Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Was zu erwarten stand, war eingetroffen. Der Fürstabt klagte bei dem schwäbischen Bunde, seine Unterthanen haben eine Vereinigung gegen das Gotteshaus und den Bund gemacht. Er nannte diese Vereinigung eine freventliche Empörung und forderte die bewaffnete Hülfe des Bundes. Dieser aber fand es angemessen, mit dieser Hülfe zu zögern, da die Dinge sich immer bedrohender gestalteten. Die Baltringer und Seehaufen vergrößerten sich von Tage zu Tage, und das Feuer des Aufstandes verbreitete sich bis unter die Mauern Ulms. Selbst mehrere Städte, wie Memmingen, Biberach, Leipheim, schienen mit den Bauern im Einverständniß, und wer mochte ahnen, was in der Bundesstadt selbst gebrütet wurde? Noch stand Georg von Frondsberg, der Schöpfer des neuen Kriegswesens, mit seinen Landsknechten vor Pavia, und wo sollte man Kriegsvölker her nehmen, die aufrührerischen Bauern zu Paaren zu treiben, selbst wenn der kriegerische Truchseß, Georg von Waldburg an die Spitze trat? Dieser, derzeit oberster Feldhauptmann des schwäbischen Bundes, war bisher seinen Unterthanen ein milder Herr gewesen, hatte nie Reihegeld oder Schatzung auf sie gelegt, und sie hatten keinen Grund der Beschwerde gegen ihn. Ihre Nachbarn, die aufgestandenen Unterallgäuer, bedrohten sie aber, wenn sie ihnen nicht zufallen und anhänglich sein wollten, würden sie sie überziehen und verderben. In dieser Noth sandten sie an ihren Herrn und luden ihn dringend ein, zu ihnen heimzukommen. Sie wollten ihn zum Schutz bei sich haben; käme er nicht, so müßten sie auch zu den Anderen fallen und ziehen. – Truchseß schrieb ihnen zurück, er habe sich oft und viel gegen andre Herren hoch vernehmen lassen: er wisse, wenn auch ihnen allen ihre Leute abfielen, würden doch die seinen solches nicht thun, sondern als getreue, fromme Leute bei ihm bleiben; das versehe er sich noch zu ihnen, und er sei auch Willens, wenn sie getreu blieben, sich mit Gnaden gegen sie zu erzeigen, daß sie ein Bezeugen und Wohlgefallen darob haben würden. In diesen sorglichen Läufen wäre ihm nichts lieber, als bei seinem Weib, seinen Kindern und seiner getreuen, frommen Landschaft zu sein. Weil er aber im Dienste seines gnädigsten Herrn von Oesterreich stehe, und weil ihm dieser auf sein unterthänigstes Bitten, ihn zu Weib und Kind und seiner Landschaft in diesen schweren Läufen heimziehen zu lassen, bei seiner Pflicht geboten habe, zu bleiben, so könne er Ehren und Pflicht halber nicht abreiten, so gerne er sich auch zu ihnen verfügen möchte. Er bitte sie, durch die Drohung der Andern sich nicht zum Abfall bewegen zu lassen; darum, daß sie als fromme, gehorsame Unterthanen thun, werde man ihnen die Häuser weder anbrennen, noch verderben. Sie möchten gedenken, wie er immer ihnen ein gnädiger Herr gewesen sei, und weil er leider in diesen Läufen nicht heimkommen könne, so sei seine letzte Bitte an sie, vier oder fünf von ihnen aus seine Kosten zu ihm zu schicken, damit diese ihm die Beschwerden der Landschaft anzeigen, und die Andern inzwischen ruhig daheimbleiben; er wolle sie gnädiglich hören und sich auf seiner Amtleute voriges Erbieten so erzeigen, daß sie und er in gutem Frieden, in Ruh' und Einigkeit hinfür wie bisher bleiben.
Eine ähnliche versöhnliche Sprache führten bei bewandten Umständen auch die Bundesräthe zu Ulm; sie schickten Gesandte an die Kemptner Landschaft und versprachen, ihre Beschwerden in Güte oder durch rechtlichen Entscheid auszugleichen. Die Mehrzahl der Gemeinden war auch geneigt, solchen süßen Worten Glauben zu schenken; doch nur zu bald zeigte sich's, welche Bewandtniß es damit hatte. Glaubwürdige Gerüchte verbreiteten sich, daß der Bund sich rüste, um die Bauern zu verderben. Ein reisiger Zeug, hieß es, sei im Anzuge. Da versammelten sich die Landleute aus der Gegend von Tettnang, Raithenau und Langenargen und alle Unterthanen des Grafen von Montfort. Es waren ihrer an sieben Tausend. Ihr Versammlungsort war Raithenau.
