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Die Malthusianer erklären bekanntlich, daß die Arbeiter in Folge ihrer »leichtsinnigen Gewohnheiten« sich rascher vermehren, als die Masse der verfügbaren Lebensmittel, oder um genauer zu sprechen, das variable Kapital, anwachsen kann. Auf diese Weise komme es, daß eine Uebervölkerung eintrete, daß mehr Arbeiter sich den Kapitalisten anböten, als diese beschäftigen könnten, daß die verfügbaren Lebensmittel nicht für alle vorhandenen Arbeiter hinreichten, daß also, so lange die Vermehrung der Arbeiter nicht eingeschränkt werde, Arbeitslosigkeit und Hunger und alles daraus folgende Laster und Elend naturnothwendig das Loos mindestens eines Theils der Arbeiterklasse seien.
So die Malthusianer. Untersuchen wir nun an der Hand von Marx, wie die Wechselbeziehungen zwischen dem Wachsthum des Kapitals und der Vermehrung der Arbeiterklasse sich in Wirklichkeit gestalten.
»Der wichtigste Faktor bei dieser Untersuchung,« sagt Marx (S. 628 der 3., S. 576 der 4. Aufl. des »Kapital«. In der 1. und 2. Aufl. fehlt diese Auseinandersetzung), »ist die Zusammensetzung des Kapitals und die Veränderungen, die sie im Verlaufe des Akkumulationsprozesses durchmacht.«
»Die Zusammensetzung des Kapitals ist in zweifachem Sinn zu fassen. Nach der Seite des Werths bestimmt sie sich durch das Verhältniß, worin es sich theilt in konstantes Kapital oder Werth der Produktionsmittel und variables Kapital oder Werth der Arbeitskraft, Gesammtsumme der Arbeitslöhne. Nach der Seite des Stoffs, wie er im Produktionsprozeß fungirt, theilt sich jedes Kapital in Produktionsmittel und lebendige Arbeitskraft; diese Zusammensetzung bestimmt sich durch das Verhältniß zwischen der Masse der angewandten Produktionsmittel einerseits und der zu ihrer Anwendung erforderlichen Arbeitsmenge andererseits. Ich nenne die erstere die Werthzusammensetzung, die zweite die technische Zusammensetzung des Kapitals. Zwischen beiden besteht enge Wechselbeziehung. Um diese auszudrücken, nenne ich die Werthzusammensetzung des Kapitals, insofern sie durch seine technische Zusammensetzung bedingt wird und deren Aenderungen widerspiegelt: die organische Zusammensetzung des Kapitals. Wo von der Zusammensetzung des Kapitals kurzweg die Rede, ist stets seine organische Zusammensetzung zu verstehen.«
Diese ist bei den verschiedenen Einzelkapitalien verschieden. Wir nehmen im Folgenden die durchschnittliche Zusammensetzung des gesellschaftlichen Kapitals eines Landes an.
Gehen wir nach diesen Vorbemerkungen an unsere Untersuchung.
Vor Allem betrachten wir den einfachsten Fall: die Akkumulation gehe vor sich ohne Veränderung in der Zusammensetzung des Kapitals, das heißt, ein bestimmtes Maß von Produktionsmitteln erheische stets dieselbe Masse Arbeitskraft, um in Bewegung gesetzt zu werden. Nehmen wir zur Veranschaulichung ein Kapital von 100 000 Mark an, das zu drei Viertheilen aus konstantem, einem Viertheil aus variablem Kapital bestehe. Werden von dem Mehrwerth 20 000 Mark zum ursprünglichen Kapital geschlagen, so wird das Zuschußkapital unter unserer Voraussetzung in demselben Verhältniß getheilt sein, wie jenes; das Gesammtkapital wird jetzt aus 90 000 Mark konstantem und 30 000 Mark variablem Kapital bestehen: das letztere ist in demselben Verhältniß gewachsen, wie das erstere, um 20 Prozent. Soll aber das neue zuschüssige Kapital sich verwerthen, so bedarf es zuschüssiger Arbeitskraft. Der zu akkumulirende Mehrwerth von 20 000 Mk. kann in unserem Fall nur Kapital werden, wenn die Zahl der ihm zur Verfügung stehenden Lohnarbeiter sich um 20 Prozent vermehrt.
Vermehren sich die Lohnarbeiter bei gleichbleibender Zusammensetzung des Kapitals nicht so rasch, wie dieses, dann wächst die Nachfrage nach Arbeitern schneller als deren Angebot, und der Lohn steigt.
