Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Wir sitzen in der Kapitänskajüte, Chubur und ich. Auf dem Tische stehen die Reste des Abendbrots und vier Weinflaschen, Gläser ... Wir rauchen, und Chubur spricht in seinem zuweilen recht unklaren Telegrammstil über ein Erdbeben, das er als Kind im Wellington-Archipel mitgemacht hat ... Ganze Felseneilande glitten in unbekannte Schlünde, und nur geringe Dampffontänen begleiteten die Vernichtungsarbeit der unterirdischen Gewalten.
Einer der Araukaner kommt und trägt in den Armen eine große lange Zinkkiste, die wie mit Sand bepudert ist.
Der Mann berichtet und wir horchen erstaunt auf.
Für den Pudel war auf dem Vorschiff eine viereckige kastenartige, mit Sand gefüllte Box vorhanden, damit das Tier dort seine Notdurft verrichte, was es auch regelmäßig tat. Der Sand der Box hatte bereits üble Düfte verbreitet, war lauge nicht erneuert worden. Ich hatte befohlen, neuen Sand einzufüllen und diesen den Ballastsäcken zu entnehmen. Der Araukaner hatte also einen der Säcke nach oben geschleppt und einfach aufgeschnitten. Als der Sand in die Box rieselte, kam inmitten des Sackes die Zinkkiste zum Vorschein.
Sie hatte einen Deckel mit Scharnieren und Gummileisten und einen Riegel. Ich öffne sie und finde einen in Papier vorsichtig verpackten Fünfröhrenempfänger neuester Konstruktion. Ich finde ihn genau eine Stunde nach dem grünen Zweig, den das Lot heraufbefördert hat.
Chubur sagt: »Was das sein?!«
Rundfunk ist am Gallegos fremd.
Wir steigen in den Laderaum hinab. Der Araukaner zeigt, an welcher Stelle er den Sack weggenommen hat.
Unsere Jagdmesser arbeiten. Die umliegenden Säcke speien Sand. Manche enthalten nur Sand. Andere sind wertvoller. Schließlich haben wir alles beisammen, was zur Funkeinrichtung eines Schiffes gehört, selbst Antenne, Trockenbatterien – – alles! Es ist nur ein kleiner Schiffssender, den ich dann in der Kajüte sachgemäß aufbaue, während Chubur mir hilft und die dienstfreien Kameraden das andere nach oben schaffen, was die bisher geleerten Säcke verbargen: Karabiner, Maschinengewehre, Pistolen, Munition, ein Schnellfeuergeschütz.
Chubur und Chanaf spannen unter meiner Aufsicht die Antenne zwischen den beiden Masten. Mond und Sterne geben genug Licht, und Chanaf findet die Haken, in denen die Eierketten der Antenne und diese selbst gehangen haben, bevor der Baron sie abmontiert hatte – natürlich an der Satansinsel zwischen den Klippen.
Ich arbeite mit fieberhaftem Eifer. Es ist genau elf Uhr abends, als ich als Erdung einen isolierten Draht, unten mit sechs leeren Konservenbüchsen, angelötet, zur besseren Ableitung beschwert, über die Reling werfe. Mit einigem Herzklopfen schalte ich zuerst den Empfänger ein. Die Lampen glühen, und das Rauschen im Kopfhörer beweist mir, daß ich Empfang haben werde. Ich drehe den Abstimmkondensator, – ein leises Pfeifen ... Ich betätige die Rückkopplung, stelle das Potentiometer nach, und mit einem Male höre ich Musik ...
Ich fühle, daß ich blaß werde. Die große Welt meldet sich mit hinreißendem Schwung einer Jazzkapelle ...
Chubur bückt sich ... Der Empfang ist so laut, daß er die Kajüte mit zarten Klängen füllt.
Chubur rüttelt meine Schulter. Seine Augen quellen ... Und die braunen Gefährten stehen mit offenem Munde.
»El Gento, was das sein?!«
Ich versuche diesen Halbwilden das moderne Wunder der Aethermusik zu erklären. Gewiß – ein Grammophon kennen sie. Dies hier bleibt ihnen unheimlich.
Ich suche andere Wellen. Und als ich etwa die Welle um 300 Meter herum einstelle, die überlaut pfeift, vernehme ich gerade noch die letzten Worte irgendeines Ansagers ...:
» ... dann meldet euch. – Wir kommen um elf Uhr fünfzehn wieder ...«
Der Ansager hat englisch gesprochen, und das ist sehr merkwürdig. Wo gibt es hier zwischen Asien und Südamerika einen englischen Rundfunksender von solcher Stärke?! Der nächste wäre der in Hongkong, überlege ich mir, – und wo liegt Hongkong ...! – Ein Blick nach dem Schiffschronometer ... Noch fünf Minuten bis ¼ 12. Ich werde warten.