Es war ein heller, wolkenloser Sonntag, als in der Kemptner Landschaft plötzlich die Glocken zu stürmten begannen. Das war nicht das friedliche Geläute, welches die Schaaren der Andächtigen zur Kirche rief: das klang wie ein banges Wehegeschrei, wie ein Hülferuf des niedergebeugten Rechts. Die klare Winterluft zitterte davon und durch die Thäler tönte es, bis hinauf zur schneeigen Armen, hundertfältig hallte es wieder und alle Glocken stimmten ein in den Ruf durch das ganze Oberland. Die Männer im Sonntagsstaat, als sie das verabredete Zeichen vernahmen, erhoben sich, ergriffen ihre Waffen und nahmen Abschied von Weib und Kind. Mochten diese auch weinen und mit Bekümmerniß dem Schützer und Ernährer nachblicken, so ward doch keine Bitte laut, die ihn zurückzuhalten versucht hätte; galt es ja doch, den heimischen Heerd zu schützen, galt Leben und Freiheit, wenn der Kampf wirklich begann.
Mit größerer Lust vernahm wohl Niemand das Sturmgeläute, als Pfeifer. »Dem Himmel sei Dank,« sagte er zu seinem Gastfreund, dem Knopf von Luibas, »die Herren machen endlich einen Anfang! Besser wär's freilich gewesen, Ihr hättet das Zuvorkommen gespielt, aber es ist auch gut, so wie es ist, weil's nicht anders sein kann!« Er bewaffnete und gesellte sich mit Schmid den übrigen wehrhaften Bewohnern zu. Von Mund in Mund lief die Kunde, Georg von Waldburg ziehe mit einem reisigen Heer heran, und vornehmlich der Kemptischen Landschaft gelte der erste Ueberfall. Laute Verwünschungen wurden laut gegen die Treulosigkeit des Bundes, der Zorn blitzte aus Aller Augen und man drückte die treue Waffe fester an's Herz.
Zu Dietmannsried sammelten sich die kemptischen Bauern zur Gegenwehr gegen einen Ueberfall. Sie waren entschlossen, ihr Leben einzusetzen, ehe sie den Feinden Raum gäben, ihre Dörfer in Asche zu legen, ihre Lieben vorn väterlichen Heerde zu stoßen. Sie warteten bis zum Abend, aber nichts zeigte sich, das auf einen feindlichen Angriff deutete, ja endlich hieß es, das ausgesprengte Gerücht sei nur eine Erdichtung weniger Uebelwollenden gewesen; der Bund könne ja keine feindliche Absicht gegen sie im Schilde führen, da sie nichts Freventliches begangen. So zogen sie endlich wieder aus einander, verabredeten jedoch zuvor, auf den nächsten Tag eine allgemeine Versammlung zu Luibas, zur Wahrung ihrer alten Freiheiten eine nur noch engere und festere Verbrüderung zu knüpfen. Pfeifer lachte grimmig auf, als er wiederum die Hoffnung des Kampfes wie einen Traum zerrinnen sah.
Des andern Tages kamen die Gemeinden zu Luibas zusammen. Die Versammlung war zahlreichen denn je zuvor. Auch die Hintersassen des Bisthums Augsburg und die andrer Herren weit und breit kamen herbei und wurden in die Brüderschaft aufgenommen. Auch waren wieder einige Räthe der Stadt Kempten zugegen und versprachen den Landleuten, sie als getreue Nachbarn und Verwandte in allen gebührenden Dingen nicht zu verlassen und ihnen über ihre Beschwerde Zeugnis zu geben. Andere Bürger von Kempten, und namentlich die Zunftmeister, waren ganz auf ihrer Seite und verhießen ihnen ihren Beistand.
Auch diesmal behauptete die Versammlung ihren festen gesetzlichen Charakters sie dauerte mehrere Tage, in denen über das gemeine Wesen gesprochen und berathen wurde, wie es die alten Freiheitsbriefe gesetzlich erlaubten.
