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Ich wünschte dieses Ultimatum und Hogarthsche Schwanzstück meiner Nachtwachen, recht deutlich vor Jedermanns Augen ausmahlen zu können; leider aber fehlen mir die Farben in der Nacht dazu, und ich kann nichts als Schatten und luftige Nebelbilder vor dem Glase meiner magischen Laterne hinfliehen lassen.
Wenn ich in der Laune bin Könige und Bettler in eine recht luftige brüderliche Gesellschaft zusammenzustellen, so wandle ich auf dem Kirchhofe über ihre Gräber hin, und denke sie mir, wie sie da unten im Boden friedlich neben einander liegen, im Stande der größten Freiheit und Gleichheit, und nur in ihrem Schlafe satirische Träume haben, und hämisch aus den Augenhölen grinsen. Unten sind sie Brüder, nur oben aus dem Rasen ragt höchstens noch ein moosigter Stein herauf, woran die alten zerschlagenen Wappen des Großen hängen, indeß auf dem Grabe des Bettlers nur eine wilde Blume sproßt, oder eine Nessel. –
Ich besuchte auch in dieser Nacht meinen Lieblingsort, dieses Vorstadtstheater, wo der Tod dirigirt, und tolle poetische Possen als Nachspiele hinter den prosaischen Dramen aufführt, die auf dem Hof- und Welttheater dargestellt werden. Es war eine schwüle drückende Luft, und der Mond schaute nur heimlich zu den Gräbern herab, und blaue Blize flogen dann und wann an ihm vorüber. Ein Poet meinte, die zweite Welt lausche in die untenliegende herunter – ich hielt es nur für äffenden Wiederhall und matten täuschenden Lichtschein, der noch eine Weile dem versunkenen Leben nachgaukelt; wie der abgestorbene faulende Baum noch eine Zeitlang des Nachts zu glänzen scheint, bis er ganz in Staub zerfällt. –
Ich war unwillkührlich an dem Denkmale eines Alchymisten stehen geblieben; ein alter kräftiger Kopf starrte aus dem Steine hervor, und unverständliche Zeichen aus der Kabbala waren die Inschrift.
Der Poet trieb sich eine Zeitlang unter den Gräbern herum, und besprach sich abwechselnd mit auf dem Boden liegenden Schädeln, um sich in Feuer zu setzen, wie er sagte; mir wurde es langweilig, und ich schlief darüber am Denkmale ein.
Da hörte ich im Schlafe das Gewitter aufsteigen, und der Poet wollte den Donner in Musik sezen und Worte dazu dichten, aber die Töne ordneten sich nicht und die Worte schienen zu zersprengen und in einzelnen unverständlichen Sylben durcheinander zu fliehen. Dem Poeten stand der Schweiß auf der Stirne, weil er keinen Verstand in sein Naturgedicht bringen konnte – der Narr hatte das Dichten bisher nur auf dem Papiere versucht.
Der Traum verwickelte sich immer tiefer. Der Poet hatte sein Blatt von neuem ergriffen und versuchte zu schreiben; zur Unterlage diente ihm ein Schädel – er begann wirklich und ich sah den Titel vollendet:
Gedicht über die Unsterblichkeit.
