ist; und daraus ergibt sich auch der Weg, den die Behandlung zu gehen hat. Gerade die Frau ist ja in ungleich höherem Maße als der Mann imstande, psychische Veränderungen körperlich zum Ausdruck zu bringen, und umgekehrt scheinen bei ihr körperliche Zustände wesentlich deutlicher seelisch, in der Gesamtpersönlichkeit, auf. Es empfiehlt sich hier also, von allem Anfang an die sexuelle Hypästhesie physisch und psychisch zu behandeln. Wichtig ist vor allem die Organotherapie, schon deshalb, weil das weibliche Sexualhormon leichter darzustellen, zu prüfen und zu dosieren ist als das männliche. Auch die Physikotherapie hat hier bessere Resultate; und selbstverständlich ist die seelische Beeinflussung ständig von größter Bedeutung.
Wir brauchen nur an die vaginalen und die klitoriellen Frauentypen zu erinnern, um klarzustellen, wie wichtig es bei der Behandlung der sexuellen Hypästhesie des Weibes ist, die Vita sexualis zu erforschen. Wenn es nicht gelingt, in Erfahrung zu bringen, in welcher Weise der Geschlechtsverkehr im betreffenden Fall durchgeführt wird, ist eine zielstrebige Behandlung unmöglich! Diese Erforschung, die natürlich mit größtem Takt und größter Schonung durchzuführen ist, zeigt gleichzeitig, ob psychische Hemmungen, wie über die Norm hinaus gehende Schamhaftigkeit usw., dem Zustande zugrunde liegen, ob eine latente Perversion, wie etwa Homosexualität, besteht und dergleichen mehr.
Es gehört zu den auch sozial wichtigen Fortschritten der Medizin, daß sie durch bessere Einsicht in das Zustandsbild der sexuellen Hypästhesie, durch die Ergebnisse der Hormonforschung, durch die Methoden der neueren Tiefenpsychologie dieses so verbreitete und so folgenschwere Leiden heute schon in sehr weitgehendem Maße zu heilen imstande ist.
Die Behandlung der sexuellen Hyperästhesie ist schon deshalb wichtig, weil wir zeigen konnten, daß gerade mit dieser Triebabweichung besonders schwere und sozial besonders schädliche Perversionen verbunden auftreten, bzw. sogar aus ihr hervortreten, wie Sadismus, Pädophilie usw. Leider sind die therapeutischen Möglichkeiten, die hier zu Gebote stehen, noch recht begrenzt – es sei denn, daß man sich zu dem in diesem Zusammenhange schon verschiedentlich erörterten radikalen Ausweg, der Kastration, entschließt. Eine Erörterung dieses sehr bedeutsamen Problems würde indessen den Rahmen dieses Buches überschreiten. So steht also auch hier wieder die psychische Behandlung an erster Stelle, wobei freilich über bloße Verbalsuggestion und Heilpädagogik hinausgegangen werden muß. Erfolge wird man bei der Hypersexualität nur dann erreichen, wenn es gelingt, die ganze Lebensführung solcher Personen von Grund auf zu ändern. Dazu gehört nicht nur die schon seit jeher empfohlene Einfügung von körperlichen Übungen und Sport in den Tagesplan der Hypersexuellen, sondern darüber hinaus eine Berufsänderung, die zu bezwecken hat, daß einerseits der Geschlechtstrieb durch harte körperliche Betätigung herabgesetzt wird, und daß anderseits die Gelegenheit zum Geschlechtsverkehr wie die Möglichkeit, Material für sexuelle Tagträume und Wunschvorstellungen zu sammeln, verringert wird. Bei Hypersexuellen, die aus beruflichen Gründen (Verkäufer, Friseure, Lehrer, Schauspieler usw.) mit Personen andern Geschlechts oder, ganz allgemein gesprochen, mit für sie als Sexualobjekte in Betracht kommenden Individuen in Kontakt kommen, ist eine sogenannte spezifische Theorie aussichtslos! Auch hier ist eine gründliche Änderung der Umwelt die Hauptsache; mag sie noch so große Opfer in sozialer Hinsicht verlangen, so ist sie doch der beste, häufig der einzige Weg zum Erfolg.
