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Zweites Kapitel.
Die Owensche Periode.

1. Robert Owen.

Robert Owens Experimente und Lehren auf sozialem Gebiete haben in der älteren Geschichte des amerikanischen Sozialismus eine bedeutende Rolle gespielt. Eine kurze Skizze seines Lebens und seiner Theorien ist für das richtige Verständnis jener Periode der Bewegung notwendig.

Robert Owen wurde am 14. Mai 1771 in dem schottischen Dorse Newtown als das siebte Kind ehrenwerter, aber verarmter Eltern geboren.

Er empfing eine ziemlich lückenhafte Volksschulbildung und wurde im jugendlichen Alter von elf Jahren zu einem Londoner Kaufmann in die Lehre getan. Schon damals legte der Knabe in auffallendem Maße jene Eigenschaften an den Tag, die ihn im späteren Leben zu einer führenden Persönlichkeit in zwei Weltteilen machten: ein außergewöhnliches Organisationstalent, unermüdlichen Fleiß und einen scharfen analytischen Verstand, verbunden mit tiefem Mitgefühl, vorzüglicher Menschenkenntnis, Mut und einer unveränderlich vornehmen Liebenswürdigkeit.

In seiner beruflichen Laufbahn war er außerordentlich erfolgreich. In wenigen Jahren rückte er vom untergeordneten Handlungsgehilfen in dem Laden eines Londoner Kaufmanns zu einer sehr verantwortlichen Stellung bei einem der ersten Handelshäuser von Manchester auf.

Im Alter von neunzehn Jahren wurde er von einem gewissen Drinkwater zur Leitung einer Spinnerei in Manchester angestellt, in der ungefähr 500 Arbeiter beschäftigt waren. Die Art und Weise, wie er seine Anstellung aufgab, ist für ihn sehr charakteristisch.

Mr. Drinkwater hatte sich nach einer kurzen Probezeit schriftlich verpflichtet, Owen für die Dauer von drei Jahren anzustellen und nach Ablauf dieser Frist zum Teilhaber in seinem Geschäfte zu machen.

Inzwischen wurde dem Spinnereibesitzer in Manchester von einem wohlhabenden und einflußreichen Kaufmann eine Teilhaberschaft unter sehr vorteilhaften Bedingungen angeboten. Der mit Owen abgeschlossene Vertrag war das einzige der Abmachung entgegenstehende Hindernis, und Mr. Drinkwater beschloß, sich davon zu befreien, koste es, was es wolle. Er lud Owen in sein Bureau, setzte dem jungen Geschäftsführer die Sachlage auseinander und fragte, unter welchen Bedingungen er das Übereinkommen lösen würde. Zugleich bot er ihm eine Stellung unter der neuen Leitung an mit jedem Gehalte, das er nur nennen würde. Owen, der den Zweck der Unterredung geahnt hatte und mit seinem geschriebenen Kontrakt bewaffnet erschienen war, übergab diesen unverzüglich den Flammen. Während er ruhig zusah, wie das wertvolle Dokument zu Asche zerfiel, erklärte er, er hätte kein Verlangen, sich mit Leuten, die ihn nicht wollten, zu assoziieren, und könnte unter keiner Bedingung in den Diensten Mr. Drinkwaters bleiben.

Kurz nach diesem Vorfall erwarb er einen Anteil an der Charlton Twist Company, die durch seine Bemühungen zu großer Blüte gedieh.

Obwohl Owen von seiner beruflichen Tätigkeit vollauf in Anspruch genommen wurde, vernachlässigte er doch das Studium der sozialen Erscheinungen nicht und war schon damals zu der Überzeugung gelangt, die in der Folge all sein Tun leitete und tatsächlich seinen ganzen Lebensgang bestimmte, daß der Mensch das Geschöpf der ihn umgebenden Verhältnisse sei, daß sein Charakter nicht von ihm, sondern für ihn gemacht werde.

»Der Mensch wird ein wilder, grausamer Barbar, ein Kannibale, oder ein hochzivilisiertes und gütiges Wesen, je nach den Verhältnissen, in die er von Geburt an versetzt ist«; so urteilte er, und der logische Schluß dieses Gedankenganges war, daß der einzige Weg, um den Charakter des Menschen und seine Gewohnheiten zu veredeln, die Verbesserung seiner Lebensbedingungen sei.

Er begann, eine Probe auf die praktische Anwendung dieser Theorie mit der Behandlung der 500 Arbeiter in Manchester zu machen, die seiner Fürsorge anvertraut waren, aber der plötzliche Abbruch seiner Verbindungen mit Mr. Drinkwater beendete das Experiment, ehe es positive Resultate aufweisen konnte.

Owen sehnte sich nach einem größeren Wirkungskreis und fand ihn anfangs des Jahres 1800 in dem schottischen Dorfe New Lanark.

Die New Lanark-Werke waren im Jahre 1784 an den Fällen des Clyde von Mr. David Dale und Sir Richard Arkwright, dem berühmten Erfinder, gegründet worden.

Im Jahre 1799 bestand das Dorf aus nahezu 2500 Fabrikarbeitern mit ihren Familien, und Mr. Dale war der alleinige Eigentümer. Das Dorf hatte das typische Aussehen einer Fabrikniederlassung der damaligen Zeit. Ungefähr 500 der Beschäftigten waren Kinder, die aus den wohltätigen Stiftungen Edinburgs stammten; sie wurden in einem großen kasernenartigen Gebäude, das zu diesem Zwecke errichtet worden war, beherbergt und beköstigt. Sie wurden nicht selten im Alter von sechs Jahren in die Fabrik geschickt und ihre Arbeitszeit dauerte von 6 Uhr morgens bis 7 Uhr abends. Diejenigen von ihnen, die am Leben blieben, entarteten und verkümmerten natürlich körperlich, geistig und sittlich. Die Arbeit war so schwer und der Lohn so gering, daß nur die niedrigste Klasse erwachsener Arbeiter in den Fabriken Arbeit nehmen wollte. Das Dorf war schmutzig, die Bevölkerung der Roheit, Trunksucht, Dieberei und geschlechtlichen Ausschweifungen ergeben und steckte tief in Schulden bei dem kleinen Dorfwucherer, beim Schenkwirt und Krämer.

So sah New Lanark aus, als Owen mit einigen Geschäftsteilhabern die Fabriken, das Dorf und alles, was dazu gehörte, von Mr. Dale für 60 000 Pfund kaufte.

