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An Clara.
(Mit Bleistift auf offener Straße geschrieben.)
Nicht einmal die Contouren meiner jetzigen Lage kann ich dir zeichnen; formlos, verwirrt, unendlich liegt Alles vor mir, ich sitze, wie jener Römer, auf Ruinen.
Musik! Musik! wo finde ich die Melodie, die meine Unruhe, mein planloses Sichgehenlassen hinwegbannt? Wie ein Räuber fall' ich mir oft selbst in den Arm und rufe mir zu: die Vergangenheit oder – das Leben! Wie bin ich zerstückt, ohne Einheit und Mittelpunkt, seitdem ich die Heimat gesehen!
Denn ich will Dir's nur sagen: Selbst Dein Bild muß ich oft mit blutigen Nägeln aus dem Rahmen meiner Seele loslösen; da sind Vater, Mutter, Schwester und Brüderchen, die drängen sich vor, werfen dichte Schleier darüber, daß ich Dich nicht sehen kann, verhüllen mir das Licht Deiner Augen, – o Herr im Himmel, was soll aus mir werden?!
Meinen Vater solltest Du kennen, Clara, es lohnte sich der Mühe! Ich gehe da mit ihm seit einigen Stunden – hausiren, und habe ihn erst jetzt kennen gelernt; es verlohnt sich wahrhaftig der Mühe. In der Seele eines solchen Juden sieht es Dir gar eigenthümlich aus. Stelle dir ein Buch vor, in dem Du die schönsten Sachen zu lesen bekommst. Du liest weiter, weiter, Du bist erstaunt über den herrlichen Klang tiefsinniger Melodien, die Dir da entgegentönen, Du weißt nicht, woher sie kommen, wohin sie gelangen. Alles gemahnt Dich daran, daß du hier urkräftig Menschliches entdeckt hast, schöner und prächtiger, wie Du es irgend angetroffen.
Und doch ist es nicht Einfalt und Naivität, was Du hier siehst. Aber es ist ein höheres, gleichsam geheiligtes biblisches Gemüth. Du liesest aber weiter – und plötzlich findest Du die Blätter verklebt, die Melodien haben aufgehört, du verlierst die Spur des wunderbaren Glaubensgeäders, Du kannst nicht weiter lesen. Die Blätter hat der Schmutz des Lebens an einander geheftet, der Gemeinheit Kleister hat sie verdichtet. Und das ist das Unheil der Ghettobewohner, daß Ihr nur immer auf diesen Stellen haften bleibt, weil sie Euch auffallen, weil sie Euer Tast- und Sehorgan zuerst beleidigen, und weil der Mensch nie gründlich sein will. Tiefer in dem Buche wollt Ihr nicht forschen, und das ist Euer Schade. Wir leiden nur darunter.
Du aber, Clara, thue mir, Deinem Emanuel, zu Liebe den Gefallen, und denke, wenn Dir ein solcher Dorfgeher oder Hausirer aufstößt, an meinen Vater! Laß Dich von den schmutzbeklebten Blättern des Buches ja nicht abschrecken.
Es war kurz vor dem ›Schnitt‹. Die Saaten wogten gar üppig durch die Felder und dazwischen schlugen Wachtel und Lerche freudig beseligend! Aber der Dorfgeher war sehr trübe im Sinne; er verdiente die Woche über nur sehr wenig, und Emanuel erkannte dies an den bekümmerten Zügen seines Vaters nur zu wohl. Er sah ihm stets besorgt ins Angesicht, wenn er ihn aus einem Bauernhaus treten sah; immer trug er die nämliche Farbe fehlgeschlagener Hoffnung, er hatte nichts verdient. Beinahe hielt sich Emanuel für das Unheil, das seinen Vater begleitete. Es war kurz vor der Ernte und da stehen wohl die goldenen Saaten draußen auf dem Felde, aber in den Truhen der Bauern fehlt das Geld, und das fühlte der Pack des Dorfgehers!
