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Dritter Akt

Das bischöfliche Feldlager.

Saal in einem Kloster. Einfach, getüncht. Nur einzelne Stücke, ein Tisch, ein paar Stühle, ein auffallend großes Kruzifix verraten Reichtum. Ein hoher Ledersessel für den Bischof. In der Mitte der Rückwand führt eine breite, mit einem Vorhang verhängte Tür zu den Privaträumen des Bischofs. Einige Stufen führen zu dieser Türe empor.

Die Mitte des Saals ist frei. Im Drittel rechts befindet sich der Sessel des Bischofs. Zwei hohe Bogenfenster. Tiefe Nischen. Im Drittel links steht vorn ein großer runder Tisch, um ihn herum einige hochlehnige Stühle. Eine breite Türe.

In der Ecke links führt eine schmale steile Steintreppe zu einer kleinen Türe empor.

Die Morgensonne scheint durch die Bogenfenster.

Der Bischof ist beim Frühstück. Diener tragen Schüsseln und Gefäße durch den Raum. Man sieht, daß der Bischof auf eine gute Tafel hält.

Der bischöfliche Sekretär Dr. Melchior sitzt an dem großen, mit Schriftstücken und Büchern bedeckten Tisch und schreibt. Typus des Gelehrten; Brille. In geistlicher Tracht.

Graf Seedorf, der Gesandte des Kurfürsten von Sachsen, steif und hochmütig, geht wartend im Saale hin und her. Er ist weltlich gekleidet. Lutheraner.

Graf Seedorf bleibt an einem der beiden Bogenfenster stehen und blickt hinaus: Das also ist Münster! Mit einem leisen Lachen. Und dort sitzt er, der Schneider Johann! – Aber weshalb brennen sie Feuer auf den Wällen, Dr. Melchior?

Dr. Melchior blickt auf, mit rotem Kopf: Es sind Freudenfeuer, Graf Seedorf. Sie wissen in ihrem Übermut nicht, was sie tun sollen. Ächzt. Ihr habt Euch einen schlimmen Tag ausgewählt zu Eurer Ankunft im bischöflichen Feldlager.

Graf Seedorf. Ich bin glücklich, daß ich nicht gestern eingetroffen bin.

Dr. Melchior. Ja, bei der gebenedeiten Jungfrau, Ihr könnt Euch in der Tat glücklich schätzen.

Graf Seedorf. Der Bischof hat gestern, wenn ich so sagen darf, mit wenig Waffenglück gekämpft.

Dr. Melchior. Es war ein unseliger Tag, Graf Seedorf, erinnert mich nicht daran. So hoffe ich nur, daß die Botschaften, die Ihr vom Kurfürsten von Sachsen bringt, günstig sein mögen und ein Trost für das Herz des Bischofs?

Graf Seedorf. Ich hoffe es, Dr. Melchior. Ich glaube in Aussicht stellen zu können, daß der Kurfürst bald wichtige Entschlüsse fassen wird, um der Sache des Bischofs zu dienen. Luther hat seinen ganzen Einfluß geltend gemacht. Er ist nicht gut auf die Täufer zu sprechen.

Dr. Melchior. Hm!

Graf Seedorf. Sagtet Ihr etwas?

Dr. Melchior. Nichts, nein, wie sollte ich? Ihr seht, ich atme auf, Graf Seedorf.

Graf Seedorf. Es sind allerdings noch gewisse Schwierigkeiten, gewisse, wie soll ich sagen?

Dr. Melchior. Schwierigkeiten?

Graf Seedorf. Es ist dem Kurfürsten zu Ohren gekommen, daß der Bischof beschlossen hat, die evangelische Lehre in Münster mit der Wurzel auszurotten und alle Evangelischen in der Stadt mit dem Schwerte zu richten, einerlei, ob sie wirkliche Täufers seien oder nur Verführte.

Dr. Melchior. Seht mich hier sitzen, Graf Seedorf! Ich rufe Gott zum Zeugen an. Er soll mich augenblicklich vor Euren Augen tot zu Boden strecken, wenn all das nicht bösartige Verleumdung und Lüge ist.

Graf Seedorf. Hätte der Bischof nicht den evangelischen Gesandten Dr. van der Wiek in Iburg enthaupten lassen, so wäre ja der Argwohn der evangelischen Fürsten leichter zu beschwichtigen.

Dr. Melchior windet sich: Da kommt Ihr wieder mit der unseligen Sache! Flüsternd. Seine Fürstliche Gnaden bereuen selbst diese übereilte Handlung. Seine Fürstliche Gnaden haben den evangelischen Fürsten jede Genugtuung angeboten. Ganz im Vertrauen, Graf Seedorf, es ist nur für Euch bestimmt. Stehen die evangelischen Fürsten dem Bischof nicht im Kampfe gegen diese Höllengeister bei, so wird er gezwungen sein, sich mit dem Hofe von Brüssel-Brabant zu verbünden, der Hilfe und Geld anbot. Wie es dann um die evangelische Lehre und evangelischen Prediger im Stift Münster stehen wird, könnt Ihr Euch wohl ausmalen. Die Spanier haben das Stift Lüttich verschluckt und das Land des Herzogs von Geldern. Sie werden auch das Stift Münster verschlingen mit allen Städten, Dörfern, Klöstern und Gemeinden. Bemüht Euch beim Kurfürsten, ich sehe keinen andern Weg mehr. Es geht um das Christentum. Die Täufer sind ebenso Feinde der evangelischen wie der katholischen Kirche.

Graf Seedorf. Wahr, sehr wahr, Doktor!