Diesen Fall haben die Malthusianer im Auge, wenn sie zur »Lösung der sozialen Frage« die Einschränkung der Vermehrung der Arbeiter empfehlen. Sie übersehen dabei zunächst, daß das Kapitalverhältniß, das Verhältniß zwischen Kapitalisten und Lohnarbeitern, durch das Steigen des Lohnes nicht aufgehoben wird. Die Akkumulation des Kapitals bedeutet Reproduktion des Kapitalverhältnisses auf erweiterter Stufenleiter, bedeutet das Wachsthum der Kapitalien und der Masse des Mehrwerthes, der unbezahlten Arbeit, auf der einen, Vermehrung des Proletariats auf der anderen Seite.
Selbst wenn die Akkumulation des Kapitals den Preis der Arbeit steigert, so kann das nicht geschehen ohne gleichzeitige Vermehrung des Proletariats, es kann nicht geschehen ohne Erweiterung des Herrschaftsgebietes des Kapitals.
Der Lohn kann aber nie so hoch steigen, daß er den Mehrwerth selbst gefährdet. Die Nachfrage nach Arbeitskraft wird unter der kapitalistischen Produktionsweise hervorgerufen durch das Bedürfniß des Kapitals nach Selbstverwerthung, nach der Produktion von Mehrwerth. Das Kapital wird daher nie die Arbeitskraft zu einem Preise kaufen, der die Produktion von Mehrwerth ausschließt.
Steigt der Arbeitslohn in Folge der Akkumulation des Kapitals, dann ist zweierlei möglich: entweder der Fortschritt der Akkumulation wird durch das Steigen des Preises der Arbeit nicht gestört – wenn auch die Rate des Mehrwerthes sinkt, so kann doch gleichzeitig in Folge der Akkumulation die Masse des Mehrwerthes steigen. »In diesem Falle ist es augenscheinlich, daß eine Verminderung der unbezahlten Arbeit die Ausdehnung der Kapitalherrschaft keineswegs beeinträchtigt.« Oder die Akkumulation erschlafft, »weil der Stachel des Gewinns abstumpft.« Die Akkumulation nimmt ab, damit aber auch die Ursache, welche den Arbeitslohn in die Höhe trieb. Dieser fällt in Folge dessen, bis er den dem Verwerthungsbedürfniß des Kapitals genügenden Stand erreicht. »Der Mechanismus der kapitalistischen Produktionsweise beseitigt also selbst die Hindernisse, die er schafft.«
Wir sehen da eine eigenthümliche Wechselwirkung zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit. »Wächst die Menge der von der Arbeiterklasse gelieferten und von der Kapitalistenklasse akkumulirten unbezahlten Arbeit rasch genug, um nur durch einen außergewöhnlichen Zuschuß bezahlter Arbeit sich in Kapital verwandeln zu können, so steigt der Lohn, und alles Andere gleichgesetzt, nimmt die unbezahlte Arbeit im Verhältniß ab. Sobald aber diese Abnahme den Punkt berührt, wo die das Kapital ernährende Mehrarbeit nicht mehr in normaler Menge angeboten wird, so tritt eine Reaktion ein: ein geringerer Theil der Revenue wird kapitalisirt, die Akkumulation erlahmt und die steigende Lohnbewegung empfängt einen Gegenschlag. Die Erhöhung des Arbeitspreises bleibt also eingebannt in Grenzen, die die Grundlagen des kapitalistischen Systems nicht nur unangetastet lassen, sondern auch seine Reproduktion auf wachsender Stufenleiter sichern.«
Die Schwankungen in der Akkumulation des Kapitals, die den Lohn innerhalb gewisser Grenzen festhalten, erscheinen den bürgerlichen Oekonomen als Schwankungen in der Menge der sich anbietenden Lohnarbeiter. Sie unterliegen da einer Täuschung, ähnlich der von Leuten, die glauben, die Sonne bewege sich um die Erde und diese stehe still. Marx sagt: »So drückt sich in der Krisenphase des industriellen Zyklus der allgemeine Fall der Waarenpreise als Steigen des relativen Geldwerths, und in der Prosperitätsphase das allgemeine Steigen der Waarenpreise als Fall des relativen Geldwerths aus. Die sogenannte Currency-Schule schließt daher, daß bei hohen Preisen zu wenig, bei niedrigen zu viel Geld zirkulirt. Ihre Ignoranz und völlige Verkennung der Thatsachen finden würdige Parallele in den Oekonomen, welche jene Phänomene der Akkumulation dahin deuten, daß das einemal zu wenig und das anderemal zu viel Lohnarbeiter existiren.« Verlangsamt sich die Akkumulation des Kapitals, so erweckt das den Anschein, als wachse die Arbeiterbevölkerung rascher als sonst; nimmt jene ein schnelleres Tempo an, so erscheint es, als nehme die Arbeiterbevölkerung ab, oder wachse langsamer als sonst. In der That wird, wie den meisten unserer Leser bekannt sein dürfte, die Erscheinung, daß der Lohn auf und nieder schwankt, ohne je gewisse Grenzen überschreiten zu können, das sogenannte »eherne Lohngesetz,« damit begründet, daß, wenn der Lohn steigt, die Arbeiterbevölkerung sich in Folge dessen rasch vermehrt und das vermehrte Angebot den Lohn senkt, indeß ein Sinken des Lohnes größeres Elend und größere Sterblichkeit in der Arbeiterklasse zur Folge hat, welche das Angebot von Arbeitskraft verringert und so den Lohn wieder hebt.