Chanaf mahnt bescheiden: Er will wieder die Zaubermusik hören! – Ich winke ab ... »Nachher! – Die Zeit ist um ...«
Ein Anruf ...: Fünf seltsame Töne wie aus einer Kindertrompete, dann:
»Hallo, hier der Sender Ellerduc ...! Hallo, hier ...?«
Dreimal ...
»Habt ihr uns gehört? Hier wieder alles in Ordnung. Meldet euch auf 300. Wir wollen vorsichtig sein. Wir warten. Wir kommen jede halbe Stunde wieder.«
Stille ... Das Rauschen verstummt. Der Sender Ellerduc schweigt.
Was bedeutet das?!
Es muß sich um eine geheime Station handeln, wahrscheinlich an der chilenischen Küste, die uns am nächsten liegt.
Ich rücke den Stuhl weiter, schalte den Sender ein ...
Ich morse ...
Aber auch ich bin vorsichtig. Als Anruf fünfmal »Lang lang lang lang lang.« Dann:
»Hallo, hier das Schiff ... Wir haben euch gehört. Bitte sofort nähere Angaben.«
Wieder stülpe ich den Kopfhörer über und lausche.
Nichts ...
300 schweigt.
Ich morse noch dreimal denselben Wortlaut. 300 bleibt stumm.
Allmählich geht mir ein Licht auf. Der Sender mit dem seltsamen Namen Ellerduc hat mit dem, den er anrufen will, ein bestimmtes Erkennungszeichen vereinbart, und mein Anruf »fünfmal Lang« hat Ellerduc gewarnt, war eben falsch. Ich weiß, daß die Leute nun auch weiter schweigen werden. Sie sind mißtrauisch geworden.
Um meinen Araukanern eine Freude zu machen, kehre ich zu der Jazzmusik zurück und schließe den großen Lautsprecher an. Er hat ungeahnte Klangfülle, und die Musik schallt hinüber bis in die nahen Kabinen. Plötzlich steht Hiruto in der offenen Tür. Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit er Ellen tröstend hinwegführte.
Der Baron ist achfahl. Seine Goldzähne blinken ...
Ich gehe auf ihn zu, und in meinem Hirn wird es Licht ...
Ellerduc!!
Ich Tor!! Daß ich nicht sofort darauf kam. Es ist ein verstümmeltes Ellen Duncam!!
»Baron,« sage ich, und hinter mir drängen sich vier braune Kerle mit Eisenmuskeln, »ich bin Ramses zu großem Dank verpflichtet. Nun haben wir die Apparate und die Waffen, und die übrigen Säcke werden wir mit langen dünnen Nadeln untersuchen.«
Auf seiner hohen klugen Stirn erscheinen dicke Schweißperlen.
»Ellerduc hat angerufen, Baron ..!«
Sein Gesicht verzieht sich wie im Krampf.
»... Es ist dort alles wieder in Ordnung,« füge ich hinzu ...
Er schließt die Augen einen Moment. Dann lächelt er ...
»Ellerduc?! Was ist das?!«
Mein Geduldsfaden reißt. » Sie wissen's!!« brülle ich ihn an ...
Er schüttelt mißbilligend den Kopf, verneigt sich.
»Bedauere ... – Mr. El Gento, wollen Sie mir nicht erklären, was ...«
Ich beherrsche mich. »Baron, Lügen haben kurze Beine ... – Gut, die Insel versank, aber Ihre Freunde schwimmen hier irgendwo auf einem Fahrzeug mit Funkeinrichtung in der Nähe ... Sie sahen die Brigg, erkannten die Brigg, waren vorsichtig ... Der Anruf kam mit solcher Stärke, daß der Sender Ellerduc – feiner Name! – kaum zehn Meilen entfernt sein kann ... Ich werde dieses Fahrzeug finden, Baron ... Wir werden es suchen, nach Nordwest in langen Schlägen kreuzen ... – Chubur, sage Manik, daß er den früheren Kurs halten soll ...«
Sajo Hiruto lächelt ... wischt sich mit dem Seidentuch den Schweiß von der Stirn, markiert ein Achselzucken und will gehen ...
»Sie bleiben ...!!«
Chanaf hat ihn schon gepackt.