Dr. Melchior. Wie gut, daß Ihr gekommen seid! Und wir alle sind glücklich, daß der Kurfürst gerade Euch gesandt hat, Graf Seedorf! Wüßte der Kurfürst von Sachsen, Euer milder und erlauchter Herr, welche Gefahr der gesamten Christenheit droht, er würde nicht eine Stunde länger zögern! Er gerät in Eifer. Spitzbuben, Galgenvögel, Zuchthäusler und landfremdes Gesindel – das sind heute die Herren in Münster! Alle Strolche und Taugenichtse des ganzen Landes hat Johann nach Münster gezogen, indem er ihnen Wohnung, Nahrung und Kleidung versprach. Und seine Kriegsknechte bezahlt er mit gestohlenem Golde. Seht her, Wartet. Er kramt in den Papieren. Nicht nur, daß sie – deutet in die Richtung von Münster – die heiligen Sakramente schändeten und ein Sodom aus Münster gemacht haben – es gibt keine Greuel, die sie nicht verüben. Sie lesen Spottmessen in den Kirchen, in greulichen Vermummungen. Sie haben die Kirchengewänder zerschnitten und Wämser für ihre Weiber daraus genäht. Sie haben Gemälde und Bildwerke aus den Kirchen gerissen und verbrannt. Gott, sagen sie, wolle nur im Geiste angebetet werden und alles Bildwerk sei wider Gott. Ei, sie müssen ja wissen, was Gott will, die Galgenstricke! Sie haben sogar die silbernen Särge der Reliquien zertrümmert und eingeschmolzen.

Graf Seedorf. Ist es möglich? Dr. Melchior?

Dr. Melchior. Möglich, Graf Seedorf, was ist bei ihnen nicht möglich? Sie haben die Glocken aus den Gestühlen genommen und daraus Geschütze gegossen. Seht, was sie allein aus der Kapelle von St. Martini geraubt und geplündert haben. Rasch: Zwei silberne Engel, jeder acht Pfund schwer. Zwanzig Kerzenstöcke von Silber, einhundertsiebzig Pfund im Gewicht, im Werte von fünfhundert Gulden.

Graf Seedorf. Fünfhundert Gulden!

Dr. Melchior. Ein silberner Sarg, neun Pfund schwer. Sechs silberne Becken, dreißig silberne und goldene Meßkannen. Vier Chorsängerbücher auf Pergament gemalt und auf dreitausend Kronen geschätzt.

Graf Seedorf. Dreitausend Kronen!

Dr. Melchior. Ein Rauchfaß, sieben Pfund schwer, aus Silber und mit Edelsteinen besetzt. Das Haupt des heiligen Martin, eingefaßt in fünfhundert Lot lauteren Goldes.

Graf Seedorf. Ist es möglich, fünfhundert Lot lauteres Gold!

Dr. Melchior. Das ist nur eine einzige Kapelle, Graf Seedorf! Hier, hier seht die Listen. Ja, da kann man leicht die Kriegsknechte bezahlen! Und wißt ihr, was sie mit der Orgel von St. Ägidi getan haben, die fünfzehntausend Gulden kostete? Wie, wißt Ihr?

Graf Seedorf. Wie sollte ich es wissen?

Dr. Melchior. Sie haben Stricke um die Pfeifen gebunden und die Pfeifen von Pferden herausreißen lassen! Er sinkt erschöpft zurück.

Graf Seedorf lacht.

Dr. Melchior. Und Ihr beliebt zu lachen, Graf Seedorf?

Graf Seedorf. Verzeiht, ich mußte lachen. Denn eine solche Geschichte habe ich in meinem ganzen Leben nicht gehört. Und fünfzehntausend Gulden, sagt Ihr, kostete die Orgel? Das wird den Kurfürsten interessieren.

Dr. Melchior erregt: Aber hört weiter, Graf Seedorf, und vielleicht wird Euch das Lachen vergehen. Wenn Johann Bokelson aus Leyden den Sieg davontragen sollte, dann wird es weder Grafen, noch Barone, noch Junker, noch privilegierte Stände mehr geben.

Graf Seedorf erschrocken: Wie meint Ihr das? Wie soll ich das verstehen?

Johann von Raesfeld, der Kämmerer des Bischofs, kommt aus den bischöflichen Gemächern. In geistlicher Tracht. Er ist dunkel, leidenschaftlich, kränklich, ehrgeizig, gallig. Verächtliche Miene, grausame Augen. Unruhig. Verbeugt sich vor Graf Seedorf mit großer Herzlichkeit und Ehrerbietung: Seine fürstliche Gnaden schätzen sich glücklich, Euer Erlaucht zu begrüßen.

Er geleitet Graf Seedorf zum Vorhang. Verbeugungen. Graf Seedorf ab.

Johann von Raesfeld. Sie sind immer die gleichen, die Freunde Luthers. Kalt und hochmütig. Man weiß nicht, woran man ist. Ich mißtraue den Lutherischen.

Dr. Melchior. Und sie mißtrauen uns!

Johann von Raesfeld. Ich hätte Lust, den Gesandten des Kurfürsten dorthin ans Fenster zu führen und ihm zu sagen: Hier, Euer Erlaucht, betrachtet das Babylon seiner Majestät des Satans! Es ist Euer Werk, das Werk Luthers! Es ist die lutherische Saat, die in Münster so herrlich aufgegangen ist. Ist es wahr, oder ist es eine Lüge, Dr. Melchior: es gibt keine Täufer, die nicht zuvor Lutheraner gewesen sind.

Dr. Melchior. Es ist so wahr, wie das Evangelium selbst!

Johann von Raesfeld. Und nun ist es dahin gekommen, daß wir den lutherischen Ketzern Schmeicheleien ins Maul schmieren und sie bitten müssen, das Feuer löschen zu helfen, das Luther mit seinen Ketzereien entfachte. Er wirft sich in einen Stuhl. Zuweilen ist solch ein Ekel in mir, Dr. Melchior, daß ich mich hinlegen möchte und sterben.

Dr. Melchior. Ihr solltet auf Eure Galle Rücksicht nehmen.

Johann von Raesfeld. Sechshundert Mann und sechzig Hauptleute verloren! Und dazu die Demütigung vor dem ganzen Lande, von diesem Ketzer und Antichrist, diesem Schneidergesellen aus Leyden geschlagen worden zu sein. Habt Ihr gehört, wie sie sangen, die ganze Nacht hindurch, auf den Wällen, Hohn und Spott!