Gegen diese Begründung spricht schon die einfache Thatsache, daß, wie Jedem bekannt, die Löhne nicht von Generation zu Generation schwanken, sondern in viel kürzeren Zwischenräumen. Wir kommen darauf noch zurück.
Wir haben bisher angenommen, die Akkumulation gehe vor sich ohne Aenderung in der Zusammensetzung des Kapitals. Solche Aenderungen treten aber im Verlauf der Akkumulation von Zeit zu Zeit mit Nothwendigkeit ein.
Die technische Zusammensetzung des Kapitals wird von jeder Veränderung in der Produktivkraft der Arbeit berührt. Die Masse der Produktionsmittel, welche ein Arbeiter unter sonst gleichen Umständen in Produkt verwandelt, wächst mit der Produktivität seiner Arbeit. Es wächst die Masse des Rohmaterials, das er verarbeitet, es wachsen die Arbeitsmittel, die er anwendet u. s. w. Mit der Produktivität der Arbeit wächst also die Menge der Produktionsmittel im Verhältniß zu der ihnen einverleibten Arbeitskraft, oder, was dasselbe, die Menge angewandter Arbeit nimmt ab im Verhältniß zu der von ihr bewegten Masse von Produktionsmitteln.
Diese Veränderung in der technischen Zusammensetzung des Kapitals spiegelt sich wieder in seiner Werthzusammensetzung. Sie erscheint hier als verhältnißmäßige Abnahme des variablen und Zunahme des konstanten Kapitaltheils. Die Aenderungen in der Werthzusammensetzung des Kapitals entsprechen jedoch nicht genau den Aenderungen seiner technischen Zusammensetzung, da mit dem Wachsthum der Produktivität der Arbeit nicht nur der Umfang der von ihr vernutzten Produktionsmittel steigt, sondern auch deren Werth fällt, jedoch in geringerem Grade, als ihre Masse zunimmt. Im Anfang des vorigen Jahrhunderts war z. B. der in der Spinnerei angelegte Kapitalwerth etwa zur Hälfte konstant, zur Hälfte variabel. Die Masse von Rohmaterial, Arbeitsmitteln u. s. w., die ein Spinner heute bei gleichem Arbeitsaufwand verarbeitet, ist viele hundertmal größer, als damals; das Werthverhältniß zwischen konstantem und variablem Kapital hat sich jedoch viel weniger geändert; es verhält sich das konstante zum variablen Kapital in der Spinnerei jetzt vielleicht wie sieben zu eins.
Auf jeden Fall aber bedeutet das Wachsthum der Produktivität der Arbeit unter der kapitalistischen Produktionsweise verhältnißmäßige Abnahme des variablen Kapitals.
Die Produktivität der Arbeit und die Akkumulation des Kapitals stehen aber in engster Wechselbeziehung zu einander.
Die Waarenproduktion bedingt es, daß die Produktionsmittel Privateigenthum Einzelner sind. Die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit setzt aber Kooperation auf großer Stufenleiter voraus, große Arbeitsräume, große Massen von Rohstoffen und Arbeitsmitteln u. s. w. Der Besitz so riesenhafter Produktionsmittel in den Händen Einzelner ist unter der Herrschaft der Waarenproduktion nur möglich, wenn individuelle Kapitalien in genügendem Umfange akkumulirt worden sind. »Der Boden der Waarenproduktion kann die Produktion auf großer Stufenleiter nur in kapitalistischer Form tragen.« Eine gewisse Höhe der Akkumulation von Kapital ist also Vorbedingung einer gewissen Höhe der Produktivkraft der Arbeit. Jede Methode der Steigerung der Produktivkraft der Arbeit wird aber unter der kapitalistischen Produktionsweise zu einer Methode der gesteigerten Produktion von Mehrwerth und ermöglicht damit eine Steigerung der Akkumulation. Diese selbst bewirkt ihrerseits wieder eine Erweiterung der Stufenleiter der Produktion, welche wiederum der mächtigste Stachel zu neuer Steigerung der Produktivkraft der Arbeit ist. Die Akkumulation des Kapitals und die Produktivkraft der Arbeit entwickeln einander also wechselseitig immer mehr und mehr.