»Gott geb' nur heuer ein gut Jahr«, sagte einmal der Dorfgeher andächtig, als sie an einem reichwallenden Felde vorüberkamen; man betet nicht umsonst alle Tag' im Winter: ›Gib' Thau und Regen den Feldern‹; der Bauer hat's nöthig.«
»Mir kommt dieses Gebet gar sonderbar vor«, meinte darauf Emanuel, »hat der Jude Felder? ist er Bauer?«
»Verzeiht mir«, rief dagegen lachend der Dorfgeher, »da habt Ihr wieder etwas Curioses geredt. Wenn der Bauer kein Geld hat, wovon soll der Dorfgeher leben? Und wieder umgekehrt: wer soll dem Bauer borgen und wartet ihm, bis er wieder Geld hat, wenn nicht der Dorfgeher da ist? Wer kauft dem Bauer das Hasenhäutel ab, was bei ihm verfaulen möcht', wenn's nicht der Jud' ist? Bauer und Dorfgeher, die gehören deßwegen zusammen, und darum betet man im Winter: ›Gib' Thau und Regen den Feldern!‹ Ich kann mir gar nicht denken, wie der Bauer ohne den Juden existiren könnt'.«
»Das klingt etwas ganz eigen«, lächelte Emanuel, »gewöhnlich preist man die Länder glücklich – wo der Bauer ohne den Juden existiren kann.«
»Das heißt«, sprach der Dorfgeher nachdenkend, »der Bauer hat dort mehr Geld; ich weiß nicht, ob das ganz wahr ist; es muß noch etwas anderes daran sein. Aber Einer muß doch den Juden vorstellen? Wer bringt dem Bauer das, was er braucht, ins Haus, denn der muß daheim bleiben und kann nicht herumlaufen! Ich sag' Euch, Gast, wo kein Jüd' ist, stellt ihn ein Anderer vor.«
»Ihr mögt Recht haben«, entgegnete Emanuel lachend und entzückt von dem Scharfsinn seines Vaters; »es ist nichts als Neid, Rebb Schimme!«
Diese Worte Emanuels können uns als Leitstern dienen, wie wir seinen Seelenzustand beurtheilen müssen. Sein nächster Gedanke, wenn ihn unwillkürlich das Gefühl hinriß, war, daß doch Clara zugegen wäre, um sich seines Vaters zu erfreuen; dann kamen Zweifel, ob sie, die Anderserzogene, Andersglaubende mit denselben Augen sehen würde, ob ihre Seele durch die Pforten der Poesie, wie sie ihm Vater, Mutter und Heimath aufthaten, eintreten könnte. Er zweifelte, und der Zweifel führt ein zweischneidiges Messer.
Es gab Momente, wo sich Emanuel darüber freute, daß sein Vater durch die ganze Woche nichts verdiente.
So zeigte sich ihm doch ein Mittel, die Kluft, die ihn nun auf ewig von ihm trennen sollte, zum Theile auszufüllen. Er wollte Gold hineinschütten, so viel und so glänzendes Gold, daß es den Verrath überstrahlen sollte, den schwarzen brennenden Fleck seines Lebens. Nichts sollte dem Wohlergehen der Eltern mehr gleichen; er wollte sie mit einem Walle von Glücksgütern umgeben: dann saß der Vater in stiller Behäbigkeit zu Haus und die Mutter sollte nicht mehr fragen: »Was hast Du für eine Woche gehabt, Schimme?«; seiner Schwester Rösele wollte er die schönste Hochzeit bereiten und Benjamins Zukunft gesichert haben, damit der holde Knabe nicht zum Dorfgeher werde; Alles wollte er ebnen, beschwichtigen, stumm machen, nur sollte man ihm dafür seine Clara lassen. – –
»Wie kommt das, Gast«, sagte Rebb Schimme an einem der letzten Tage der Woche, »ich bin so müd' und matt, als hätte ich mich mit einem Riesen herumgeschlagen; das kommt vielleicht daher, weil ich kein Geld verdiene?«
»Vielleicht«, entgegnete Emanuel beinahe gleichgültig, »ich weiß aber noch einen andern Grund. Soll ich ihn Euch sagen?«
»Laßt hören«, meinte der Dorfgeher lächelnd.
»Es wird Euch aber ärgern, und dafür kann ich nichts. Weil Ihr Euch die ganze Woche keinen warmen Bissen gönnt, weil Ihr Zwiebel und Käse und Anderes, was Euerem Magen keine Kraft verleiht, genießt. Wie sollt Ihr da nicht müd' und matt werden?«
»Gut«, sagte der Dorfgeher, »Ihr könnt Recht haben. Fragt aber anders: Wo soll ich den warmen Bissen hernehmen?«
Emanuel fühlte, daß er ein gewagtes Wort aussprechen wollte.