Dr. Melchior. Ich habe nicht ein Auge geschlossen in dieser Nacht.

Johann von Raesfeld erhebt sich wieder, unruhig: Noch jetzt tritt mir der kalte Schweiß auf die Stirn, denke ich daran, was geschehen wäre, wenn Johann, dieser von tausend Teufeln Besessene, auf den Gedanken gekommen wäre, das Lager zu überfallen.

Dr. Melchior. So schlimm stand es, glaubt Ihr?

Johann von Raesfeld. Meister Melchior, der Himmel hat uns beschützt. Hätte Johann den Überfall gewagt: das ganze Lager wäre in seine Hand gefallen. Mit Geschütz, Pulver, Blei, Korn, Vieh! Alles hätte er gewonnen!

Dr. Melchior. Heilige Mutter Gottes!

Johann von Raesfeld. Das Schlimmste hat der Himmel verhütet. Aber doch fürchte ich, die Wirkung unserer Niederlage wird unheilvoll genug sein im ganzen Lande. Die Verwirrung der Geister und Seelen wird sich noch mehren. Alle Unzufriedenen, alle Schwankenden und Schwachen werden sich auf Johanns Seite schlagen. Sagen die Bauern nicht schon, der Stern, der Nachts über Münster steht, sei der Stern Christi? Ich wollte, ich wüßte nichts mehr von dieser Welt.

Ein Offizier tritt ein.

Johann von Raesfeld. Was gibt es Neues, mein Freund? Nichts Gutes, fürchte ich.

Offizier. Die Täufer schicken die bischöfliche Urkunde von Telgte an den Bischof zurück.

Johann von Raesfeld. Was für eine Urkunde?

Dr. Melchior. Laßt sehn! Belustigt. Wahrhaftig, es ist die Urkunde von Telgte. – Ihr wißt – worin der Bischof freies religiöses Bekenntnis in der Stadt Münster verbürgte. Hier ist das Siegel des Bischofs. Hier ist Eure Unterschrift, die Unterschrift des bischöflichen Kanzlers. Hier die meine.

Johann von Raesfeld. Wie kam die Urkunde in Eure Hand?

Offizier. Die Täufer trieben einen mageren Esel ins Lager. Auf den Kopf hatten sie dem Esel, mit Verlaub zu sagen, eine Bischofsmütze gesetzt und an den Schwanz diese Urkunde gebunden.

Dr. Melchior. Wie? Was? Heilige Anna!

Johann von Raesfeld. Was sagt Ihr dazu, Dr. Melchior? Sie wagen es, den Bischof zu verspotten. Wartet, wartet, ihr Elenden! Wir werden dem Bischof diese Büberei verschweigen, um seine Gesundheit zu schonen. Der Bischof sah ohnehin bei der Tafel aus, als habe er drei Tage im Grabe gelegen.

Offizier. Das ganze Münsterland ist in Aufruhr. Die Bauern weigern sich, fernerhin ihre Fuhrwerke zu stellen.

Johann von Raesfeld. Was sagte ich, Dr. Melchior? Ist es so gekommen, wie ich sagte, oder nicht? Schon machen die Bauern den Nacken steif. Greift die ersten sechs Bauern, die euch nahekommen, und laßt sie auspeitschen!

Offizier. Eine Abordnung der bischöflichen Kriegsknechte ist eingetroffen und verlangt die Feldobersten zu sprechen.

Johann von Raesfeld. Was soll das heißen? Ist Rebellion im Lager des Bischofs ausgebrochen? Legt sie in Ketten!

Offizier. Wenn ich sie in Ketten lege, so verläuft sich heute noch das ganze Lager. Sie entlaufen ohnehin in ganzen Haufen. Achtzig Knechte der Stadt Deventer sind heute nacht nach Münster übergegangen.

Johann von Raesfeld streng: Was fordern sie?

Offizier. Sie verlangen den rückständigen Sold. Weiter fordern sie künftig doppelte Löhnung. Wird ihre Forderung nicht bewilligt, so drohen sie, einfach abzuziehen.

Johann von Raesfeld. Herrlich, wunderbar! Soweit ist es gekommen durch die Milde des Bischofs. Die Landsknechte schicken Deputationen und fordern Sold! Früher hätte man ihnen die Köpfe abgeschlagen. Was habe ich geraten, Dr. Melchior? Man kann das Volk nur mit Galgen und Schwert bändigen, die menschlichen Leidenschaften sind zu tierisch. Die Knechte sollen warten, bis die Feldobersten von der Tafel kommen.

Offizier. Ein Weib aus Münster wurde an den Laufgräben gefangengenommen. Sonderbar geschmückt, mit sonderbarem Gebaren. Sie erscheint merkwürdig.

Johann von Raesfeld. Diese münsterischen Weiber sind eine neue Plage geworden. Gott hat es in seiner Weisheit so eingerichtet, daß auf jedes Weib ein Mann trifft. Trifft ein Mann auf drei Weiber, so verlieren alle drei Weiber die Sinne.

Offizier. Wir haben sie in scharfes Verhör genommen. Sie verlangt den Bischof zu sprechen. Sie will ihm wichtige Mitteilungen machen. Aber nur dem Bischof persönlich will sie sich anvertrauen.

Johann von Raesfeld. Sonst hat sie keinen Wunsch? Will sie nicht zur bischöflichen Tafel geladen werden?

Offizier. Sie tut sehr geheimnisvoll. Sie sagt, sie wolle dem Bischof die Schlüssel der Stadt Münster übergeben.

Dr. Melchior. Was sagte sie?

Offizier. So sagte sie.

Johann von Raesfeld. Gut. Schüchtert sie gehörig ein, dann führt sie vor.

Offizier. Ein Bürger aus Münster ist unseren Wachen in die Hand gefallen. Wir haben ihn gestreckt. Er will bekennen.

Johann von Raesfeld. Um so besser für ihn. Weiter!