Der Fürstabt, der sich auf sein Schloß Liebenthann begeben hatte, schickte Abgeordnete zu den Bauern und ließ ihnen sagen, er wolle sich gütlich, rechtlich oder fechtlich mit ihnen vertragen, wie ihnen beliebe. Mit edler Mäßigung antworteten sie, ihr Gemüth stehe nicht dahin, mit seiner Gnaden die Sache mit Fechten, sondern allein in Güte oder in Recht auszutragen. Der Fürstabt glaubte jedoch in dieser Mangen nur Mangel an Muth zu erblicken und die Landleute durch Drohungen einschüchtern zu können. Des Fürsten Räthe, Marquardt von Schellenberg, Hans von Frondsberg und Ott Zwicker ritten nach Luibas. Frondsberg, der Ungestümste unter ihnen, fuhr die Landleute mit harten Worten an. »Ihr habt das Recht vorgeschlagen,« sprach er, »darum bin ich nicht gekommen; wir wollen auch keines gestatten, sondern das Schwert über Euch brauchen, Eure Weiber zu Wittwen, Eure Kinder zu Waisen machen, unsre Spieße müssen Euer Friedhof werden.«
Da flammte in manches Mannes Brust der heiße Zorn empor; ein Murmeln lief durch die Versammlung, wie das dumpfe Grollen des Meeres, das einen nahen Sturm verkündet. Da war Keiner, der sich nicht gelobt hätte, sein bestes Herzblut zu wagen im Kampfe gegen den unmenschlichen Herrn, der ihrem Recht nichts entgegensetzte als die rohe Gewalt. Nur der greise Riedinger verlor seine Ruhe nicht. »Erlaubt, hoher Herr,« fragte er, »was würdet Ihr an unsrer Stelle thun?«
»Ich rath' Euch,« entgegnete er rauh, »die Steuer zu gehen, wie sie jetzt angelegt ist, die Reihesteuer aber in Jahresfrist; dafür soll Niemand genöthigt, wer aber dem Fürstabt, unserm gnädigen Herrn, sich verschrieben, der soll künftig weder leichter noch geringer gehalten werden. Wer dem nachkommen will, mag sich bis morgen wohl bedenken; ich werd' Euch dann einen Boten schicken. Wer nicht gehorchen will, den soll unser Schwert Gehorsam lehren.«
»Der Fürstabt sandte den Bauern einen Geleitsbrief, um unter dessen Schutz Abgeordnete auf sein Schloß Liebenthann zu senden. Die Bauern ließen sich's gefallen. Als aber ihre Boten auf das Schloß kamen, eröffnete ihnen Hans von Frondsberg, was er mit ihnen gehandelt, habe der Fürst für nichtig erklärt.
Auch den Verblendetsten hätte nun klar werden müssen, welches grausame Spiel der Fürstabt mit ihnen trieb. Ein dumpfes Schweigen beherrschte die Versammlung, nachdem die Boten den nichtigen Erfolg ihrer Sendung berichtet. Pfeifer unterbrach es zuerst. »Wollt Ihr nun länger glauben,« rief er mit starker Stimme, daß Ihr auf dem Wege Rechtens ein Haarbreit erlangen werdet? Der Abt ging Euch um den Bart, so lang er Euch fürchtete; nun ihm aber die Krallen gewachsen sind, zeigt er sein wahres Gesicht. Laßt die Zeit nicht vorübergehen, sag' ich Euch! Macht's wie die Bauern alle! Kurzen Prozeß, der nur Blut kostet, und nicht einmal euer Blut, sondern das Blut Eurer Nagethiere. Dann gewinnt Ihr Euer Recht, nicht durch Clauseln und Sporteln, sondern durch's Schwert! Die Feder ist ein unnütz, bestechlich Dinge; sie dreht und wendet sich, wie 's die großen Herren haben wollen; das Schwert aber geht gradaus und richtet sich allein nach dem Mann, der's führt.«
»Weil er uns droht und zum Besten hält, darum wollen wir doch nicht zu Rebellen an ihm werden!« entgegnete Riedinger. »Wir haben ein ander Gericht, als ihn, auf das bauen wir, dem geben wir unsre Sache anheim!«
