Heinrich von Kleist
Die Familie Schroffenstein
Heinrich von Kleist

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Dritte Szene

Bauernküche. Barnabe am Herd. Sie rührt einen Kessel, der über Feuer steht.

Barnabe.
Zuerst dem Vater:
    Ruh in der Gruft: daß ihm ein Frevlerarm nicht
    Über das Feld trage die Knochen umher.
    Leichtes Erstehn: daß er hoch jauchzend das Haupt
    Dränge durchs Grab, wenn die Posaune ihm ruft.
    Ewiges Glück: daß sich die Pforte ihm weit
    Öffne, des Lichts Glanzstrom entgegen ihm wog.

Ursula (außerhalb der Szene).
Barnabe! Barnabe!
Rührst du den Kessel?

Barnabe.                              Ja doch, ja, mit beiden Händen;
Ich wollt ich könnt die Füß auch brauchen.

Ursula.                                                                  Aber
Du sprichst nicht die drei Wünsche. –

Barnabe.                                                      Nun, das gesteh ich!
Wenn unser Herrgott taub, wie du, so hilft
Es alles nichts. – Dann der Mutter:
    Alles Gedeihn: daß ihr die Landhexe nicht
    Giftigen Blicks töte das Kalb in der Kuh.
    Heil an dem Leibe: daß ihr der Krebs mit dem Blut-
    Läppchen im Schutt schwinde geschwinde dahin.
    Leben im Tod: daß ihr kein Teufel die Zung
    Strecke heraus, wenn sie an Gott sich empfiehlt.
Nun für mich:
    Freuden vollauf: daß mich ein stattlicher Mann
    Ziehe mit Kraft kühn ins hochzeitliche Bett.
    Gnädiger Schmerz: daß sich –

Ursula.
Barnabe! Böses Mädel! Hast den Blumenstaub
Vergessen und die Wolfkrautskeime.

Barnabe.                                                      Nein
Doch, nein, 's ist alles schon hinein. Der Brei
Ist dick, daß schon die Kelle stehet.

Ursula.                                                       Aber
Die ungelegten Eier aus dem Hechtsbauch?

Barnabe.
Schneid ich noch einen auf?

Ursula.                                          Nein, warte noch.
Ich will erst Fliederblüte zubereiten.
Laß du nur keinen in die Küche, hörst du?
Und rühre fleißig, hörest du? Und sag
Die Wünsche, hörst du?

Barnabe.                                 Ja doch, ja. – Wo blieb
Ich stehn? Freuden vollauf – Nein, das ist schon vorbei.
    Gnädiger Schmerz: daß sich die liebliche Frucht
    Winde vom Schoß o nicht mit Ach! mir und Weh!
    Weiter mir nichts, bleibt mir ein Wünschen noch frei,
    Gütiger Gott mache die Mutter gesund.
(Sie hält wie ermüdet inne.)
Ja, lieber Gott! – Wenns Glück so süß nicht wär,
Wer würd so sauer sich darum bemühn?
Von vorn. Zuerst dem Vater:
    Ruh in der Gruft: daß ihm ein Frevlerarm nicht
    Über das Feld – – Ah!

(Sie erblickt Ottokar, der bei den letzten Worten hereingetreten ist.)

Ottokar.                                     Was sprichst du mit
Dem Kessel, Mädchen? Bist du eine Hexe,
Du bist die lieblichste, die ich gesehn,
Und tust, ich wette, keinem Böses, der
Dir gut.

Barnabe.      Geh h'raus, Du lieber Herr, ich bitte dich.
In dieser Küche darf jetzt niemand sein,
Die Mutter selbst nicht, außer ich.

Ottokar.                                                  Warum
Denn just nur du?

Barnabe.                       Was weiß ich? Weil ich eine Jungfrau bin.

Ottokar.
Ja darauf schwör ich. Und wie heißt du denn,
Du liebe Jungfrau?

Barnabe.                        Barnabe.

Ottokar.                                        So? Deine Stimme
Klingt schöner, als dein Name.

Ursula.                                               Barnabe! Barnabe!
Wer spricht denn in der Küch?

(Ottokar macht ein bittend Zeichen.)

Barnabe.                                           Was sagst du, Mutter?

Ursula.
Bist du es? Sprichst du die drei Wünsche?

Barnabe.                                                             Ja doch, ja,
Sei doch nur ruhig.
(Sie fängt wieder an, im Kessel zu rühren.)
                                Aber nun geh fort,
Du lieber Herr. Denn meine Mutter sagt,
Wenn ein Unreiner zusieht, taugt der Brei nicht.

Ottokar.
Doch wenn ein Reiner zusieht, wird er um
So besser.

Barnabe.           Davon hat sie nichts gesagt.

Ottokar.
Weils sich von selbst ergibt.