Dem Einfluß des Wachsthums der einzelnen Kapitale durch die Akkumulation wirkt entgegen die gleichzeitige Spaltung alter Kapitalien, z. B. durch Erbtheilungen, und die Ablösung neuer selbständiger Kapitalien. Diese Gegenwirkung gegen die Akkumulation wird aber mehr als aufgehoben durch die Zentralisation, die Vereinigung bereits gebildeter Kapitalien, wie sie namentlich durch die Aufsaugung der kleinen Kapitalien durch die großen hervorgerufen wird. Diese Zentralisation bewirkt ebenso eine Steigerung der Produktivität, eine Aenderung der technischen Zusammensetzung des Kapitals, wie die Akkumulation. Anderseits fördert die Akkumulation die Zentralisation und umgekehrt. Ein je größeres Kapital ich akkumulirt habe, desto leichter wird es im Konkurrenzkampf die kleinen besiegen und aufsaugen. Je mehr kleine Kapitalien mein Kapital aufgesaugt hat, desto größer die Produktivität der von ihm in Gang gehaltenen Arbeit, desto umfangreicher die Akkumulation.
Die Ansammlung riesiger Kapitalmassen in wenigen Händen entwickelt aber nicht blos die Produktivität in den bereits der kapitalistischen Produktionsweise unterworfenen Arbeitszweigen. Eine Reihe kleiner aus den. großen Industriezweigen vertriebenen Kapitalien wird in Arbeitszweige gedrängt, in denen der kapitalistische Betrieb noch nicht festen Fuß gefaßt hat, wo ein kleines Kapital noch konkurrenzfähig ist, und bereitet so den Boden vor für die Einverleibung auch dieser Gewerbszweige in den Bereich des Kapitalismus.
So sehen wir die kapitalistische Produktionsweise in einer beständigen technischen Revolution begriffen, deren Folge stetig fortschreitende Vergrößerung des konstanten Kapitals, verhältnißmäßige Verkleinerung des variablen Kapitals.
Und die verhältnißmäßige Abnahme des variablen Kapitals schreitet ungleich schneller, als die Akkumulation. Das im Fortgang der Akkumulation neugebildete Kapital beschäftigt im Verhältniß zu seiner Größe immer weniger zuschüssige Arbeiter. Gleichzeitig mit der Akkumulation geht aber auch die Revolutionirung des alten Kapitals vor sich. Wenn eine Maschine abgenutzt ist, so wird sie, wenn inzwischen ein technischer Fortschritt stattgefunden, nicht durch eine andere, die ihr gleich, sondern durch eine verbesserte ersetzt, durch deren Anwendung ein Arbeiter mehr Produkt als vorher liefern kann. Das alte Kapital wird in immer produktiverer Form neu produzirt; das hat aber zur Folge, daß es immer mehr Arbeiter entläßt, die es beschäftigte.
Die Zentralisation ist einer der mächtigsten Hebel dieser Umwandlung des alten Kapitals.
Je rascher die Zentralisation und technische Revolution des alten Kapitals vor sich geht, desto beschleunigter muß die Akkumulation neuen Kapitals vor sich gehen, wenn die Zahl der beschäftigten Arbeiter nicht abnehmen soll. Je schneller aber die Akkumulation vor sich geht, desto mehr wird die Zentralisation und technische Revolution gefördert.
Die Malthusianer erzählen uns, die »Uebervölkerung« rühre davon her, daß die Lebensmittel (oder genauer gesprochen, das variable Kapital) in einer arithmetischen Progression wachsen, im Verhältniß von 1:2:3:4:5 u. s. w., indessen die Bevölkerung das Streben habe, in geometrischer Progression zuzunehmen, wie 1:2:4:8:16 u. s. w. Die Zunahme der Bevölkerung eile daher der der Lebensmittel stets voraus: die natürliche Folge davon sei Laster und Elend.
Was aber in Wirklichkeit progressiv fortschreitet, das ist die Abnahme des variablen Kapitals, gleichzeitig mit dem Wachsthum des Gesammtkapitals. Das variable Kapital, wenn ursprünglich ½ des Gesammtkapitals, wird fortschreitend nur ⅓, ¼, 1/5, 1/6 u. s. w. des Gesammtkapitals.