Als an Ort und Stelle wohnender Direktor hatte Owen das Recht, solche Reformen einzuführen, wie er für angemessen hielt. Er machte sich sofort an die Riesenaufgabe, das Dorf neu zu gestalten. Eine seiner ersten Handlungen war es, die Dorfkrämer auszuweisen, welche den Arbeitern minderwertige Waren zu übertriebenen Preisen zu verkaufen pflegten, und an deren Stelle bessere Läden einzurichten, wo alle Waren zum Selbstkostenpreise abgegeben wurden. Die Branntweinbrennereien und Schenken wurden an den Saum des Dorfes verlegt, die Straßen wurden gereinigt und die alten Höhlen durch bequeme Wohnhäuser ersetzt.

Er beschloß, keine Armenkinder mehr aufzunehmen, und löste die von Mr. Dale mit den Kirchspielen abgeschlossenen Verträge.

Für die Kinder seiner Arbeiter gründete er eine Musterschule und schuf für alle Bewohner von New Lanark Gelegenheit, sich zu bilden.

Getreu seiner Theorie schaffte er alle Strafsysteme für pflichtvergessene Arbeiter ab, indem er ihre Pflichtversäumnis durch freundliche Ermahnung abzustellen suchte. Schließlich verkürzte er, um seinen Reformen die Krone aufzusetzen, freiwillig die Arbeitszeit und erhöhte die Löhne.

Jeder Schritt seiner Reformen war von Schwierigkeiten begleitet. Die Inspektoren der verschiedenen Abteilungen der Fabrik betrachteten ihn als einen gefährlichen Sonderling und hinderten seine Pläne, wo immer möglich. Was noch schlimmer war, die Arbeiter standen seinen Reformen keineswegs freundlich gegenüber: Jahre unbarmherziger Aussaugung hatten sie mißtrauisch gemacht, so daß sie hinter jeder von Owens neuen Maßnahmen eine feindliche Absicht witterten.

Im Jahre 1806 brach eine Krisis in der englischen Baumwollindustrie infolge einer Sperre aus, welche die Vereinigten Staaten über den Export von Rohmaterial verhängt hatten. Die Tätigkeit aller Baumwollfabriken im Vereinigten Königreich wurde lahmgelegt; Tausende von Arbeitern wurden arbeitslos und dem Hunger ausgeliefert.

Owen behielt alle seine Arbeiter im Dienste und zahlte ihnen, obgleich vier Monate lang nicht gearbeitet wurde, ihre vollen Löhne, die die Summe von 7000 Pfund erreichten.

Dieses edelmütige Verhalten überzeugte endlich die Fabrikarbeiter von den ehrlichen Absichten Owens. Fortan schenkten sie ihrem Arbeitgeber volles Vertrauen und arbeiteten eifrig mit ihm zusammen bei all seinen Reformmaßnahmen.

Nun entstand aber ein anderes Hindernis. Solange infolge der von Owen eingeführten Reformen keine Verminderung der Geschäftsprofite drohte, mischten sich seine Teilhaber nicht hinein; als er aber einige Neuerungen vorschlug, die den Bau und die Unterhaltung einer kostspieligen Schule samt Kindergarten einschlossen, da widersetzten sie sich und erklärten rundheraus, sie hätten sich mit ihm verbunden, um Geschäfte zu machen, nicht um Philanthropie zu treiben.

Infolge dieser Meinungsverschiedenheiten mußte Owen zweimal seine Teilhaberschaft wechseln und lies im Jahre 1813 Gefahr, durch die Majorität der Aktionäre des Unternehmens gänzlich von der Leitung New Lanarks ausgeschlossen zu werden.

Aber der erfindungsreiche Philanthrop und Fabrikant war der Lage gewachsen. Er entwarf eine Skizze der New Lanark-Werke, seiner humanitären Pläne in Verbindung mit diesen Werken und der Schwierigkeiten, die er mit seinen Teilhabern hatte. Diese Skizze veröffentlichte er in beschränkter Auflage zur vertraulichen Verbreitung unter wohlgesinnten Kapitalisten, mit dem Erfolg, daß binnen kurzem sieben wohlhabende Männer, darunter der berühmte Rechtsgelehrte Jeremias Bentham, ihre Bereitwilligkeit aussprachen, große Geldsummen in den New Lanark-Werken anzulegen. Aller Reingewinn über fünf Prozent von ihren Einlagen sollte philanthropischen Zwecken zugewendet werden.

Mit den Kapitalien, die sich Owen auf diese Weise gesichert hatte, kaufte er seine Teilhaber aus und hatte nunmehr bei der Durchführung seiner Lieblingsreformen gänzlich freie Hand. In einem Menschenalter war New Lanark nicht mehr wieder zu erkennen. Das ehemals elende Dorf mit einer entarteten Bevölkerung war eine Mustersiedlung gesunder, schöner und glücklicher Männer und Frauen und ein Gegenstand der Bewunderung für Tausende von Besuchern geworden, die jedes Jahr zu seiner Besichtigung kamen.

Der Ruhm von Owens Erfolgen drang in alle zivilisierte Länder. Zu seinen Bewunderern zählten Herrscher, Prinzen, Staatsmänner und hervorragende Leute aus allen Lebenskreisen, und es gab eine Zeit, in der er eine der volkstümlichsten Personen in Europa war.

Owen war aber mit den Erfolgen, die er erreicht hatte, nicht zufrieden. Die glänzenden Erfolge in New Lanark hatten seinen Glauben an die Theorie gefestigt, daß der Mensch das Produkt der ihn umgebenden Verhältnisse sei. Er kam nunmehr zu dem letzten logischen Schluß aus dieser Theorie, daß ein gleicher Grad der Sittlichkeit und des Glückes die Gleichheit aller materiellen Lebensbedingungen voraussetzte. Owen hatte sich von einem Philanthropen zu einem ausgewachsenen Kommunisten entwickelt.

Dieser Umschwung in seinen Ansichten brachte das Verlangen nach Erweiterung seines Wirkungskreises mit sich. New Lanark war für ihn zu eng geworden; er sehnte sich danach, der gesamten arbeitenden Klasse zu helfen. So wurde der Rest seines Lebens der Propaganda seiner Ideen in allen denkbaren Formen geweiht.

Frühzeitig erkannte er die Bedeutung der Fabrikgesetzgebung und entwarf viele Maßregeln zur Unterstützung und zum Schutze der Fabrikarbeiter, von denen einige dank seiner Bemühungen vom Parlament angenommen wurden.

