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Dicht am Ufer eines blauen Sees lag ein Landhaus. Das hatte einen großen Garten mit alten Bäumen und weiten Rasenflächen, die sich bis an den See erstreckten. Auch ein Bootshaus lag an dem See, und dicht neben dem Bootshaus war der Hühnerhof und Entenstall mit vielen gefiederten Bewohnern. Die Enten, alte und junge, schwammen früh morgens auf den See hinaus, und wenn sie abends nach Hause kamen, erzählten sie von den weiten Reisen, die sie gemacht hätten, und ärgerten die braven Hühner und sagten: »Wie elend seid ihr doch dran, daß ihr nicht schwimmen könnt. Nein, was ist es für ein herrliches Gefühl, so über die schimmernde Fläche hinzustreichen und alles fressen zu können, was einem vor den Schnabel kommt. Fische und Würmer und Froschlaich und lauter so gute Dinge, die ihr gar nicht zu sehen bekommt.«
Dann sah der Hahn sie von oben herab an und meinte: »Merkwürdig nur, daß ihr von all den guten Dingen nie satt werdet. Wenn die Hühnergrete morgens und abends kommt und uns Futter streut, fallt ihr immer als die ersten darüber her.«
»Das versteht solch Hofhahn nicht,« sagte die dicke weiße Ente mit dem Schopf. »Das ist etwas Feines, wenn man immer Hunger hat. Arme Leute sind bald satt, aber so vornehme Enten wie wir können immer fressen.« Und dann schrie sie: »Natt, natt, natt« und ruderte wieder hinaus auf das Wasser. Sie waren aber Schwindler, die fetten Enten, denn mit den großen Reisen, von denen sie erzählten, war es nicht weit her. Sie trauten sich kaum einige hundert Meter weit hinaus, weil es ihnen draußen zu unheimlich war. Da gab es bissige Hechte, die unversehens die kleinen Entchen von unten an den Beinen faßten. Da gab es hoch droben in den Lüften Raubvögel, die gerne einen fetten Bissen verspeisten und vor denen man auf der freien Fläche nicht flüchten konnte, darum war es geraten, sich dicht am Schilf zu halten, wo es immer ein Versteck gab.
Drinnen im Schilf wohnten auch Enten, aber die waren nicht von derselben Art. Wildenten waren es, kleine schwarze mit einem weißen Fleck auf dem Kopf, die Bleßhühner hießen, und dicke braune und grünschwarze Wildenten, deren Gefieder ordentlich in der Sonne funkelte, wenn sie sich im Wasser aufrichteten und mit den Flügeln schlugen, daß die Tropfen sprühten.
Wo das Schilf am dichtesten stand, und der Stumpf einer alten versunkenen Weide noch ein wenig aus dem Sumpf ragte, war ein Nest mit zwölf grünlichen Eiern. Darauf saß Mutter Wildente, äugte wachsam umher, daß ihr auch kein Feind zu nahe käme, und brütete Tag und Nacht mit mütterlicher Treue. Und eines Morgens machte es »pick« im ersten Ei, ein goldgelbes Köpfchen kam zum Vorschein, ein winziges flaumiges Körperchen folgte, und das erste Entenkindchen besah sich die Welt. Es fand aber, daß die Welt eine kalte Sache wäre, lange nicht so behaglich wie die Eierschale, in der es bis dahin gesteckt, und es kroch eilig wieder unter Mutters Flügel. Am Abend waren alle zwölf Eier ausgebrütet, und der Entenpapa brachte eilig einige Würmchen und nackte Schnecken im Schnabel herbei, denn es war wunderlich, was die Kinder gleich essen konnten.
Am andern Tage kam ein Bleßhuhn freundnachbarlich zum Besuch und erzählte: »Drüben auf dem Hühnerhof sind gestern auch junge Enten ausgekrochen. Aber die alte Entenmama ist zu faul gewesen zum Brüten, sie haben einer Klucke die Eier untergelegt, auch zwölf wie hier bei euch. Es sind jedoch nur acht ausgekommen, die andern waren faul.«
»Woher weißt du das?« fragte die Entenmama.
»Der Rabe mit den gestutzten Flügeln, der da als Polizist auf dem Hof umherspaziert, hat es mir erzählt. Und er sagte, – und das hat mich furchtbar geärgert, – wenn wir Blessen hier im Schilf abends solchen Lärm machten wie bisher, wollte er uns anzeigen, und die Jäger sollten uns erschießen.«
»Reg dich nicht auf, Nachbarin,« beruhigte der Entenpapa. »Der kann viel sagen. Was geht es uns an, ob er da Polizist ist oder nicht. Wir sind freie, wilde Enten, wir tun, was wir wollen. Und mit den Jägern, – ich hab mal gehört, wie hier zweie im Boot auf dem See ruderten, da sagte der eine zum andern: ‹Schießt ihr denn die Blessen nicht?› ‹Nein,› sagte der andre, ‹die sind zäh und schmecken tranig.› Also sei nur unbesorgt?