Von größter Bedeutung ist es ferner, den Alkoholgenuß völlig abzustellen; auch andere Reizmittel, wie Nikotin, Kaffee, Gewürze, müssen wesentlich eingeschränkt werden. Abhärtende Maßnahmen, Kaltwasserkuren sind durchzuführen. Tritt die Hypersexualität erfahrungsgemäß in Form von Anfällen und Krisen auf, etwa nach Art der Quartalsäufer, so muß die Behandlung bei den ersten Anzeichen eines solchen Zustandes verstärkt werden, wofür die verschiedenen Sedativa und Hypnotika in Betracht kommen; altbewährte Mittel, wie Brom und Baldrian, sind oft die besten.
Bei den ja ungleich selteneren sexuellen Paradoxien wird eine Behandlung vor allem bei dem im Kindesalter auftretenden Geschlechtstrieb in Frage kommen. Sie besteht hier neben den selbstverständlichen pädagogischen Maßnahmen in der Verabreichung hormonaler Präparate und in Röntgenbestrahlung der endokrinen Drüsen. Es wird in den meisten Fällen ratsam sein, die Erziehung solcher in jeder Hinsicht gefährdeten Kinder nicht den Eltern zu überlassen. Der Aufenthalt in Heimen für schwer erziehbare Kinder und ähnlichen Anstalten ist aber gerade hier nicht zu empfehlen, da die Überwachung dort nur selten ausreicht, um sexuelle Akte durchaus zu verhindern. Den Idealfall stellt die Unterbringung im Hause eines – kinderlosen – erfahrenen Arztes oder Pädagogen dar.
Bei dem im Greisenalter wiedererwachenden Geschlechtstrieb ist eine Behandlung in ausgeprägten Fällen schon deshalb sehr wenig erfolgversprechend, weil, wie bereits gesagt, sich da gewöhnlich ein schweres psychisches Leiden durch die Veränderung des Geschlechtstriebs kundtut, so daß also nichts als die Internierung übrigbleibt. Bei leichteren Formen handelt es sich darum, die stets bestehende Hypersexualität herabzusetzen, was nach den dort angegebenen Richtlinien durchzuführen ist.
Die Behandlung der Pädophilie deckt sich weitgehend mit dem, was bei der Hypersexualität, zum Teil auch bei der sexuellen Hypästhesie gesagt wurde. Die wesentlichste Maßnahme indessen besteht darin, in solchen Fällen den – perversen – Geschlechtsakt dadurch unmöglich zu machen oder zumindest zu erschweren, daß pädophil veranlagte Personen von Kindern und Jugendlichen absolut ferngehalten werden. Besonders wichtig wird das dann, wenn durch den Beruf (Lehrer, Erzieher, aber auch Geschäftsführer, Betriebsleiter usw.) ein ständiger Kontakt mit jüngeren Personen oder gar Kindern gegeben ist, dem also unbedingt ein Ende gemacht werden muß. Konzessionen wirken sich hier nach beiden Seiten gleich schädlich aus, Ausnahmen sind unter keinen Umständen zu gestatten. Wo die Pädophilie auf Potenzangst zurückzuführen ist, ist ein Erfolg der Behandlung keineswegs ausgeschlossen, es handelt sich dann nur darum, solche Personen durch entsprechende Aufklärung, Belehrung und Verbalsuggestion zum normalen Geschlechtsverkehr zu bringen. Durchaus pädophil eingestellte Menschen und hypersexuelle Pädophile sind indessen einer Behandlung kaum je zugänglich, so daß es letzten Endes nur darauf ankommt, ihren Lebensraum so zu bestimmen, daß Akte dieser Art unmöglich werden.