»Gestern, als es gerade Mittag ward«, begann er schüchtern, »kehrtet Ihr bei einem Bauer ein. Ich stand draußen und hörte sehr gut, wie Euch die Bäuerin einlud, mitzuessen; Ihr aber, was habt ihr dazu gesagt? Ihr habt gesehen, wie Ihr Euch aus dem Staube machen konntet. Gleich darauf verzehrten wir miteinander Brot mit schimmeligem Käse. Nun aber frag' ich Euch, was soll der Mensch thun, wenn ihm ein Anderer sagt: ›Komm' her und iß und sättige Dich, ich geb' Dir's gerne, Du brauchst Dich nicht einmal dafür zu bedanken‹ – soll da der Mensch fliehen, als blicke ihn der Tod von jeder Gabelspitze an, und als läge Gift in jedem Tropfen Suppe, oder soll er sich hinsetzen und fröhlich sein mit den Fröhlichen und sich sättigen an der Gottesgabe, wenn sie auch in andern Töpfen bereitet wurde?«
»Ihr meint«, sagte der Dorfgeher stirnrunzelnd, »ich hätt' bei der Bäuerin essen sollen? Nicht um eine Million«, rief er dann heftig, »Ihr könnt mir sie gleich baar aufzählen.«
»Bei der Hand hab' ich sie nicht«, rief Emanuel versuchsweise.
»Hört an«, sprach darauf der Dorfgeher, »Ihr glaubt mir nicht, das seh' ich Euch an. Ich frag' Euch nur Eins: Ist das Leben eine Million werth? Und ich geb' mein Leben drum und eß bei der Bäuerin nicht.«
O Gott, dachte Emanuel erbleichend, mit welcher Seelenkraft er das ausspricht! Wie werde ich die Kluft ausfüllen können, die sich immer endloser vor meinen Füßen zeigt, wenn ihm schon der Schatten einer kleinen Sünde an das Leben greift? Mein Verrath wird ihm wirklich das Leben kosten! Und die Mutter erst!
Seine Traurigkeit wuchs nun mit jedem Schritte, den er mit seinem Vater vorwärts that; er hatte nicht mehr den Muth, eine Frage an ihn zu richten. Was konnte er noch fragen, was konnte er für Antworten erhalten? Jedes Wort, das er sprach, jede Äußerung seines Vaters war ein Nagel zu dem Sarge seines Glückes, ein Messer, das mitten durch das Gewebe ging, woran Liebe und Neigung gewirkt hatten. Also schwieg Emanuel, die Schatten der gänzlich verdüsterten Zukunft auf dem sorgenvollen Antlitz tragend.
Dem Dorfgeher war der Begleiter seiner Wochenwanderung lieb und werth geworden; er bemerkte bald die veränderte Stimmung Emanuels und das Stillschweigen, das er durch eine lange Strecke Weges beobachtete.
»Das habt Ihr davon, Gast«, begann er, »daß Ihr einen armen Dorfgeher thut begleiten. Wär't Ihr Eueren Weg gegangen, wer weiß, was Ihr für gute Bissen hättet gefunden. Indessen«, fügte er verstohlen lächelnd hinzu, »ich komm' jetzt zu meiner schönen Bäuerin, der geb' ich nur ein gut Wort und sie tischt Euch auf, was sie nur im Haus hat. Vor mir braucht Ihr Euch nicht zu geniren, ich kann ein Aug' schon zumachen.«
»Rebb Schimme!« rief Emanuel erstaunt aus der Tiefe seiner Seele, »Ihr gebt mir den Rath?«
»Und warum nicht?« sagte der Dorfgeher mit unaussprechlichem Wesen, »wenn's Euch gelüstet, einen warmen Bissen zu essen? Geht hin und macht Euch satt. Mich geht das nichts an, was ein Anderer thut.«
Nach einer langen Pause fragte Emanuel mit gedrückter Stimme:
»Rebb Schimme, würdet Ihr denselben Rath Euerem Sohne geben, wenn er sich in derselben Lage befände?«
»Schweigt, schweigt«, rief der mit einem Male verdüsterte Dorfgeher, »man soll den Satan nicht umsonst rufen, er könnt' kommen.«
Ein schönes Bauernkind mit rothen Wangen kam beim Eintritt in das Dorf auf den Vater zu, und er lächelte, als er das kleine Geschöpf wackelnd auf sich zuschreiten sah.
»Baruschka«, rief er ihm entgegen. Das Kind flog ihm in die Arme und er küßte es herzlich.
»Was macht deine Mutter?« fragte er es.
