Carl Arnold Kortum
Die Jobsiade
Carl Arnold Kortum

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Dreiundzwanzigstes Kapitel

Wie Hieronimus ein Hausschreiber ward bei einem alten Herrn, welcher eine Kammerjungfer hatte, mit Namen Amalia, und wie er sich gut aufführte bis im folgenden Kapitel.
  1. Unter allen Ständen, die da werden
    Angetroffen auf unserer Erden,
    Ist, zweifelsohne, wie bekannt,
    Der Wittwenstand der betrübteste Stand.
  2. Wo der Mann, als das Haupt des Weibes,
    Fehlt, da steht es um die Pflege des Leibes
    Und um die ganze Haushaltung schlecht,
    Und nicht das Geringste geht zurecht.
  3. Die Einkünfte werden nach und nach vermindert,
    Die unentbehrliche Nahrung wird verhindert,
    Und gleich wie in einem Jammerthal
    Ist Angst, Noth, Elend überall.
  4. Frau Jobs hat dies auch, leider! erfahren,
    Denn sie merkte, daß gleich in den ersten Jahren
    Alles im Hause den Krebsgang ging,
    Und sie arm an zu werden fing.
  5. Hieronimus nun hat dazu freilich
    Das Seinige beigetragen getreulich,
    Denn er lebte in müßiger Ruh,
    Aß gut und trank noch besser dazu.
  6. Indessen ward doch nun auf die Dauer
    Der guten Wittwe solche Wirthschaft zu sauer,
    Und ihr Hieronimus gereichte fast
    Der Oekonomie zur größten Last.
  7. Er hat es auch selbst eingesehen,
    Daß es nicht länger gut werde gehen,
    Und erkundigte sich also weit und breit
    Um eine andre Gelegenheit.
  8. Wie nun gewöhnlich die Dummen und Frommen
    Am allerbesten in der Welt fortkommen,
    So bot auch bei einem Edelmann
    Sich abermals für ihn eine Stelle an.
  9. Dieser Herr lebte auf dem Lande
    In einem trefflichen ruhigen Stande,
    Und verzehrte als ein biedrer Cavalier
    Seine großen Einkünfte mit Pläsir.
  10. Er that in seiner Jugend einige Züge
    Im damaligen siebenjährigen Kriege,
    Doch lag er meistens in Garnison
    Und schonte so viel als möglich seine Person.
  11. Indeß ward er bald dieses Lebens müde,
    Denn er haßte Krieg und liebte Friede,
    Und hielt folglich als ein tapfrer Mann
    Unterthänig um seinen Abschied an.
  12. Jedoch fand er noch immer viel Vergnügen,
    Oft zu reden von verschiedenen Siegen,
    Und wie er einmal von ohngefähr
    Auf der Flucht beinahe gefangen wär'.
  13. Uebrigens war er geneigt zu spaßen,
    Schoß auch wol auf der Jagd einen Hasen,
    Trank bei der Tafel Burgunderwein
    Und lebte ohne Gemahlin allein.
  14. Er war also, in soweit, ein Junggeselle,
    Doch war bei ihm, an der Gemahlin Stelle,
    Eine Kammerjungfer, die früh und spat
    Die nöthigen Bedürfnisse besorgen that.
  15. Er sparte als Greis den Rest seiner Kräfte
    Und bekümmerte sich um keine Geschäfte,
    Sondern ein treues Bedienten-Paar
    Besorgte, was zu besorgen war.
  16. Der eine war ein schlauer, alter,
    Treubefundener Hausverwalter,
    Und der andre Herr Bediente war
    Ein also genannter Secretar.
  17. Der Verwalter war noch am Leben
    Und befand sich beim Dienste nicht uneben,
    Denn er sorgte klug und weislich
    Wenig für'n Herrn und viel für sich.
  18. Der Secretar war vor einigen Tagen
    Weil er todt war, zu Grabe getragen,
    Und also und dergestalt fand
    Sich diese wicht'ge Bedienung vacant.
  19. Nun war der Verwalter ein alter Bekannter
    Von Hieronimi Eltern, und darum wandt' er
    Als ein treuer dienstfertiger Mann
    Alle Müh' für Hieronimus an.
  20. Und hat ihn sehr kräftig recommandiret,
    Ihn darauf in Persona präsentiret
    Bei der Jungfer und beim alten Herrn
    Als einen fähigen Secretärn.
  21. Es hat auch seine Person für allen