Im Jahre 1817 wurde Owen von dem »Ausschuß der Gesellschaft zur Erleichterung der Lage der armen Fabrik- und sonstigen Arbeiter« eingeladen, seine Ansichten über die Ursachen der wachsenden Armut darzulegen und Hilfsmaßnahmen vorzuschlagen. In seinem Bericht an den Ausschuß entwickelte er die Ansicht, daß unter einem System der freien Konkurrenz die Zunahme der Produktivität der Arbeit unvermeidlich zur Verschlimmerung der Lage der arbeitenden Klasse führen müsse. Die Einführung verbesserter Maschinen werfe Tausende von Arbeitern aus ihren Stellungen und verursache dadurch einen verzweifelten Wettbewerb um den bloßen Lebensunterhalt, der die Lebenshaltung des Arbeiters noch tiefer hinabdrücke. Zeitweilige Maßregeln könnten dieser beklagenswerten, doch notwendigen Begleiterscheinung der industriellen Entwicklung keinen Einhalt tun.

Als Lösung des Problems schlug Owen die Errichtung industrieller Gemeinden auf der Grundlage genossenschaftlicher Arbeit vor. Die Gemeinden sollten aus 500 bis 1500 Personen bestehen, die alles zum Leben Nötige selbst produzieren würden. Die Mitglieder sollten in großen, von Gärten umgebenen Häusern wohnen; die Industrie sollte in großem Maßstabe von den Männern betrieben werden, während die Frauen die Hausarbeiten besorgen und sich der Erziehung der Kinder widmen.

Der Entwurf wurde von dem Ausschuß als zu radikal abgelehnt; Owen aber, keineswegs entmutigt, setzte seine Propaganda in öffentlichen Versammlungen und durch private Agitation fort.

Als richtiger Utopist wandte er sich an das Wohlwollen der Reichen und Mächtigen und unterbreitete seine Pläne sogar dem Zar Nikolaus von Rußland und dem Aachener Fürstenkongreß von 1818, natürlich mit keinem besseren Erfolge, als er bei dem Ausschusse erzielt hatte.

Schließlich entschied sich Owen dazu, den Versuch mit seinen eigenen Hilfsmitteln zu machen und harrte begierig auf eine günstige Gelegenheit. Als er im Jahre 1824 erfuhr, daß die Rappistenniederlassung in Indiana zum Verkaufe stand, war er schnell entschlossen. Er kaufte die Siedlung mit aller Zubehörde und segelte nach Amerika, um persönlich den Versuch zu leiten.

Die mannigfachen Schicksale der Gemeinden, die von Owen und seinen Nachfolgern in den Vereinigten Staaten gegründet wurden, finden auf den folgenden Blättern ihre besondere Darstellung.

Diese Versuche haben die öffentliche Aufmerksamkeit in solchem Maße auf sich gelenkt, daß die andere Seite der Tätigkeit Owens in Amerika, seine persönliche Propaganda für die Theorien des Kommunismus, nur zu oft gänzlich übersehen wird. Und doch hat diese Propaganda einen mächtigen Einfluß auf viele seiner Zeitgenossen geübt.

Nach seiner ersten Ankunft in den Vereinigten Staaten stellte er sorgsam ausgearbeitete Modelle der von ihm vorgeschlagenen Gemeinden aus und hielt in vielen großen amerikanischen Städten Vorträge über seinen Lieblingsgegenstand, für die er zahlreiche aufmerksame Hörer unter den intelligentesten Klassen der Bürgerschaft fand.

In Washington hielt er mehrere Vorträge im Repräsentantenhause vor dem Präsidenten, dem Präsidentennachfolger, allen Richtern des obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten und einer großen Zahl von Senatoren und Kongreßmitgliedern.

Nach dem Mißerfolg von New-Harmony besuchte Owen noch dreimal die Vereinigten Staaten. Jeder dieser Besuche galt der Propaganda für den Sozialismus. Im Jahre 1845 berief er einen internationalen Sozialistenkongreß nach New York, der aber ganz bedeutungslos blieb. Im Jahre 1846 finden wir ihn in Albany, wo er der konstitutionellen Versammlung von New York seine Theorie von der Bildung des menschlichen Charakters auseinandersetzte.

Verschiedene Owensche Gemeinden wurden in den zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts ebenfalls in verschiedenen Teilen Englands, Schottlands und Irlands gegründet; doch hatten sie keine größeren Erfolge aufzuweisen als in Amerika.

Das Mißlingen seiner kommunistischen Experimente entmutigte den unbezwingbaren Reformer nicht. Im Jahre 1832 finden wir ihn voll Enthusiasmus mit einem neuen Unternehmen, den »gerechten Arbeitsaustauschbanken« ( Equitable Banks of Labor Exchange) beschäftigt. »Die Menge menschlicher Durchschnittsarbeit, die in einer Ware enthalten ist, bestimmt den Wert dieser Ware«, erklärt Owen, »daher wird, wenn alle Waren nach diesem Maßstab vom Produzenten bewertet und getauscht werden, der Kapitalist in der Industrie und im Handel keinen Platz haben, das heißt der Arbeiter wird sein ganzes Arbeitsprodukt behalten.«

Um diese Idee zu verwirklichen, wurde die »gerechte Arbeitsaustauschbank« in London nach dem folgenden Plane gegründet. Jeder Produzent einer nützlichen Ware konnte dieselbe zu dem mit der Bank verbundenen »Basar« bringen und erhielt dafür von der Bank ausgegebene Noten, die den Wert der in seiner Ware enthaltenen Arbeitsstunden vorstellten. Mit diesen Noten konnte deren Besitzer andere im Basar befindliche Waren kaufen, die ebenfalls nach der zu ihrer Produktion aufgewendeten Arbeitsmenge bewertet waren.

Die Schwäche des Planes bestand darin, daß die Bank sich ausschließlich mit dem Austausch von Waren beschäftigte und nicht den geringsten Versuch zur Regelung ihrer Produktion machte. Alles, was in den Basar gebracht wurde, wurde ohne Rücksicht auf die tatsächliche Nachfrage danach angenommen. Die Folge davon war, daß nach kurzer Zeit alle nützlichen Waren aus dem Umlauf verschwanden und der Basar mit Waren angefüllt war, nach denen niemand fragte.

Die »gerechte Arbeitsaustauschbank« stellte ihren Betrieb ein, und ihr Gründer verlor ein Vermögen.

Owen war damals über sechzig Jahre alt, trotzdem setzte er seine Tätigkeit zum Besten der arbeitenden Klasse noch viele Jahre hindurch fort.

Unter seinem Einfluß wurde die »Assoziation aller Klassen und Nationen« organisiert, eine Gesellschaft, die eine Zeit lang einen mächtigen Einfluß auf die englische Politik übte, und deren Mitglieder sich seit 1839 »Sozialisten« nannten. Er führte auch den Vorsitz auf dem ersten Nationalkongreß der englischen Gewerkschaften.