»Sie ist zu Hause«, sagte das Kind und rang sich von ihm los, um zu seiner Mutter zu laufen.
»Wessen ist das Kind?« fragte Emanuel erstaunt.
»Dem Kind seine Mutter«, gab der Dorfgeher Bescheid, »war einmal das unglücklichste Weib auf der Erd', und wenn sie's nicht mehr ist, so hat sie das Schimme Prager zu verdanken.«
»Vielleicht Euere schöne Bäuerin?« rieth Emanuel ahnungsvoll.
»Die ist's«, sagte Rebb Schimme, »und weil Ihr vorhin gemeint habt, der Bauer kann den Juden nicht leiden, weil er mit ihm nicht will aus Einer Schüssel essen, so will ich Euch von meiner schönen Bäuerin etwas erzählen. Der Vater von jener Bäuerin der hat zwei Stunden von hier gewohnt, und war Richter im Dorf; ich soll's zu eigen haben, was der Bauer hat im Vermögen gehabt!
Pawel hat er geheißen, und Pawel hat Stücke auf mich gehalten, ich war wie das Kind im Haus bei ihm, und hab' dort viel Geld in meinem Leben verdient. Der Bauer hat ein einziges Kind gehabt; gewöhnlich meint man, nur bei uns Juden hat man seine Kinder gern; der Bauer gibt auch sein Leben für sie hin. Ich hab' das an meinem Pawel gesehen, er hätt' für die Tochter die Sonn' vom Himmel heruntergerissen. Einmal sagt mir Pawel: Wenn Du wieder herauskommst zu uns, Schimme, so bring' mir Leinwand, Tücher, Spitzen und Bänder, und was du nur Schönes hast, ich will meiner Tochter Hochzeit machen. ›Mit wem?‹ frag' ich, ›Du hast mir ja nichts gesagt, Pawel!‹ Da nennt er mir einen jungen Bauernsohn aus einem andern Dorfe, den ich auch gut gekannt hab'! ›Dem willst Du sie geben, Pawel?‹ schrei ich, ›ich bring' dir keine Leinwand, ich bring Dir keine Bänder, und dem wirst Du Deine Tochter nicht geben.‹ ›Warum?‹ fragt der Bauer. ›Weil ich's nicht leid; Waczlaw ist ein Spieler und ein Trunkenbold, der wird Dir deine Tochter unglücklich machen.‹ Da hat er mir eingestanden, daß er von dem Allen weiß, aber er hätte keine Gewalt über sein Kind, sie will ihn und eher stirbt sie, als sie von ihm läßt'.
›Laß mich mit ihr reden, Pawel‹, sag' ich. ›Red' mit ihr‹, meint der Bauer, und muß sich wegwenden, weil er das Herz weich hat. Ich hab' mit der Tochter geredt, und ihr vorgestellt, was sie da an ihrem Vater will begehen, aber leider Gott! bei den Christen ist es nicht so wie bei den Juden. Bei uns weiß das Kind, daß es Mutter und Vater nicht einmal vom Schlaf aufwecken darf. Was soll ich länger erzählen: sie hat mir gar nicht zuhören wollen, und vier Wochen drauf ist sie das Weib von jenem Waczlaw gewesen. Was ist aber geschehen? Wie wenn's ein Prophet hätt' vorausgesagt, so ist Alles eingetroffen, was Schimme Prager hat gesagt. Es sind nicht zwei Jahr' vergangen, so hat Waczlaw keinen Groschen von dem Geld gehabt, was er von seinem Weibe hat bekommen; vertrunken und verspielt war Alles. Ich hab' mich gar nicht zu Pawel's Tochter stellen können vor großem Herzleid, so bleich und abgezehrt hat sie ausgesehen, und einmal habe ich blutige Striemen auf ihrer Stirne gefunden – da muß er sie geschlagen haben. Der alte Pawel, dem hab' ich gar nichts erzählen dürfen von ihr, und so soll mir Gott so viel Tausende geben, was seine Tochter mich hat Gulden gekostet, die ich ihr hab' geborgt, und hab' doch gewußt, daß sie's nicht zurückzahlen kann. Es war vielleicht Unrecht von mir, aber –«
»O nein, nein!« rief Emanuel in großer Bewegung.