Das Bleßhuhn ärgerte sich, daß es zäh und tranig sein sollte, und antwortete: »O, darauf möchte ich es doch nicht ankommen lassen. Der Geschmack ist verschieden.« Und dann schwamm es davon.
Acht Tage später kamen Wildentens zum ersten Male mit ihren Kleinen aus dem schützenden Schilf heraus und führten sie auf den offenen See. Da fragten die Entchen: »Was ist denn das für ein komisches Tier, das da am Lande steht und mit den Flügeln schlägt und solchen Lärm macht?«
»Das ist ein Huhn,« erklärte die Mutter. »Ach, das wird wohl die Klucke sein, die die Entchen ausgebrütet hat, und nun schwimmen sie ihr davon. Seht ihr wohl, da kommen sie an. Und da sind auch die Alten. Pfui,« sagte sie ganz empört, »wenn ich denke, daß die Entenmama nicht einmal selber ihre Eier ausgebrütet hat. Und nun kommt sie auf die Kleinen los und beschnattert sie und tut Wunder wie freundlich. Ja, das ist so das Rechte: erst andere sorgen lassen und nachher den Lohn einstecken. – Das arme Huhn, wie regt es sich auf.«
»Warum ist es so dumm!« sagte der Entenpapa, und dann ruderten sie davon. Die weiße Hofente mit dem Schopf schwamm mit ihren Kindern auch auf dem See umher und dabei gab sie ihnen weise Lehren. »Seht mal,« sprach sie, »die da eben aus dem Schilf kamen, das sind auch Enten, wenigstens nennen sie sich so, aber mit denen dürft ihr nicht sprechen. Das sind ganz gewöhnliche wilde Enten, die haben keinen Stall und keinen Polizisten und keine Hühnergrete, die sie füttern muß. Sie müssen sich alles Futter alleine suchen, und fett werden sie nicht dabei, das könnt ihr mir glauben. Aber eine richtige Ente muß so fett werden, daß sie kaum mehr watscheln kann, dann ist sie was. Und dann wird sie gebraten und kommt auf den Tisch der Herrschaft.«
»Und die vielen schwarzen Dinger, die da bei dem Schilf herumschwimmen?« fragten die kleinen Hofenten.
»Ach, das sind überhaupt nur Bleßhühner, das ist ganz schrecklich gewöhnliches Volk. Die sind nicht mal zum Gegessenwerden gut.«
Das hatten die Blessen gehört, und sie erhoben ein zorniges Geschrei, denn richtig schnattern können die Blessen nicht, aber man versteht sie auch so. Und sie sagten den Hofleuten ganz gehörig ihre Meinung und erklärten, es wäre eine Schande, nicht einmal seine Eier auszubrüten. Solche Faulheit! –
Sie machten einen Lärm, daß man es über den halben See hören konnte, und der schwarze Polizist kam eilig herangehupft, setzte sich am Ufer auf das Dach des Bootshauses und schalt gewaltig. »Was ist das für ein Lärm! Wollt ihr euch wohl gleich ordentlich benehmen! Der Phylax will schlafen, aber das ist unmöglich bei dem Spektakel.«
»Ist das der Rabe?« fragten die jungen Wildenten ihren Vater. »Der sieht aber mal garstig aus.«
»Laßt ihn nur schreien, er kann uns nichts tun. Wir haben unser Nest im Schilf, da kommt er nicht hin, und der Fuchs, der auch gerne Enten frißt, muß uns ebenso fern bleiben. Seid ihr nur unbesorgt. Seht, da schlängelt sich ein fetter Wurm, wer erwischt den?«
Zwölf kleine Körperchen schossen mit dem Kopf voran in die Flut, und das Kleinste, das Nuddelchen, war am schnellsten gewesen, hatte den Wurm im Schnabel und verspeiste ihn mit Behagen. Dann kehrten sie alle in ihr Nest heim.
Seitdem waren sie alle Tage draußen auf den kühlen Wellen, und jeden Tag kamen auch die Hofenten mit ihrer Schar. Die Alten beachteten einander nicht, die konnten sich nicht leiden, aber sie zankten nie. Die Hofenten waren zu bequem dazu, und die Wildenten zu vergnügt, die plagten sich nicht um andere. Doch die zwanzig kleinen Gesellen konnten nie aneinander vorüber kommen, ohne sich einige freundliche Bemerkungen zuzurufen. Besonders das Nuddelchen war ein Krakehler.