Er lächelt weiter ... »Mr. El Gento, Sie geben mir Rätsel auf ... Ellerduc?! Was soll das?!«
»Setzen Sie sich!« – Chanaf drückt ihn in die Sofaecke. Ich stelle den Empfänger ab. Jetzt stört die Musik. »Baron, es gibt Zwangsmittel ... Wenn Sie mir nicht augenblicklich mitteilen, welchen Anruf Sie mit Ellerduc vereinbart haben, seilen wir Sie an und lassen Sie achtern schleppen. Es sind fünf Haie um das Schiff.«
Er blinzelt in das Licht der elektrischen Deckenlampe ...
»Bitte – töten Sie mich!«
Seine Gleichgültigkeit und Entschlossenheit sind nicht geheuchelt. Sajo Hiruto ist ein Sohn jenes Volkes, das noch heute den Ehrbegriff bis zum schmerzhaft-grausigen Harakiri treibt. Es ist zwecklos, ihm zu drohen. An ihm prallt alles ab. Flüchtig geht mir wohl der abscheuliche Gedanke durch den Kopf, Ellen gegen Hirutos eisernen Willen irgendwie auszuspielen. Aber – was kümmern mich im Grunde die Geheimnisse dieser beiden?! Nichts! Es ist ja nur das unruhige Abenteurerblut in mir, der heiße Wunsch, Dinge abseits des Alltags zu erleben, die mich hier zu unberechtigter Einmischung drängen.
»Baron, Sie und Miß Ellen werden den Kabinenteil des Heckaufbaus nicht mehr verlassen,« entscheide ich kurz. »Die Fenster werden sofort von außen mit Decken vernagelt werden. Jedes Signal, das Sie etwa nach draußen zu geben suchen, wird bestimmt mit einer Kugel beantwortet.«
Hiruto verbeugt sich und geht. Chanaf übernimmt die erste Wache vor der Tür. Zwei andere Araukaner vernageln die Fenster der vier Kabinen. Ich höre die Hammerschläge dröhnen, während ich am Steuer das Segelmanöver überwache. Die Brigg beginnt zu kreuzen, und ich beschäftige mich in der Kajüte wieder mit dem Empfänger. Aber Welle 300 schweigt, nur andere Sender fange ich ein, darunter den der französischen Strafkolonie Neukaledonien, der am Schluß der Musikdarbietungen Tagesneuigkeiten gibt und ... Steckbriefe von fünfzehn Sträflingen, die vor zwei Wochen entwichen sind. Mögen sie sich ihrer Freiheit freuen, denke ich, – und ich drehe die Abstimmung versuchsweise wieder aus Welle 300.
Nichts ...
Da schalte ich den Empfänger aus und nehme das Nachtglas und klettere die Wanten empor in das Krähennest. Chubur wollte mit hinauf. Ich lehne ab, ich möchte allein sein ... Mein Hirn fiebert, mein Herz fiebert. Ich höre noch immer die Klänge der fernen großen Welt, die Stimmen der Kultur, – jener Welt, die ich verachte. Und doch hat sich seltsame Sehnsucht durch die Aetherwellen in meine Seele eingeschlichen ... Und doch spüre ich die Nähe dieser Welt, verkörpert durch Hirutos gepflegte Erscheinung, mehr noch durch Ellens zarten Liebreiz.
Ueber mir im Weltall funkelt der Kerzenflimmer der Unendlichkeit, schräg über mir lächelt des Mondes blanke Sichel. Es ist, als lächelte Vater Mond so ironisch ... Kennt er meine geheimsten Gedanken?! Bin ich, El Gento, Pampasjäger, Strandpirat, steckbrieflich verfolgter Mörder und gewesener Zuchthäusler, etwa dieses Lebens inmitten wahrer Freiheit überdrüssig geworden?!
Gedankenlos hebe ich das Fernglas an die Augen, und das halbdunkle Meer mit seinem verschwommenen Horizont rückt mir näher ...
Der träge Wind schläft immer mehr ein. Die Segel flattern, nur die Schraube treibt die Brigg noch vorwärts. Chuburs Stimme klingt schrill, und seine Befehle genügen mir. Er läßt die Segel beschlagen, – – flinke Gestalten schwingen sich hierhin, dorthin, – und wieder schaue ich durch das Glas ...
Ich weiß genau, daß das Suchen nach dem anderen Schiffe, das hier in der Nähe war und jetzt vielleicht schon irgendwo in der Ferne die langen Wogen zerteilt, ein Lotteriespiel ist mit vielleicht fünf Prozent Gewinnaussichten. Aber ich habe allzeit einen Eisenkopf gehabt, und ich ... hoffe ...