»Diese mit dem Wachsthum des Gesammtkapitals beschleunigte und rascher als sein eigenes Wachsthum beschleunigte relative Abnahme seines variablen Bestandtheiles scheint umgekehrt stets rascheres absolutes Wachsthum der Arbeiterbevölkerung als das des variablen Kapitals oder ihrer Beschäftigungsmittel. Die kapitalistische Akkumulation produzirt vielmehr und zwar im Verhältniß zu ihrer Energie und ihrem Umfang, beständig eine relative, das heißt, für die Verwerthungsbedürfnisse des Kapitals überschüssige, daher überflüssige oder Zuschuß- Arbeiterbevölkerung.«
Der Wechsel in der Zusammensetzung des gesellschaftlichen Gesammtkapitals geht nicht in allen seinen Theilen gleichmäßig vor sich. Hier wächst das Kapital durch die Akkumulation, ohne daß diese zunächst die gegebene technische Grundlage ändert, und nimmt daher zuschüssige Arbeitskräfte im Verhältniß seines Wachsthums auf. Dort verändert sich die Zusammensetzung des Kapitals ohne Wachsthum seiner absoluten Größe, blos durch Neuersatz alten Kapitals in produktiverer Form; – und die Zahl der beschäftigten Arbeiter sinkt relativ und absolut. Zwischen diesen beiden extremen Fällen treten unzählige Kombinationen ein, bedingt durch das Aufeinanderwirken von Akkumulation, Zentralisation und Umwandlung alten Kapitals in produktivere Form, die alle entweder direkte Entlassung von Arbeitern zur Folge haben, »oder die mehr unscheinbare, aber nicht minder wirksame erschwerte Aufsaugung der zuschüssigen Arbeiterbevölkerung in ihre gewohnten Abzugskanäle.« Die Arbeiterbevölkerung wird so in beständigem Fluß erhalten, hier angezogen, dort abgestoßen, und diese Bewegung wird um so heftiger, je rascher der Wechsel in der Zusammensetzung des Kapitals, je größer die Produktivität der Arbeit, je mächtiger die Akkumulation von Kapital.
Marx bringt mehrere Belege aus dem englischen Zensus für die verhältnißmäßige und oft auch absolute Abnahme der Zahl der beschäftigten Arbeiter in zahlreichen Industriezweigen. Aus neueren Zählungen entnehmen wir folgende zwei Beispiele einer absoluten Abnahme der Zahl der beschäftigten Arbeiter bei gleichzeitiger Ausdehnung der Produktion. Das eine Beispiel zeigt uns die Baumwollindustrie Großbritanniens in der Periode von 1861 bis 1871. Es betrug in derselben
Die Zahl der | 1861 | 1871 |
Fabriken | 2 887 | 2 483 |
Spindeln | 30 387 467 | 34 695 221 |
Dampfwebstühle | 399 992 | 440 676 |
Arbeiter | 456 646 | 450 087 |
Wir sehen gleichzeitig mit der Abnahme der Zahl der beschäftigten Arbeiter eine Abnahme der Zahl der Fabriken und eine Zunahme der Spindeln und Maschinenstühle; Anzeichen einer Zentralisation und Akkumulation von Kapital.
Ein ähnliches Bild bietet die deutsche Baumwollspinnerei, soweit die allerdings höchst unzureichenden gewerbestatistischen Ausnahmen von 1875 und 1882 einen Einblick in deren Verhältnisse gestatten. Der Verbrauch von roher Baumwolle betrug durchschnittlich im deutschen Reich jährlich in der Periode von 1871-75 116& 390 Tonnen, 1881-85 152 329 Tonnen. Die Zahl der in den Baumwollspinnereien beschäftigten Personen verminderte sich dagegen von 1875-1882 von 66 769 auf 61 140.
Der Verbrauch an Baumwollengarn stieg in der gleichen Zeit von 109 645 Tonnen im Jahr auf 134 630, die Zahl der Baumwollweber sank indeß von 201 781 auf 125 591. Allerdings vermehrte sich gleichzeitig die Zahl der Weber von gemischten Waaren von 6558 auf 73 750. Aber selbst wenn man diese ganz zu den Baumwollwebern rechnet, bleibt ein Rückgang der Weberzahl um fast 9000 binnen 7 Jahren, indeß die Produktion sich bedeutend ausgedehnt hat.
Wir haben bisher angenommen, daß der Zu- oder Abnahme des variablen Kapitals genau die Zu- oder Abnahme der beschäftigten Arbeiterzahl entspricht. Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Wenn der Fabrikant bei gleichbleibendem Arbeitspreis die Arbeitszeit verlängert, so wird er mehr Arbeitslohn ausgeben; das variable Kapital wird wachsen, ohne daß mehr Arbeiter beschäftigt werden müssen – deren Zahl kann gleichzeitig sogar sinken.
