Giovanni Boccaccio
Decameron
Giovanni Boccaccio

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

21. Novelle

Der Pfarrer zu Varlungo liegt bei Frau Belcolore und läßt ihr seinen Chorrock zum Pfande. Er borgt hernach von ihr einen Mörser, und als er ihn wiederschickt, läßt er den Chorrock als Unterpfand für den Mörser zurückfordern, und sie gibt ihn mit einer Stichelrede zurück.

In dem Dörfchen Varlungo lebte ein rüstiger, im Dienste der Weiber wohl erprobter Pfarrer, der zwar nicht sonderlich lesen konnte, aber doch seine Pfarrkinder des Sonntags unter der Ulme mit manchem salbungsvollen Worte zu erbauen wußte; und wenn die Männer in Geschäften abwesend waren, so verstand kein Pfaff, weder vor noch nach ihm, ihre Weiber besser zu besuchen, ihnen Heiligenbildchen, Weihwasser und Wachsstummel zu bringen und ihnen seinen Segen dabei zu geben. Unter den Weibern in seinem Dorfe, die ihm zuerst in seine Augen fielen, war vorzüglich eine, die ihm vor allen anderen gefiel, namens Monna Belcolore, die Frau eines Bauern, der sich Bentivegno del Mazzo nennen ließ. Sie war auch wirklich ein ebenso hübsches als frisches und kernfestes, bräunliches Bauernweib, besser zur Wollust gebaut als irgendeine andere, und keine konnte besser als sie Zimbel schlagen oder das Lied singen: »Das Wasser läuft ins Zwiebelfeld«, oder, wenn es nötig war, mit einem hübschen Tuche in der Hand einen Reigen anführen oder im Kreise rundzutanzen. Darum ward auch der Pfarrer so vernarrt in sie, daß er kaum seiner Sinne mächtig blieb; keuchend trabte er ganze Tage umher, um sie zu sehen, und wenn er des Sonntags fand, daß sie in der Kirche war, so schrie er sein Kyrie und Sanktus wie ein Waldesel, um seine Kunst und Kraft im Gesange hören zu lassen; wenn sie aber nicht da war, so ließ er's sachte angehen. Doch wußte er sich dabei so zu benehmen, daß weder Bentivegno noch sonst jemand im Dorfe etwas davon gewahr ward. Um sich bei Monna Belcolore desto besser in Gunst zu setzen, schenkte er ihr von Zeit zu Zeit bald ein Bündel von dem besten frischen Knoblauch den er mit eigenen Händen in seinen Garten gesetzt hatte, bald ein Körbchen voll Bohnen, bald eine Schnur Zwiebeln oder Bohnen; und wenn er nur eine Gelegenheit sah, so beäugelte er sie und schwänzelte um sie herum wie ein verliebter Pudel. Weil sie jedoch immer die Spröde spielte, so konnte er lange nicht bei ihr zum Ziele kommen. Einst traf es sich, als er gerade in der Mittagsstunde auf der Straße herumschlenderte, daß ihm Bentivegno del Mazzo begegnete, der einen beladenen Esel vor sich hertrieb. Er sprach ihn an und fragte ihn, wohin er ginge.

»Die Wahrheit zu sagen, Hochwürden,« sprach Bentivegno, »ich muß in die Stadt, wegen einer Angelegenheit sozusagen, und ich bringe diese Sachen dem Herrn Bonaccori da Ginestreto, daß er mir helfen soll, weil mich der Herr Defizialrichter durch seinen Prokulator parentorisch hat vorladen lassen.«

Der Pfarrer war froh und sagte: »Du tust wohl, mein Sohn; Gott segne dein Vorhaben! Komm bald zurück, und wenn dir von ungefähr Lampuccio und Naldino in den Weg kommen, so vergiß nicht, ihnen zu sagen, daß sie mir die Riemen zu meinem Dreschflegel schicken.«

»Soll geschehen«, sprach Bentivegno und trieb nach Florenz. Der Pfarrer hielt dies für die gelegenste Zeit, sein Glück bei Monna Belcolore zu versuchen; er machte sich auf den Weg und hielt sich nirgends auf, bis er zu ihr kam.

»Gott zum Gruß!« rief er, »ist jemand zu Hause?«

Belcolore, die auf den Boden gegangen war, rief herunter, als sie seine Stimme hörte: »Willkommen, Herr Pfarrer; wie kommt's, daß Ihr so in der Mittagshitze ausgeht?«

»So wahr ich lebe,« sprach der Priester, »bloß um ein wenig bei dir zu verweilen, weil ich deinem Mann begegnet bin, der nach der Stadt ging.«

Belcolore kam herunter, breitete ein Tuch auf die Erde und fing an, Kohlsamen zu sieben, den ihr Mann eben gedroschen hatte.