Owen starb am 17. November 1858. Er hatte das seltene Alter von 87 Jahren erreicht, und selten war ein Leben so ereignisreich und nützlich, wie das seine gewesen. Neben den zahlreichen Fehlschlägen stehen zahlreiche Erfolge: er war der erste, der das Kleinkinderschulsystem einführte, er war der Vater der Fabrikgesetzgebung, einer der ersten Anwälte des Genossenschaftswesens, er hat viele Theorien und Hauptsätze der modernen sozialistischen Bewegung vorweg ausgesprochen.

Owen hinterließ vier Söhne, die alle amerikanische Bürger wurden. Sie alle zeichneten sich in dem von ihnen erwählten Berufe aus. Robert Dale Owen war eine Zeitlang der hervorragendste Dolmetsch der Theorien seines Vaters in diesem Lande. In Verbindung mit Frances Wright veröffentlichte er gegen Ende der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts eine Zeitschrift unter dem Titel »Der freie Forscher« (» Free Enquirer«) und leitete eine »Halle der Wissenschaft« in New York, in der über alle Fragen sozialer Reform Vorträge gehalten wurden. Mit Robert Dale Owen und Frances Wright sympathisierten auch die beiden Brüder George Henry und Frederick W. Evans, zwei junge Engländer, die 1820 in New York landeten. Sie veröffentlichten nacheinander den »Fürsprecher des Arbeiters« (» Workingman's Advocate«), »Die Tagwacht« (» Daily Sentinel«) und »Jung Amerika« (» Young America«), von denen sich die letztgenannte eine Zeitlang großer Beliebtheit beim Volke erfreute. Am Kopfe »Jung Amerikas« standen zwölf Forderungen gedruckt, von denen die neunte: »Gleiche Rechte für Frauen und Männer in allen Beziehungen«, und die zehnte: »Abschaffung der Sklaverei und der Lohnsklaverei« heutzutage von besonderem Interesse sind. Diese Forderungen sollen von nicht weniger als 600 Zeitungen in verschiedenen Teilen der Vereinigten Staaten gutgeheißen worden sein und gaben am Ende Anlaß zur Bildung einer politischen Arbeiterpartei im Staate New York. Die Arbeiterpartei hielt in Syracus im Jahre 1830 eine Versammlung ab und stellte Williams als Kandidat für die Gouverneurstelle auf. Er erhielt im Staate etwas weniger als 3000 Stimmen. In der Stadt New York aber, wo sich die Arbeiterpartei mit den Whigs verschmolzen hatte, gelang es ihr, vier ihrer Kandidaten, Silas M. Stilwell, Gideon Tucker, Ebenezer Ford und George Curtis, in die gesetzgebende Versammlung zu wählen.

Die Arbeiterpartei war die letzte Kundgebung in der Arbeiterbewegung dieses Landes, die unmittelbar dem Einflusse des Owenismus zugeschrieben werden kann. Sie behauptete ihre unabhängige Stellung nur kurze Zeit und wurde bald von der »Loroforo-Bewegung« aufgesaugt.

Robert Dale Owen widmete einen großen Teil seines Lebensrestes der Politik. Er wurde zweimal in den Kongreß gewählt und entwarf das Gesetz, durch welches die »Smithsonian Institution« in Washington gegründet wurde. Seiner Tätigkeit als Mitglied der konstitutionellen Versammlung von Indiana sind hauptsächlich die liberalen Bestimmungen über die Rechte der Frau und die Einführung des Freischulsystems in jenem Staate zuzuschreiben. Sechs Jahre lang war er Geschäftsträger der Vereinigten Staaten in Neapel, und einer der fähigsten und edelsten Charaktere in der nationalen Politik seiner Zeit. Sein Brief an den Präsidenten Lincoln soll viel zu der Proklamation des Präsidenten beigetragen haben, welche die Sklaverei beseitigte. Gegen Ende seines Lebens wandte er sich wie sein Vater dem Spiritualismus zu. Er starb im Jahre 1877.

George Henry Evans blieb auf dem Gebiete sozialer Reform bis zu seinem Tode im Jahre 1870 tätig, Frederick W. Evans schloß sich 1831 den Shakers an, wurde Leiter der Mount Lebanon-Gemeinde, wo er allgemein unter dem Namen »der Älteste Frederick« bekannt war.

2. Neu-harmony.

Der Schauplatz des ersten Owenschen Versuchs auf amerikanischem Boden war ein Landstrich am Flusse Wabash im Staate Indiana. Er umfaßte einen Besitz von nahezu 30 000 Acres, der bis zum Jahre 1814 vollständig Wildnis war. In diesem Jahre ließen sich dort die Rappisten nieder. Der erstaunliche Fleiß und der vorzügliche Geschmack der sektiererischen Kommunisten verwandelte die Wüste im Laufe weniger Jahre in eine blühende Niederlassung.

Im Jahre 1825 war Harmony (oder »Harmonie«, wie die Rappisten ihre Gemeinde nannten) ein regelrecht angelegtes Dorf, mit senkrecht zueinander verlaufenden Straßen, einem öffentlichen Platze, mehreren großen Backsteinbauten, nebst zahlreichen Wohnhäusern, Mühlen und Fabriken. Owen erwarb alles für die Summe von 150 000 Dollar.

Niemals war ein kommunistisches Experiment unter günstigeren Auspizien unternommen worden; Owens Ansiedler fanden fertige Häuser, ungefähr 3000 Acres kultivierten Landes, neunzehn getrennt liegende Farmen und eine Anzahl vortrefflicher Obst- und Weingärten, alles in vorzüglichem Zustande vor. Die Schwierigkeiten, mit denen gewöhnlich die ersten Jahre des Pionierlebens einer jeden Gemeinde verknüpft zu sein pflegen, waren von ihren Vorgängern erfolgreich überwunden worden. Keine Schuld lastete auf dem Besitztum.