Es schwamm mitten zwischen die unfreundlichen Verwandten und stieß eine Cousine mit dem Schnabel in den Rücken. »Du,« sagte es, »willst du heute nicht lieber mal mit uns kommen? Du glaubst nicht, was es für feine, kleine Fische jetzt mitten im See gibt. Stichlinge und kleine Aale, und winzige Karauschen, und Würmer, – Würmer –« es schnalzte ordentlich vor Behagen. – »die sind so lang wie du selber, da kannst du einen halben Tag dran essen. Na, so komm doch.« Und es wußte ganz genau, daß die Hofenten das nicht durften.
»Laß mich in Ruhe,« schnatterte die vornehme Cousine. »Ich will nichts mit dir zu tun haben. Du bist eine ganz gemeine Wildente. Du kannst deine Fische gerne behalten, ich brauche nicht den ganzen Tag auf Jagd zu gehen. Wir bekommen so viel zu fressen, wie wir mögen. Die Hühnergrete ist nur dazu da, daß sie uns immer Futter gibt. Aber um euch kümmert sich kein Mensch.«
»Habt ihr es gehört?« zeterte das Nuddelchen. »Habt ihr gehört, was das dumme Ding gesagt hat? Wir sind ganz gemeine Wildenten hat es gesagt. Och du, du bist es gar nicht wert, daß man sich mit dir zankt. Faul seid ihr, das ist das Ganze, faul und feige, sonst würdet ihr schon mit uns kommen;« und all seine elf Geschwister stimmten ihm bei: »Faul sind sie und feige sind sie, eine ganz dumme Gesellschaft sind sie.«
Die kleinen Hofenten ärgerten sich entsetzlich, schwammen zu den Eltern und fragten: »Müssen wir uns das gefallen lassen? Wir wollen es dem Raben sagen, und der Rabe soll es dem Fuchs sagen, und der Fuchs soll sie holen.«
Und als sie mittags im warmen Ufersande lagen, verklatschten sie das Nuddelchen bei dem schwarzen Polizisten. »Rabrab, du mußt uns helfen; dazu bist du da. Du hast solchen derben Schnabel, damit mußt du sie in die Beine zwicken, daß sie ach und weh schreien. Sie haben uns beleidigt. Und sie sind ganz gewöhnliche Seeenten, haben alle bunte Kleider an, kein einziges Kind hat ein weißes. Nicht mal ein bißchen für Sonntags.«
»Ich werde ihnen Bescheid sagen,« antwortete der Rabe mit Würde, und er wartete, bis sie abends in das Schilf und zu ihrem Neste kamen, dann hüpfte er mühsam mit Geflatter und Gespringe bis zu dem Weidenstumpf, setzte sich darauf und schalt in das Nest hinunter. »Ich will euch nun mal ernstlich etwas sagen. Ich habe hier die Aufsicht über den Hof und das Haus und den See, und ich dulde euer Benehmen nicht länger. Und wenn ihr mir meine Hofenten noch einmal ausscheltet, werde ich euch den Fuchs auf den Hals schicken.«
Das Nuddelchen und seine Geschwister begannen ein empörtes Geschnatter, aber Vater Wildenterich wies sie zur Ruhe, blinzelte ein wenig mit den Augen, als sei ihm der Rabe kaum einer Antwort wert, und sagte endlich: »Auf dem Hofe magst du befehlen können, hier auf dem See hast du nichts zu sagen. Unser Herr ist der Schwan, der drüben an der Wildroseninsel sein Nest hat. Der ist Seekönig, und so lange der sich nicht in unsere Angelegenheiten mischt, beunruhige ich mich nicht,« und dann drehte er dem Raben den Rücken, fing sich schnell noch einen kleinen Aal, steckte darauf den Kopf unter die Flügel und schlief ein.
Der Rabe ärgerte sich entsetzlich, und er beschloß, sich an den Wildenten zu rächen. Die ganze Nacht schlief er nicht, sondern überlegte einen bösen Plan, und am andern Tage machte er sich auf zum Walde, wo er den Fuchsbau wußte. Es war eine mühsame Reise, denn mit seinen gestutzten Flügeln konnte er sich nicht wie einst durch die Lüfte schwingen, sondern mußte von Baum zu Baum flattern, bis er endlich hinter dem Weizenfeld am Waldsaum den Eingang zum Bau erreichte.