Die Behandlung der Zoophilie muß den großen Unterschieden zwischen den einzelnen Gruppen Rechnung tragen. Wo es sich um sexuell undifferenzierte Personen handelt, werden ebenso wie dort, wo zoophile Tathandlungen auf abergläubischer Grundlage beruhen, Belehrung und Aufklärung allein schon zu Erfolgen führen. Bei hypersexuellen Personen gilt das, was bei der sexuellen Hyperästhesie gesagt wurde, wobei wiederum auf Enthaltung von Alkoholgenuß besonderes Gewicht zu legen ist. Therapeutisch von Bedeutung ist es, daß die Zoophilie erstes Symptom einer andern geistigen Störung sein kann.
Auf Potenzangst und Potenzschwäche beruhende Zoophilie ist nach den bei der sexuellen Hypästhesie gegebenen Ratschlägen zu behandeln.
Was schließlich jene Personen betrifft, bei denen infolge sexuellen Spieltriebs auch zoophile Akte vorkommen, so ist hier am meisten von einer entsprechenden Verbalsuggestion und Psychopädagogik zu erwarten. Bei überkultivierten und degenerierten Personen hingegen werden Versuche dieser Art nur ausnahmsweise von Erfolg begleitet sein, so daß es dann hauptsächlich darauf ankommt, durch äußere Maßnahmen, also durch Fernhaltung von den Sexualobjekten, die Ausübung des Triebes unmöglich zu machen.
Die Behandlung des Autosexualismus richtet sich in der Praxis so gut wie ausschließlich gegen die Masturbation. Dem so ausgeprägten Wandel entsprechend, den die Bewertung dieser Tathandlung im Lauf der Zeiten erfahren hat, haben sich auch Intensität und Umfang der Therapie erheblich geändert. Besonders gegen die Onanie jugendlicher Personen hat man früher alle möglichen und unmöglichen Mittel und Methoden verwendet, man hat ganze Apparate konstruiert, um die Genitalien jeder Manipulation zu entziehen, man hat die Patienten wie in einer Zwangsjacke fixiert, um den masturbatorischen Akt unmöglich zu machen, und man hat durch Medikamente, Kaltwasserkuren usw. den Geschlechtstrieb herabzusetzen versucht, um auf diese Weise der Onanie Herr zu werden.
Derzeit steht man dem ganzen Problem wesentlich ruhiger gegenüber und lehnt also auch solche gewissermaßen heroische Methoden ab. Damit ist schon gesagt, daß eigentlich nur bei einer recht kleinen Zahl von Fällen eine eigentliche Behandlung des Autosexualismus angezeigt ist, vor allem dort, wo diese Triebabweichung so stark ausgeprägt auftritt, daß die gesamte Persönlichkeit verändert ist. Da es sich zumeist um jugendliche Personen handelt, so wird eine entsprechende Beeinflussung im heilpädagogischen Sinne am besten zum Ziele führen, wobei die Methodik der Individualpsychologie vielleicht an erster Stelle in Betracht kommt. Die Einstellung zur Umwelt muß geändert werden; Menschen dieser Art sind gewöhnlich verschlossen, eigenbrötlerisch und unkameradschaftlich. Es gilt also, das Gemeinschaftsgefühl zu wecken und die Einordnung in einen Kreis gleichaltriger Menschen zu bewirken, wozu sich der Aufenthalt in einem Landerziehungsheim, sportliches Training und dergleichen Maßnahmen mehr sozialer als medizinischer Art eignen.