»Höre, Belcolorchen,« sprach der Pfarrer, »Willst du mich denn immer so schmachten lassen?«

»Nun, was tu' ich Euch denn?« sprach Belcolore und lachte.

»Du tust mir zwar nichts,« sprach der Pfarrer, »aber du läßt dir auch nichts von mir tun, was ich gern möchte und was Gott geboten hat.«

»Ei, geht doch!« sprach sie. »Tun denn so was auch die Priester?«

»Warum nicht, so gut wie andere Männer und noch besser?« sprach der Pfarrer. »Wir liefern weit bessere Arbeit als andere, und weißt du, warum? Weil unsere Mühle nur selten mahlt und mit gesammeltem Wasser. Das sollst du sehen, und dein Schade soll's nicht sein, wenn du still bist und mich machen lässest.«

»Wieso soll es mein Schade nicht sein?« versetzte Belcolore. »Ihr seid ja alle so geizig wie der Teufel.«

»Ich weiß nicht was du verlangst«, sprach der Pfarrer. »Fordere nur. Willst du ein Paar hübsche Schuhe? Oder willst du ein schönes Stirnband oder eine Strähne feiner Wolle, oder was sonst?«

»Das wäre mir was Rechtes«, sprach Belcolore. »Das alles habe ich selbst. Aber wenn Ihr mir so gut seid, wie Ihr sagt, so tut mir einen Dienst, und ich will Euch alles zu Gefallen tun.«

»Sage mir nur, was ich tun soll, und es soll geschehen«, sprach der Priester.

»Gut«, versetzte Belcolore. »Ich muß Sonnabend nach Florenz, um Wolle abzuliefern, die ich gesponnen habe, und um mein Spinnrad reparieren zu lassen. Wenn Ihr mir fünf Lire leihen wollt, soviel habt Ihr gewiß, so kann ich vom Pfandverleiher meinen dunklen Rock einlösen und meinen Feiertagsgürtel, den ich zum Brautschatz mitgebracht habe, denn Ihr seht wohl, so kann ich mich weder in der Kirche noch an anderen ehrbaren Orten sehen lassen, und hernach will ich auch immer gerne tun, was Ihr haben wollt.«

»So wahr mir Gott helfe, ich habe sie jetzt nicht bei mir,« sprach der Pfarrer, »aber sei versichert, ehe Sonnabend kommt, will ich sie dir mit Freuden verschafft haben.«

»Ja, wer Euch glaubte!« sprach Belcolore. »Versprechen könnt Ihr alles meisterlich, aber halten tut Ihr nichts. Meint Ihr's mit mir auch so zu machen wie mit der Biliuzza, die mit leerer Hand ausgehen mußte? Das soll Euch bei meiner Treue nicht gelingen; denn sie ist deswegen bös in den Mund der Leute gekommen. Habt Ihr sie nicht bei Euch, so geht hin und holt sie.«

»Ich bitte dich,« sprach der Pfarrer, »schicke mich doch jetzt nicht wieder bis nach Hause. Du siehst, wie gut es steht, niemand ist hier, und wer weiß, wenn ich wiederkomme, finde ich vielleicht jemand bei dir, der uns hindert, und wir können nicht wissen, ob sich eine so günstige Gelegenheit wie diese sobald wieder bieten wird.«

»Meinetwegen«, sprach sie. »Wollt Ihr gehen, so geht, wo nicht, so könnt Ihr lange warten.«

Als der Pfarrer sah, daß er nichts von ihr erhalten würde als salvum me fac, und er wollte es doch sine custodia vollbringen, sprach er: »Höre, du glaubst mir nicht, daß ich dir das Geld bringen werde. Aber ich will dir zur Sicherheit diesen violetten Chorrock hier zum Pfande lassen.«

»Diesen Chorrock?« sprach Belcolore und warf die Nase in die Höhe. »Wieviel ist er denn wert?«

»Was er wert ist?« rief der Pfarrer. »Du mußt wissen, daß es Zweibrückener, vielleicht auch Dreibrückener Tuch ist, ja einige Leute im Dorfe halten es gar für Vierbrückener; und es sind noch nicht vierzehn Tage, wo ich ihn von dem Trödler Lotto für sieben Lire kaufte, und Buglietti, der sich, wie du weißt, auf dergleichen Zeug versteht, hat mir versichert, daß er noch mindestens fünf Soldi mehr wert ist.«