Teilhaber Owens bei diesem Unternehmen war William Maclure von Philadelphia, ein Mann von ansehnlichem Reichtum, ein Gelehrter und Philanthrop. Er war der hervorragendste amerikanische Geologe seiner Zeit und bekannt als »der Vater der amerikanischen Geologie«; er war ferner der Hauptgründer der Akademie der Naturwissenschaften in Philadelphia und während fast eines Vierteljahrhunderts der Präsident dieses Instituts. Außer für seine wissenschaftlichen Studien interessierte sich Maclure insbesondere für Erziehungsfragen. Er führte als erster das System Pestalozzis in den Vereinigten Staaten ein und war einer der frühesten Verfechter gewerblicher Erziehung. Mr. Maclure sollte die Aufsicht über die Schulen und Unterrichtsanstalten in Neu-Harmony führen und brachte eine ganze Schar hervorragender Gelehrter und Erzieher mit sich. Unter den ersteren war Thomas Say, der größte amerikanische Zoologe seiner Zeit, Charles Alexander Lesneur, ein berühmter Ichthyologe und begabter Maler, und Dr. Gerard Troost, der später Professor der Geologie au der Nashville-Universität wurde. Unter den Pädagogen von Beruf waren Professor Neef, der mit Pestalozzi in dessen Schule in der Schweiz zusammen gearbeitet hatte, Madame Marie D. Frotageot und Phiquepal d'Arusmout, ebenfalls pestalozzische Lehrer. Genaueres über diese interessante Periode des sozialen Experiments Owens findet man in » The New Harmony Communities«, von George Browning Lockwood, Marion, Ind., 1902. Auch Frances Wright wie die vier Söhne Robert Owens nahmen, tätigen Anteil an der Gründung von Neu-Harmony.

Es war daher kein Wunder, daß die Zukunft der Gemeinde Owen licht und vielversprechend erschien. Zuversichtlich prophezeite er, daß sich die Richtigkeit seiner Grundsätze und die Segnungen des Kommunismus in naher Zukunft in der neuen Kolonie offenbaren und »von Gemeinde zu Gemeinde, von Staat zu Staat, von Kontinent zu Kontinent verbreiten würden, bis sie schließlich die ganze Erde überschatten und unter allen Menschensöhnen Licht, Duft und Überfluß, Erkenntnis und Glückseligkeit verbreiten würden«. Mit der für ihn charakteristischen Begeisterung und Liberalität lud er »die Fleißigen und Wohlgesinnten aller Völker« ein, nach Neu-Harmony (so taufte er die Siedlung um) zu kommen.

Und sie kamen in Scharen, aus allen Völkern, Wohlgesinnte und andere. In der Tat, nicht weniger als 800 Personen antworteten auf den Ruf Owens innerhalb des kurzen Zeitraums der ersten sechs Wochen, und weitere Hundert schlossen sich bald nachher an. Es war der bunteste und zusamengewürfeltste Haufe, der sich je zu einem gemeinsamen Unternehmen zusammentat. Zweifellos gab es unter ihnen Männer und Frauen, die, nur von reinen und edlen Beweggründen getrieben, sich dem Unternehmen in der redlichen Absicht anschlossen, durch ihre Bemühungen zu dem Gelingen des kommunistischen Unternehmens beizutragen. Es fehlten aber auch solche nicht, die absolut kein Verständnis und keine Sympathien für Owens Ideale hatten, seine Unternehmung als die Tat eines reichen Sonderlings betrachteten und aus seiner Freigebigkeit, solange sie dauerte, Nutzen zu ziehen suchten. Männer und Frauen aus allen Klassen und Berufen, mit den verschiedensten Gewohnheiten und Ansichten, Angehörige der gelehrten Berufe, Handwerker, Arbeiter, Faulenzer und Abenteurer – alle waren vertreten.

Kein Befähigungsnachweis wurde von ihnen verlangt, keine Frage nach ihren Beweggründen gestellt. Diese unterschiedslose Aufnahme der Mitglieder drückte der Gemeinde von Anfang an den Stempel der Uneinigkeit und Hilflosigkeit auf und verursachte schließlich ihren Zusammenbruch.

Während der zwei Jahre ihres Bestehens als Gemeinde hatte Neu-Harmony nicht weniger als sieben verschiedene Regierungsformen oder »Verfassungen«.

Es war nicht die ursprüngliche Absicht Owens, die Kolonie auf rein kommunistischer Grundlage zu begründen. »Menschen, die in einem unvernünftigen Gesellschaftssystem aufgezogen sind«, so urteilte er, »können nicht ohne gewisse Vorbereitung zu einem vernünftigen System übergehen.« Seine erste Verfassung sah demgemäß vor, daß die Siedler zu einer dreijährigen, ihrer Ausbildung dienenden Probezeit unter der Kontrolle eines »vorläufigen Ausschusses« verpflichtet sein und nur nach erfolgreicher Ableistung dieser Probezeit als vollberechtigte Mitglieder zugelassen werden sollten.

Die dreijährige Periode scheint jedoch den Neu-Harmonisten zu lang erschienen zu sein, denn wir sehen sie im Januar 1826 eine neue Verfassung annehmen, durch welche die Kolonie auf der Basis des vollständigen Kommunismus neu organisiert wurde. Die oberste Gewalt wurde in die Hände einer Generalversammlung gelegt, deren ausübendes Organ ein Rat von sechs Mitgliedern war.

Der neue Organisationsentwurf funktionierte aber aus irgend einem Grunde nicht. Die Mitglieder forderten daher Owen einstimmig auf, die Diktatur in der Gemeinde anzunehmen. Unter dieser neuen Regierungsform – der dritten seit ihrem Bestehen – schien die Kolonie auf dem richtigen Wege zum Erfolg. Es wurde ein wenig Ordnung in das allgemeine Chaos gebracht; die Faulenzer verschwanden, und die Läden und Farmen waren der Schauplatz ungewohnten Fleißes.

Im April 1826 forderten jedoch einige Mitglieder, die der stetigen, systematischen Arbeit müde geworden waren, eine Trennung der Dörfer in verschiedene unabhängige Gemeinden. Dem wollte Owen nicht beistimmen, legte aber der Gemeinde als Resultat der darauffolgenden Diskussion eine vierte Verfassung vor. Diese teilte die Mitglieder in drei Grade – »bedingt aufgenommene Mitglieder«, »Probemitglieder« und »Prüfungskandidaten«; fernersah sie einen »Kern« vor von fünfundzwanzig ausgewählten Mitgliedern, welche das ausschließliche Recht hatten, neue Bewerber aufzunehmen.

Owen behielt das Vetorecht gegen jedes neue Mitglied und sollte das alleinige Haupt der Gemeinde zunächst für ein weiteres Jahr, dann noch so lange bleiben, als wenigstens ein Drittel der Mitglieder die Gemeinde zur Selbstregierung unfähig erachten sollte.

Das Geschrei nach Teilung der Gemeinde verstummte aber nicht. Ende Mai gab Owen dem allgemeinen Verlangen nach und erklärte sich damit einverstanden, vier getrennte Gemeinden, jede mit einer unabhängigen Verwaltung, zu bilden.