»Mann, der Ihr mit Blindheit gestraft seid!« rief Pfeifer heftig. »Wer ist dies Gericht? Der Kaiser und der schwäbische Bund! Seht Ihr denn nicht, daß der Bund Euch nur so lange freundlich ist, als er sich ohnmächtig gegen Euch fühlt? Wie ein Dieb wird er in Eure Hütten brechen, wenn er Euch nicht mehr fürchtet. Euer Urrecht, auf das ihr pocht und prahlt, ist den Herren ein Greuel! Sie werden 's nimmer anerkennen, denn der Bauer hat in ihren Augen kein Recht. Wozu tragt Ihr Waffen? Damit die Sonne darin glitzern soll, damit ihr Euch weißmachen könnt, Ihr seiet Männer? Werft's von Euch, das gleißende Spielwerk, fallet dem Abt zu Füßen und bittet ihn um Gottes Willen, Euch zu verzeihen! Ha, Schmach und Schande über Männer, die im Augenblick der Entscheidung weniger denn Weiber sind! Ihr könnt, Ihr dürft nicht länger ruhig bleiben,« fuhr er noch heftiger fort, mit der Faust auf den Tisch schlagend, daß der Staub aus den Fugen emporflog, »Ihr müßt dreinschlagen!«
Pfeifer's Rede hatte die entgegengesetzte Wirkung, als die er beabsichtigte. Sein rauher Spott erbitterte die Gemüther; man fing an, ihn mit argwöhnischen, ja feindseligen Blicken zu betrachten und war geneigt seiner ungestümen Forderung nach Aufruhr irgend eine unlautere eigennützige Absicht unterzuschieben. Pfeifet blieb dieser üble Eindruck nicht verborgen, aber er hatte nicht Luft, ihm ein Gegengewicht zu geben. Mit finsterem Groll vernahm er das Murren des Unwillens. Riedinger trat laut gegen ihn auf. »Wer wagt es,« rief er, »den Gemeinden Vorschriften zu geben über ihr Thun und Lassen? Von einem Eingebornen wär' es Vermessenheit, wie viel mehr von einem Fremden! Wir gaben Euch Gastfreundschaft, und Ihr dankt uns mit Schimpf und Hohn! Was geht Euch unser Zwist an? Seid Ihr geschädigt oder bedrückt? Unser Recht liegt Euch nicht am Herzen, sondern Euch gelüstet's nur, Aufruhr zu machen! Die Landschaft rathet und beschließt, kein Fremder hat dreinzureden!«
»Jedes Wort soll mir in der Kehle brennen, das ich Euch wieder zum Guten rathe!« versetzte Pfeifer erbittert. »Ich suche Männer auf, die sich nicht von einem schwachsinnigen Alten am Seile führen lassen. Ich entbind' Euch Eurer Gastfreundschaft! Aber denkt an mich! Ihr werdet's schwer bereuen, daß Ihr gutem Rathe nicht folgtet!«
Trotzig schritt er durch die Versammlung und Keiner versuchte, ihn aufzuhalten; die feste, ordnungsvolle Ruhe war jedoch gestört, Riedinger vermochte nicht, sie zurückzubeschwören. Auch der Knopf von Luibas erhob seine Stimme nun und sagte, daß in den rauhen Worten des Fremden viel Wahrheit enthalten sei, daß man in Güte oder auf dem Wege Rechtens nicht viel erlangen werde, wie der offenbare Hohn des Fürstabts und das zweideutige Gebahren des Bundes augenscheinlich beweise.
Die Menge ward aufgeregt, die Meinungen schwankten, die Meisten neigten sich endlich der Ansicht Schmid's zu; vollends als nun Walter Bach von Au auch aufstand und geheime Andeutungen gab, welch' hohe und mächtige Bundesgenossen man zu erwarten habe. Es ward kaum so viel Ruhe gewonnen, daß Hauptleute und Sprecher gewählt und ein zu beschickender Bundestag der allgäuischen Landleute in der Stadt Kempten beschlossen werden konnten. Darauf ging die Versammlung aus einander. Triumphirend und mit Jubelgeschrei zogen die Bauern wieder durch die Stadt, und sie erhielten nun ihr Geld, das sie verlangten, trotz des ausdrücklichen Verbots der Bundesräthe zu Ulm.
