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Soldaten

Fritz hatte einen Helm zum Geburtstag bekommen. Ein Gewehr hatte er schon. Es schoß zwar nicht mehr, aber es sah doch noch sehr kriegerisch aus, und das war die Hauptsache.

»So,« sagte er zu Emil Meier, »nu wollen wir heute nachmittag in der Sandkuhle Soldat spielen. Hol mal die ganze Bande zusammen, sie kriegen auch alle ein Stück von meinem Geburtstagskuchen ab.«

»Mensch,« sagte Emil Meier, »mußt du aber einen großen Kuchen haben.«

»Hab ich auch,« nickte Fritz. »So groß ist er,« und er zeigte um den halben Rasen.

Der Kuchen war auch wirklich sehr groß, und als nachmittags Emil Meier mit sieben andern Freunden antrat, konnten sie ordentlich zulangen. Zuletzt nahm jeder noch ein Stück mit, als Proviant für den Krieg, und dann ging es in die Sandgrube.

Fritz war Hauptmann; denn erstens war er Geburtstagskind, zweitens mußte er für den Kuchen eine Belohnung haben, und drittens war er der einzige, der einen Helm besaß. Die Bewaffnung war sehr verschieden. Emil Meier hatte einen Papierhelm aus blauem Zuckerpapier mit einer Troddel von Gold, dazu einen Säbel, er wurde also Leutnant. Die andern aber trugen nur Zeitungshelme und Holzwaffen, die mußten Gemeine spielen.

In der Sandkuhle war kein Mensch, doch als sie sich hinter die Büsche gelegt hatten und lauerten, sahen sie einen Wagen kommen. Das war Töpfer Klähn mit seinen Töpfen und Pfannen. Er fuhr zu Markt nach Ritzebüttel. Sein Esel ging Schritt für Schritt. Man sah es ihm ordentlich an, daß er dachte: »Komm ich heut nicht, komm ich morgen; übermorgen ganz gewiß.«

Töpfer Klähn hing mit dem Kopf vornüber, er schlief.

Ahnungslos näherte sich das Grautier dem feindlichen Hinterhalt. Plötzlich ein entsetzliches Gebrüll, und hervor brach es wie eine Horde blutdürstiger Indianer, fuhr auf den Wagen los, packte den Esel am Zügel und donnerte dem erschrockenen Töpfer in die Ohren: »Sie sind unser Gefangener. Marsch, rechtsum kehrt. In das Lager.«

»Kinner un Leute,« stöhnte Klähn und rieb sich die Augen, »ist man denn am hellichten Tage nich mehr seines Lebens sicher? Was soll denn nu werden?«

»Sie haben sich in unser Gebiet verirrt, und Sie sind unser Gefangener,« erklärte Fritz.

»Süh mal einer an! Büst du nich der Fritz Fuchs? Hab ich nicht deiner Mutter immer all ihre Schalen verkauft? Und du willst mich alten Mann in die Gefangenschaft schleppen? Das ist ein schlimmes Stück.«

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Er tat sehr kläglich, aber Fritz blieb fest. »Wenn Sie nicht mit wollen, müssen Sie sich auslösen.«

»Auch noch auslösen,« stöhnte Klähn. »Ja, womit denn? Ich hab da hinten so kleine gelbe Töpfchen, kann ein kleines Mädchen in die Puppenküche brauchen, wär denn das so was?«

»Man immer zu,« riefen die Jungens, »wir werden's auch schon brauchen können.«

»Denn holt euch man so ein Ding hinten raus.«

Die ganze Gesellschaft lief nach hinten an den Wagen, da gab Töpfer Klähn dem ahnungslosen Esel plötzlich einen mächtigen Hieb mit der Peitsche, der Graue nahm Reißaus, daß der Wagen ordentlich flog, und die tapferen Soldaten standen da mit leeren Händen.

»Pfui, Klähn,« schrie Fritze wütend hinter dem Wagen her, »das war gemein. Nu lassen wir Sie nie wieder mitspielen.«

Die Schar verzog sich wieder in die Sandkuhle und sann auf neue Taten. Ein Stromer wanderte vorüber. »Wollen wir den gefangen nehmen?« fragte Fritz. »Lieber nicht,« meinte Emil, »er sieht zu schlimm aus. Am Ende versteht er keinen Spaß und haut.« Darauf wurde im Kriegsrat beschlossen, den Landstreicher ungeschoren zu lassen.

Aber da, – der Händler, der seine Gänse zur Stadt trieb, der sollte Wegzoll bezahlen. Wieder brach es hervor mit Geheul, daß die Gänse wie wild auseinander stoben.