Das war die fünfte Verfassung von Neu-Harmony. Kaum drei Monate später nahmen die Ansiedler eine sechste Verfassung an, schafften alle Beamten ab und ernannten an deren Stelle einen Dreierausschuß, den sie mit diktatorischer Vollmacht ausrüsteten.

Die siebte und letzte Verfassung wurde von den Mitgliedern aller Kolonien von Neu-Harmony auf einer gemeinschaftlichen Versammlung am 17. September 1826 angenommen. Durch diese Verfassung wurde die gesamte Verwaltung in die Hände Owens und vier anderer jährlich von ihm zu ernennender Mitglieder gelegt.

Die außerordentlich große Veränderlichkeit der Regierungsform bewahrte aber Neu-Harmony nicht vor innerer Zwietracht und Spaltung. »Die Religion«, berichtet Sargant, » Robert Owen and His Social Philosophy«, von William Lucas Sargant. Owens Biograph, »war der erste Gegenstand des Streites, und das Übel scheint durch die Besuche wandernder Prediger verschlimmert worden zu sein, deren Einmischung jedoch auf bezeichnende Art und Weise ein Ende gemacht wurde. Wie man offen erklärte, duldete man freie Diskussion über Religion und Lehren jeder Art nicht nur, sondern suchte sie sogar; daher wurden alle Prediger, die in der ausgesprochenen Absicht kamen, öffentlich zu predigen, im Wirtshaus unentgeltlich aufgenommen, aber mit dem ungewöhnlichen Vorbehalt, daß am Ende einer Predigt jedermann aus der Versammlung nach Belieben Fragen stellen dürfe. Dieses Katechisieren liebten die Katecheten so wenig, daß viele Monate lang kein Prediger Neu-Harmony besuchte.«

Doch heilte offenbar das Verschwinden der Wanderprediger das Übel nicht vollständig.

Erörterungen über die Religion und im Zusammenhang damit über die passendste Regierungsform störten fortwährend den Frieden der Ansiedler und nahmen zeitweise ein bedrohliches Aussehen an.

Jeder neue Ausbruch religiöser Streitigkeiten und jede Verfassungsänderung war von dem Austritt einiger mißvergnügter Mitglieder aus der Gemeinde begleitet. Zwei Mitgliedergruppen trennten sich von der Muttergemeinde und gründeten unabhängige Niederlassungen im Gebiete von Neu-Harmony

Eine von ihnen, »Macluria«, wurde nach William Maclure benannt. Die Kolonie wurde von ungefähr hundertundfünfzig der konservativsten und orthodoxesten Mitglieder von Neu-Harmony besiedelt und bekümmerte sich hauptsächlich um die Erziehung der Jugend, während sie der Landwirtschaft und den industriellen Betrieben nicht genügend Aufmerksamkeit schenkte.

Die andere Gemeinde wurde »Feiba Peven« genannt, ein Name, der aus irgend einem rätselhaften Grunde die geographische Länge und Breite des Ortes angeben sollte. Feiba Peven wurde insbesondere von englischen Bauern besiedelt, die, wie man sagte, sehr geschickt waren, aber den Whisky zu sehr liebten.

Beide Kolonien unterhielten ziemlich freundliche Beziehungen zu Neu-Harmony und vereinigten sich, wie wir sahen, wieder mit ihr durch Annahme der siebenten Verfassung.

Wenn man die Verschiedenheit der Elemente und die allgemeine Planlosigkeit in der Gemeinde erwägt, so nimmt es nicht wunder, daß ihr Leben nur von kurzer Dauer war.

Zu Anfang war alles heiter und lieblich. »Es war für unentgeltliche Erziehung der Kinder gesorgt, das Warenhaus versorgte die Siedler mit allem Nötigen, und eine leidliche Apotheke verabreichte umsonst Arzeneien.« So erzählt A. I. McDonald Angeführt in Noyes, » History of American Socialisms«. der erste Chronist dieses Versuchs, aber der Geschichtschreiber sagt uns nicht, ob die, Ausgaben durch die Einnahmen der Siedler gedeckt wurden oder, wie es wahrscheinlich scheint, aus der Tasche Owens.

Kurz nach der Gründung der Gemeinde ging Owen nach England und ließ das neue Unternehmen in der Obhut seines jungen Sohnes William; bei seiner Rückkehr im Frühjahr 1826 fand er Neu-Harmony noch in anscheinend vorzüglichem Stande. Am vierten Juli dieses Jahres, dem fünfzigsten Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung, richtete Owen an seine Anhänger eine Ansprache, die in der Folge wegen ihrer Beredtheit und Kühnheit berühmt geworden ist, und aus der wir die folgende Stelle anführen:

»Ich erkläre hiermit vor Ihnen und vor der Welt, daß der Mensch bis zur Stunde in allen Teilen der Welt ein Sklave der drei ungeheuerlichsten Übel gewesen ist, die sich je vereinigen konnten, um geistiges und physisches Leid über die ganze Rasse zu bringen. Ich meine das Privat- oder Individualeigentum, absurde und vernunftwidrige Religionssysteme und die Ehe, die sich auf das Individualeigentum und aus einige dieser unvernünftigen Religionssysteme gründet.«

Noch ist der Ton seiner ganzen Ansprache voll der besten Hoffnung; noch erwartet er, daß seine Gemeinde ein mächtiges Werkzeug für die Beseitigung der von ihm verabscheuten Dreieinigkeit der Übel sein werde.

Wenige Monate später finden wir ihn zum erstenmal in zweifelnder und bedenklicher Gemütsstimmung. »Eine Erfahrung von achtzehn Monaten«, schreibt er in seiner »Gazette«, »hat uns bewiesen, daß für ein ständiges Mitglied der kommunistischen Gemeinde folgende Eigenschaften erforderlich sind: 1. ehrliche Absicht; 2. Mäßigkeit; 3. Fleiß; 4. Sorgfalt; 5. Reinlichkeit; 6. Wissensdurst; 7. die Anerkennung der Tatsache, daß der Charakter des Menschen für ihn, nicht durch ihn, gebildet wird.«

Die Entdeckung kam zu spät. Die ungleichartige Menge, die sich in Neu-Harmony angesammelt hatte, begann sich bereits aufzulösen.

Ein Mitglied nach dem anderen verließ die Gemeinde, und Owen war nicht imstande, den Strom aufzuhalten.

