Adam Karrillon
Bauerngeselchtes
Adam Karrillon

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Wirtin »Zur Schönen Aussicht«

Mochte das einsame Dorfwirtshaus am Ufer des Flockenbachs das ganze Jahr über seinen Namen »Zur schönen Aussicht« mit Recht verdienen, heute war das nicht der Fall. Durch die halbzugefrorenen Scheiben sah man nichts als das flache Wiesental und die tief zugeschneite Landstraße, die der Bahnschlitten des nahen Amtsstädtchens zu einem weißen Graben verwandelt hatte. Den Buchenwald über dem Bache drüben hatte ein grauer Nebel verschlungen, so daß von ihm nichts herausschaute als einige dunkle Säulen, die einen wenig getretenen, dunkel grundierten Pfad zwischen sich durchließen. Und nun kam zu dem Grau des Nebels noch die Samtschwärze der hereinbrechenden Nacht hinzu. In wenigen Minuten wird man nicht mehr die Hand vor den Augen sehen.

So dachten auch ein paar Bauern, die in der »Schönen Aussicht« beim warmen Kachelofen saßen und sich die müßige Abendstunde durch Kartenspiel 42 verkürzten. »Steck' doch die Lampe an,« sagte der Stoferstoffel zur Wirtin, »man kann den Spitz von dem Spardill nicht mehr unterscheiden.«

»Zu dem, was Ihr zu schaffen habt, kann Euch unsers Herrgotts Licht noch lange gut genug sein,« war die unhöfliche Gegenrede. »Guck', Stoffel, in deinen Fingern hab' ich außer beim Essen noch nichts andres gesehen als die Spielkarten. Du bist so gut wie verheiratet mit ihnen. Deshalb mein' ich, du müßtest die Buben von den Mädeln unterscheiden können, auch wenn dir keiner mit der Stallaterne über die Schultern leuchtet.«

»Das kann er auch,« kam der Krämerjörgel dem Stoffel zu Hilfe. »Möglich, daß er jetzt ein bissel aus der Übung ist, aber vor drei Jahren noch da hat er mit verbundenen Augen aus einem Dutzend Mädeln die Ochseliesbeth 'rausgetastet. 's war in der Heckenmühl', auf der Spinnstube. Na, die ist dann nu' auch seine Frau geworden. Und sie hat es, glaub' ich, nicht zu bereuen. Sie ist derweilen außer zu dem Stoffel auch noch zu drei Kindern gekommen. Übrigens steck' das Licht an, Wirtin ›Zur schönen Aussicht‹. Wer so im Dunkeln sitzen muß, kann leicht hintersinnig werden . . . Man denkt an allerlei. Man könnte auch an dich denken und deine ledige Zeit. Obwohl du ja jetzt ein ruhiges Weibsbild und Mitglied vom Rosenkranzverein bist, so warst du doch auch einmal jünger, als du jetzt bist, 43 und lustig obendrein. Steck' das Licht an, wenn du nicht haben willst, daß wir aus der Schule schwätzen. Dein Mann sitzt dabei, er könnte immerhin eifersüchtig werden.«

Jetzt wurde die Wirtin fuchtig. »Lümmel Ihr,« schrie sie, »Leuten von Eurer Sorte gehörte es, daß man ihnen mit dem Pferdestriegel die Zunge schabte. Lernt erst das Schaf von der Schnitzelbank unterscheiden, bevor Ihr beide über einen Kamm schert. Wollt Ihr sagen, daß ich nicht besser war wie andere? Wollt Ihr mir etwa die Ehre abschneiden? Wer von Euch kann sich rühmen, daß er mich je geknutscht hätte, wie Ihr bei anderen getan habt. Daß ich mit ihm unter der Dachtraufe gestanden hätte, daß ich einem Eures Kalibers nachgezogen wäre?«

»Nimm nicht das Maul zu voll,« sagte boshaft Herr Mandelseif, der Dorfbarbier, der sich seither an der Diskussion nicht beteiligt hatte. »Wenn der Gerichtsvollzieher nicht in der Nähe ist, haben wir alle keine Schulden. Wollte Gott, daß alle Leute, die meinen Kredit schädigen können, so weit von mir weg wären, wie der Schnornbacher Hannes von dir, dann würd' ich mich für einen reichen Mann ausgeben und dich für eine Jungfer obendrein. Ich rate dir, du Wirtin von der ›Schönen Aussicht‹: In deinem eigenen Interesse hab' endlich eine Einsicht und steck' das Licht an.«