Offizier. Die Stadt Warendorf hat gestern abend, nachdem sie den Sieg der Täufer vernommen hatte, einen Rat einberufen. Am Morgen schon waren ihre Boten in Münster: der Rat der Stadt Warendorf erklärt sich mit Münster im Bündnis.

Johann von Raesfeld fährt auf: Warendorf? Warendorf im Bündnis mit Münster?

Dr. Melchior. Was sagt Ihr da?

Johann von Raesfeld. Offener Aufruhr im Stift Münster, Dr. Melchior!

Dr. Melchior. Sollte es möglich sein?

Johann von Raesfeld. Marter und Leiden und Wunden und Kreuz und alle Plagen wünschen wir dem Rate der Stadt Warendorf. Sie werden den Schritt bitter bereuen oder ich bin die längste Zeit am Hofe des Bischofs Franz Kämmerer gewesen. – Führt das münsterische Weib vor, oder besser, erst den Bürger. Frauen am Morgen sind für mich wie Spinnen, sie verderben mir den ganzen Tag.

Der Offizier ab.

Johann von Raesfeld setzt sich erschöpft: Auf Schlimmes war ich gefaßt, aber es ist noch schlimmer gekommen. Rebellion, Aufruhr, das Lager in Auflösung, Dr. Melchior! Nur ein Wunder kann noch helfen, Doktor Melchior! Die Sache des Bischofs gefällt mir nicht.

Dr. Melchior. Dazu drohen die Grafen Oldenburg wieder mit dem Einfall wegen der Grenzstreitigkeit.

Johann von Raesfeld. Feinde als Nachbarn und keine Freunde im Reich. Es ist gerade, als ob die Hölle ihren Unflat im münsterischen Lande abladen wolle.

Der gefangene Bürger wird von Knechten die Steintreppe (Ecke links) hinabgestoßen. Er schreit. Wirft sich auf die Knie.

Gefangener Bürger. Gnade, Gnade, ihr Herren. Gelobt sei Jesus Christus!

Johann von Raesfeld. Winsle wie ein Hund, du Fratze eines Christen. Beflecke mit deinen Grimassen nicht diesen Raum. Stehe auf, du Spitzbube und Galgenvogel.

Dr. Melchior. Wie heißt du? Wer bist du?

Gefangener Bürger. Ich heiße, ihr hohen Herrn, Martin Zänglein und bin seit dreißig Jahren Schuhmachermeister in Münster. Mein Laden ist gleich neben dem Prinzipalmarkt. Geht hin, hohe Herren, und überzeugt euch, daß ich die Wahrheit spreche. Ich bin als Schuster bekannt im Münsterland und habe für Grafen und Standesherrn gearbeitet.

Johann von Raesfeld. Hast du schon einen spanischen Stiefel gesehen?

Gefangener Bürger. Holländische und französische Stiefel habe ich gesehen, aber einen spanischen noch nicht, Euer Gnaden.

Johann von Raesfeld. Der spanische Stiefel, mein Sohn, ist aus Eisen. Man steckt deinen Fuß hinein, du Spitzbube, und gießt den Stiefel voll mit geschmolzenem Blei.

Gefangener Bürger. Au, au, Erbarmen, ihr Herrn!

Dr. Melchior. Weshalb hast du Münster nicht im Februar verlassen, als die Täufer alle Bürger, die die Taufe nicht annehmen wollten, aus der Stadt jagten?

Gefangener Bürger. Meine Frau lag auf den Tod krank, Euer Gnaden, sie hatte die Lungensucht. Ich konnte sie nicht im Stiche lassen. Sie ist im Sommer gestorben.

Dr. Melchior. Hast du die Taufe genommen?

Gefangener Bürger. Oh, hoher und edler Herr, sie hustete so schrecklich, daß man glaubte, sie hustet sich die Lunge aus der Brust.

Johann von Raesfeld. Weshalb verließest du nun die Stadt, Schuster?

Gefangener Bürger. Ach, gnädigster Herr, ich konnte alle die Greuel nicht mehr mit ansehen. Meine Ersparnisse haben mir die Täufer abgenommen und mein Leder nahmen sie mir, denn sie sagen, was dem einen gehört, das gehört allen. Und ich mußte für ihre Knechte Schuhe nähen ohne jeden Lohn.

Johann von Raesfeld. Er zittert wie ein Hund, der die Räude hat. Höre, Schuster, kannst du uns gute Auskunft geben, so wollen wir dich der Gnade des Bischofs empfehlen und dir das Leben schenken.

Gefangener Bürger wischt sich mit dem Ärmel den Schweiß aus dem Gesicht: Fragt, Euer Gnaden! Fragt getrost, fragt nur!

Johann von Raesfeld. Ist es wahr, daß Johann heute nacht Apostel aussandte? Wieviel und wohin? Kannst du das sagen?

Gefangener Bürger. Es ist wahr. Man sagte, zwölf Apostel. Wohin sie gingen, das kann ich nicht sagen.

Dr. Melchior. Vielleicht ist der Schuster selbst einer der Apostel Johanns?

Gefangener Bürger. Ich schwöre bei meiner Seligkeit, ich bin kein Apostel.

Johann von Raesfeld lacht: Dies ist das erste Wort, das ich dir glaube. Wie hießen die Apostel, die Johann aussandte?

Gefangener Bürger. Ich weiß es nicht. Nur einen kannte ich. Es war der frühere Mönch Roll.

Johann von Raesfeld wie von einer Nadel gestochen: Roll!?

Dr. Melchior. Roll! War die Schlange wieder in Münster?

Gefangener Bürger. Ich habe ihn deutlich erkannt, Euer Gnaden, ich habe ihm die Sandalen genäht, als er noch die Kutte trug.

Johann von Raesfeld. Man muß sofort Streifen abreiten lassen und Boten senden! – Was weißt du sonst von Münster zu berichten?