Der Schädel grinsete tückisch unter dem Blatte, der Poet hatte kein Arg daraus, und schrieb den Eingang zum Gedichte, worin er die Phantasie anrief ihm zu diktiren. Darauf hub er mit einem grausenden Gemälde des Todes an, um zulezt die Unsterblichkeit desto glänzender hervorführen zu können, wie den hellen strahlenden Sonnenaufgang nach der tiefsten dunkelsten Nacht. Er war ganz in seine Phantasieen vertieft und bemerkte es nicht, daß sich um ihn her alle Gräber geöffnet hatten, und die Schläfer unten boshaft lächelten, doch ohne sich zu bewegen. Jezt stand er am Uebergange und fing an die Posaunen zu blasen und viele Zurüstungen zum jüngsten Tage zu machen. Eben war er im Begriffe alle Todte zu erwecken, da schien es als ob etwas Unsichtbares seine Hand hielte, und er blickte verwundert auf – und unten in den Schlafkammern lagen sie noch alle still und lächelten, und niemand wollte erwachen. Schnell ergriff er die Feder von neuem und rief heftiger und sezte eine starke Begleitung von Donner und Posaunenschall zu seiner Stimme – umsonst, sie schüttelten nur alle unmuthig unten und wandten sich auf die andere Seite von ihm weg, um ruhiger zu schlafen und ihm die nackten Hinterköpfe zu zeigen. – »Wie, ist denn kein Gott!« rief er wild aus, und das Echo gab ihm das Wort »Gott!« laut und vernehmlich zurück. Jezt stand er ganz einfältig da und käuete an der Feder. »Der Teufel hat das Echo erschaffen!« sagte er zulezt – »Weiß man doch nicht zu unterscheiden ob es bloß äfft, oder ob wirklich geredet wird!« –
Er setzte noch einmal rasch an, doch die Schriftzüge kamen nicht zum Vorscheine; da steckte er abgespannt und fast gleichmüthig die Feder hinter das Ohr und sagte monoton: »Die Unsterblichkeit ist widerspänstig, die Verleger zahlen bogenweis und die Honorare sind heuer sehr schmal; da wirft dergleichen Schreiberei nichts ab, und ich will mich wieder in die Dramen werfen!« –
Ich erwachte bei diesen Worten, und mit dem Traume war auch der Poet vom Kirchhofe verschwunden; aber an meiner Seite saß ein braunes Böhmerweib und schien aufmerksam in meinen Gesichtszügen zu lesen. Ich erschrack fast vor der großen gigantischen Gestalt, und vor dem dunkeln Antlize, in das ein seltsam barokkes Leben mit eben so grellen Zügen niedergeschrieben schien. »Gieb mir die Hand, Blanker!« sagte sie geheimnißvoll, und ich reichte sie ihr unwillkührlich hin.
Je stärker und sicherer der Mensch sich selbst gefaßt hält, um so läppischer erscheint ihm alles Geheimnißvolle und Wunderbare, vom Freimaurerorden an, bis zu den Mysterien einer zweiten Welt. Ich schauderte heute zum erstenmale etwas, denn das Weib las aus meiner Hand mein ganzes voriges Leben, wie aus einem Buche mir vor, bis hin zu dem Augenblicke, wo ich als ein Schaz gehoben wurde (S. die vierte Nachtwache.) Darauf sagte sie: »Sollst auch deinen Vater sehen, Blanker; schau dich um, er steht hinter dir!« – Ich wandte mich rasch – und der ernste steinerne Kopf des Alchymisten blickte mich starr an. Sie legte die Hand auf ihn, und sagte sonderbar lächelnd: »Der ist's! und ich bin die Mutter!« –
Das gab eine tolle rührende Familienscene – die braune Zigeunermutter und der steinerne Vater, der halb aus der Erde hervorragte, als wollte er den Sohn halsen und an die kalte Brust drücken. Um die Familiengruppe zu runden umarmte ich beide, und als ich so mitten inne saß, erzählte das Weib im Bänkelsängervortrage:
»Es war in der Christnacht, als dein Vater den Teufel bannen wollte – er las aus dem Buche, und ich leuchtete dazu mit drei besprochenen Kerzen – unter dem Boden lief es hin, wie wenn die Erde Wellen schlüge, und das Licht brannte blau. Wir hielten jezt an der Stelle, wo dem Himmel entsagt und der Hölle geschworen wird, und blickten uns eine Weile schweigend an. Es ist zur Abwechselung! sagte dann dieser Steinerne und las die Stelle laut und vernehmlich – zwischen uns lachte es leise, wir lachten laut mit, um nicht albern dazustehen. Nun fing es an in der Nacht um uns her sein Wesen zu treiben, und wir merkten, daß wir nicht allein waren. Ich schmiegte mich in dem gezogenen Kreise dicht an deinen Vater, wir berührten zufällig das Zeichen des Erdgeistes, und wurden warm beisammen. Als der Teufel erschien, erblickten wir ihn nur noch mit halb geöffneten Augen – es war grade der Moment in dem du entstandest! – Jener war recht bei Laune und erbot sich Pathenstelle zu vertreten; er mochte ein angenehmer Mann in seinen besten Jahren sein, und ich erstaune über die Aehnlichkeit, die du mit ihm hast; nur siehst du finsterer aus, was du dir noch abgewöhnen dürftest. Als du geboren wurdest, hatte ich soviel Gewissenhaftigkeit dich in christliche Hände zu übergeben, und spielte dich darum jenem Schazgräber zu, der dich erzog. – Das ist deine Familiengeschichte, Blanker!«
Welch ein helles Licht nach dieser Rede in mir aufging, das können sich nur Psychologen vorstellen; der Schlüssel zu meinem Selbst war mir gereicht, und ich öffnete zum erstenmale mit Erstaunen und heimlichem Schauder die lang verschlossene Thür – da sah es aus wie in Blaubarts Kammer, und es hätte mich erwürgt, wäre ich minder furchtlos gewesen. Es war ein gefährlicher psychologischer Schlüssel!