Barnabe.                                        Nun freilich wohl,
Es scheint mir auch. Ich will die Mutter fragen.

Ottokar.
Wozu? Das wirst du selber ja verstehn.

Barnabe.
Nun, störe mich nur nicht. 's ist unser Glücksbrei,
Und ich muß die drei Wünsche dazu sagen.

Ottokar.
Was kochst du denn?

Barnabe.                             Ich? – Einen Kindesfinger.
Ha! ha! Nun denkst du, ich sei eine Hexe.

Ottokar.
Kin – Kindesfinger?

Ursula.                               Barnabe! Du böses Mädel!
Was lachst du?

Barnabe.                  Ei, was lach ich? Ich bin lustig,
Und sprech die Wünsche.

Ursula.                                      Meinen auch vom Krebse?

Barnabe.
Ja, ja. Auch den vom Kalbe.

Ottokar.                                         Sag mir -? Hab
Ich recht gehört –?

Barnabe.                         Nein sieh, ich plaudre nicht.
Ich muß die Wünsche sprechen, laß mich sein.
Sonst schilt die Mutter und der Brei verdirbt.

Ottokar.
Hör, weißt du was? Bring diesen Beutel deiner Mutter,
Er sei dir auf den Herd gefallen, sprich,
Und komm schnell wieder.

Barnabe.                                     Diesen Beutel? 's ist
Ja Geld darin. –

Ottokar.                       Gibs nur der Mutter dreist,
Jedoch verschweigs, von wem er kommt. Nun geh.

Barnabe.
Du lieber Gott, bist du ein Engel?

Ottokar.                                                 Fort! Und komm bald wieder.
(Er schiebt sie sanft ins Nebenzimmer; lebhaft auf und nieder gehend)
Ein Kindesfinger! Wenns der kleine wäre!
Wenns Peters kleiner Finger wäre! Wiege
Mich, Hoffnung, einer Schaukel gleich, und gleich
Als spielt' geschloßnen Auges schwebend mir
Ein Windzug um die offne Brust, so wende
Mein Innerstes sich vor Entzücken. – Wie
Gewaltig, Glück, klopft deine Ahndung an
Die Brust! Dich selbst, o Übermaß, wie werd
Ich dich ertragen. – Horch! Sie kommt! Jetzt werd ichs hören!

(Barnabe tritt auf, er geht ihr entgegen und führt sie in den Vordergrund.)

Nun sage mir, wie kommt ihr zu dem Finger?

Barnabe.
Ich hab mit Muttern kürzlich ihn gefunden.

Ottokar.
Gefunden bloß? Auf welche Art?

Barnabe.                                                 Nun dir
Will ichs schon sagen, wenns gleich Mutter mir
Verboten.

Ottokar.           Ja, das tu.

Barnabe.                           Wir suchten Kräuter
Am Waldstrom im Gebirg, da schleifte uns
Das Wasser ein ertrunken Kind ans Ufer.
Wir zogens drauf heraus, bemühten viel
Uns um das arme Wurm; vergebens, es
Blieb tot. Drauf schnitt die Mutter, die's versteht,
Dem Kinde einen kleinen Finger ab;
Denn der tut nach dem Tod mehr Gutes noch,
Als eines Auferwachsnen ganze Hand
In seinem Leben. – Warum stehst du so
Tiefsinnig? Woran denkest du?

Ottokar.                                             An Gott.
Erzähle mehr noch. Du und deine Mutter –
War niemand sonst dabei?

Barnabe.                                    Gar niemand.

Ottokar.                                                            Wie?

Barnabe. Als wir den Finger abgelöset, kamen
Zwei Männer her aus Warwand, welche sich
Den von der Rechten lösen wollten. Der
Hilft aber nichts, wir machten uns davon,
Und weiter weiß ich nichts.

Ottokar.                                       Es ist genug.
Du hast gleich einer heilgen Offenbarung
Das Unbegriffne mir erklärt. Das kannst
Du nicht verstehn, doch sollst dus bald. – Noch eins.
In Warwand ist ein Mädchen, dem ich auch
So gut, wie dir. Die spräch ich gern noch heut
In einer Höhle, die ihr wohlbekannt.
Die Tochter ist es auf dem Schlosse, Agnes,
Du kannst nicht fehlen.

Barnabe.                                Soll ich sie dir rufen?
Nun ja, es wird ihr Freude machen auch.

Ottokar.
Und dir. Wir wollens beide dir schon lohnen.
Doch mußt dus selbst ihr sagen, keinem andern
Vertraun, daß dich ein Jüngling abgeschickt,
Verstehst du? Nun, das weißt du wohl. – Und daß
Du Glauben finden mögest auch bei ihr,
Nimm dieses Tuch, und diesen Kuß gib ihr. (Ab.)

(Barnabe sieht ihm nach, seufzt und geht ab.)


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