Gefangener Bürger. Oh, ihr hohen Herren, Münster ist zu einem verrufenen Haus geworden. Selbst die Sechzehnjährigen müssen jetzt schon ehelichen. In Haufen dringen die Burschen in die Häuser, so daß es großes Wehgeschrei unter den Mägden und Frauen gibt. Es ist Tag und Nacht Zank unter den Weibern und Johann ließ drei Weiber hinrichten. Münster ist solch ein Sodom geworden, daß alle Sittlichkeit zuschanden wurde.

Johann von Raesfeld. Schwätze nicht, Schuster! Sind die Rationen knapp geworden?

Gefangener Bürger. Die Kriegsknechte fressen Münster kahl. Das Korn wird knapp, Euer Gnaden. Die Diakone gehen wieder von Haus zu Haus und schnüffeln nach Korn und Nahrung. Es herrscht überall Unzufriedenheit, und wer nur ein Wort sagt, das den Täufern mißfällt, der wird in den Kerker geworfen, wenn sie ihn nicht töten. Die Täufer selbst aber liegen sich in den Haaren.

Johann von Raesfeld. Die Täufer selbst sind uneinig, sagst du? Munter, Schuster!

Gefangener Bürger. Es gab schon Streit beim Gerichtstag und im Rat. Knipperdolling ist auf Johann neidisch und sammelt seinen Anhang. Knipperdolling sagt, Johann blase sich auf in falschem Stolz, und das tut er, ihr Herren. Er trägt eine Krone, ihr Herren, und ein Zepter, wenn er zu Gericht sitzt. Man sagt, Knipperdolling wolle König werden.

Johann von Raesfeld. Achte jetzt auf meine Frage, Schuster! Spione sind aus der Stadt gekommen und haben berichtet, daß Johann heute einen Ausfall machen will, um das Lager zu stürmen. Überlege dir wohl, was du sagst.

Gefangener Bürger. Ich überlege wohl, Euer Gnaden. Jedes Wort, das ich spreche, ist lautere Wahrheit. Schon seit Pfingsten predigt Johann, daß er ausziehen will, um die Welt zu erobern. Er läßt bereits Säcke nähen.

Johann von Raesfeld. Daß Johann mit dem Auszug prahlt, wissen wir. Aber, hast du Vorbereitungen wahrgenommen, daß er heute einen Ausfall machen will?

Gefangener Bürger. Davon habe ich nichts gesehen und gehört. Ich habe gesehen, daß sie Pech und Kalk auf den Wällen bereitstellen, weil sie glauben, daß die Bischöflichen nochmals stürmen könnten.

Johann von Raesfeld. Das also hast du gesehen, Schuster? Mit eigenen Augen?

Gefangener Bürger. Mit eigenen Augen. Ich sah auch, daß sie die Breschen und Löcher in den Wällen ausbessern.

Johann von Raesfeld atmet auf: Nun gut! – Pack dich jetzt, Schuster! Du hast uns keine Neuigkeiten erzählt. Was du berichtet hast, wußten wir schon lange.

Gefangener Bürger. Euer Gnaden! Voller Angst. Es ist auch ein münsterisches Weib in die Hände der bischöflichen Knechte gefallen. Hütet Euch vor diesem Weib. Sie ist eine Täuferin und geht im Hause Johanns ein und aus.

Johann von Raesfeld stutzt erst, dann: Schrecke uns nicht mit münsterischen Weibern. – Das Leben wollen wir dir schenken –

Gefangener Bürger in ungewisser Freude: Oh, Herr, gnädigster Herr! –

Johann von Raesfeld. Knechte! Nehmt ihn! Gerbt ihm tüchtig das Leder, da er doch ein Schuster ist. Dann treibt ihn mit Peitschen zurück zu den Toren Münsters.

Gefangener Bürger auf den Knien: Johann wird mich in Stücke hauen lassen.

Johann von Raesfeld. Er erspart uns die Arbeit. Fort mit dem Haufen Dreck.

Der Bürger schreit, wird von den Knechten die Treppe hinaufgestoßen.

Der Vorhang der Mitteltüre wird auseinandergenommen. Eine Schar von Würdenträgern und Beamten, teils in weltlicher, teils in geistlicher Tracht, tritt in den unteren Saal. Einige Marschälle und Feldobersten, darunter Meinhard von Hamm. Ferner Graf Seedorf.

Zuletzt erscheint der Bischof.

Der Bischof ist etwa 60 Jahre alt. Sein Gesicht ist staubgrau und ohne jedes Leben. Öffnet er aber die Augen, so funkeln sie. Seine priesterliche Milde ist nur gespielt. Verschlagenheit und Härte brechen zuweilen unvermittelt durch die Maske.

Bischof noch oben: Die Welt geht auf allen vieren, ihr Herren. Die Welt ist aus dem Gleichgewicht geworfen und kann ihre Ruhe nicht wiederfinden. Alles Menschliche neigt sich zu kläglichem Untergang und wir sind fast ohne jegliche Hoffnung.

Franz von Frankreich brandschatzte Rom, der Türke zog gegen die christlichen Völker, Hessen und Württemberg bedrohen den österreichischen Ferdinand, Lübeck liegt im Krieg mit Holstein. In allen Ländern stehen die Kriegshaufen, bereit, über die Grenze zu fallen. Dazu Hungersnot, Pestilenz und englischer Schweiß in vielen Provinzen. Gott züchtigt seine Völker mit mancherlei Geißeln. Steigt herab in den unteren Saal.

In unserem Stift Münster hat der Satan selbst seine Feste aufgeschlagen, mitten im Land, und das arme Volk verführt und geblendet.

Dies sind die Zeiten, ihr Herren, ohne Schlaf und ohne Trost.

Er wird zu seinem Ledersessel geleitet.