Ein Teil der Leute verband sich zu kleinen Gemeinden, und diesen wies Owen Landstriche in der Umgebung von Neu-Harmony an. Das Land wurde ihnen auf einen Zeitraum von 10 000 Jahren gegen eine nominelle Jahrespacht von fünfzig Cents pro Acre und unter der Bedingung verpachtet, daß die Pachtung aufhören sollte, sobald das Land für andere als kommunistische Zwecke benützt würde. Diese Gemeinden erfreuten sich nur eines kurzen Lebens. Im Dorfe wurde der eigentliche Kommunismus ganz und gar aufgegeben. Private Lagerhäuser und Läden verdrängten die kommunalen Industrien, die Branntweinbrennerei hielt ihren triumphierenden Einzug, kleinliche Konkurrenz und filziges Feilschen herrschten an der Stelle, die Owen zum Ausgangspunkt der Brüderlichkeit unter allen Menschenkindern zu machen gehofft hatte.

3. Die Gemeinde Yellow Springs.

Gegen Ende des Jahres 1824 kam Owen nach Cincinnati, wo er eine kurze Zeit verblieb, Vorträge hielt und seine Pläne für eine Mustergemeinde ausstellte. Er bekehrte viele zu seinen Ansichten, darunter vor allen Daniel Roe, den Priester der Swedenborgschen oder »Neu-Jerusalem«-Kirche.

Diese Kirchengemeinde bestand aus wohlhabenden Leuten von Bildung und feiner Lebensart, und viele von ihnen waren durch Owens glühende Schilderungen von den Segnungen des Gemeinlebens so bezaubert, daß sie einen Versuch zu machen beschlossen.

Ungefähr fünfundsiebzig bis hundert Familien verbanden sich zu diesem Zwecke und kauften nach sorgfältiger Beratschlagung und Auswahl ein Gut in Yellow Springs, ungefähr fünfundsiebzig Meilen nördlich von Cincinnati.

Das Eigentum lag in den Händen der Käufer als Treuhänder für alle Gemeindemitglieder. Schulen mit rationellen Unterrichtsmethoden sollten gegründet werden; öffentliche Vorträge wurden gehalten, Tanz und Musik gepflegt.

»Während der ersten Wochen«, so berichtet ein Mitglied der Gemeinde, »griffen alle den Plan voll Eifer an. Arbeit war die Losung des Tages. Männer, die selten oder nie vorher Handarbeit verrichtet hatten, widmeten sich dem Ackerbau und dem Handwerk mit einem Eifer, der sicher rühmenswert, obgleich nicht immer sachgemäß war. Diener des Evangeliums führten den Pflug, riefen die Schweine zum Futter, anstatt Sünder zur Reue. Kaufleute vertauschten die Elle mit dem Rechen und der Heugabel. Alle schienen frohgemut für das Gemeindewohl zu schaffen. Unter den Frauen war die Selbstaufopferung noch augenscheinlicher. Damen, die selten das Innere ihrer eigenen Küche gesehen hatten, machten sich in der Küche des gemeinsamen Speisehauses unter Töpfen und Kesseln nützlich; und feine junge Dämchen, die ihr Leben lang bedient worden waren, bedienten der Reihe nach andere bei Tische.«

Die Mitglieder der Gemeinde Yellow Springs bestanden gleich denen von Brook Farm zumeist aus »auserwählten Geistern«; es gab nur wenig Bauern und Arbeiter unter ihnen. Ihre Bewegung hatte keine ökonomischen oder materiellen Ursachen, sondern geistige und intellektuelle Beweggründe. Sie betrachteten ihr Unternehmen ungefähr wie ein etwas verlängertes Picknick, und der Reiz der Sache dauerte gerade ein halbes Jahr. Nach Ablauf dieser Zeit waren die aristokratischen Kommunisten ernüchtert. Die Geistlichen fanden bald, daß die Sünder lenksamer und interessanter wären als die Schweine; die Kaufleute entdeckten, daß die Heugabel nicht halb soviel einbrächte wie die Elle, und die feinen Dämchen waren der Gesellschaft gemeiner Töpfe und Kessel überdrüssig geworden. Einer nach dem anderen kehrte zu seinem alten Heim und zu seinem früheren Berufe zurück, und Yellow Springs wurde ein schöner, aber verblichener Traum in ihrer Erinnerung.

4. Nashoba.

Die originellste, wenn nicht bedeutendste Gemeinde des Owenschen Zyklus war Nashoba, das gegen Ende des Jahres 1825 von Frances Wright gegründet wurde.

Die Ansiedlung umfaßte 2000 Acres Land an beiden Seiten des Wolfflusses, ungefähr dreizehn Meilen oberhalb Memphis im Staate Tennessee.

Frances Wright war eine der am meisten in die Augen fallenden Gestalten in der Owenschen Bewegung. Sie war in Schottland geboren und wurde bald wegen ihrer philanthropischen Tätigkeit, ihres scharfen Verstandes und ihrer Sympathien mit allen fortschrittlichen Bewegungen ihrer Zeit berühmt. Sie machte ausgedehnte Reisen in den Vereinigten Staaten, besonders im Süden, wo sie die Lage der Neger studierte. Sie besuchte auch die Rappisten, die Shakers und andere sektiererische Gemeinden, deren soziale Theorien und Lebensweise einen tiefen Eindruck auf sie machten. Sie nahm in führender Stellung an den Anfängen der Antisklavereibewegung teil und war einer der ersten und ungestümsten Anwälte der Frauenrechte.

Ihr Hauptzweck bei der Gründung der Gemeinde Nashoba war die Erziehung der Negersklaven zur sozialen und ökonomischen Gleichheit mit den Weißen. Mit diesem Ziel im Auge kaufte sie mehrere Negerfamilien und überredete einige Pflanzer, ihr einige ihrer Sklaven für das Experiment zu leihen. Mit diesen und mit einer Anzahl Weißer aus allen Berufen gründete sie die Gemeinde.

Ihr Plan ging dahin, Musterschulen für den gemeinsamen Besuch der Kinder weißer und schwarzer Eltern zu errichten, die Neger auf der Ansiedlung arbeiten zu lassen und die eine Hälfte des Ertrags ihrer Arbeit zu ihrer Ernährung und Erhaltung, die andere Hälfte zur Bildung eines Fonds zu verwenden, um ihnen die Freiheit zu kaufen.

Die Leitung der Gemeinde sollte in den Händen einiger Philanthropen liegen, die sich mit dem Gründer zu dem Unternehmen verbunden hatten. Die ersten Monate des Versuchs waren ganz zufriedenstellend, und die unter der vernünftigen und energischen Aufsicht von Frances Wright erzielten Erfolge schienen sehr ermutigend zu sein. Gerade dann aber, als ihre persönliche Anwesenheit am nötigsten war, wurde Miß Wright krank und mußte zur Wiedererlangung ihrer Gesundheit eine Reise nach Europa machen.