44 »Es wird nichts draus,« begehrte das empörte Weib auf. »Ihr kriegt kein Licht. Es ist gut, wenn Ihr Höllenhunde Euch jetzt schon an die ewige Finsternis gewöhnt, der Ihr ja doch verfallen seid.«

»Ewige Finsternis,« höhnte der Krämerjörgel, »daß ich's dir nur sage. Für Beleuchtung ist in der Hölle besser gesorgt als wie in deiner traurigen Wirtschaft. Tät's nicht bald vollends not, daß wir uns auf den Boden setzten und unsere Trümpfe im Scheine des Feuerloches zählten?«

»Der Teufel mag Euch Licht machen, wenn er Euch die Lästerzunge aus dem Halse reißt, damit Ihr sehen könnt, wie schwarz sie ist. Vergeb' Euch Gott die Sünd', daß Ihr mich und den Hannes von Schnornbach in einem Atem nennt. Könnt' ich ihn doch herbeirufen übers große Wasser herüber, wenn er noch lebt; oder aus dem Fegfeuer heraus, wenn er schon gestorben ist, daß er Zeuge wäre für meine Unschuld und gegen Eure Schmähung, Ihr Ehrabschneider. Daß ich doch Geister herbeirufen könnte im Streit wider die Rotte Korah,« rief das bibelfeste Mitglied des Rosenkranzvereins.

»Versuch's doch einmal. Ich will dich das Beschwören lernen,« höhnte der Dorfbarbier, »vielleicht kommt der Hannes. Man erwartet ihn in Schnornbach zurück aus Amerika, er soll sogar schon da sein, so hat der Briefträger von drüben heute verlauten lassen.«

45 »Und ich will dir auch beschwören helfen, soviel ich kann. Ich muß da morgen doch übern Berg ins andere Tal wegen eines Kuhhandels,« sagte der Stoferstoffel. »Stell' dich nur morgen abend in deinem Elternhaus im Futtergang hinter die Windmühle, ich will dem Hannes sagen, daß du noch ledig wärst und daß er dich da treffen könne wie vordem auch.«

»Im Futtergang und hinter der Windmühle dort kann einer dich suchen, Stoferstoffel, mit der Kuhmagd, du Ausbund aller Schlechtigkeiten. Dort wo deine Brunst war und dein Rock die Wände abgeschabt hat, dort waren nicht einmal meine Gedanken,« rief die Wirtin, eine geborene Hintenlang, und hob beleidigt die Schürze nach den Augen.

Herr Zeißel, der Besitzer der »Schönen Aussicht«, hatte die Unterhaltung seiner Gäste seither seiner Frau überlassen. Er selber war ans Fenster getreten, hatte sich mit dem Fingernagel ein Loch in die Eisblumen der Scheibe gekratzt und sah hinaus in die verschneite Landschaft. Noch immer kämpften da draußen der Tag und die Nacht ihren alten stillen Kampf, aber ganz unsichtig war das Tal doch noch nicht und auch nicht ganz unbelebt.

Drüben auf dem Pfade, der zwischen den Buchenstämmen durch nach einer kleinen Holzbrücke strebte, die den Bach übersprang, bewegte sich der ganzen Haltung nach ein menschliches Wesen. War das an 46 sich schon merkwürdig genug, so wurde Herrn Zeißel die Erscheinung noch interessanter, als Gestalt und Gang des Fremdlings ihm immer bekannter vorkamen. Er kratzte noch ein Loch in das verblümte Eismuster, damit er mit beiden Augen sehen könne, und glotzte nun wie eine Schleiereule in das hafermehlsuppendicke Gebräu von Nacht und Nebel hinein.

Da, jetzt gab es ihm einen Ruck, daß auch seine Nase noch eine Öffnung in die Eisblumen wischte, was nun eigentlich schon ganz überflüssig war, denn Herr Zeißel war durch zwei Löcher genügend orientiert über das, was er wissen wollte. Herr Zeißel hatte keinen Zweifel mehr darüber, wer der Fremde war, der eben vom Waldpfad nach der Landstraße herüberbog.