    Der Kammerjungfer nicht übel gefallen,
    Drum versprach sie ihm steif und fest
    Bei dem Herrn zu reden das Best'.
  22. Er schien ihr beim ersten Anblick schon besser
    Als der vorige Schreiber, sein Antecesser;
    Denn Hieronimus war stark und lang,
    Der vorige aber war mager und krank.
  23. Alldieweil er nun, wie gesaget,
    Der Kammerjungfer, als der Hauptperson, behaget,
    So gab auch der alte Herr sofort
    Dazu sein Fiat und adliges Wort.
  24. Um ihm desto mehr Gnaden zu erweisen,
    Mußte er sogar diesmal mit ihm speisen,
    Und der Herr sprach mit freundlicher Stimm'
    Nach geendigter Mahlzeit zu ihm.
  25. »Seine Pflicht soll darin bestehen,
    Daß Er nach Vieh und Gesinde muß sehen,
    Und als der geheime Secretär
    Schreibe, was etwa zu schreiben wär'.
  26. Wird Er nun diese seine Amtspflichten
    Als ein braver Schreiber ausrichten;
    So geb' ich Ihm dafür alle Jahr
    Vierzig harte Reichsthaler baar.
  27. Gefällt Ihm diese Bedingung, so bleib Er
    Bei mir, sub titulo als Hausschreiber,
    Und ich verspreche Ihm, wenn Er treu,
    Noch manche Accidenzien dabei;
  28. Doch muß Er niemals probiren,
    Mit der Kammerjungfer zu haseliren;
    Denn solchen Unfug leide ich durchaus nicht,
    Das sage ich Ihm trocken ins Gesicht.
  29. Der letzverstorbene Hausschreiber
    Sah gerne Mädchen und junge Weiber,
    Und es ward mir sogar kund,
    Daß er mit meiner Jungfer gut stund.
  30. Ich hätte ihn prostituiret
    Und ohne viele Umstände cassiret;
    Weil er aber klein war und schwach,
    So sah ich ihm noch den Fehler nach.
  31. Das Mädchen ist zwar schlau und witzig;
    Aber dabei verzweifelt hitzig,
    Und wie mir gar manchesmal däucht,
    Zu allerlei schlimmen Sachen geneigt.
  32. Vor fünf Jahren, unvermuther Weise,
    Traf ich sie an auf einer Reise;
    Und ihr lustiges Wesen gefiel mir,
    Machte also meine Jungfer aus ihr.
  33. Er wird übrigens, ohne zu fragen,
    Leicht schließen, was ich hiemit will sagen;
    Denn einmal vor allemal sage ich nu,
    Halte Er mit Amalien nicht zu!«
  34. Hieronimus wäre nicht klug gewesen,
    Wenn er nicht, ohne viel Federlesen,
    Auf obige Bedingung geworden wär'
    Sehr gern der geheime Secretär.
  35. Er trat also sein Amt an geschwinde,
    Und sah täglich nach Vieh und Gesinde,
    Schrieb auch auf öfters und viel,
    Was etwa zu notiren vorfiel.
  36. Zum Exempel: eingekommene Pächte,
    Ausgegebenes Lohn für Mägde und Knechte,
    Der geschossenen Hasen und Rebhühner Zahl,
    Oder wenn man den Herrn bestahl;
  37. Oder was der Hausadvocat bekommen,
    Oder der Richter extra genommen,
    Oder was auf dem Markte indeß
    Man gelöset an Butter und Käs'.
  38. Oder wenn etwa der Hausschneider
    Der frommen Amalia ihre Kleider
    Unten und oben weiter gemacht,
    Oder die Kuh ein Kalb gebracht.
  39. Oder wenn die Jungfer Unpäßlichkeit wegen
    Zur Ader gelassen, oder krank gelegen,
    Oder ein Huhn geleget ein Ei;
    Ausgaben und Einkünfte mancherlei.
  40. Wenn auch etwa Briefe zu schreiben waren,
    So ließ der alte Herr, all's Schreiben unerfahren,
    Dem Herrn Secretär auch diese Müh',
    Und Hieronimus besorgte treulich sie.
  41. Mit Hilfe von Talanders Briefsteller
    Ward er in Briefen fertiger und schneller,
    (Und dieses zwar gar in kurzer Zeit)
    Als je ein Schulmeister in der Christenheit.
  42. In den übrigen Stunden ging er müßig,
    Aß, trank und schliefe überflüssig,
    So, daß er dieses Secretariat
    Sich lebenslänglich gewünschet hat.

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