Das Schiff hat die Brigg angerufen. Das Schiff wird sich nicht entfernen, wird uns belauern, und – – es wird uns entern, wenn die Gelegenheit günstig. Denn die Freunde Hirutos, sage ich mir, dürften wohl ahnen, daß der Baron und Ellen in unserer Gewalt. Sie werden nichts unversucht lassen, sie zu befreien und die Brigg zurückzugewinnen.
Meine Wacht hier oben ist also doch nicht ganz zwecklos. Vielleicht wäre es sogar nur angebracht, uns rechtzeitig auf die Verteidigung einzurichten. – Als Chubur nun doch neben mir auftaucht und der wohlbekannte Duft von Tran und Schweiß und Leder mich umgibt, bespreche ich mit ihm diese wichtige Frage. Chubur begreift schnell.
»Du klug sein, El Gento ...« meint er und reibt seine lange Narbe, »wenn Schiff etwa Dampfer ist und schneller fahren als Brigg, große Gefahr für uns ... Du besser gehen an Deck und Kanone zusammenschrauben und große Karabiner ... (Er verstand darunter das Schnellfeuergeschütz und das Maschinengewehr.) Wir gegen Leute mit Kanonen nichts ausrichten ... Gehen gleich, El Gento.«
Unten an Deck ruft mich Chanaf sofort an. Ellen möchte mich dringend sprechen. – Ich bin unschlüssig. Vielleicht ist es nicht klug von mir, ihr zu verraten, wie groß ihr Einfluß auf mich ist. Sie hat Macht über mich, das fühle ich, denn in ihr ist mir Gerda Arnstör wieder erstanden, der ich so unendlich viel Dank schulde, die ich über alles geliebt habe und die zu den wenigen Menschen gehört, die ich nicht vergessen kann. Meine schöne, heitere Mutter mit dem leichten Berliner Blut, die dort in meinem nordischen Vaterlande dahinsiechte, – mein Hund, den ich als Student besessen und der mir Mensch war, dann Gerda und schließlich Coy Cala, Königssproß mit europäischem Lebenssaft in kraftstrotzenden Adern, er, der Treueste der Treuen, er, ein Mann wie keiner, Mann der freien Pampas und der gurgelnden Kanäle und tobenden Brandung!
Soll nun auch Ellen Duncam in mein Leben sich eindrängen und vielleicht noch stärker die Sehnsucht nach dem anderen Dasein wecken, dem ich voller Verachtung den Rücken gekehrt habe?! Was will sie?! Natürlich hat Hiruto ihr alles erzählt. Will sie nur aus meinem Munde bestätigt haben, daß »alles in Ordnung«, wie der Sender Ellerduc meldete?! Den Gefallen kann ich ihr schließlich tun.
Ich besichtige zuerst die vernagelten Fenster. Die Wolldecken stammen aus dem Mannschaftslogis der Brigg ... Chanaf hat über jedes Fenster zwei nageln lassen. Sie wölbten sich nach außen, und man erkennt unter ihnen die Gitterstäbe.
Ich finde Ellen in ihrer Kabine mit einem Buche im Liegestuhl. Sie hat ein Morgenkleid aus Spitzen an – raffiniert ...! Weiber bleiben doch immer Weiber. Die Teufelchen der Koketterie grinsen unter dem Rocksaum hervor. Und doch – – was wären die Frauen ohne die kleinen Schwächen?! Der moderne Typ, der blasiert tut, und dafür doppelt leicht nachgibt, ist verlogener.
Sie streckt mir die Hand hin, und das Helle Licht der Kabine, Deckenlampe, Wandleuchter, Tischlampe, lassen ihre Nägel rosig blitzen und zeigen die Schönheit einer schmalen Hand.
»Setzen Sie sich bitte, Mr. Abelsen,« sagt sie freundlich ...
Abelsen?!
Meine Hand fährt aus ihren warmen, weichen Fingern.
»Abelsen?!« – ich schaue ihr in die ernsten Augen, und ihr Blick weicht aus.