Ich möchte mich selbst, wie ich bin, geschickten Psychologen zur Secirung und Anatomirung vorlegen, um zu sehen ob sie das aus mir herauslesen würden, was ich jezt wirklich las – dieser Zweifel soll übrigens der Wissenschaft selbst nicht zu nahe treten, die ich wahrlich hoch schäze, weil sie es sich nicht verdrießen läßt an einen so hypothetischen Gegenstand, als die Seele ist, Zeit und Mühe zu verschwenden.
Ich mochte einige von den Betrachtungen, die ich über mich selbst in diesem Augenblicke gemacht hatte, laut geäußert haben, denn die Zigeunerin sprach wie ein Orakel: »Es ist größer die Welt zu hassen, als sie zu lieben; wer liebt begehrt, wer haßt, ist sich selbst genug, und bedarf nichts weiter als seinen Haß in der Brust und keinen dritten!«
Die Worte dienten ihr zur Parole, und ich erkannte durch sie, daß sie zu meiner Familie gehöre. – Nach einer Weile sagte sie ganz heimlich: »Ich möchte den Alten da unten in seinem lezten chemischen Prozesse, den er mit sich selbst anstellt, wohl noch einmal sehen; er liegt schon lange im Boden – ob wohl noch was von ihm übrig ist? – Wir wollen's doch anschauen!« – Nach diesen Worten schlich sie über Schädel und Todtenknochen hin nach dem Gebeinhause, kehrte mit Schaufel und Hacke zurück und grub sich still und geheimnißvoll in die Erde.
Ich ließ sie bei der sonderbaren Arbeit allein, denn drüben wandelte einer mit vielen Ausbeugungen und Krümmungen um die Gräber hin, wie wenn er ihm im Wege stehenden Gestalten auswiche; oft schien er zu lächeln, oft aber wandte er sich erschrocken und zitternd ab, und floh einige Schritte, bis er wieder vor einem neuen Gegenstande zurückzubeben schien. – Als ich ihm nahe war, faßte er meine Hand, und sagte tiefaufathmend: »Gottlob ein Lebender! Begleite mich nur bis zu jenem Grabe! – Ich hielts für Wahnsinn und schritt mit ihm fort, um das Ende zu erwarten, oft drängte er mich, wenn ich einem Grabe zu nahe kam zurück, daß ich die Luft darüber nicht berühren sollte, zulezt aber schien er mehr Muth zu fassen, und ruhte eine Weile zwischen drei großen Monumenten aus; es waren umgestürzte Säulen, und an den Tafeln standen die Namen verstorbener Fürsten.