»Alle guten Geister, da kommt er ja. Der Schnornbacher Hannes, der Hannes. Er ist's mit Haut und Haar. Welcher Wind hat den ins Tal hereingeblasen? Bei meiner Seel', so ist's, so ist's. Wenn einer den Wolf nennt, gleich kommt er gerennt. Ich will meine Steuerzettel in einer Wursthaut hinunterschlucken, wenn's nicht so ist. Da kommt her ans Fenster, kommt und guckt selber,« rief der Wirt »Zur schönen Aussicht.«

Nun gab es ein großes Gerenne nach dem Fenster hin, und Frau Zeißel war nicht die letzte, die herzulief und mit der Fabrikation eines Guckloches in die Scheibe zustande kam.

47 »Er wird doch nicht zu uns 'rauf kommen,« jammerte sie verlegen.

»Gerade das muß er. Wär' noch schöner, wenn der vorbeiginge,« polterte der Stoferstoffel heraus und riß das Fenster auf, um seinen halben Körper an die Luft zu hängen. Einen Zuruf fand er nicht, aber er ließ seine Arme wie Windmühlenflügel um den Kopf kreisen, und er wurde auch so verstanden. Man sah, wie der Amerikaner in den Weg nach der »Schönen Aussicht« einlenkte, und man schloß die Fenster, um sich zu seinem Empfange in der Wirtsstube gehörig vorzubereiten.

»Man wird das Licht anstecken müssen,« sagte die geborene Hintenlang, als die sie sich jetzt, wo ein alter Verehrer im Anzug war, wieder mehr fühlte, als vor einer Stunde noch.

»Daß du mir die Finger vom Feuerzeug läßt,« begehrte der Stoferstoffel auf. »Dort in der Ecke beim Kachelofen ist dein Platz, und das Genick brech' ich dir Weibsbild, wenn du einen Laut von dir gibst. Willst du dich als Heilige aufspielen, so mußt du auch stillhalten, wenn Leute kommen und ihre Rosenkränze an dir anstreichen wollen.«

»Einverstanden,« sagte Herr Mandelseif, »in die Ecke muß sie, in die dunkelste Ecke. Das ist so ihr Vorteil. Die Finsternis mag ihr ein Schleier werden. Man merkt dann nicht so leicht, wie sie rot wird, wenn wir mit Hilfe ihrer alten 48 Bekanntschaft ein wenig in ihrer Vergangenheit herumstochern.«

»Du Regenmolch, der du höchstens noch die Farbe wechseln kannst, wenn sich das Wetter ändert, solltest ehrliche Menschen nicht in die Ecke schieben dürfen. Doch weil ich ein gutes Gewissen habe, so will ich dir deinen Willen tun,« rief Frau Zeißel, und mit diesen Worten verschwand sie hinter dem Kachelofen.

Kaum eine Minute später stand der Amerikaner unter der Stubentür. »Good bye!« sagte er, »yes, my Kinnings, habt Ihr denn noch kein Licht in der Stube?«

»Wir können unser Geld im Dunkeln zählen,« entgegnete der Stoferstoffel. »Tritt übrigens nur näher! Gut Freund, das riecht einander, das braucht sich nicht zu sehen. Komm, setze dich hier in den Schein des Ofenloches, und wie so einer um den andern von uns das Maul aufmacht, wirst du auch im Finstern ersehen, wer alles um dich ist.«

»Oder erriechen,« bemerkte boshaft der Dorfbarbier zum Krämerjörgel.

Es dauerte nicht lange und unsere Freunde saßen um den Kachelofen herum und streckten die Beine von sich. Der Stoffel hatte sich derart postiert, daß er zur Not mit der Stiefelsohle das Ofenloch zudecken konnte, was er auch tat, weil er fürchtete, daß ein Rockzipfel der Wirtin in den Bereich des Lichtkegels treten und den ganzen Plan verraten könne.

49 Sobald er am Ofenloch genügend abgeblendet hatte, schlug er dem Amerikaner kräftig mit der Hand aufs Knie und steuerte dann ungestüm wie ein Torpedo direkt auf sein Ziel los.

»Zwei Jahre waren's am Kartoffelausmachen, daß du übers große Wasser hinüber bist?«

»Yes,« sagte der Amerikaner.

»Und heute sitzest du wieder in der ›Schönen Aussicht‹ und wärmst dir die Fußzehen.«

»Very well,« war die kurze Antwort.

»Und hast einen Sack voll Geld mitgebracht?« bemerkte der Krämerjörgel.

»Und einen Knebelbart,« fügte der Dorfbarbier hinzu.