Unter der Bürgerschaft der Stadt selbst aber gährte die allgemeine Aufregung. Auf dem Zunfthause der Weber kam sie zuerst zum Ausbruche. Man beschwerte sich sowohl über den Abt, als auch über den Rath. In etlichen Zünften wurde zur Gemeinde geboten, um anzubringen, was man gegen den Abt und den Rath zu klagen hatte. Alle Handwerke seien beschwert, hieß es nun, alle Gewerbe seien auf dem Land in Betrieb, daß sich der gemeine Mann in der Stadt nicht wohl ernähren könne. Der Abt sollte weder Zinse noch Gülten mehr erhalten; lutherische Prediger sollten bestellt werden. Zwar herrschten in den Zünften selbst verschiedene Meinungen und Parteien; endlich kam man jedoch überein, einen Ausschuß zu gemeinschaftlicher Berathung zu erwählen. Dieser Ausschuß ward unter sich einig, diese Unruhen zu benützen, um sich von dem Fürsten loszusagen; die Gemeinde war einverstanden damit und der Rath versprach gern, auf diesen Zweck hin zu arbeiten. –
Pfeifer beschleunigte wirklich seine Abreise, um so mehr, als er wußte, daß Münzer nach Thüringen zurückgekehrt war, und der Aufstand dort entweder schon ausgebrochen oder im Ausbruch begriffen sein mußte; und dort war ja der Schauplatz, auf dem er seinen Rachedurst volle Genüge zu leisten hoffen durfte. Ohne Gefährte gelangte er in's Unterallgäu; dort waren die Dörfer wie ausgestorben, nur von Weibern und Kindern bewohnt, die sich vorsichtig hinter Schloß und Riegel hielten. Alle waffenfähige Männer waren dem Lager zu Baltringen zugezogen oder den verschiedenen kleineren Haufen, die das Land durchkreuzten
Im Lager zu Baltringen fand Pfeifer einen Geist, der ihm mehr zusagte, als die ruhige Besonnenheit der Allgäuer. Es war ein wildfröhliches Treiben unter den Tausenden, die nach Rache lechzten für die lang erduldete Bedrückung. Jauchzend sangen sie jene aufrührerischen Lieder, welche wie Zugvögel durch das deutsche Land schwärmten; Niemand wußte, von wem sie ausgegangen. Kampflustig schwangen sie die Waffen, mit denen sie sich ausgestattet, und die zum größten Theil gar nicht kriegsmäßig waren. Noch hatten sie sich mit keiner Gewalthat befleckt, ihre Stellung war bisher nur eine drohende gewesen. Die Unterthanen Truchseß Georg's von Waldburg hatten so eben nothgedrungen sich angeschlossen, und et herrschte darüber große Freude im Lager. Die Hauptleute stolzirten in ritterlicher Wehr einher und vom prächtigen Barette des Anführers, Florian Greisel, nur der Pfaff Florian genannt, wogte ein ganzer Wald von Federn. Ueber dem Gemeindehaufe rauschte die rothe Fahne im Winde.
Pfeifer, den man an seiner Kleidung alsbald als Täufer erkannte, ward vor den Anführer gebracht und befand sich bald in lebhaftem Gespräch mit ihm. Seine Ideen fanden hier einen empfänglicheren Boden, als unter dem Einflusse Konrad Riedinger's.
Ein Bauernhaufe hatte sich unter der großen Linde des Dorfes versammelt, die sonst der Mittelpunkt der ländlichen Feste und Spiele war. In der Mitte stand auf einem Tische einer jener Prädicanten, die man jetzt fast allerwegen traf, und hielt gedruckte Blätter in der Hand, aus denen er mit lauter Stimme vorlas.
»Zum Vierten ist bisher im Brauch gewesen, daß kein armer Mann Gewalt gehabt hat, das Wildpret, Geflügel oder Fische im fließenden Wasser zu fangen, was uns ganz unziemlich und unbrüderlich dünkt, eigennützig und dem Worte Gottes nicht gemäß. Auch hegt in etlichen Orten die Obrigkeit das Gewild uns zu Trutz und mächtigem Schaden, weil wir leiden müssen, daß uns das Unsere, was Gott dem Menschen zu Nutz hat wachsen lassen, die unvernünftigen Thiere zu Unnutz muthwillig verfressen, und wir sollen dazu stillschweigen, war wider Gott und den Nächsten ist. Denn als Gott der Herr den Menschen erschuf, hat er ihm Gewalt gegeben über alle Thiere, über den Vogel in der Luft und über die Fische im Wasser. Darum ist unser Begehren, wenn Einer ein Wasser hätte, daß er es mit genugsamer Schrift, als unwissentlich erkauft, nachweisen mag; solches begehren wir nicht mit Gemalt zu nehmen, sondern man müßte ein christlicher Einsehen darein haben, von wegen brüderlicher Liebe. Aber wer nicht genugsame Beweise dafür anbringen kann, soll es ziemlicher Weise an die Gemeinde zurückgeben.«