»Hier können wir etwas verziehen; sagte er, denn über den Gräbern steht nichts als Stein und Denkmal, und drunten im Boden mag höchstens noch eine Handvoll Staub, neben den Kronen und Zeptern zu finden sein; solche große Herren vergehen schnell, weil sie im Ueberflusse genießen und schon im Leben eine große Masse erdigter Theile in sich aufnehmen.«
Ich sah ihn erstaunt an, da fuhr er fort: »Ihr haltet mich wohl gar für toll; aber darin irrt Ihr! Ich betrete diese Orte nicht gern, denn ich habe einen wunderbaren Sinn mit auf die Welt gebracht, und erblicke wider meinen Willen auf Gräbern die darunter liegenden Todten mehr oder minder deutlich, nach den Graden ihrer VerwesungEin Beispiel dieser originellen Geisterseherei findet sich, wenn ich nicht irre, in Moritz Magazin der Erfahrungsseelenkunde.. So lange der Verstorbene unten noch unversehrt ist, so lange steht für mich seine Gestalt deutlich über der Gruft, und nur wenn der Körper sich mehr und mehr auflöst, verliert sich auch das Bild in Schatten und Nebel, und verfliegt zulezt ganz wenn das Grab leer ist. – Die weite Erde ist zwar ein einziger Gottesacker, aber die Gestalten der Verweseten nehmen eine freundlichere Gestalt an und blühen als schöne Blumen wieder auf; – hier aber stehen sie noch alle deutlich umher und blicken mich an, daß ich erschrocken vor ihnen zurückweiche. Nichts sollte mich auch bewegen diese Stätte zu betreten, wenn mich nicht eine Schäferstunde hier erwartete!« –
»Da hätte Euer Liebchen auch einen freundlichern Ort für Euch erwählen sollen!« sagte ich unwillig über seine unbekannte Schöne, als er eine Weile inne hielt.
»Sie ist dazu gezwungen!« antwortete er. – Denn sie hat hier ihre Wohnung aufgeschlagen!«
Jezt begriff ichs und verstand ihn, als er auf ein fernes Grab deutete – »Dort unten ruht sie – sie starb in der Blüthe, und ich kann nur hier nach ihrem Brautbette wandeln. Sie lächelt mir schon aus der Ferne entgegen, und ich muß eilen; denn seit einiger Zeit wird die Gestalt immer luftiger, und nur das Lächeln um die Lippen ist noch ganz deutlich.« –
»Das ist doch mindestens einmal eine etwas ungewöhnliche Liebschaft, die ich erlebe, – setzte ich hinzu – übrigens ist auf der Erde nichts langweiliger als ein Verliebter!« –
Wir wandelten jezt weiter fort, und er entwarf mir im Gehen noch flüchtig einige Skizzen von den Inhabern der Wohnungen an denen wir vorbei mußten.
»Dort hat sich ein Hofnarr noch gut gehalten, er steht vollkommen da, bis auf den Spott und die Satire in seinen Minen. – Hier harrt ein Poet der Auferstehung entgegen, aber von ihm selbst ist nur wenig noch dazu vorhanden, denn ich sehe bloß leichten Duft, und muß die Phantasie anstrengen, etwas Gescheutes hineinzufinden. – Da erblicke ich eine Mutter mit dem Kinde an der Brust, und beide lächeln! – (Es erschütterte mich, denn es war grade das Grab der Ophelia!) – Hier liegen ein Finanzier und ein Politiker beisammen, aber an beiden ist schon vieles defekt. – Jenes soll das Grab eines berühmten Geizhalses sein, er hält noch mit der schon verschwindenden Hand den Zipfel seines Leichentuches fest.« –
Jetzt waren wir zur Stelle, und er bat mich ihn zu verlassen; aus der Ferne sah ich nur noch wie er die Luft umarmte und heiße Küsse ausströmte – es war eine recht seltsame Schäferstunde! – –