Nehmen wir an, ein Unternehmer beschäftige 1000 Arbeiter, der Arbeitstag betrage 10 Stunden, der Tageslohn 2 Mark. Er will zuschüssiges Kapital in seinem Betrieb anlegen. Er kann dies in der Weise thun, daß er die Betriebsräumlichkeiten erweitert, neue Maschinen anschafft und mehr Arbeiter einstellt. Er kann aber auch das zuschüssige Kapital, soweit es nicht zur Anschaffung von mehr Rohmaterial dienen muß, in der Weise anwenden, daß er die Arbeitszeit der bereits beschäftigten Arbeiter verlängert. Nehmen wir an, er verlängere sie um 5 Stunden; der Preis der Arbeit bleibe derselbe; der Tageslohn wird dann 3 Mark betragen, das variable Kapital wird – unter sonst gleichen Umständen – um 50 Prozent gestiegen sein, ohne daß die Zahl der Arbeiter gewachsen wäre. Jeder Kapitalist hat aber das Interesse, eine Vermehrung der Arbeit eher durch Verlängerung der Arbeitszeit oder Vergrößerung der Intensität der Arbeit als durch Vermehrung der Arbeiterzahl zu erzielen, da der Betrag des konstanten Kapitals, den er auszulegen hat, in ersterem Fall viel langsamer wächst, als in letzterem. Und dies Interesse ist um so stärker, je größer die Stufenleiter der Produktion. Seine Kraft wächst also mit der Akkumulation des Kapitals.
Wenn z. B. das Arbeitsmittel des Arbeiters ein Spaten ist, der 2 Mark kostet, wird der Unternehmer sich kaum sehr dagegen sträuben, eine Vermehrung der Arbeit durch entsprechende Vermehrung der Zahl der Arbeiter zu erzielen. Anders wenn der Arbeiter eine Maschinerie anwendet, die 100 000 Mark kostet. Mit der Akkumulation des Kapitals wächst aber nicht nur das Bestreben der Kapitalisten, eine Vermehrung der Arbeit ohne entsprechende Vermehrung der Zahl der Arbeiter zu erzielen, es nimmt damit auch die Kraft der Arbeiterklasse ab, dieser Tendenz Widerstand zu leisten. Die durch die Akkumulation des Kapitals produzirte überschüssige Arbeitermenge verringert durch ihre Konkurrenz die Widerstandskraft der beschäftigten Arbeiter. Diese werden so gezwungen, sich zur Ueberarbeit zu verstehen; die Ueberarbeit wieder schwellt die Reihen der überflüssigen Arbeiterbevölkerung. Die Arbeitslosigkeit der Einen bedingt die Ueberarbeit der Anderen und umgekehrt.
Wir sehen, die Akkumulation des Kapitals mit ihren Begleiterscheinungen und Folgen, der Zentralisation der Kapitalien, der technischen Umwälzung des alten Kapitals, der Ueberarbeit u. s. w., hat das Bestreben, die Zahl der beschäftigten Arbeiter im Verhältniß zum angewendeten Gesammtkapital, mitunter auch absolut, zu verringern.
Sie vermehrt aber gleichzeitig die Zahl der sich anbietenden, der dem Kapital zur Verfügung stehenden Arbeiter in einem Maße, das weit über das der Vermehrung der Bevölkerung überhaupt hinausgeht.
Wir haben im zweiten Abschnitt gesehen, wie die Manufaktur und noch mehr die große Industrie im Fortgang ihrer Entwicklung ungelernte Arbeitskräfte au Stelle von gelernten verwendbar machen; die Lehrzeit des Arbeiters schrumpft auf ein Minimum zusammen, der Arbeiter wird früher in Stand gesetzt, vom Kapital angewendet zu werden, die Zeit seiner Reproduktion verkürzt sich. Gleichzeitig werden erwachsene männliche Arbeiter in vielen Arbeitszweigen durch Frauen und Kinder entbehrlich gemacht. Damit wird nicht nur unmittelbar die Arbeiterarmee ungeheuer vermehrt; die ökonomische Selbständigkeit von Mädchen und jungen Leuten, ihr Zusammenarbeiten, sowie die Möglichkeit, die Kinder in früher Jugend mitverdienen lassen zu können, befördern frühe Eheschließungen, und verkürzen so ebenfalls die Reproduktionszeit der Arbeiterklasse.
Eine weitere mächtige Ursache des raschen Anschwellens der Arbeiterarmee tritt in Wirksamkeit, sobald die kapitalistische Produktionsweise sich der Landwirthschaft bemächtigt. Hier bewirkt die Zunahme der Produktivität von vornherein nicht blos eine verhältnißmäßige, sondern auch eine absolute Abnahme der Zahl der beschäftigten Arbeiter. In Großbritannien betrug die Anzahl der in der Landwirthschaft Beschäftigten 1861 2 210 449, 1871 nur noch 1 514& 601, eine Abnahme von fast 700 000. Die so »überzählig« gemachten ziehen in die industriellen Bezirke, soweit sie nicht ganz auswandern, und vermehren dort die Arbeiterarmee, die sich dem Kapital anbietet.