»Zum Fünfren sind wir auch beschwert der Beholzung halb, denn unsre Herrschaften haben sich die Hölzer alle allein zugeeignet, und wenn der arme Mann etwas bedarf, muß er's um's doppelte Geld kaufen. Unsre Meinung ist, was für Hölzer Geistliche oder Weltliche, die sie immer haben, nicht erkauft haben, die sollen einer ganzen Gemeinde wieder anheim fallen, und einem Jeglichen aus der Gemeinde soll ziemlicher Weise frei sein, daraus seine Nothdurft in's Haus umsonst zu nehmen; auch zum Zimmern, wenn es von Nöthen sein würde, soll er es umsonst nehmen dürfen, doch mit Wissen derer, die von der Gemeinde dazu erwählt werden, wodurch die Ausreutung des Holzes verhütet werden wird. Wo aber kein Holz vorhanden wäre, als solches, das redlich erkauft worden ist, so soll man sich mit den Käufern brüderlich und christlich vergleichen. Wenn aber Einer das Gut anfangs sich selbst zugeeignet und es nochmals verkauft hätte, so soll man sich mit den Käufern vergleichen nach Gestalt der Sache und Erkenntniß brüderlicher Liebe und heiliger Schrift.«
»Recht, recht, so soll's gehalten werden!« rief es im Kreise, während der Redner fortfuhr:
»zum Sechsten ist unsere harte Beschwerung der Dienste halb, welche von Tag zu Tag gemehrt werden und täglich zunehmen. Wir begehren, daß man darein ein ziemlich Einsehen thue, und uns dermaßen nicht so hart beschwere, sondern uns gnädig hierin ansehe, wie unsere Eltern gedient haben, allein nach Laut des Worts Gottes.«
»Kennt ihr diese Schrift?« fragte Florian zu Pfeifer gewendet. »Es sind "die gründlichen und rechtlichen Hauptartikel aller Bauernschaft und Hintersassen der geistlichen und weltlichen Obrigkeiten, von welchen sie sich beschwert vermeinen" Thomas Münzer soll sie niedergesetzt haben.«
»Hat er sie niedergesetzt, so kenn' ich ihn daraus nicht mehr!« antwortete Pfeifer, dem die billigen Forderungen der Artikel nicht behagen mochten. –
»Zum Ersten wollen wir den Brauch, genannt der Todfall, ganz und gar abgethan haben, nimmer leiden noch gestatten, daß man Wittwen und Waisen das Ihrige wider Gott und Ehren also schändlich nehmen und sie berauben soll, wie es an vielen Orten in mancherlei Gestalt geschehen ist. Von dem, was sie besitzen und beschirmen sollten, haben sie uns geschunden und geschaden, und wenn sie ein wenig Fug hätten gehabt, haben sie dies gar genommen. Das will Gott nicht mehr leiden, sondern das soll ganz ab sein, kein Mensch soll hinfür beim Todfall schuldig sein, etwas zu geben, weder wenig noch viel.«
»Zum Zwölften ist unser Beschluß und endliche Meinung, wenn einer oder mehrere der hier gestellten Artikel dem Worte Gottes nicht gemäß wären, so wollen wir, wo uns selbige Artikel mit dem Worte Gottes als unziemlich nachgewiesen werden, davon abstehen, sobald man uns es mit Grund der Schrift erklärt. Und ob man uns gleich etliche Artikel jetzt schon zuließe, und es befände sich hernach, daß sie unrecht wären, so sollen sie von Stund' an todt und ab sein, nichts mehr gelten. Desgleichen wenn sich in der Schrift mit der Wahrheit mehr Artikel fänden, die wider Gott, und dem Nächsten zur Beschwerniß wären, wollen wir uns diese auch vorzubehalten beschlossen haben, und uns in aller christlichen Lehre üben und brauchen, darum wir Gott den Herrn bitten wollen, der uns dasselbige geben kann und sonst Niemand. Der Friede Christi sei mit uns Allen!« –
Indessen hatten sich auch die Bauernschaften des obern Allgäu zu einem bewaffneten Haufen gebildet. Hauptleute der einzelnen Züge waren unter Anderen auch Weiter Bach und der Knopf von Luibas. In großem Gepränge und in Begleitung des Ausschusses aller Pfarreien des Oberallgäus ritten sie in der Stadt Kempten ein, um den ersten Bundestag zu halten, von der Mehrzahl der Bürger jubelnd empfangen. Ihr erster Beschluß war, alle umliegende Landschaft mit Gewalt in ihr Bündniß zu bringen, wodurch sie zum ersten Mal die gesetzlichen Schranken übertraten, aber auch dies mit Besonnenheit und edles Mäßigung. –