Da saß er und wartete ganz stille, bis es Abend wurde. Abends kam der alte Fuchs mit seinen Jungen hervor und lehrte sie im Mondschein Mäuse greifen, das war ihr erster Unterricht.
Er kam auch an diesem Abend und wunderte sich, als der Rabe ihn freundlich von einem Ast herab begrüßte: »Guten Abend, Herr Reineke.«
»N' Abend,« sagte der Fuchs ziemlich kurz, denn er fragte nicht viel nach dem Raben, »lebst du auch noch?«
»Und wie,« brüstete sich der Schwarze. »Ich bin zu Ehren und Würden gekommen; ich bin Oberaufseher über das Landhaus und den Garten, den Hühnerhof und den See. Es ist ein guter und nahrhafter Posten.«
»Sieh mal an,« spottete der Fuchs, »dann bist du ja ein ganzer Kerl geworden. Was verschafft mir denn die große Ehre, dich einmal wieder vor meiner ärmlichen Behausung zu sehen?«
»Ach,« sagte der Rabe bescheiden, »ich bin eben solch gutes Tier, ich denke im Glück immer noch an die alten Freunde. Ich möchte denen auch etwas Gutes gönnen. Und weil ich weiß, wie schwer es in der heutigen Zeit bei den vielen Hunden und Jägern für einen ehrlichen Fuchs ist, sich mit seiner Familie durchzuschlagen, so wollte ich dir nur erzählen, daß da dicht bei unserem Hof ein ganzes Nest voll junger Wildenten ist. Die sind augenblicklich sehr schmackhaft, rund und fett, und wohnen so dicht an dem Ufer, daß sie leicht zu erwischen sind.«
Der Fuchs betrachtete ihn mißtrauisch, er glaubte den glatten Reden nicht. »Wildenten sind um diese Zeit noch mager,« meinte er. »Wenn du mir ein fettes Huhn von deinem Hühnerhof verschaffen würdest, wäre mir das lieber.«
Der Rabe wiegte bedachtsam den Kopf. »Ich täte es um unserer alten Freundschaft willen sicher,« sagte er. »Aber nachts wird alles doppelt und dreifach verriegelt, der Garten und der Hof und der Stall, und zwei bissige Hunde wachen vor den Türen. Nein, da ist nichts zu machen. – Aber die Wildenten –«
»An Wildentennester ist schlecht herankommen, das kenne ich.«
»Wenn ich dir doch sage – Sieh mal, du mußt dich durch das Schilf schleichen bis zu dem alten Weidenstumpf, da ist das Wasser ganz seicht. Dann steigst du auf den Stumpf und springst von oben in das Nest. Furchtbar einfache Sache.«
»Ich werde es mir überlegen. Was hast du denn mit den Wildenten gehabt, daß ich sie holen soll? An deine reine Freundschaft glaub ich nicht.«
»Ach,« seufzte der Rabe, »so wird man immer verkannt. Adieu, ich hätte nicht gedacht, daß du so ein mißtrauischer Freund wärest.«
Er flatterte mühsam heim, und am andern Morgen erzählte er den jungen Enten: »Seid nur unbesorgt, die da draußen werden euch nicht lange mehr ärgern; ich hab es dem Fuchs gesagt, der will sie holen.«
Die Entchen schlugen mit den winzigen Flügeln vor Freude, und als sie draußen auf dem Wasser das Nuddelchen trafen, konnten sie nicht schweigen und riefen ihm zu: »Der Rabe hat es dem Fuchs gesagt, was ihr für eine Gesellschaft seid, und der Fuchs will euch holen.«
Das Nuddelchen schwamm eilig zum Vater. »Ist das wahr, daß der Fuchs uns holen will? Die Weißen vom Hof sagen das.«
»Ach bewahre,« beruhigte der Vater sie, »der Fuchs kann gar nicht an unser Nest heran.« Aber er beschloß doch, seinen Schlafplatz lieber an eine andere Stelle zu verlegen. Das Wasser stand nicht so hoch wie sonst, denn es war ein trockener Sommer, da konnte man nicht wissen, ob der Meister Reineke nicht vielleicht doch den Weg fand.
Als der Abend kam, – ein recht regnerischer, stürmischer Abend, – brachte der Wildenterich darum Frau und Kinder weiter in das Schilf hinaus, wo das Wasser so tief war, daß auch ein Fuchs sich nicht mehr hindurch schleichen konnte. »So,« sagte er, »nun laß ihn kommen.«
Und Meister Reineke kam wirklich. Das schlechte Wetter schien ihm so recht zu einem Raubzug gemacht zu sein, da war es in der Dunkelheit gut möglich, sich an das Nest zu schleichen.