»Ja, Hiruto meinte, Sie seien der Ingenieur Olaf Karl Abelsen ... Wenn Sie jetzt auch den blonden Spitzbart tragen, die Eigenart Ihrer Züge ist kaum zu verbergen. Hiruto hat Zeitungen in seiner Kabine.«
»So ... so ... – und in den Zeitungen steht wohl eine Erneuerung des Steckbriefes mit Bild ...! – Ich möchte Sie von der Anwesenheit eines Mörders befreien, Miß Duncam.«
»Bleiben Sie!« Sie sitzt aufrecht, und in ihren langen Wimpern, die ihrem Blick etwas Melancholisches geben, glitzern Tränen. Ihre Stimme schwankt, als sie hinzufügt: »Sie können doch kein Mörder sein ... Ich gebe nichts darauf, was Behörden behaupten. Ich hasse diese starrköpfigen Beamten, die das Recht zu schützen vorgeben und sich dabei selbst ins Unrecht setzen. Glauben Sie, Mr. Abelsen, ich habe viel Leid hinter mir ... Wenn Hiruto nicht wäre, würde ich noch unglücklicher sein. Er ist meines Vaters Freund. Ich weiß nicht, ob Sie je einen wirklichen Freund besessen haben und daher diese Bezeichnung rechtig auswerten.«
Ramses, der Pudel, hat sich erhoben und mir seine Schnauze in die Hand gedrückt. Ich kraule ihm den Kopf und erwidere: »Ich hatte zwei Freunde, – einen Hund, der für mich starb, und einen Indianer namens Coy Cala, der ein Mann war.«
Sie nickt langsam ... »Dann werden Sie begreifen, daß Hiruto lügen muß ... Man verrät seine Freunde nicht.«
Und, indem sie mir wieder die Hand hinstreckt: »Ist es wahr, daß Ellerduc angerufen hat, daß alles in Ordnung ist?«
»Ja ...«
Sie atmet hastiger. Tiefe Röte huscht über ihr Gesicht. »Gott sei Dank,« murmelt sie. »Die Ungewißheit war furchtbar! – Mr. Abelsen ...«
»Bitte – El Gento!« verbessere ich ...
»Ja, es klingt auch besser ... Also, El Gento, Sie suchen nun das Schiff ..?«
»Wir werden es vielleicht nie finden ...« – Ich prüfe ihre Mienen. Aber ihr Gesicht verrät nur angestrengtes Nachdenken.
»Und – wenn Sie ihm begegnen?« fragt sie zaudernd.
»Werde ich abwarten ... Sollte es die Feindseligkeiten eröffnen, dann werde ich es kapern.«
Sie senkt etwas den Kopf und spricht wie zu sich selbst: »Wäre ich nur dabei gewesen, als der Sender sich meldete! Es ist noch so vieles unklar, es gibt zwei Möglichkeiten, und die eine wäre ... bedrohlich ...«
»Nur die eine, Miß?«
Sie schreckt leicht zusammen. »Was redete ich da soeben?! ... Vergessen Sie meine Worte ... Ich trage schwer unter all diesen Dingen. Aber die Liebe überwindet vieles, sie ist eine Quelle der Kraft. Ich war ein verwöhntes Mädchen, ich war noch vor zwei Jahren so oberflächlich wie alle diese jungen Damen, denen das Geld keine Rolle spielt. Gorry sagte immer, ich sei entzückend oberflächlich. Und heute?!« Ihr tiefer Blick ruht auf mir ... »Heute, Mr. El Gento, belächle ich das Einst, weil es keine wahren Werte barg, heute habe ich erkannt, daß wir Menschen unserer Zeit hohler und kläglicher sind als je zuvor. Wir haben die Ideale mit Recht als lächerliche Götzen zerstört, wir haben jedoch in uns neue Götzen errichtet als einzigen Ersatz: Schrankenlose Selbstsucht! Das ist das Merkmal unserer Zeit! Wohl dem, der gezwungen wird, die eigene Persönlichkeit ohne Selbstsucht für etwas Großes einzusetzen. Freiwillig tut es niemand. Aus dem Blutrausch des großen Krieges ist nur ein Geschlecht egoistischer Feiglinge hervorgegangen. Man spielt mit trügerischen Worten – das ist alles. Der Dollar regiert die Welt. Amerika als Gläubiger der Erde hat auch England unter der Knute ...«
»Entschuldigen Sie, Miß: Politik ist mir ein Kinderbilderbuch.«
Ich horche nach draußen. Chuburs Donnerstimme zwingt mich zu kurzem Abschied.
Ellen hat mir beide Hände gereicht.
»Vielleicht werden auch wir noch Freunde, El Gento ...«
Als ich an Deck komme, schleppt Chubur gerade die Teile des Schnellfeuergeschützes in die erleuchtete Kajüte.
»Das Schiff, El Gento!! Und du schwatzest mit dem Weibe!!«
Ich renne dorthin, wo die Araukaner sich an der Reling zusammendrängen.
Das Nachtglas zeigt mir in Lee eine weiße Jacht mit dickem, schrägem Schornstein.
Frauen sind Ballast ... Ich habe kostbare zehn Minuten vertan.