»Und willst nun ganz in Deutschland bleiben und dir eine Villa bauen am Rhein,« so hob der Stoferstoffel das halb entgleiste Gespräch wieder auf die richtigen Schienen hinauf.

»No, no, perfectly no,« wehrte der Zugereiste lachend ab, »wer drüben vom Glück nicht gerade besonders protected ist, der braucht auch lange, bis er zu was kommt. Ihr müßt nur nicht denken, daß man sich drüben nur so ans Ufer setzt, Tabak kaut, in den River spuckt und eine Weile zuwartet, bis auf einem Brett ein Goldklumpen geschwommen kommt. No, no. Wer in der Neuen Welt etwas erringen will, braucht ein Paar starke Arme. Well, besser ist 50 es noch, er bringt gleich zwei Paare mit, oder drei, oder vier, oder fünf.«

»Also schneiden überm Wasser die Rasiermesser auch nicht auf zwei Seiten,« unterbrach der Dorfbarbier. »Freut mich, daß mal einer gekommen ist, der uns die Wahrheit sagt, kein so ein Windbeutel, der einem weismachen möchte, daß in Amerika jedes Schwein sechs Schinken hätte.«

»Goddam,« lachte der Schnornbacher, »wer nicht schaffen mag, der kann in die Ranches gehen und cowcatcher werden.«

»Schulmester?« wiederholte der Krämerjörgel boshaft, »also gerade wie bei uns, oder Rasierer, oder Schenkwirt.«

»Wer aber fleißig ist, der geht in das camp, übernimmt eine Heimstätte und hat in ein paar Jahren eine blühende Farm. Erst unter das shack aus Teerpapier, dann in ein solides Backsteinhaus. Fünfzig Pferde hinter den fences weidend und zwischen denen hundert Stück Rindvieh. Am Hause der Schuppen mit dem Bernerwägelchen aus hickory-holz. In der Woche die Arbeit und am Sonntag eine lustige Wagenfahrt nach der Stadt. Im Winter ein Schlachtfest nach dem andern und im Sommer der Garten gespickt voller blackberry und peaches, daß einem der Mund nur so wässert, und große Früchte, ich versichere Euch, groß wie eine Mannsfaust.«

51 »Heiliger Kosmas und Damian,« lachte der Mandelseif da gerade hinaus, »Krämerjörgel, das wäre a country für dich, und Stoferstoffel, für dich nicht minder. Da könntet Ihr Euch herausfressen, daß Ihr e Taille hättet wie ein Ohmfaß. Aber das Schaffen halt, das Schaffen, das wär kein Sakrament für Euer Glaubensbekenntnis. Überhaupt, Hannes, im ganzen Kirchspiel hier herum wüßt' ich dir keine zwei Arme, die du da drüben brauchen könntest, und deren Eigentümer würden dir mit den Mäulern mehr fortschaffen, als sie mit den Händen einbrächten.«

An dieser Stelle nun hängte der Stoferstoffel das Sellscheit an, um den Karren der Erzählung in seinem Sinn fortziehen zu lassen.

»Männer freilich nicht,« sagte er in frommer Selbsterkenntnis, »aber an tüchtigen Mädchen ist hier herum kein Mangel. Falls es dir an einer Magd fehlt oder gar an einer Frau – –?«

»Da seht den alten Fuchs,« fiel ihm der Krämerjörgel ins Wort, »der möchte sich den Kuppelpelz verdienen. Als ob der Hannes einen brauchte, der den Rosmarein ins Knopfloch steckt und für ihn auf die Freierei geht. Denkst du, der hat vergessen, wo der Hof vom Bauer Hintenlang steht, und er erinnert sich nimmer an die Speckarme der Bärbel, die er doch mehr wie einmal gedrückt hat? Glaubt Ihr vielleicht, daß er bei dem Schnee übern Berg herübergekommen ist, um in unserer Gemarkung die Hasenspuren zu 52 zählen? Na, na, was e richtiger Fuchs ist, der mal irgendwo Hühnerfleisch geschmeckt hat, der kann nicht anders, der schleicht nachts um die Hofreite 'rum und guckt, ob vielleicht so ein Kücken nicht rechtzeitig unters Dach kam. Seht nur, wie der Hannes schmunzelt, der richtige Spitzbub. Er muß über seine eigene Schlauheit lachen und dadrüber, daß wir seither so dumm waren, ihn nicht zu durchschauen.«