Wie er an dem Landhaus vorbei und an den See hinunterschlich, fand er den Raben vor. Der saß auf der Pforte des Hühnerhofes und begrüßte ihn mit leisem Krächzen. »Sie sind alle in das Schilf gerudert,« krächzte er. »Sie müssen jetzt schlafen. Sei nur recht leise, daß sie dich nicht merken. Hier gleich gerade durch, dann kommst du an den Weidenstumpf.«
Der Fuchs tastete mit der rechten Vorderpfote in das Wasser. Es war wirklich nicht sehr tief, und er schlich sich leise, witternd und windend, zwischen den Schilfhalmen durch. Die gaben ein surrendes Geräusch, wie er an ihnen entlang strich, doch der fallende Regen und der sausende Wind übertönten das ganz. Jetzt hatte er den Weidenstumpf erreicht, freilich ging ihm das Wasser bis an den Bauch, jetzt klomm er vorsichtig auf dem Baumstumpf empor und spähte durch das Dunkel hinab. Unter ihm war etwas Schwarzes, das mußte das Rest sein. Ob die Mutter Wildente darin war, konnte er freilich nicht erkennen, aber es war doch wohl anzunehmen, wenn der Rabe gesehen hatte, wie sie in das Schilf schwammen. Also riskierte er den Sprung. Klatsch! – da lag er im tiefen Wasser. Das Nest hatte ihn nicht tragen können, es brach zusammen, die Schilfhalme, aus denen es bestand, schwammen nach allen Seiten auseinander, und der Fuchs kam schnaubend und triefend ohne einen Braten wieder in die Höhe. Abscheulich tief war das hier. Er hatte Mühe, sich wieder herauszuarbeiten. Und dazu war das Abenteuer vergebens! – Hatten die Enten sich einen andern Platz gesucht, oder hatte der Rabe ihn zum besten gehabt? – Na, der sollte es aber büßen!
»Hast du sie?« fragte der schwarze Polizist, als Reineke patschnaß aus dem Schilf geschlichen kam. »Wieviele hast du?«
»Komm nur her, ich will sie dir zeigen,« gab der Fuchs zurück. »Du mußt doch einen Bissen abhaben, weil du mir so gut geraten hast.«
Und der dumme Rabe kam wirklich dicht heran, vergaß alle Vorsicht und krächzte: »Ist es die Alte oder einige von den Jungen? Sind sie – – –« fett, wollte er sagen, aber er kam nicht mehr dazu, denn mit einem Griff hatte ihn der Fuchs beim Kragen und drehte ihm das Genick um.
»Hab ich keine Enten erwischt, muß ich mich mit einem Raben begnügen,« brummte er bei sich, raufte dem boshaften Gesellen die Federn aus und verspeiste ihn. »Puh,« schalt er dabei, »ist der Braten aber zäh, da tun einem ja alle Zähne weh.«
Dann schlich er sich an den Hühnerhof und witterte am Zaun. Aber er fand kein Schlupfloch, und vom Garten her hörte er den Phylax bellen. Da zog er es vor, sich wieder davonzumachen in seinen Bau.
Am andern Morgen waren die Hofenten sehr erstaunt, ihren schwarzen Polizisten nicht zu erblicken, als sie aus dem Stall kamen. Wie sie aber hinabwatschelten an den See, lagen da schwarze Federn, und daneben waren Blutspuren, und der Entenvater schüttelte vor Entsetzen sein weißes Federkleid und rief: »Kinder, den Raben hat der Fuchs geholt. Das ist aber abscheulich, wenn der hierher den Weg gefunden hat. Da dürfen wir für die nächsten Wochen nicht mehr vom Hofe gehen, sonst verspeist er uns auch noch.«
Die Wildenten aber schnatterten vor Vergnügen, daß es schallte, als sie dahinter kamen, was sich in der Nacht begeben hatte. Und weil ihr Nest zerstört war, und sie nun schon alle kräftige Kinder waren, beschlossen sie, künftig ohne Nest fertig zu werden und ihr Schlaflager bei der Wildroseninsel im Schilf zu halten, da konnte kein Fuchs hingelangen. Sie sind auch alle gut durch den Sommer gekommen. Und als es Herbst wurde, waren sie große, starke Enten geworden, hoben sich auf ihren Flügeln hoch über den See empor und flogen in langgestrecktem Keil, der Vater an der Spitze, weit hinweg zu wärmeren Gegenden.
Die Hofenten aber waren bei ihrem faulen Leben so dick geworden, daß der Koch kam, sie schlachtete und briet, und da haben sie den Kindern im Landhaus ausgezeichnet geschmeckt.