Indeß hatte die Wahrsagerin das Grab des Vaters gesprengt, und der morsche Sarg hob sich aus dem Boden; neugierig gleitete das Mondlicht an den halb verwitterten Schildern und Verzierungen hinab, und das Kruzifix auf dem Deckel blinkte hell und weiß. Mir war doch ungewöhnlich zu Muthe, als die alte graue Vergangenheit noch einmal sich in der Gegenwart umsah, und die lezte Wiege des Vaters, die ihn in den langen Schlummer wiegte, heraufstieg. Ich zögerte den Deckel zu heben, und redete in der Pause, um mir selbst Muth zu machen, einen Wurm an, den ich ergriff, als er sich eben bei dem Sarge aus dem Boden wühlte:
»Außer den Favoriten und Günstlingen der Großen und Herren, giebt es nur noch ein Völkchen, das es sich recht eigentlich an den Brüsten der Majestät wohl sein läßt; und zu diesem gehörst du, Minirer! Der König ernährt sich von dem Marke seines Landes, und du dich wieder von dem Könige selbst, um die verstorbene Majestät, wie Hamlet sagt, nach einer Reise durch drei oder vier Magen, wieder in den Schooß, oder mindestens in den Bauch ihrer getreuen Unterthanen zu führen. An dem Gehirne wie vieler Könige und Fürsten hast du dich gemästet, du fetter Schmarozer, bis du zu diesem Grade von Wohlbeleibtheit gekommen bist? Den Idealismus wie vieler Philosophen hast du auf diesen deinen Realismus zurückgeführt? Du bist ein unwiderlegbarer Beleg für die reelle Nüzlichkeit der Ideen, da du dich an der Weisheit so mancher Köpfe wacker gemästet hast. – Dir ist nichts mehr heilig, weder Schönheit noch Häßlichkeit, weder Tugend noch Laster; alles umwindest du Laokoons Schlange, und beurkundest deine intensive Erhabenheit an dem ganzen Menschengeschlechte. Wo ist jezt das Auge das so bezaubernd lächelte, oder so drohend gebot – Du Satiriker sizest allein in der leeren Knochenhöle und schauest frech und boshaft um dich, und machst das Haupt zu deiner Wohnung, und zu etwas noch schlechterm, in dem sonst die Plane eines Cäsar und Alexander geboren wurden. Was ist nun dieser Pallast, der eine ganze Welt und einen Himmel in sich schließt; dieses Feenschloß, in dem der Liebe Wunder bezaubernd gaukeln; dieser Mikrokosmus, in dem alles was groß und herrlich, und alles Schreckliche und Furchtbare im Keime nebeneinander liegt, der Tempel gebar und Götter, Inquisitionen und Teufel; dieses Schwanzstück der Schöpfung – das Menschenhaupt! – – die Behausung eines Wurmes. – O was ist die Welt, wenn dasjenige was sie dachte nichts ist und alles darin nur vorüberfliegende Phantasie! – Was sind die Phantasieen der Erde, der Frühling und die Blumen, wenn die Phantasie in diesem kleinen Rund verweht, wenn hier im innern Pantheon alle Götter von ihren Fußgestellen stürzen, und Würmer und Verwesung einziehen. O rühmt mir nichts von der Selbstständigkeit des Geistes – hier liegt seine zerschlagene Werkstatt, und die tausend Fäden, womit er das Gewebe der Welt webte, sind alle zerrissen, und die Welt mit ihnen. – – Auch der Alte hier in seiner Kammer wird schon seine Theaterkleider abgeworfen haben, und dieser boshafte Bube, in meiner Hand, kommt vielleicht eben von dem Kehraus, dem er hier in der väterlichen Behausung beigewohnt hat; – doch mag's sein – ich will er grimmt in das Nichts schauen, und Brüderschaft mit ihm machen, damit ich keine menschlichen Reste mehr verspüre, wenn es auch mich zulezt ergreift!« –
Ich war jezt stark und wild genug den Deckel zu heben, ob ich gleich fühlte, daß dieser Grimm und Zorn, wie Alles übrige, auch mit zum Nichts gehöre. –
Wie seltsam – als das stille Schlafkämmerchen sich aufthat, in dem ich keinen Schläfer mehr erwartete, lag er noch unversehrt auf dem Kissen, mit blassem ernsten Gesichte und schwarzen krausen Haaren um Schläfe und Stirn; es war noch die abgeformte Büste vom Leben, die hier in dem unterirdischen Museum des Todes zur Seltenheit aufbewahrt wurde, und der alte Schwarzkünstler schien dem Nichts Troz bieten zu wollen.
