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Aus der Synagoge trat Emanuel in die hellerleuchtete Sabbathstube seiner Eltern. Er fand seinen Vater soeben den Friedensgesang: »Salem Alechem, Alechem Salem« mit seiner uralten Melodie anstimmend. Rebb Schimme wandelte dabei in der Stube auf und ab, während Benjamin das Gebetbüchlein offen vor sich auf dem Tische liegen hatte. Hell und freundlich klang die feine Stimme des Knaben wie ein silbernes Glöcklein durch den Baß des Vaters, der aber auch nicht dem Ohre unangenehm scholl. Oft hat Benjamin Solo zu singen, der Vater schwieg, und wie Lerchenwirbel stiegen dann die hellen Klänge des Knaben auf. Zuweilen verbesserte der Vater auch den Gesang, wenn Benjamin zufällig ein Wort ›überschluppert‹ hatte, und um so triumphirender und herrlicher erhob er sich dann von den Lippen des Kindes. Das dauerte wohl eine Viertelstunde, während welcher Emanuel schüchtern, wie es einem ›Gaste‹ ziemt, in einem Winkel der Stube, aber wundersam bewegt, dem Zweigesang von Vater und Bruder lauschte!
Zwischen durch war es ihm aber, als hörte er in der Stube jemanden aus innerstem Herzensgrunde schluchzen, und als er sich umsah, erblickte er im Schatten des Ofens, da wo einst sein Bett gestanden, in dem er die ersten Träume gehabt – in die Kissen desselben Bettes den Kopf gepreßt – erblickte er eine weibliche Gestalt. Das mußte seine Schwester Rösele sein! So sang sie also nicht mehr das schöne Sabbathlied, dem jetzt Benjamin den ganzen Zauber seiner Stimme lieh? So war der Friede aus ihrer Brust gewichen, und sie nicht mehr so herzfreudig und lustig, wie in früheren fernen Zeiten?
Es war gerade jener Augenblick eingetreten, wo Rebb Schimme seinen Gesang unterbrach, um das Silberglöckchen Benjamins allein fortläuten zu lassen; da mochte ihm auch das unterdrückte Weinen des Mädchens auffallen; er blieb mit auf dem Rücken verschränkten Händen vor der Mutter stehen, die, gedankenvoll sinnend, in das Licht der Lampe starrte.
»Was ist denn der schon wieder?« fragte er sie, mit einem fast zornigen Achselzucken nach Rösele hindeutend, »was verstört sie mir meinen Schabbes?«
»Weiß ich?« entgegnete Channe mit stummen, lebhaftem Geberdenspiel, wie es nur dem Ghetto eigen ist, »weiß ich, was ihr fehlt? bange wird ihr sein!«
»So setz' Dich auf den Tisch, wenn Dir bang' ist«, rief Rebb Schimme nach Rösele hin, »Mir aber verstör' nicht meinen heiligen Schabbes.«
Aber das Mädchen gab diesen Worten kein Gehör. Das Schluchzen verstärkte sich, und selbst der jubilirende Gesang Benjamins, an den sich jetzt wieder der grollende Baß des Vaters angeschlossen, vermochte über das immer heftiger hervorquellende Herzleid Rösele's keine Decke zu werfen. Jetzt erst, wo es sich wie ein verborgen rauschender Quell des Steines, der ihn drückte, befreit fühlte und sich besprochen hörte, gab es sich erst recht als das, was es eigentlich war, zu erkennen. Es wurde lautes Weinen.