Vergessen wir endlich nicht die Wirkung der Eisenbahnen und Dampfschiffe, die es dem Kapital ermöglichen, neue Arbeitermassen aus industriell zurückgebliebenen Gegenden zu ziehen, Irländer, Polen, Slovaken, Italiener, Chinesen u. s. w.
So vermehrt sich die Arbeiterbevölkerung ungemein rasch, rascher, als das Bedürfniß des Kapitals nach anzuwendenden Arbeitskräften, und die Folge ist eine relative Uebervölkerung, die, wie wir gesehen, durch die Akkumulation des Kapitals erzeugt wird; nicht durch die Zunahme der Unproduktivität der Arbeit, wie die Oekonomen behaupten, sondern durch das Wachsthum ihrer Produktivität.
Das Bestehen einer sogenannten Uebervölkerung, das Vorhandensein einer industriellen Reservearmee hemmt jedoch nicht die Entwicklung des Kapitals, sondern bildet, von einem gewissen Punkte an, eine ihrer Voraussetzungen.
Das Kapital ist, wie wir wissen, eine elastische Größe. Je mehr die kapitalistische Produktionsweise sich entwickelt, desto heftiger und umfangreicher werden seine periodischen Ausdehnungen und Zusammenziehungen. Die moderne Großindustrie bewegt sich, wie schon im zweiten Abschnitt angedeutet, in einem ihr eigenthümlichen Kreislauf, der sich bis 1873 in Perioden von ungefähr zehn Jahren wiederholte; mit mittlerer Lebendigkeit des Geschäftsganges hebt er an, diese wächst rasch, ein wirthschaftlicher Aufschwung tritt ein, eine kolossale plötzliche Ausdehnung der Produktion, ein Produktionsfieber – dann der Krach, Versumpfung des Geschäftslebens, bis die Märkte sich entsprechend erweitert und den Ueberschuß an Produkten aufgesogen haben, worauf eine Erholung eintritt und das alte Spiel von Neuem in vergrößertem Maßstabe beginnt.
So war es, als Marx sein »Kapital« verfaßte, das 1867 zuerst erschien. So war es, als er das Nachwort zu der zweiten Auflage seines »Kapital« schrieb (am 24. Januar 1873), in dem er erklärte, daß die allgemeine Krisis im Anmarsch sei. Der von uns schon im zweiten Abschnitt gekennzeichnete Dr. Stegemann bemerkt mit Schaudern mit Bezug auf diesen Satz: » Marx trägt kein Bedenken (!) die allgemeine Krise als nahe bevorstehend anzukündigen.« (Preußische Jahrbücher, LVII, S. 227.) Marx spricht an der in Rede stehenden Stelle von »den Wechselfällen des periodischen Zyklus, den die moderne Industrie durchläuft und deren Gipfelpunkt – die allgemeine Krise.« Deutlicher kann man wohl nicht reden. Das hindert jedoch nicht, daß der gelehrte Herr Doktor die Krise, von der die Rede, als – die Revolution auffaßt. Aehnliche »Verwechslungen,« um uns parlamentarisch auszudrücken, natürlich stets zu Gunsten der schaurigsten Auffassung – passirten nur zu vielen »Gelehrten,« die Marx gelesen – oder auch nicht gelesen – und zitirt haben.
Wir alle wissen, wie bald und nur zu genau diese Prophezeiung zur Wahrheit geworden ist.
Mit der Krise, die 1873 begann, scheint jedoch die kapitalistische Produktionsweise in eine neue Phase getreten zu sein. Wenn sich die Produktivität der Großindustrie bis dahin so rasch entwickelte, daß sie zeitweilig schneller wuchs, als die Ausdehnung des Weltmarktes, so scheint jetzt in Folge der kolossalen Fortschritte der Technik und der enormen Erweiterung des Herrschaftsgebietes der kapitalistischen Produktion – bis nach Rußland, nach Amerika, Ostindien, Australien – die Zeit gekommen zu sein, wo der Weltmarkt nur vorübergehend und ausnahmsweise im Stande ist, die Produkte der Weltindustrie aufzusaugen: anstatt eines Kreislaufs von zehn Jahren, in dem mittlere Lebendigkeit des Wirthschaftslebens, fieberhafter Produktionsschwindel, Krach, Versumpfung, Wiederaufleben mit einander abwechseln, haben wir seit 1873 die chronische Geschäftsstockung, die dauernde Versumpfung auf ökonomischem Gebiet, die erst 1889 durch eine Verbesserung des Geschäftsganges unterbrochen wurde, ein kurzes Aufflackern des Spekulationsgeistes, das bald wieder vorüberging und einer noch ärgeren Versumpfung des wirthschaftlichen Lebens Platz machte. Es scheint, als sollte es zu einem bedeutenderen »wirthschaftlichen Aufschwung« überhaupt nicht mehr kommen.