»Well, hier ist nichts, was zu verbergen wäre,« sagte der Hannes im kühlsten Geschäftstone, als ob er der Onkel Jonathan selber wäre. »Ich hab' meine Farm im guten camp, ich hab' plenty Geld und kann eine Frau ernähren. Ich kann es einer gut machen, besser als es eine hier herum jemals haben wird. Ich hab' in der Tat die Absicht, zu Bärbel Hintenlang zu gehen und sie zu fragen, ob sie meine Prairie flower werden will. Well oder nicht.«

»O du Spektakel in einem Affentheater,« fiel der Stoferstoffel mit der Tür ins Haus herein. »Wenn einer die Kuh schon am Strick hat und er will noch fragen, ob sie verkäuflich wär'. Hat's nicht die Ortsschelle vor drei Jahren bekannt gemacht, daß du die Hintenlangstochter vom Tanzboden zu Mückeloch nach Hause gebracht hast? Hat's nicht im »Starkenburger Bote« gestanden, daß ihr zwei für jeden Kilometer Heimweg anderthalb Stunden gebraucht habt? Wenn du denkst, wir wüßten nicht, was Heimführen heißt, 53 dann kannst du uns auch nachsagen, daß wir noch keinen Schüsselkäs gegessen hätten.«

Ein lautes Gelächter begleitete die Ausführungen des Stoferstoffel. Der Hannes aber blieb ernst, und in verweisendem Tone sagte er mit Nachdruck: »Spaß in Ehren, aber ich laß auf den guten Namen dieses Mädchens keinen Kot werfen. Mögt Ihr das Wort ›Heimführen‹ nach Euren Erfahrungen auslegen, aber zwischen dem Mädel und mir ist kein Unrecht vorgekommen.«

»Kein Unrecht,« lenkte der Stoffel ein, »kein Unrecht? Wir glauben das gern. Ihr habt unterwegs keine Scheunen angesteckt, keine Weißrüben gestohlen und keine Grenzsteine versetzt.«

»Höchstens ein bissel drauf gesetzt auf die letzteren,« forschte der Krämerjörgel, »oder Ihr habt Euch auch einmal auf einen Baumstamm niedergelassen, wenn einer gerade am Wege lag.«

»Oder auf einen Heuhaufen, wenn's die Jahreszeit erlaubte, und du hast deine Vorderklaue ein wenig um ihre Hüfte gelegt, wie's ja so üblich ist – und dabei habt Ihr kein Unrecht getan, kein Unrecht. Wer die Liebe eine Sünde schelten will, der mag's dem lieben Herrgott verdenken, daß er neben dem Adam auch noch eine Eva erschaffen hat.«

»Na Kinder, ich bitt' Euch aber, fahrt mir nur nicht immer mit dem Löffel um den Rand des Tellers herum,« so flötete der Stoffel jetzt los, »immer 'rin mit 54 dem Rüssel in den Brei. Hannes, kein Advokat macht dir einen Prozeß daraus, wenn du der Bärbel am Mieder vornen ein paar Haften abgesprengt hast, und ärmer ist die Hintenlangstochter deshalb auch nicht geworden, wenn sie an dich einen oder den andern Kuß verschenkt hat.«

Was man ihm da für Kühnheiten zutraute! Das ging nun dem Hannes doch über die Hutschnur. Er wurde ärgerlich und fuhr seinen Peinigern grob in die Parade: »Ihr müßt nicht denken, daß unter dem Weibervolk gar kein Unterschied wäre. Bärbel Hintenlang ist nicht das, was vielleicht die waren, mit denen Ihr Euch herumgedrückt habt. O Ihr – – Es hätt' es einer wagen sollen, ihr mit Dingen zu kommen von der Art, wie Ihr sie hier hernennt. Ich für mein Teil hätte zu solchen Streichen nicht das Herz gehabt, nie und nimmer. Wie hätte die mich heimgeschickt! Beim Heil meiner Seele, da hätte ich nichts riskieren wollen.«

In diesem Augenblick rief eine verärgerte Stimme hinter dem Kachelofen hervor: »Du warst ein rechter Esel.«

Gleich drauf ging die Küchentür, und man hörte, wie die Wirtin »Zur schönen Aussicht« mit dem Dienstmädchen zankte, das soeben aus Ungeschicklichkeit die Kaffeemühle zur Erde geworfen hatte. 55

 


 


 << zurück weiter >>