Wieder blieb Rebb Schimme vor Channe stehen, aber viel sanfter und leiser in Stimme und Geberde fragte er sie:
»Warum? was fehlt ihr wieder? Schreit das nicht zu Gott auf, wenn man mir armen geplagten Mann den Tag in der Woch', wo ich mich mit Weib und Kind will erfreuen, so verstört? Hab' ich so viel Freuden von meinem Dorfgehen, daß sie mich nicht einmal heut' in Ruh' läßt?«
»Red' mit ihr Weisheit aus«, meinte Channe kummervoll, »wenn Du kannst. Hast Du achthundert Gulden im Sack? Kannst Du ihr Hochzeit machen? Hernach wirst Du sie schon ganz anders sehen, jetzt lass' sie weinen, und'n Madel muß schon darum weinen, daß sie ist geboren worden.«
»Schmah Jisroel!« rief, die Hände in einander schlagend, Rebb Schimme, »will mir also das eigene Weib und das eigene Kind nicht glauben, daß ich ein armer geplagter Mann bin? Hätt' ich denn Rösele nicht schon sechs Mal unter die Haub' gebracht, wenn das wär' in meinem Vermögen gestanden?«
»Hast Du mich schon so reden gehört?« sprach dagegen Channe, »meinst Du, ich weiß nicht, wo Gott wohnt?... Aber ich will nur das sagen, daß man eigentlich von seinen Kindern nichts hat: Hat man Töchter, so machen sie Einem die Haar' grau vor der Zeit, bis man sie ausgibt, und ein Jüngel? das zieht Dir fort von daheim, es hat kein' Vater, es hat kein' Mutter mehr. Was haben wir z.B. von unserem Elije? Weißt Du gar, wo er jetzt ist?«
»Jetzt kommt sie mir gar mit dem«, rief Rebb Schimme mit der Hand abwehrend, als wollte er nicht nur die Worte seines Weibes, sondern die ganze Wucht aufsteigender Gedanken, die ihm wehe thaten, zurückdrängen. »Ich bitte Dich, Channe, verstör' mir den Schabbes nicht!«
In demselben Momente hatte Benjamins Gesang mit König Salomons verherrlichendem Lob des WeibesSprüche Salom. Cap. 31. sein Ende erreicht. Als ein wahrhaft guter Sänger hatte er die schönsten Triller bis zuletzt aufgespart, und wie die auf und ab hüpfenden Funken eines verglimmenden Papiers sprangen, zischten und wirbelten die letzten Töne des Liedes auf. Dieser Gegensatz zwischen thränenvollem Herzleid und alles verzehrender Freudigkeit eines kindlichen Gemüthes ging Emanuel schneidend durch die Seele. Benjamin hatte das Gebetbuch geschlossen und auf die abgesungene Blattseite seine Lippen gedrückt; drauf sah er mit seinen klaren Augen in der Stube um, gleichsam fragend, ob nach einem solchen Gesange Jemand noch betrübt sein könne?
Wirklich war auch Rösele's Weinen verstummt, sie hatte sich erhoben, und Emanuel konnte in das bleiche Antlitz einer verschollenen Schönheit, auf die verstörten Züge einer alten Jungfrau sehen. Das Rösele seiner Kindheit erkannte er nicht.
»Soll ich zu Tisch decken?« fragt sie so ruhig, als hätte sie nie ein Leid gekannt.
»Warum fragst Du?« meinte sich böse stellend Rebb Schimme, aber er fügte sogleich hinzu: »Hab' ich dich heut' schon gebenscht (gesegnet), Rösele? Mir scheint, ich hab' noch nicht.«
Ohne Antwort beugte Rösele ihr Haupt und segnend kamen des Vaters Hände darauf zu liegen. Emanuel sah nur, wie seine Lippen sich bewegten, den Segen hörte er nicht.
»Deine Mutter ist mit mir auch sechs Jahre gegangen, bis wir haben können Hochzeit machen«, sagte er dann wie zum Trost, »wenn mir Gott wird helfen, so kriegst Du noch heuer Deinen Schmul. – Willst Du noch mehr?«
Was Emanuel tief betrübte, war, daß er erkannte, wie die so eben erlebte Scene seiner Familie nichts Neues sein mochte; die beinahe maschinenmäßige Fassung seiner Schwester erschien ihm als die Folge schon vielen vorhergegangenen Leides, – und sein Vater hatte sie wahrscheinlich schon öfters wegen gewaltsamer Störung seines Sabbaths anklagen müssen.