»Ich glaub' auch, aber mein Weib hat nichts davon gewußt, was hätt' ich ihr davon erzählen sollen? Aber hört nur weiter! Wenn ich zu dem alten Pawel gekommen bin, hat er mich nie wollen fortlassen von sich; ich hab' immer müssen über Nacht bleiben, und da hat er mir immer seine beste Stub', wo er all' sein Hab und Gut hat aufgehoben, aufgethan. Ich und Pawel haben einmal bis spät in die Nacht miteinander geplaudert, und da ist der Bauer durch meine Reden und Geschichten ganz lustig geworden, wie ich ihn schon lang' nicht gesehen. Wie ich das bemerkt, hab' ich ihm von seiner Tochter wollen anfangen, er aber, wie ich nur ihren Namen aussprech', springt ganz toll auf und schreit: ›Hör' an Schimme, wenn Du mit mir gut bleiben willst, so schweig mir von ihr.‹ Da wär ich ein Narr gewesen, wenn ich nicht geschwiegen hätt', denn an Pawel war mir viel gelegen, und ich hab' an ihm viel Geld verdient. In derselben Nacht, wo ich hab' mit dem Bauer das vorgehabt, ist etwas geschehen, wovon mir noch jetzt die Haar' auf dem Kopf stehen. Ich hab' einen leichten Schlaf, und da wach' ich damals um Mitternacht auf, und hör' wie Einer draußen am Fensterladen arbeitet, um ihn aufzumachen. Vor Angst kann ich kein Wort herausbringen, und kalter Schweiß ist mir auf dem ganzen Leib. Und so muß ich zusehen wie der Fensterladen ausgehoben wird, und wie Einer in die Stub' hineinkriecht. Meint Ihr, wen ich erkannt hab', wie ich bei Mondlicht hab' besser sehen können? Pawel's Schwiegersohn, Waczlaw. Er hat eine Hack' in der Hand gehabt, damit hat er wollen die Truhe aufsprengen, wo das Geld von Pawel war. Da hat mir Gott wie durch ein Wunder die Sprache und die Kraft wieder gegeben, ich bin aus dem Bett gesprungen und hab' geschrien: ›Was willst du da thun?‹ Waczlaw, aber nicht faul, greift nach der Hack', und will mir sie in den Kopf schlagen. ›Schlag' mich todt, Waczlaw‹, rief ich, ›aber Deinen Schwiegervater sollst du nicht bestehlen.‹ Gott hat da sein Wunder an mir gethan; wie ich das sag' fällt Waczlaw auf die Erd' und fängt an zu weinen, daß mir das Herz gezittert hat. Wie ich das seh' fang ich erst an: ›Also Waczlaw, Deinen Schwiegervater hast Du bestehlen, und einen Menschen todtschlagen wollen? das kommt von Deinem verfluchten Leben, von Deinem Spielen und Saufen.‹ Er hat geweint und mich gebeten, ich soll ihn nicht verrathen; ich hab ihm's versprochen, wenn er sich wollt bessern. Die ganze Nacht bin ich neben ihm gesessen und hab' ihm zugeredt, ich hab' ihm Rath gegeben, wie er's sollt' anstellen, und zuletzt hab' ich ihm Geld gegeben, daß er nicht sollt' verzweiflen. Früh Morgens hab' ich ihm durch's Fenster hinausgeholfen, und was soll ich Euch noch länger erzählen, es hat nicht gedauert ein Jahr, so war Pawel's Schwiegersohn der bravste und fleißigste Bauer im Dorf. Pawel hat kein Wort erfahren, und wie er gesehen hat, daß Waczlaw sich ganz verändert hat, hat er ihm aufgeholfen. Jetzt geh' ich nicht Einmal an dem Haus vorüber, wo ich mich nicht stellen muß; Pawel's Tochter kauft Alles von mir, und selbst wenn sie's nicht braucht. Der hab ich also ihr Glück aufgebaut, ich, Schimme Prager, der Dorfgeher!«
Wie zur Bestätigung dieser Worte trat in diesem Augenblick über die Schwelle eines schönen Hauses ein blühend kräftiges junges Weib heraus.
»Seid willkommen, Väterchen«, rief sie ihm entgegen.
»Nu, was sagt Ihr zu meiner Bäuerin?« schmunzelte der Dorfgeher, sich zu seinem Begleiter umdrehend, »wenn Ihr wollt', könnt Ihr einen warmen Bissen einnehmen. Wollt Ihr?«
»Nein, nein«, schrie Emanuel, die Hand schamvoll vor die Augen gedrückt. Er folgte dem Vater nicht ins Haus.