Gott ist unser Zeuge, liebe Freunde, daß wir nichts unversucht gelassen haben, um unserem geprüften Lande die Ruhe wiederzugeben. Wir haben keine Opfer gescheut. Siebzigtausend Goldgulden haben wir aus unserer Schatulle bis heute bezahlt und dazu Gelder bei Freunden und Vettern geliehen. Meldet es getrost meinem Vetter, dem Kurfürsten von Sachsen, Graf Seedorf. Wir sind heute so arm, daß wir unsere Knechte und Hauptleute nicht mehr bezahlen können. Unsere Freunde und Vettern, der Erzbischof Hermann von Köln, Herzog Johann von Cleve, Landgraf Philipp von Hessen, Herzog Ernst von Lüneburg, Herzog von Geldern, die Räte der Städte Deventer, Campen und Zwolle haben uns mit Geschütz, Pulver, Knechten und Darlehn unterstützt, so gut sie konnten.

Andere Freunde und Nachbarn freilich ließen uns im Stich, obwohl wir Briefe über Briefe und Sendschreiben über Sendschreiben an sie schickten. An unserm Eifer mangelte es nicht. Aber, leider muß ich es bekennen, die Sache des Reiches und der Christenheit scheint ihnen nicht so wichtig wie Hofhaltung und Hirschjagden. Nun ist unsere Not groß. Aber wir verzagen nicht. Wir setzen unsere Hoffnung in den himmlischen Schirmherrn und unsere Freunde. Sagt es Eurem erlauchten Herrn, dem Kurfürsten, Graf Seedorf.

Graf Seedorf verneigt sich.

Der Bischof zu Meinhard von Hamm: Und nun, unser lieber Feldoberst Meinhard von Hamm, da Ihr Euch mit eigenen Augen von dem Stand der Dinge in Münster überzeugen konntet, wollt Ihr uns Euren Rat wissen lassen.

Meinhard von Hamm. Vor allen Dingen, Eure fürstliche Gnaden, scheint es das Dringendste, das Lager zu beruhigen. Die Kriegsknechte sind unzufrieden, da sie seit vier Wochen keinen Sold erhielten. Können wir auch den Sold nicht ganz bezahlen, so sollte der Knecht doch einen Teil erhalten.

Johann von Raesfeld. Einen Galgen errichtet im Lager, Meinhard!

Der Bischof. Geld! Seht meine Hände. Selbst Siegelringe und Angebinde hoher Freunde und Erbstücke sind längst dahin und verpfändet.

Meinhard von Hamm. Eure fürstliche Gnaden mögen mich ermächtigen, fünftausend Bauern zum Schanzen aufzurufen. Gräben, Palisaden, Wolfsgraben und Blockhäuser sollen Münster so fest umschließen wie ein Ring den Finger. So nützen wir die Zeit, bis wir Kräfte zu einem neuen Angriff gesammelt haben, beschäftigen die Kriegsknechte und erfüllen sie mit Vertrauen und geben allen christlichen Fürsten einen Beweis unserer Ausdauer und Zuversicht.

Bischof. Gut, Meinhard. Nehmt zehntausend Bauern.

Johann von Raesfeld. Eure fürstliche Gnaden mögen eine neue Mahnung an die Lehnsleute und Ritter und Städte des Stifts richten, mit allem, was sie haben an Pferden, Reisigen, Waffen, Wagen sich im Lager einzufinden.

Bischof. Es soll eine letzte Mahnung sein. Wer ihr nicht nachkommt, dem soll unsere Gnade entzogen werden für immer.

Johann von Raesfeld mit Schärfe: Eure fürstliche Gnaden mögen befehlen, daß die Stadt Warendorf augenblicklich mit Krieg überzogen wird.

Bischof. Die Stadt Warendorf?

Johann von Raesfeld. Der Rat der Stadt Warendorf hat ein Bündnis mit Münster geschlossen.

Erregung.

Stimmen. Der Rat von Warendorf? Warendorf? Aufruhr!

Der Bischof nach einer Pause, mit großer Ruhe, während seine Augen funkeln: Nehmt zweihundert Reiter, Graf von Schaumburg, oder dreihundert, wenn Ihr es für gut haltet! Nehmt Geschütz. Brecht unverzüglich auf, fallt wie der Wolf über die Stadt Warendorf her, die es gewagt hat, offen gegen uns aufzustehen. Straft die Schuldigen mit dem Schwert. Die Stadt aber steckt an vier Ecken in Brand. Noch heute soll Münster seinen Bundesgenossen in Flammen sehen!

Er gibt ein Zeichen und die Offiziere und Graf Seedorf entfernen sich. Nur die nächste Umgebung des Bischofs bleibt zurück.

Während der Bischof den letzten Befehl gab, wurde Hille Feiken von dem Offizier und zwei Knechten auf die Treppe in der Ecke links geführt. Sie ist herausgeputzt, feierlich, trägt goldene Ketten, eine weiße runde Kopfbedeckung. In der Hand trägt sie einen Sack.

Johann von Raesfeld. Wartet!

Bischof hat Hille Feiken sofort gesehen und voller Verwunderung betrachtet: Wer ist dieses Weib dort?

Johann von Raesfeld. Eine Bürgerin aus Münster. Sie fiel den Wachen heute morgen in die Hände.

Dr. Melchior. Sie will Aussagen machen. Etwas leiser zum Bischof. Sie versprach, Euer fürstlichen Gnaden die Schlüssel der Stadt Münster in die Hand zu spielen.

Bischof. Tritt näher, meine Tochter. Wer bist du?

Hille tritt mit dem Lächeln einer Nachtwandlerin näher. Kniet: Ich bin eine unwürdige Magd des Herrn.

Bischof. Erhebe dich, meine Tochter. Was treibt dich zu mir? Was willst du?

Hille erhebt sich. Ihr Gesicht leuchtet.

Dr. Melchior. Das ist ja Hille Feiken, die Hofbäuerin aus Hasselburg im Friesischen?

Hille befangen: Ihr kennt mich, Herr?

Dr. Melchior. Ich sollte dich nicht kennen? Habe ich doch zwei Jahre in der Bibliothek des Grafen von Hasselburg gearbeitet. Du hattest den großen Hof am See. Fünfzig Stück Vieh, der reichste Hof in Hasselburg. Hast du den Hof verlassen?