»So sah er aus, als er den Teufel bannte!« sagte die Wahrsagerin – »Nur haben sie ihm nachher die Hände gefaltet, daß er hier unten wider Willen beten muß!« – – »Und warum betet er denn?« fragte ich zornig – da drüben über uns im Himmelssee funkeln und schwimmen zwar unzählige Sterne, aber wenn es Welten sind, wie viele kluge Köpfe behaupten, so giebt es auch Schädel auf ihnen und Würmer, wie hier unten; das geht so fort durch die ganze Unermeßlichkeit, und der Baseler Todtentanz wird dadurch nur um so lustiger und wilder und der Ballsaal größer. – O wie sie alle, die auf den Gräbern umherlaufen, und auf einer tausendfach geschichteten Lava vergangener Geschlechter – wie sie alle nach Liebe wimmern, und nach einem großen Herzen über den Wolken, woran sie mit allen ihren Erden einst ruhen können! Wimmert nicht länger – diese Myriaden von Welten saußen in allen ihren Himmeln nur durch die gigantische Naturkraft, und diese schreckliche Gebärerin, die alles und sich selbst mit geboren hat, hat kein Herz in der eigenen Brust, sondern formt nur kleine zum Zeitvertreib, die sie umher vertheilt – haltet euch an diese, und liebt und girrt so lange diese Herzen noch zusammenhalten! – Ich will nicht lieben, und recht kalt und starr bleiben, um wo möglich dazu lachen zu können, wenn die Riesenhand auch mich zerdrückt!« –
»Der alte Schwarzkünstler scheint zu meiner Rede zu lachen! Weißt du es etwa besser, Teufelsbanner – und steigt über diesem zertrümmerten Pantheon ein neues herrlicheres auf, das in die Wolken reicht, und in dem sich die kolossalen ringsumher dasizenden Götter wirklich aufrichten können, ohne sich an der niedern Decke die Köpfe zu zerstoßen – – wenn es wahr wäre, so möchte es zu rühmen sein, und es dürfte schon die Mühe verlohnen zu zu schauen, wie mancher unermeßliche Geist auch seinen unermeßlichen Spielraum erhielte, und nicht mehr zu würgen brauchte und zu hassen, um groß zu sein, sondern frei in die Himmel emporsteigen könnte, um dort sein strahlendes Gefieder auszubreiten. – Der Gedanke könnte mich fast erhizen! – Nur alle dürften sie mir nicht erstehen wollen; alle nicht! – Was wollten so viele Pygmäen und Krüppel in dem großen herrlichen Pantheon, in dem nur die Schönheit thronen soll, und die Götter! O man schämt sich dieser Gesellschaft ja oft genug schon auf Erden, wie könnte man den Himmel mit ihnen gemeinschaftlich theilen! – Nur ihr mögt euch aus dem Schlummer erheben, ihr großen königlichen Häupter, die ihr mit den Diademen in der Weltgeschichte erscheint, und ihr begeisterten Sänger, die ihr von den Königlichen entzückt redet und sie verherrlicht! Die andern mögen ruhig schlafen und recht sanft, auch angenehme Träume haben, die gönne ich ihnen von Herzen!« –
»Mit dir, alter Alchymist, möchte ich den Weg schon antreten; nur betteln sollst du mir nicht um den Himmel – nicht betteln – lieber ertroze ihn, wenn du Kraft hast. Die stürzenden Titanen sind mehr werth, als ein ganzer Erdball voll Heuchler, die sich ins Pantheon durch ein wenig Moral und so und so zusammengehaltene Tugend schleichen möchten! Laß uns dem Riesen der zweiten Welt gerüstet entgegengehen; denn nur wenn wir unsere Fahne dort aufpflanzen, sind wir es werth dort zu wohnen! – Laß das Betteln; ich reiße dir die Hände mit Gewalt auseinander!« – –
»Wehe! Was ist das – bist auch du nur eine Maske und betrügst mich? – Ich sehe dich nicht mehr Vater – wo bist du? – Bei der Berührung zerfällt alles in Asche, und nur auf dem Boden liegt noch eine Handvoll Staub, und ein paar genährte Würmer schleichen sich heimlich weg, wie moralische Leichenredner, die sich beim Trauermahle übernommen haben. Ich streue diese Handvoll väterlichen Staub in die Lüfte und es bleibt – Nichts!«
»Drüben auf dem Grabe steht noch der Geisterseher und umarmt Nichts!«
»Und der Wiederhall im Gebeinhause ruft zum leztenmale – Nichts! –