Die zweite Gruppe der Perversionen, jene also, bei der das Wesen der Sexualverirrung in einer Störung der Erotik beruht, ist, wie bereits gesagt, der Behandlung ungleich schwerer zugänglich. Ganz im Vordergrund steht jedenfalls die Psychotherapie, ohne daß jedoch die Methoden, die auf eine Änderung des physischen Zustandes abzielen, gänzlich beiseite gelassen werden dürften. Denn es kommt z. B. beim Sadismus oder beim Exhibitionismus sehr viel darauf an, die Hypersexualität oder die Sexualität selbst herabzusetzen, und umgekehrt ist es beim Masochismus wichtig, die ihm zugrunde liegende Potenzschwäche zu bessern. Also wiederum Kombinationsbehandlung, die freilich sehr viel Erfahrung, sehr viel Geduld, sehr viel Einstellungsvermögen erfordert, ohne daß sich jeweils ein Erfolg auch nur mit einiger Sicherheit vorhersehen ließe.
Für die Behandlung des Fetischismus ist es geradezu kennzeichnend, daß, wie bereits früher erwähnt, die sonst in der Therapie der Triebabweichungen (und der Neurosen) gewissermaßen als Signal sehr verwendbare Tatsache, daß der Pervertierte ärztlichen Rat und Hilfe sucht, hier manchmal im Stiche läßt. Denn keineswegs selten soll die Aussprache mit dem Arzte nur dazu dienen, den Patienten in der Überzeugung zu festigen, seine Einstellung, sein Zustand sei wesensgemäß und jedenfalls unveränderlich. Weit häufiger noch ist es, daß die Fetischisten gar nicht das Bedürfnis nach der Aufnahme (seltener Wiederaufnahme) eines normalen Geschlechtsverkehrs haben, und so bleiben gerade die schweren und schwersten Fälle und unter ihnen vor allem jene für die Therapie übrig, in denen der betreffende Fetischismus den Perversen sozial oder sogar juristisch gefährdet. Aus dem großen Heer der Partialfetischisten kommt bloß der eine oder der andere Fall gelegentlich zur Kenntnis des Arztes, hingegen ereignet es sich nicht selten, daß andere Perversionen, wie z. B. Masochismus oder Sadismus, den Perversen zum Arzte führen, und daß sich dann bei einer genauen Aussprache der fetischistische Charakter der betreffenden Triebabweichung ergibt.
Am leichtesten sind jene Fälle einer therapeutischen Beeinflussung zugänglich, bei denen die Perversion auf einer Potenzangst oder auch Potenzschwäche beruht. Die Psychotherapie erfährt dann durch hormonale oder physikotherapeutische Maßnahmen eine wertvolle Unterstützung. Man muß immer bestrebt sein, den Mechanismus der Perversion aufzudecken und dem Patienten klarzumachen, wobei besonderes Gewicht darauf zu legen ist, das »accident agissant« herauszuarbeiten und dann als durchaus unwichtig darzustellen, das stets sozusagen die Schlüsselstellung der ganzen Triebabweichung bildet. Bei dieser Gruppe von Fetischisten gelingt es tatsächlich recht häufig, Erfolge zu erzielen.
Schwerer hat man es schon, wenn der Fetischismus auf sexuellen Spieltrieb zurückzuführen ist. Hier muß man sich einer Grundtatsache erinnern, die für die gesamte Psychodynamik von größter Bedeutung ist und, in kürzester Formulierung, ungefähr beinhaltet, daß man niemandem etwas wegnehmen darf, ohne ihm dafür etwas anderes zu geben. Die oft überraschend starken seelischen Kräfte, die in solchen Fällen durch die fetischistische Einstellung gebunden sind, müssen andere Ziele erhalten, so daß die Behandlung im wesentlichen pädagogischen Charakter annimmt. Bei jüngeren Menschen ist sie keineswegs aussichtslos, selbst dann nicht, wenn gewisse psychopathische Stigmen nachweisbar sind. Als wichtige Hilfsmittel seelischer Art kommen Umschulung, Berufsänderung und dergleichen in Betracht. Während der Behandlungszeit selbst kann es von Vorteil sein, den Geschlechtstrieb einzudämmen und zu verringern, was durch die bekannten Mittel, wie Medikamente (Brom, Lupulin), Kaltwasserkuren und vor allem durch starke körperliche Betätigung (Sport) versucht werden soll.