Bei Tische kam Emanuel neben sein Brüderchen Benjamin zu sitzen. Kaum war die Waschung und der Segensspruch über die weißen Brote vorüber, als sich des Vaters schon wieder die ursprüngliche Heiterkeit seines Wesens bemächtigt hatte.
»Channe Leben«, rief er lustig zwischen dem Essen, »willst Du, daß ich Dir thu' von meiner schönen Bäuerin erzählen?«
»Ich hab' andere Gedanken im Kopf«, entgegnete sie darauf verdrießlich. »Wo ist jetzt unser Elije? Von dem red' mir lieber.«
»Trag' ich ihn bei mir im Sack?« rief lachend der Dorfgeher, »daß ich soll wissen von ihm?«
»Gott! Gott!« schrie da in plötzlicher Aufwallung nicht zurückdrängbarer Gefühle die Mutter, »mein halb Leben gäb' ich drum, könnt' ich jetzt meinen Elije wieder sehen, nur auf eine Minute, nur was man sich sagen kann: ›Warum kommst du nicht, mein Sohn?‹«
Es war eines jener eigenthümlichen Seelenräthsel, daß diese Mutter den ganzen Abend an ihren Sohn denken mußte. Eine gewisse Ähnlichkeit mit Emanuel, eine nur dem Mutterauge erkennbare Geberde konnte das nicht bewirkt haben; denn Emanuel war als ein dreizehnjähriger Knabe aus dem Vaterhause fortgezogen, als Mann war er wieder zurückgekehrt. War es überhaupt die Erscheinung des fremden ›Gastes‹? Wie wir aber für dieses Räthsel keinen Schlüssel finden, so fehlen uns auch die Worte, um die Qualen des dasitzenden Sohnes zu zeichnen. In dieser Lage, wie wir sie jedem Herzen unerlebt wünschen, that Emanuel wohl das Beste, daß er sich mit seinem Brüderchen Benjamin beschäftigte. Glühend heiß jagte das Blut durch seine Adern!
Das war aber auch ein lieber, freundlicher Bruder, dieser Benjamin, wie man ihn weit und breit nicht finden konnte! Als die Fische auf den Tisch kamen, bestand er fest darauf, dem Gaste seinen Theil abzutreten. Umsonst that Emanuel lauten Einspruch dagegen.
»Was wirst denn aber Du essen!« rief die Mutter, die in seinen Entschluß einzugehen schien.
»Ich«, meinte Benjamin mit leuchtendem Auge, »ich werde nichts essen.«
»Aber sind nicht Fisch' Dein Lieblingsessen?« versuchte dagegen Rösele.
»So geh' ich vom Tisch weg«, sprach der Knabe, und stand schon auf.
»Was sagst Du zu dem Jüngel«, wandte sich die Mutter selig lächelnd, halbleise zu Rebb Schimme, »soll ihn nicht Gott gesund und stark erhalten? – Der ganze Elije, wie er geht und steht, der ist als Kind auch so gut gewesen.«
Mit derselben Gemüthsstärke, die ihn bewogen hatte, dem Gaste seinen Theil abzutreten, sah nun Benjamin, wie er denselben verzehrte! Es gewährte einen eigenthümlichen Anblick, wie der schöne Knabe mit auf den Tisch gedrückten Händen, das Antlitz leuchtend von der Freudigkeit seines Entschlusses, oder von keimender Reue, bald auf die Schüssel, von der Stück für Stück seines Eigenthums verschwand, bald auf den Verzehrer selbst blickte. Hätte Emanuel den Regungen seiner Gefühle folgen dürfen, er hätte das Kind zwischen seine Arme genommen und es so lange geküßt und geherzt, bis er müde geworden. So begnügte er sich, flammende Röthe auf den Wangen, die Fische Benjamins stillschweigend aufzunehmen.
