Theodor Körner
Knospen
Theodor Körner

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Der Traum.

              Einst, von des Tages eh'rner Stundenkette
Ermüdet, sank ich auf des Lagers Raum.
Selene blickte durch der Fenster Glätte,
Und silbern malte sich der Wolke Saum.
Da nahte sich der sanften Ruhestätte
Aus goldnen Pforten ein beglückter Traum,
Und in des Schlummers trügenden Gebilden
Sah ich mich in elysischen Gefilden.

    Und gürtelartig schlangen sich Gebäude
Um mich herum von Marmor, blendend weiß;
Der Sonne Licht im blauen Ätherkleide
Schwamm über meinen Scheitel glühend heiß.
Und herrlich in des Hofes stolzer Weite
Sah ich von Palmen einen heil'gen Kreis
Und in der Mitte eine Riesenpflanze,
Den Himmel stürmend mit des Gipfels Kranze.

    Noch starrt' ich, von des Baumes Pracht geblendet,
Und einen Jüngling sah ich ferne stehn,
Den sanften Blick nach oben hingewendet
Und leise betend zu den blauen Höhn.
Und als er gläubig das Gebet geendet,
Da zog's mich hin – wer konnte widerstehn? –
Und staunend fragt' ich ihn und fragte wieder:
»Sprich! wer bist du? wer ist der Burg Gebieter?«

    »Das Schloß und alles, was du kannst erschauen,
Gehört,« so sprach er, »einem mächt'gen Herrn;
Ihn ehrt das Volk mit kindlichem Vertrauen,
Und froh gehorcht ihm jeder, dient ihm gern.
Wie ein Geschöpf aus Paradieses Auen
Erhebt er sich, klar wie ein goldner Stern;
Dem Element gebietet er als Meister,
Und willig folgen ihm die Flammengeister.

    Wie seinen Sohn nur hat er mich gehalten,
Ob ich sein Diener gleich, sein Sklave war;
Er zog mich hin mit mächtigen Gewalten;
Sein hohes Wort blieb ewig treu und wahr.
Die innre Brust konnt' ich vor ihm entfalten;
Er sah im Nebeldunst des Lebens klar,
Wies das Gesetz mir in dem ew'gen Ringe
Und zeigte mir das Wesen aller Dinge.

    So formte mich des Geistes strenger Wille;
Doch in dem Herzen blieb es ewig Nacht
Und plötzlich, wie der Schmetterling die Hülle
Zerbricht, zum neuen Leben angefacht,
Und fröhlich flattert in des Lichtes Fülle,
Hellglänzend, mit der farbig goldnen Pracht:
So riß mich Lieb' empor im Rausch der Wonnen;
Die Erde sank; das Dunkel war zerronnen.

    Des Herzens Sehnen färbte meine Wangen;
Denn eine Jungfrau, hold und wunderbar
Und rein wie sie, die Gottes Sohn empfangen,
Und wie ein Seraph licht und sonnenklar,
Entflammte mich mit feurigem Verlangen;
Wir liebten uns, ein hochbeglücktes Paar!
Wohl sah der Herr den Bund; uns nicht entgegen
Versprach er uns im Stillen seinen Segen.

    Wo lebten wir des Lebens Wonnezeiten;
Eins war im andern innig sich bewußt.
Doch trägt dies sel'ge Übermaß der Freuden
Nie ungetrübt die stauberzeugte Brust.
Das Schicksal nahte mit gewalt'gem Schreiten,
Und rächend kam der Sinne ird'sche Lust.
Um glühn'den Taumel meiner Flammenliebe
Opfert' ich sie und mich dem wilden Triebe.

    Noch schwelgten wir in sündigen Genüssen.
Da kam der Herr; er hatte uns vertraut.
Wir sanken reuevoll zu seinen Füßen.
Doch seines Zornes Stimme wurde laut:
'Von meinem Herzen hast du dich gerissen;
Verloren ist auf ewig dir die Braut.
Die strenge Schuld gebeut, ihr müßt euch trennen.
Nachforschen darfst du nie und nie sie nennen.