»Das hätt' ich wahrhaftig nicht geglaubt«, sprach Belcolore. »Aber gebt ihn nur erst her.«

Der Pfarrer, bei dem der Bogen aufs höchste gespannt war, zog den Chorrock aus und gab ihn ihr. Sie verwahrte ihn und sagte: »Herr, gehen wir dort in den Schuppen, da kommt kein Mensch hin.« Das taten sie. Und der Pfarrer leckte ihr nicht schlecht das Gesicht ab, machte sie zur Schwägerin des lieben Gottes und vertrieb sich mit ihr eine geraume Weile äußerst vergnüglich die Zeit. Der Pfarrer ging hernach ohne Chorrock im bloßen Rock nach Hause, als wenn er von einer Hochzeit käme. Als er nun anfing nachzurechnen, daß die Endchen Lichter, die er in einem ganzen Jahre zum Opfer bekomme, ihm nicht die Hälfte der fünf Lire einbrächten, fand er, daß er nicht wohlgetan hatte, und es reute ihn seinen Chorrock zum Pfande gelassen zu haben. Er sann daher auf ein Mittel, ihn ohne Zahlung eines Lösegeldes wiederzubekommen, welches ihm auch, weil er ziemlich verschlagen war, nur allzugut gelang. Weil eben am folgenden Tage ein Festtag war, so schickte er einen Knaben aus der Nachbarschaft zu Monna Belcolore und ließ sie bitten, ihm ihren steinernen Mörser zu leihen, weil morgen Binouccio del Poggio und Nuto Buglietti bei ihm essen würden und er ihnen eine gute Suppe vorzusetzen wünsche. Belcolore lieh ihm den Mörser. Als nun der Mittag kam, und der Pfarrer wußte, daß Bentivegno mit seiner Frau zu Tische saß, rief er seinen Meßner und sagte: »Nimm diesen Mörser, trage ihn zu Belcolore und sage ihr: 'Der Herr läßt Euch danken und bitten ihm den Chorrock wiederzuschicken, den er dem Knaben zum Pfand an Euch mitgegeben hat'.«

Der Meßner ging mit dem Mörser hin und fand Belcolore und Bentivegno bei ihrer Mahlzeit, stellte den Mörser hin und sagte, was ihm der Pfarrer befohlen hatte. Als Belcolore hörte, daß er den Chorrock forderte, war sie im Begriff, ihm zu antworten, allein ihr Mann rief mit verdrießlicher Miene: »Was? Nimmst du von dem geistlichen Herrn ein Pfand? Bei Gott, ich habe schier Lust, dir eine derbe Maulschelle zu geben! Geh zum Henker und gib ihn ihm wieder und merke dir's, daß du ihm niemals nein sagst, wenn er etwas von unseren Sachen gebraucht, wenn's auch unser Esel selbst wäre.«

Die Frau stand maulend auf, holte den Chorrock aus ihrem Kasten und gab ihn dem Meßner, indem sie sprach »Bestellt Eurem Herrn von mir, die Belcolore täte ein Gelübde, daß er nimmermehr seine Suppe wieder in ihrem Mörser anrühren solle, weil er ihr diesmal zu viel der Ehre dadurch erwiesen habe.«

Der Meßner brachte dem geistlichen Herrn den Chorrock und sagte ihm, was ihm aufgetragen war. Der Pfarrer lachte und sagte: »Wenn du sie wiedersiehst, so, sage ihr, wenn sie mir ihren Mörser nicht leihen will, so leih ich ihr auch nicht meinen Stößer; so bleiben wir einander nichts schuldig.«

Bentivegno meinte, seine Frau hätte die Worte deswegen gesprochen, weil er ihr einen Verweis gegeben hatte, und machte sich also nichts daraus. Belcolore aber war auf den geistlichen Herrn schlecht zu sprechen und wechselte bis zur Weinlese kein Wort mit ihm. Als ihr aber der Pfarrer drohte, sie geradeswege dem Teufel in den Rachen zu schicken, söhnte sie sich, ins Bockshorn gejagt, mit ihm wieder aus in der Zeit zwischen dem Most und den heißen Kastanien. Sie pflegten sich hernach noch oft miteinander gütlich zu tun, und statt der fünf Lire ließ ihr der Pfarrer ihre Zimbel neu überziehen und ein Glöcklein daran hängen, und damit war sie zufrieden.


 << zurück weiter >>