Die Mahlzeit war vorüber, man betete, und Emanuel gestand es sich schamvoll, daß er des Tischsegens nicht mehr ganz mächtig war. Nach dem Gebete brachte Benjamin sein Gesangbuch wieder herbei, und er und der Vater begannen wieder die üblichen Sabbathgesänge; aber es dauerte nicht lange, so wurde die Stimme des Letztern immer schwächer und schläfriger, und Benjamin hatte noch einen tüchtigen Weg vor sich, ehe er zum Ende gelangte, als ein lautes Schnarchen des in den Stuhl zurückgesunkenen Dorfgehers verrieth, daß er den Gott seiner Väter nicht mehr zu lobpreisen brauchte. Auch Rösele war schlaftrunken in die andere Stube gewankt.
Der singende Benjamin, die Mutter und Emanuel waren allein. Emanuel fühlte das Gefährliche seiner Lage; er wollte sie durch einen raschen Entschluß abkürzen. Ohne aufzublicken stand er auf, sagte leise gute Nacht und ging mit schnellen Schritten auf die Thüre zu.
»Gast, Gast!« rief ihm die Mutter nach, »was geht Ihr denn schon? Bleibt doch noch ein Bissele, ich hab' ja mit Euch noch gar nichts geredt.«
Emanuel wandte sich um. »Was wollen Sie?« fragte er beinahe unhörbar.
»Sagt mir, Gast«, begann die Mutter, »Wie kommt Ihr denn eigentlich in die weite Welt? Ihr seht ja gar nicht darnach aus, als wäret Ihr ein geborner –«
»Bettler – wollen Sie sagen? Das bin ich auch nicht.«
»Warum also doch? Ich geb' Euch gern zu essen, so soll mir Gott in meiner letzten Stund' beisteh'n, aber Eure Mutter, ich will drauf wetten, wird das ungern seh'n, wenn ihr Euch keine Condition schafft. Lebt sie noch?«
»Ja, bis zu hundert Jahren.«
»Und?«
»Was?«
»Warum seid Ihr nicht bei ihr geblieben?«
»Es ist mir zu enge geworden daheim.«
»Merkwürdig, merkwürdig! So kann man jedwedes Jüngel reden hören, wenn es will fort in die weite Welt. Es will keines zu Haus bleiben, und wo kommt das her? Weil der Mensch nie genug hat, und als möcht' Einer mit der Peitsch' hinter ihm stehen und jagt und treibt ihn, geht er immer besserem Futter nach. Wenn ihm seine Mutter die Kissen vom Bett zurecht macht, daß er leicht liegen soll in der Nacht, so will er lieber, eine Fremde soll ihm Steine unter den Kopf legen. Der Mensch kommt mir vor wie jenes Kind, was sich von seinem Vater hat nie wollen segnen lassen; erst wie das Kind war gestorben, hat es müssen bitterlich einsehen, daß doch etwas gelegen ist an eines Vaters Segen. Es hat müssen alle Freitag Abend aus dem kalten Grab herausgehen und seinen Kopf legen unter seines Vaters Händ'; es hat keine Ruh' gehabt. Und das paßt Euch auf jedwedes Jüngel: es kommt immer auf Vater und Mutter zurück, und oft, wenn es schon zu spät ist. Ich sag' Euch, Gast, ein Jüngel, was die Segnungen von seinen Eltern nicht braucht, weil es weit weg ist von ihnen, dem Jüngel kann's nicht ganz gut gehen. Ihr selbst werdet auf meine Red' schon zurückkommen. Eine Mutter, die soll sich deßwegen immer nur Töchter wünschen, die bleiben ihr treu, die kann sie zu Haus behalten, aber ein Jüngel, das ist wie eine Schwalb', fliegt fort, wie es nur die ersten Federn hat.«
»Sie wünschen also ihren Elije nicht geboren zu haben?« fragte Emanuel leise. Sein Herz schlug aber lauter als der Klang seiner Stimme.