Der echte Fetischismus, bei wirklich psychopathischen Personen, läßt sich nur sehr selten behandeln und noch seltener heilen. Immerhin haben sowohl Psychoanalytiker wie Individualpsychologen auch hier Erfolge zu erzielen vermocht; mit viel Zeit, mit viel Geduld, mit den Methoden der modernen Tiefenpsychologie, mit allen Maßnahmen, die geeignet sind, die Hypersexualität womöglich unter die Norm zu bringen, kann man auch in anscheinend verzweifelten Fällen zum Ziele kommen.
Der Sadismus ist jene Sexualverirrung, bei der eine Änderung des Zustandes am notwendigsten ist, und zwar sowohl aus allgemein ethischen Gründen wie auch wegen der Gefährdung, die der Sadist in sozialer und juristischer Hinsicht durch seine Perversion erfährt. Leider sind die Aussichten auf Erfolg hier gering. Um das zu verstehen, braucht man sich ja bloß an die Ursachen des Sadismus zu erinnern und zu bedenken, daß vielleicht in den meisten Fällen von Sadismus dieser dynamisch bedingt und zum Ausgleich gegensätzlicher Strebungen notwendig ist. Da ergibt sich schon, daß eine Änderung der sozialen Umwelt, der Familienstruktur und ähnliche Momente die besten Erfolgsaussichten bieten, während auch die sorgfältigste psychotherapeutische Behandlung kaum befriedigen wird, wenn jene Faktoren unberücksichtigt bleiben. Gewiß mag es oft schwer sein, hier entscheidend durchzugreifen oder den Sadisten zu einer gleichfalls häufig nötigen Änderung seines Berufes zu veranlassen; da es sich hier aber um eine schwere, den Perversen und seine Umwelt gleichmäßig gefährdende Sexualverirrung handelt, so müssen auch beträchtliche Opfer gebracht werden. Gleichzeitig ist stets die Sexualität herabzusetzen, und es scheint, als ob in dieser Beziehung von der Endokrinologie manches zu erwarten wäre. Da die Behandlung auf eine dauernde Umstimmung und Umstellung abzielen muß, so sind Kaltwasserkuren und ähnliche Verfahren kaum von wesentlicher Bedeutung.
Die schwersten Formen von Sadismus – Verstümmelung oder sogar Tötung des Sexualobjekts – bilden ja zunächst Gegenstand gerichtlichen Verfahrens und werden in weiterer Folge in geschlossenen Anstalten dauernd unterzubringen sein; eine eigentliche Behandlung scheint hier aussichtslos.
Beim Masochismus sind die therapeutischen Aussichten ungleich besser. Zunächst sei daran erinnert, daß es für die Prognose wesentlich ist, wenn der Patient sich freiwillig in Behandlung begibt, was beim Masochismus, der den Perversen höchstens in soziale, sicherlich nicht in juristische Konflikte bringt, nicht selten der Fall ist. Freilich ist auch der Masochismus häufig dynamisch bedingt, besonders die Doulolagnie ist ja fast durchwegs als Ausgleich gegensätzlicher Strebungen aufzufassen und also einer Behandlung weniger zugänglich. Hier ist es in sozialer Hinsicht nur sehr selten möglich, durch eine Änderung des Milieus oder des Berufs eine Umstimmung herbeizuführen, da, wie wir gesehen haben, diese Formen des Masochismus das Korrelat einer führenden oder jedenfalls mit gewissen Machtbefugnissen ausgestatteten Stellung sind. Die Behandlung wird also besser an der andern beim Masochismus gleichfalls kaum je fehlenden Wurzel angreifen, bei der Potenzangst und Potenzschwäche. Gelingt es, mit hormonalen Methoden oder mit Hilfe der Physikotherapie die oft ja nur subjektiven Störungen der Potenz zu bessern, so wird häufig auch der Masochismus selbst beseitigt werden können. Die Methode der Wahl ist hier also die Kombinationsbehandlung, wobei bei der Psychotherapie eine gründliche Aufdeckung des ganzen der Perversion zugrunde hegenden Mechanismus am wichtigsten ist, während bei den auf eine Änderung der Physis hinzielenden Verfahren die Hormonbehandlung, allenfalls auch die Physikotherapie (lokale Diathermie, hydriatische Prozeduren) verwendbar sind.