Im Dezember 1826 übertrug sie urkundlich das Land mit den Sklaven und dem Mobiliarvermögen auf General Lafayette, William Maclure, Robert Owen, Robert Dale Owen, C. Colden, R. Whitby, R. Jennings, G. Flower, J. Richardson und Camilla Wright; »es sollte durch die Genannten, deren Gesellschafter und Nachfolger als Treuhänder für alle Zukunft zum Nutzen der Negerrasse verwaltet werden«. Unter der Leitung dieser Treuhänder bestand die Gemeinde etwas über ein Jahr. Die außergewöhnliche Aufgabe, die Miß Wright auf sich genommen hatte, überstieg, wie sich zeigte, die Kräfte ihrer Nachfolger, und Miß Wright, die inzwischen von Europa zurückgekehrt war, konnte den fortschreitenden Auflösungsprozeß nicht mehr aufhalten. Im März 1828 erklärten die Treuhänder von Nashoba, daß sie den Versuch, die Gemeinde auf der Grundlage genossenschaftlicher Arbeit zu organisieren, zunächst aufgegeben hätten, und daß sie für dieselbe nur den Titel »Vorläufige soziale Gemeinde« beanspruchten.

Drei Monate später wurde der Versuch ganz und gar aufgegeben. Die Sklaven erhielten ihre Freiheit und wanderten nach Haïti.

Mit dem Nashobaexperiment endigte die Tätigkeit von Frances Wright nicht.

Sie setzte ihre Propaganda für den Kommunismus, die Antisklaverei und die Frauenrechte in den Spalten der »Neu-Harmony-Zeitung« und des »Freien Forschers« auch später fort.

Eine Zeitlang lenkte sie auch die allgemeine Aufmerksamkeit durch die glänzenden öffentlichen Reden auf sich, die sie in allen Hauptstädten der Union über ihre Lieblingsgegenstände hielt.

Sie starb in Cincinnati, Ohio, am 14. Dezember 1852 im Alter von 57 Jahren.

5. Weitere Owensche Versuche.

Von den übrigen Owenschen Gemeinden verdient eine wegen ihrer wechselvollen Schicksale und der Beharrlichkeit ihrer Mitglieder besondere Erwähnung.

Die Gemeinde erscheint in der Geschichte der Owenschen Periode dreimal an verschiedenen Orten und unter verschiedenen Namen, in Wirklichkeit ist es aber nur ein Unternehmen, das in Haverstraw, N. Y., begann und in Kendal, Ohio, endete.

Die Haverstrawgemeinde.

Diese Gemeinde wurde im Jahre 1826 von einem gewissen Fay, einem New Yorker Advokaten, und einigen anderen gebildeten reichen Männern aus New York und Philadelphia gegründet.

Sie nahmen 120 Acres Land bei Haverstraw am Hudson, ungefähr dreißig Meilen von New York, in Besitz. Die Anzahl ihrer Mitglieder wuchs bald auf achtzig; darunter befanden sich viele in den verschiedensten Gewerben und Berufen erfahrene Leute, ebenso einige Angehörige gelehrter Berufe. Die materielle Lage der Kolonie war jederzeit günstig. Charakteristisch für diese Gemeinde war die Einrichtung einer »Kirche der Vernunft«, die von den Mitgliedern an Sonntagen besucht wurde. Hier wurden Vorträge über Moral, Philosophie und Wissenschaften gehalten, und diese Versammlungen ersetzten alle religiösen Zeremonien und Gebräuche.

Die Gemeinde erfreute sich nur eines kurzen Lebens; die Ursache ihres Zusammenbruchs soll unredliche Verwaltung gewesen sein.

Nach Auflösung der Haverstrawgemeinde vereinigte sich die Mehrzahl der Mitglieder zur

Coxsackiegemeinde.

Dieser Versuch war dem von Haverstraw sehr ähnlich. Das Gut Coxsackie war ebenfalls im Staate New York gelegen, ungefähr sieben Meilen vom Hudsonflusse entfernt. Die Gemeinde bestand weniger als ein Jahr, und die Mitglieder verbrachten, soviel wir erfahren können, den größten Teil dieser Zeit mit der Erörterung von Verfassungsentwürfen.

Viele der Mitglieder finden wir wieder in der

Gemeinde Kendal.

Diese Gemeinde lag in der Nähe von Canton, Ohio. Sie wurde gegen Ende des Jahres 1826 gegründet, und ihr Anfang war vielversprechend.

Die Mitglieder, ungefähr hundertundfünfzig an der Zahl, waren Bauern, Handwerker und auch die unvermeidlichen »berufenen Geister«. Sie betrieben eine Wollwarenfabrik, errichteten eine Anzahl von Häusern und beschäftigten sich mit dem Bau einer großen Gemeindehalle, die 170 Fuß lang und 33 Fuß breit war.

Sie waren von dem Geiste der Friedlichkeit und Eintracht beseelt und verkündeten triumphierend, daß der Erfolg ihres sozialen Systems unwiderleglich dargetan worden sei.

Die folgende Stelle aus einem Briefe John Hannons, Angeführt in Noyes, » History of American Socialisms«. der Mitglied dieser Gemeinde war, gibt den Grund für ihr plötzliches Ende an:

»Unsere Gemeinde entwickelte sich harmonisch und gedeihlich, solange die Mitglieder gesund waren und die Hoffnung hatten, ihr Gut abzuzahlen. Aber ein Sommerfieber befiel uns, und sieben Familienhäupter starben, unter ihnen einige unserer wertvollsten und nützlichsten Mitglieder. Zur selben Zeit drängten die reichen Eigentümer, von denen wir unser Land gekauft hatten, auf Zahlung. Wir konnten auch keinen Teil davon rechtskräftig verkaufen, da wir keine rechtlich anerkannte Korporation bildeten. So mußten wir alles aufgeben und uns zerstreuen, wobei wir das, was wir bezahlt hatten, ungefähr im Betrage von 7000 Dollar, verloren. Wir schlossen aber Freundschaften, die die Probe der Zeit bestanden, und der Mißerfolg erschütterte auch nicht für einen Augenblick meinen Glauben an den Wert des Kommunismus.«

Noyes erwähnt noch vier weitere Owensche Gemeinden, zwei in Indiana, eine in Pennsylvanien und eine in New York. Sie scheinen aber unbedeutend und kurzlebig gewesen zu sein, und ihre Geschichte ist nicht bekannt.


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