Hille. Ich habe den Hof nicht mehr.

Dr. Melchior. Nicht mehr? Was hast du damit getan?

Hille. Ich habe ihn den Armen gegeben.

Johann von Raesfeld betrachtet Hille Feiken argwöhnisch und streng: Was trieb dich zu den Täufern nach Münster?

Hille Feiken. Die Not meines Herzens, Herr. Es kam ein Ruf aus der Finsternis und befahl mir, nach Münster zu gehen. So tat ich es.

Bischof. Du hast Münster verlassen und bist ins Lager gekommen. Was bewegte dich dazu?

Hille Feiken. Ich wollte zu dir, Bischof.

Bischof. So sprich, meine Tochter, was willst du von mir?

Johann von Raesfeld. Gehörst du zur Sekte der Täufer? Hast du die zweite Taufe angenommen?

Hille Feiken. Ich gehöre zur Brüderschaft der Täufer. Ich bin als Katholikin geboren, aber ich ging zu den Täufern, denn ihre Lehre ist die reine Lehre Christi.

Johann von Raesfeld. Du kennst die Gesetze gegen die Täufer?

Hille Feiken. Ich fürchte keine weltliche Obrigkeit. Aber mit dir will ich nicht sprechen, ich will mit dem Bischof sprechen. Und mit ihm ganz allein. Verführerisch. Sende deine Diener hinweg, Bischof, damit ich mit dir allein sprechen kann. Ich will dir die Stadt Bethulia in die Hand geben, so daß du nicht einen Mann verlierst.

Bischof. Du sagst Stadt Bethulia? Seit wann nennt ihr Münster Bethulia? Bisher nannten die Täufer sie Zion und Neues Jerusalem. Aber Bethulia?

Hille Feiken. Wir nennen sie auch zuweilen Bethulia, weil sie belagert ist, wie Bethulia, die Stadt Judiths, belagert war.

Johann von Raesfeld flüstert argwöhnisch mit Dr. Melchior.

Bischof. Sprich getrost, als ob wir allein wären. Niemand wird dich unterbrechen.

Hille Feiken. Deine Magd bittet dich nochmals, Bischof, allein mit dir sprechen zu dürfen. Denn Gott hat mir befohlen, nur dir allein das zu sagen, was ich sagen muß.

Bischof. Zieht Euch zurück, Ihr Herren.

Johann von Raesfeld. Wir ziehen uns zurück, aber wir werden den Saal nicht verlassen.

Bischof. Und nun sprich, Hille Feiken.

Hille Feiken überwindet sich nach einigem Zögern: Höre deine Magd an, Bischof. Wirst du tun, was ich dir sage, so wird dir Gott den Sieg geben. Denn Gott ist erzürnt über unsere Sünden und hat durch seine Propheten verkünden lassen, er wolle das Volk strafen um seiner Sünde willen.

Bischof. Beginnt die Einkehr in Münster?

Hille Feiken geht immer näher: Die Furcht ist über sie gekommen. Dazu leiden sie Hunger und müssen vor Durst verschmachten. Sie haben ihr Vieh geschlachtet und sie wissen, daß sie umkommen müssen, weil sie voller Sünde sind. Und weil ich das weiß, Bischof, bin ich von ihnen geflohen, und der Herr hat mich zu dir gesandt, daß ich dir solches anzeige. Sie stockt.

Bischof. Sprich getrost, so sonderbar deine Rede auch klingt.

Hille Feiken, ihr Gesicht leuchtet, ihr Auge ist verzückt: Und deine Magd wird hinausgehen und Gott anbeten. Der wird mir offenbaren, wann er ihnen ihren Lohn geben will für ihre Sünde. So will ich dann kommen und dir’s anzeigen – und dich mitten durch Jerusalem führen – daß du alles Volk Israels habest wie Schafe, die keine Hirten haben und wird nicht ein Hund dich dürfen anbellen ... Sie ist nun ganz nahe.

Bischof ist unruhig: Deine Rede wird wirrer und wirrer.

Hille Feiken mit einem verführerischen Lächeln: Denn deine Weisheit ist hochberühmt in aller Welt und jedermann weiß, daß du der gewaltigste Fürst bist im ganzen Königreich.

Bischof hebt die Hand: Ich verstehe das Weib nicht mehr. Sie redet im Fieber.

Johann von Raesfeld tritt vor: Aber ich verstehe sie. Packt Hille rasch an. Was willst du mit dem Sack? Was hast du in dem Sack?

Hille verwirrt und erschrocken: Ich habe nichts in dem Sack. Glaubt mir! Ich habe ein Stück Brot in dem Sack. Aber nicht mit dir will ich sprechen. Nur mit dem Bischof.

Johann von Raesfeld nimmt ihr den Sack ab und nimmt ein Stück Brot heraus: Weshalb Brot?

Hille Feiken. Wenn mich hungern sollte!

Johann von Raesfeld greift in ihren Ärmel und zieht einen Dolch heraus: Und was hast du hier?

Erstaunen. Der Bischof sinkt zurück.

Johann von Raesfeld. Was hast du hier?

Hille Feiken tut naiv erstaunt: Ei, weshalb seht Ihr mich mit so bösen Augen an, Herr? Ich bin eine einfache Bäuerin und ohne Arg.

Johann von Raesfeld. Weshalb hast du diesen Dolch mit dir?

Hille unsicher: Um das Brot zu schneiden, nahm ich ein Messer mit mir.

Johann von Raesfeld. Du lügst! Jetzt lügst du!

Hille. Ich nahm das Messer mit mir, ich dachte, eure Knechte könnten sich an mir versündigen wollen.

Johann von Raesfeld. Du lügst! Du lügst! Soll ich es dir sagen?

Hille Feiken zitternd: Ich bin Witwe und ich habe geschworen, daß kein Mann mich mehr antasten soll. Aus diesem Grunde habe ich den Dolch mitgenommen.