Der Arzt, der sich mit der Behandlung der Sexualverirrungen beschäftigt, wird zwar nur ab und zu Gelegenheit haben, Masochisten zu behandeln, kann aber damit rechnen, gerade hier befriedigende Ergebnisse zu erzielen.
Der Exhibitionismus bildet in der zweiten Gruppe der Perversionen in gewisser Hinsicht eine Analogie zu der Zoophilie bei der ersten Gruppe. Hier wie dort handelt es sich um geistig und moralisch tiefstehende Individuen, oft von imbezilem oder infantilem Charakter. Bei sehr jungen Menschen ist allenfalls durch langdauernde und energische Psychotherapie ein Erfolg zu erreichen, bei älteren Personen, bei denen freilich diese Sexualverirrung weit häufiger vorkommt, wird schon wegen der bei genauerer Untersuchung in der Regel nachweisbaren anderweitigen psychischen Defekte wohl nur die Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt in Frage kommen.
Die Homosexualität stellt den behandelnden Arzt vor zahlreiche schwierige Probleme. Zunächst muß gesagt werden, daß hier die verschiedenen Faktoren versagen, die früher als für die Prognose verwendbar angeführt wurden. Der Homosexuelle, der freiwillig zum Arzt kommt, muß deswegen noch lange nicht den – bewußten oder unbewußten – Wunsch nach Änderung seines Zustandes haben. Häufig wird auf diese Weise ein Alibi erstrebt, oder der Patient wünscht sich selbst zu beweisen, daß in seinem Falle auch die ärztliche Behandlung machtlos sei, oder aber er will lediglich seinen ihn selbst übermäßig interessierenden Zustand mit einer Vertrauensperson besprechen. Umgekehrt kann es sich ereignen, daß der Patient unfreiwillig in ärztliche Behandlung kommt, etwa auf Veranlassung seiner Familie, und daß dann doch die Behandlung gewisse Ergebnisse zeitigt. Grundsätzlich läßt sich nur sagen, daß junge Menschen therapeutisch immerhin beeinflußbar sind, und zwar dann, wenn es sich um sexuell undifferenzierte Personen handelt oder um Menschen mit starkem Geschlechtstrieb und sexueller Spiellust. Gelingt es in solchen Fällen, durch geeignete Maßnahmen den Sexualtrieb herabzusetzen und eine stark pädagogisch orientierte Psychotherapie energisch durchzuführen, so kann die Behandlung wohl Erfolg haben. Hier handelt es sich freilich nicht um rein Homosexuelle, sondern um Bisexuelle, zu denen man allerdings auch jene Personen rechnen muß, deren Geschlechtsleben ausschließlich homosexuelle Akte aufweist, deren Träume aber noch heterosexuellen Charakter tragen. Besonders weibliche Bisexuelle bieten gute Erfolgsaussichten. Freilich wird stets ein Wechsel der Umgebung notwendig sein, auch dann, wenn sowohl die Perversen selbst wie deren Familien mit voller Bestimmtheit jede Möglichkeit homosexuellen Verkehrs leugnen.
Gänzlich anders liegen die Dinge bei vollerwachsenen, rein homosexuellen Personen. Hier ist eine Behandlung der Homosexualität aussichtslos, und es kann sich höchstens darum handeln, andere Perversionen, wie Fetischismus, Sadismus, Masochismus, therapeutisch anzugehen. Der Arzt kann und soll jedoch stets versuchen, durch entsprechende Psychotherapie solche Perverse zur richtigen sozialen Einordnung zu führen.