»Schmah Jisroel«, rief die Mutter entsetzt, »hab' ich so etwas gesagt? Ich kann mir ja gar nicht vorstellen, was ich wär' ohne meinen Elije in der Welt; gerade meinen Elije muß ich geboren haben. Und glaubt nur nicht, Gast, eine Mutter hat gar keine Freud' an ihrem Kind, wenn es auch weit fort ist von ihr! Gott der Allmächtige hat das schon ganz gut eingerichtet! Wenn so eine Mutter fast verzweifelt ist und traurig, und gar nicht weiß, wie es ihrem Kind auf der weiten Welt geht, da bleibt ihr noch etwas übrig. Ich nehm' mir dann mein großes Gebetbuch her und sag' daraus ein paar Capitel Psalmen, und da glaubt Ihr nicht, Gast, wie mir da immer wird. Ich seh' dann meinen Elije, gesund, schön und frisch vor mir stehen, das Glück fließt nur von ihm; er lacht mich an, er lacht mich aus, wie ich nur so besorgt sein kann wegen ihm. Schmah Jisroel, ruf' ich dann, soll ich denn wissen, daß es dir so gut geht??. ... Aber jetzt glaubt Ihr doch, Gast, daß ich auch Freuden hab' an meinem Elije?«
»Mutter, treffliche Mutter«, murmelte Emanuel.
»Was meint Ihr, Gast?« fragte Channe aufhorchend.
»Ich meinte nur«, entgegnete Emanuel, »was ich darum gebe, wenn mich meine Mutter nur einmal wieder segnen wollte!«
Minuten lange ruhte Channe's Auge auf dem Gaste. »Seid Ihr ein so guter Jüd'«, begann sie, »und wünschet also so was, so verdient Ihr auch, was ich für Euch thun will.
Kommt her, mein Sohn«, sprach sie mit wunderbarer Regung, »ich will Euch auf einen Augenblick so heißen, und will mir vorstellen, Ihr seid mein Elije. Dagegen kann Gott Nichts haben, daß man einem fremden Menschen seinen Segen gibt. Kommt her, ich will euch benschen!«
Das Haupt gebeugt, die Hände seiner Mutter darauf, empfing Emanuel ihren Segen. Und Benjamins Gesang schallte noch lange in den Sabbath des Ghettos hinaus, als der heimgekehrte Sohn noch vor dem Hause seines Vaters stand, ein Nachtgebet auf den Lippen, wie noch keines zu den Sternen des Himmels gestiegen.
Nachschrift zu obigem Briefe.
»Nur noch diese eine Nacht laß mich hier weilen, Clara, ich gehöre dann Dir, Deinem Glauben und Himmel für die Ewigkeit an. Nur noch diese eine Nacht!
Ich habe nun Alles erlangt, weßwegen ich Deiner Augen Licht auf so lange Zeit mich entzogen; ich habe meine Eltern, Geschwister und Heimat gesehen; ich habe den Segen meiner Mutter empfangen, und könnte nun ziehen und thue es doch nicht. Nur noch diese eine Nacht! Ich fühle, mein Bleiben in der Heimat hängt mit Fäden zusammen, die ich längst abgeschnitten glaubte, ich habe hier noch etwas zu verrichten, wovon ich mir keine Rechenschaft ablegen kann.
Meine Eltern will ich Dir schildern, aber nicht in diesem Briefe; er müßte erröthen darüber, daß ich eine Welt von Poesie auf zwei oder drei Blattseiten bringen will. Dazu brauche ich Zeit.
Lebe wohl. Kein Schatten von Furcht oder Sorge gleite über das Antlitz meines Lebensengels. Wie viel ich dir und Deinem Vater schulde, weiß ich nur zu gut.
Daß ich diesen Brief schreibe, ist ein ganz mittelalterlich ritterliches Wagniß, für das mir die Dame meines Herzens den zärtlichsten Preis umhängen sollte; es ist ein Abenteuer à la Lindwurm oder Drachen. Ich schreibe ihn nämlich mitten unter schlafenden Bettlern, und eine ausgelassene Fliege hat nur über irgend einer Nase etwas schwerfälliger zu werden, so ist der Lindwurm erwacht und speit sein Gift gegen mich. Entweihe ich nicht den Sabbath?
Und doch, schon wegen der acht und zehn Häuser, die mich von meinen Eltern trennen, sollt' ich ihn nicht profaniren. Ich bin wie ausgetauscht.«