Unsere Oekonomen suchen nach festen, unwandelbaren »Naturgesetzen« der Wirthschaft. Indessen geht heute die thatsächliche ökonomische Entwicklung so schnell vor sich, daß selbst die Ausführungen des »Kapital« – dieses modernsten aller ökonomischen Werke – über die Krisen zum Theil Erscheinungen behandeln, welche die jetzt in den Schulen aufwachsende Generation nicht mehr kennt.
In diesem Zusammenhange kommt es jedoch nur auf die zeitweisen Ausdehnungen und Zusammenziehungen des Kapitals an, und solche finden während der chronischen Geschäftsstockung ebenso statt, wie in dem zehnjährigen Kreislauf von Krise und wirthschaftlicher Blüthe. Nur dauern die günstigen »Konjunkturen« heute nicht so lange und sind nicht so allgemein, wie ehedem: um so nothwendiger für das Kapital, sie rasch ausnützen zu können. Eine solche günstige Konjunktur erzeugt ein größeres Bedürfniß nach Arbeitskraft; wie wird dem entsprochen? Der Arbeitslohn steigt, und das hat nach der Theorie der Oekonomen eine Vermehrung der Bevölkerung zur Folge – nach zwanzig Jahren wird die Arbeiterbevölkerung zahlreich genug geworden sein, daß das Kapital die Konjunktur ausnützen kann. Aber diese dauert jedesmal nur 2-3 Jahre – jetzt vielleicht nur ebenso viele Monate! Zum Glück für das Kapital verhält sich die Sachlage in Wirklichkeit anders, als nach der Theorie des »ehernen Lohngesetzes.« Die kapitalistische Produktionsweise erzeugt, wie wir gesehen haben, künstlich eine überschüssige Arbeiterbevölkerung; und diese ist die Reservearmee, aus der das Kapital in jedem Augenblick so viel zuschüssige Arbeiter entnehmen kann, als seinen Bedürfnissen entspricht; ohne sie wäre die so eigenthümliche stoßweise Entwicklung der kapitalistischen Großindustrie unmöglich. Wo wäre die deutsche Industrie, wenn sie Anfangs der siebziger Jahre nicht so viele Hände gefunden hätte, die »frei« waren und zu ihrer Verfügung standen, ganze Arbeiterarmeen, die sie auf den Eisenbahnbau werfen konnte, in neue Kohlengruben, Eisenhütten u. s. w. Diese Reservearmee ermöglicht aber nicht nur die plötzliche Ausdehnung des Kapitals, sie drückt auch auf den Lohn, und da sie kaum in den Zeiten blühendster Geschäfte völlig in Anspruch genommen wird, wirkt sie darauf hin, daß dieser selbst zur Zeit des größten Produktionslärms eine gewisse Höhe nicht zu übersteigen vermag.
Was als Auf- und Abschwanken der Bevölkerungszahl erscheint, ist in Wahrheit nur das Spiegelbild der periodischen Ausdehnung und Zusammenziehung des Kapitals. Wenn die Malthusianer von den Arbeitern verlangen, sie sollen ihre Vermehrung nach dem Grade der für sie vorhandenen Beschäftigung einrichten, so heißt das also nichts anderes, als sie sollen ihre Zahl den jeweiligen Bedürfnissen des Kapitals anpassen.
Der Malthusianismus beruht auf einer Verwechslung der so veränderlichen Produktionsbedürfnisse des Kapitals mit der Produktivkraft der vorhandenen Produktionsmittel; war diese Verwechslung stets absurd, so wurde sie es am offenbarsten seit dem Eintritt der permanenten Krisis: Uebervölkerung aus Ueberfluß an Lebensmitteln, Uebervölkerung in Folge der amerikanischen, indischen, australischen Fleisch- und Brot-Konkurrenz!
So absurd dies auch klingt, so sind doch die Forderungen des Malthusianismus nur der entsprechende Ausdruck der Stellung, welche der Arbeiter heute dem Kapital gegenüber einnimmt: er ist nur Zubehör des Kapitals; während des Produktionsprozesses wendet das Produktionsmittel ihn an, nicht er das Produktionsmittel; aber er gehört auch außerhalb der Arbeit dem Kapital, wie wir gesehen haben; wenn er konsumirt, wenn er sich erhält und fortpflanzt, so hat er es in der Weise zu thun, die den Interessen des Kapitals am besten entspricht. Sein eigenes Produkt unterjocht den Arbeiter: es macht sich nicht nur seine Arbeitskraft dienstbar, sondern alle Bethätigungen seines menschlichen Wesens.