Johann von Raesfeld. Du lügst!

Dr. Melchior. Gib der Wahrheit die Ehre, Hille Feiken. Du warst immer eine gottesfürchtige Frau, die alle schätzten.

Johann von Raesfeld. Knechte! Nehmt sie! Streckt sie, bis sie bekennt!

Hille Feiken zitternd: Ich bekenne! Ich bekenne alles!

Johann von Raesfeld. Nun überkommt dich die Angst, seht an!

Hille Feiken. Ich bekenne um der Wahrheit und der Ehre Gottes willen.

Bischof. Was ist das? Sprich, meine Tochter, ich verstehe nichts mehr.

Hille Feiken. Der dort fragte, wozu ich den Sack und den Dolch mitgebracht habe? Ich habe Lügen vorgebracht. – Gott hat mir befohlen, ins Lager zu gehen, zu dir, Bischof –

Johann von Raesfeld. Der Satan hat es dir befohlen.

Bischof. Laßt sie sprechen!

Hille Feiken. So wie Judith ins Lager des Holofernes ging. – Sie sieht alle an. Der Sack, Bischof – in diesem Sack, Bischof, wollte ich dein Haupt an die Tore Münsters bringen, so wie Judith das Haupt des Holofernes an die Tore von Bethulia zurückgebracht hat.

Schweigen. Schrecken und Bestürzung in den Mienen. Der Bischof hat sich bleich erhoben.

Hille senkt das Haupt: Gott hat mich nicht für würdig befunden. Er hat seine Hand von mir genommen.

Stille.

Bischof ruhig: Übergebt sie dem Profosen!

Hille Feiken wird abgeführt. Sie sträubt sich nicht, ist in ihr Schicksal ergeben.

Hille auf der Treppe: Gott hat mich um meiner Sünden willen nicht für würdig befunden. Du, Bischof, hast die Gewalt! Ich zürne dir nicht, denn Christus hat befohlen, unsere Feinde zu lieben. Wenn du einst eingehen wirst in das ewige Reich, so wird Hille Feiken für dich beten, Bischof, denn auch du bist ein sündiger Mensch. Und solltest du in die Verdammnis kommen, so wird Hille Feiken zu dir in die Verdammnis hinabsteigen, um dir die Lippen zu netzen ... Weshalb schweigst du, Bischof? Wir sehen uns wieder. Du weißt es.

Johann von Raesfeld. Führt sie hinaus!

Hille wird abgeführt.

Stille.

Alle gehen, bis auf den Bischof, Dr. Melchior und Johann von Raesfeld.

Der Bischof sitzt regungslos.

Bischof hart: Man soll einen Pfahl vor den Wällen von Münster aufrichten. Darauf setze man ihren Kopf. Heute Nacht – damit sie ihn am Morgen sehen sollen. – Unsre Langmut ist zu Ende. Wir lassen unser nicht länger spotten ...

Stille.

Bischof erhebt sich. Er erscheint sehr müde: Mit wem kämpfe ich hier, ihr Herren? Er blickt niemand mehr an.

Johann von Raesfeld. Mit dem Satan! Dem leibhaftigen Satan!

Bischof. So wollen wir unsere Anstrengungen verdoppeln! Laßt ein Rundschreiben ergehen an all unsere Klöster, Stifte, Kapellen, Kirchen, Abteien. Alles was Silber oder Gold ist oder edles Gestein trägt: Monstranzen, Kelche, Kessel, Kreuze, Ringe, alles soll unverzüglich ausgeliefert, eingeschmolzen und verkauft werden.

Dr. Melchior. Euer fürstliche Gnaden, es wird Unruhe geben im Lande.

Bischof. So werden wir Graf Schaumburg mit seinen Reitern hinschicken! Wir werden fortan unerbittlich sein. Sind die Sendschreiben an die evangelischen Fürsten und freien Städte vorbereitet?

Dr. Melchior. Sie liegen bereit.

Bischof. Vernichtet sie. Entwerft neue. Wir haben dringlich geschrieben – wir müssen schreiben wie sengendes Eisen! Das Jüngste Gericht steht am Himmel! Er geht einige Schritte, bleibt stehen. Besser noch, Freund Raesfeld: wir werden uns persönlich zu den Fürsten begeben. Bereitet alles zur Reise vor. Wie Bettler werden wir vor allen Residenzen anhalten. Wir werden bemüht sein, einen Landtag zusammenzurufen. Niemand sieht, ihr Herren, daß die rote Hölle in Münster aus der Erde schlägt. Was soll geschehen, wenn Johann triumphiert? Die Welt wird sich in ein Meer von Blut verwandeln, in dem die Kirche und die Christenheit und alle Ordnung versinken. Geht zu den Stufen.

Johann von Raesfeld. Wollen Euer fürstliche Gnaden das neueste von Münster sehen? So belieben Euer fürstliche Gnaden durch das Fenster zu blicken. Die Turmspitze von St. Ägidi ist verschwunden! Die Täufer tragen die Spitzen der Türme ab. Sie sagen: was hoch ist, soll erniedrigt werden.

Bischof blickt auf: Ihr Herren! Mein Leben war sündhaft, aber doch glaube ich, soviel Gutes gewirkt zu haben, um der Ruhe im Grabe gewiß zu sein. Mit feierlicher Stimme. Aber, ihr Herren: Ich soll ruhelos sein im Grabe bis zum jüngsten Tage – so ich diesen Platz verlasse, bevor Münster gefallen ist! Er ist oben an der Treppe angelangt. Seine Augen funkeln. Ich will Münster dem Satan aus den Klauen reißen und sollte ich lebendigen Leibes dabei verbrennen! So wahr mir Gott helfe! Er geht. Die beiden verneigen sich tief.

Dr. Melchior schlägt das Kreuz: So habe ich unseren fürstlichen Herrn noch nie gesehen.

Johann von Raesfeld mit einem bösen Lachen: Nun soll er sich wohl in acht nehmen, der König Johann!

Vorhang.


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