»Hurra, wir sind die Deutschen, wir lassen keine Feinde in das Land. Dies sind alles unsere Gefangenen.«

Die Gänse protestierten mit empörtem Geschnatter, und der Mann, der augenscheinlich keinen Spaß verstand, schalt zornig: »Was fällt euch denn ein? Wollt ihr mal machen, daß ihr aus dem Weg kommt? Ist das ein Benehmen? Soll ich euch mal bei euren Lehrern anzeigen?«

»I gitt, i gitt,« rief Emil Meier, »das ist aber ein Grobian, den wollen wir laufen lassen. Uns bei dem Lehrer anzuklatschen, bloß weil wir en bißchen Spaß machen. Uns gehört die Straße grad so gut.«

»Ich will dir wohl zeigen, was dir gehört, du naseweiser Bengel.« Damit erhob der Händler seinen Stock.

Emil zog sich wohlweislich zurück und rief erst aus der Entfernung: »Klatschmeier.«

»Faß ihn, Peter,« befahl der Mann, und mit ausgebreiteten Flügeln fuhr ein großer, grauer Gänserich auf die Knaben ein. Er schnatterte entsetzlich, und alle die Helden rissen aus wie die Hasen.

So, da saßen sie wieder in ihrer Grube, und hörten noch das Lachen des Mannes: »Hohohohohoho.«

Bis jetzt war der Krieg noch wenig siegreich gewesen. Sie lagen und warteten auf neue Taten. Zwei Weiber mit Körben kamen daher, doch der Hauptmann befahl: »Mit Frauen wird kein Krieg geführt.«

Jetzt nahte ein einzelner, älterer Herr. Der sah sehr freundlich aus und hatte weder einen Hund noch einen wütenden Gänserich, ja nicht mal einen Stock bei sich.

Der Herr machte ein sehr erstauntes Gesicht, als er auf offener Landstraße von der bewaffneten Macht angegriffen und ernstlich gefragt wurde, was er sei, ein Franzose oder ein Deutscher. »Ihr seid wohl Deutsche?« fragte er. »Ja, da tut es mir sehr leid, aber ich bin keiner.«

»Dann sind Sie ein Franzose.«

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»Ach nein, ein Franzose bin ich auch nicht, ich bin, – ja – ich bin – – ein Türke.«

»Das ist ganz gleich,« erklärte Fritz. »Wenn Sie kein Deutscher sind, müssen wir Sie gefangen nehmen. Und dann müssen Sie mit in unser Lager.«

»Aber,« fragte der freundliche Herr, »wenn ich mich nun für besiegt erkläre und Kriegsentschädigung zahle?«

»Kriegsentschädigung? Was ist das?«

»Nun, wenn zwei Völker Krieg miteinander führen und das eine wird besiegt, so muß es dem andern viel Geld bezahlen. Ich bin aber ein sehr armer Mann,« er machte ein bekümmertes Gesicht, »und kann meinen tapferen Feinden keine Millionen bezahlen. Was meint ihr nun, wenn wir statt dessen alle zu Bäcker Michelsen an der Ecke gingen und ich fütterte euch da mit Kuchen? Ich denke mir, das Kriegführen muß sehr anstrengend sein und Hunger machen.«

Die Knaben führten vor Freude einen richtigen Indianertanz auf, bis der Herr erklärte, er würde vom Zusehen schon ganz schwindelig. Da zogen sie mit ihm zu Bäcker Michelsen, und der freundliche Mann fütterte sie mit Cremeschnitten.

Ja, solchen Sieg ließen sie sich gefallen.

Als alle wieder aus dem Laden kamen, ging Fritzens Vater eben vorüber, zog den Hut sehr höflich vor dem Herrn und fragte: »Aber Herr Bürgermeister, wie kommen Sie denn zu dieser Rotte Korah?«

»Man hat mich gefangen genommen,« sagte der freundliche Herr. »Aber bitte erzählen Sie es nicht weiter, denn es ist doch sehr beschämend für einen Bürgermeister, wenn er vor den Toren seiner eigenen Stadt den Feinden in die Hände fällt.«

Dann wandte er sich zu den Knaben und sagte: »Ihr habt gezeigt, daß ihr tapfere Kerle seid, erst im Krieg, und dann beim Kuchenessen. Mein Geldbeutel hat ein ordentliches Loch bekommen. Aber das schadet nichts, bleibt nur so fixe Jungens, dann hat das Vaterland einmal Freude an euch. So, nun adieu.«

Da ging er fort mit dem Vater, und Emil meinte: »Solchen Türken möcht ich alle Tage fangen. Mensch, was haben die Cremeschnitten einmal fein geschmeckt.«

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