Carl Arnold Kortum
Die Jobsiade
Carl Arnold Kortum

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Sechstes Kapitel

Thaten und Meinungen des Hieronimus in seinen Knabenjahren, und wie er in die Schule ging.
  1. Von den andern Kinderjahren unsers Helden
    Kann ich zwar ebenfalls nicht viel melden,
    Sintemal die Laufbahn des Lebens sein
    Bishero gewesen noch eng und klein.
  2. Gefolglich ist von seinen Thaten und Werken
    Eben nichts Sonderliches anzumerken;
    Jedoch blieb immer, so lang er noch jung,
    Essen und Trinken seine Hauptbeschäftigung.
  3. Er hatte aber sonst noch viele gute Gaben,
    Spielte lieber mit Mädchen als mit Knaben,
    Zankte und neckte auch oft beim Spiel
    Und machte der losen Streiche viel.
  4. Auch lernte er ohne sonderliche Mühe
    Lügen, Fluchen und Schwören frühe,
    Und hat dadurch in der Nachbarschaft
    Bei andern Kindern viel Erbauung geschafft.
  5. Er schluckte und naschte ebenfalls gerne,
    Aß Obst, Rosinen und Mandelkerne,
    Und kaufte für sein bekommenes Geld
    Die leckersten Sachen von der Welt.
  6. Mit seinen Geschwistern konnt' er sich nicht vertragen,
    Aber sein Vater that ihn nie schlagen,
    Und seine Mutter, die gute Frau,
    Nahm auch selten Alles so genau.
  7. Auch war er viel größer als andre Kinder,
    Keiner seinesgleichen sprang und lief geschwinder,
    Und kein einziger war so stark als er,
    Und wer ihn erzürnte, den nahm er her.
  8. Da es ihm nun nicht fehlte an Kräfte,
    So verrichtete er manche Hausgeschäfte,
    Holte zuweilen Futter fürs Vieh
    Und unterzog sich der Oekonomie.
  9. Oder er ritte die Pferde in die Tränke,
    Oder er holte Bier aus der Schenke,
    Brachte auch manches frische Ei,
    Aus dem Hühner- und Gänsstall herbei.
  10. War auch sonst ein guter dummer Junge,
    Hatte dabei eine starke kräftige Lunge,
    Und predigte oft auf der Bank zum Scherz.
    Dies alles ging seinen Eltern ans Herz.
  11. Denn sie sahen mit innigstem Vergnügen
    Solche Talente im Hieronimus liegen,
    Und dachten sehr oft in ihrem Sinn,
    Da stecket gewiß ein Pfarrer in.
  12. Besonders die Mutter, wenn sie daran dachte,
    Was ihr vormals Frau Schnepperle sagte,
    Und an ehmals gehabten Traum,
    Wußte sich für Freude zu lassen kaum.
  13. Denn Alles schien sich zusammen zu schicken
    Und die Sache natürlich auszudrücken;
    Und wenn sie dieses erwoge, so war
    Der künftige Pfarrer hier offenbar.
  14. Er wurde also und dergestalten
    Fleißig zur Schule angehalten,
    Welches doch Hieronimo übel gefiel,
    Denn er war viel lieber beim Spiel.
  15. Und die Bücher waren ihm zuwider,
    Er warf sie oft auf die Erde nieder,
    Und bei dem Lumpen A, B, C, D,
    That ihm immer der Kopf weh.
  16. Zwar der Präceptor that sich bemühen
    Ihn zu allem Guten zu erziehen,
    Und er und die Ruthe in Compagnie
    Arbeiteten fleißig an seinem Genie.
  17. Dieser Mann hatte vorzügliche Gaben
    Zu erziehen muthwillige Knaben,
    Und auf ihre Hosen und Rock
    Spielte sehr oft sein mächtiger Stock.
  18. Nach vielem Bemühen und sauerm Schweiße
    Gelang's des Mannes herkul'schem Fleiße,
    Und Hieronimus buchstabirte bald,
    Als er ohngefähr war zehn Jahr alt.
  19. Wie alt er aber eigentlich gewesen,
    Als er fertig das Deutsche konnte lesen,
    Das weiß ich eigentlich in der That
    Nicht so genau und accurat.
  20. Da er nun zu größern Jahren gekommen,
    Ward er aus der Deutschen Schule genommen,
    Und, um zu lernen das Latein,
    Geschickt in die Lateinische Schule hinein.
  21. Wie es ihm nun daselbst ergangen,
    Und was er Gutes sonst angefangen,
    Dieses stell' ich dem Leser hier
    In dem folgenden Kapitel für.

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