    Nicht ihres Lebens Rätsel sollst du lösen;
Verblichen ist des Glückes Morgenrot.
Eh'r stürzt die Sonne aus des Himmels Größen;
Der Raub der Unschuld ist der Liebe Tod.'
Und in des Donners brausenden Getösen
Entführt' er sie mit seinem Machtgebot.
Bewußtlos sank ich da zur Erde nieder,
Und nur zum höchsten Schmerz erwacht' ich wieder.

    Denn auf dem Herzen lag's mit Zentnerschwere,
Und furchtbar büßt' ich meiner Sinne Lust.
Allein fühlt' ich mich in des Weltalls Leere,
Und nur der Sünde war ich mir bewußt.
Und wie die Windsbraut auf empörtem Meere,
So tobt' es in der schuldbedeckten Brust,
Und eine Stimme rief: 'Du bist gerichtet;
Denn eines Engels Glück hast du vernichtet!'

    So mußt' ich meine Qual verschwiegen tragen;
Nie hört' ich eines Freundes tröstend Wort.
Dem Echo durft' ich meinen Schmerz nicht klagen;
Der Jugendblüten Zweig war mir verdorrt.
Kein Morgen wollte glückverkündend tagen,
Und aus dem Kreis der Menschen trieb's mich fort,
Und wollt' ich in die Todesnacht mich retten,
So hielt das Leben mich mit eh'rnen Ketten.

    Als wollte sie des Herzens Schuld verkünden,
So flammte mir die Sonne blutig rot.
Nicht Ruhe konnt' ich, konnte Trost nicht finden.
Da faßte mich der Seele höchste Not.
Es trieb mich fort, ihr Schicksal zu ergründen.
Verzweifelnd schmäht' ich meines Herrn Gebot;
Zur Ferne lenkt' ich die verwegnen Schritte,
Zu eines Greises gottgeweihter Hütte.

    Ihm naht' ich forschend, meine Qual zu enden,
Verschwieg ihm nicht den unglücksel'gen Bund.
Gebete sah ich ihn zum Himmel senden,
Und so verkündete sein Sehermund:
'Berühr der Palme Blatt mit frommen Händen,
Und der Geliebten Schicksal wird dir kund.
Doch hast du das geheime Wort errungen,
Wo wirst du von der Erde schnell verschlungen.'

    Er sprach es aus, und schnell war ich entschlossen.
Ich nahte eilig diesem heil'gen Baum;
Denn aus geweihter Erd' ist er entsprossen,
Regt sich mit ew'ger Kraft im Himmelsraum.
Schon ist der Schmerz in Tränen mir zerflossen;
Das nahe Ziel löst sanft den bittern Traum;
Zur letzten Tat ist meine Hand gehoben;
Die Liebe siegt; das Wissen kommt von oben.«

    Er sprach's, und schnell will er die Tat erfüllen
Und rührt der Blätter schreckliche Gewalt:
Und plötzlich leuchten Blitze, Donner brüllen,
Daß Erd' und Himmel furchtbar widerhallt.
Und als sich schnell die wilden Mächte stillen,
Schwebt eines Greises heilige Gestalt –
Ein Sternenmantel flog um seine Glieder –
Vom Himmelsraum auf lichten Wolken nieder.

    Und neben ihm die zarteste der Frauen –
Ein Säugling ruht an ihrer Schwanenbrust –
Ein seliges Geschöpf aus Himmelsauen,
Der ew'gen heil'gen Liebe sich bewußt.
Und wie des Jünglings Blicke sie erschauen,
So sinkt er hin, umglüht von hoher Lust;
Und ich – erwachte; denn der Morgen graute,
Und voll Begeistrung schlug ich in die Laute.


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