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Vierunddreißigstes Kapitel.

Hochzeit.

 

Ihr wollt uns zwingen, umzukehren.
Und lehrt uns, euer zu entbehren.

 

Einige Wochen später wurde zu Sebaldsheim die doppelte Hochzeit gefeiert.

Vormittags waren die Civiltrauungen erfolgt, Cäciliens und Ulrich's in Odenburg, Hildegard's und Arnulf's auf dem Standesamt des Landkreises Sebaldsheim in einem Anbau des Schlosses.

In den Kunstzimmern des ersten Stockes versammelte sich gegen drei Uhr eine zahlreiche Gesellschaft. Da sah man in eifriger Unterhaltung mit Frau Sebald die Brüder Mendez, beide auf der linken Brust wie gepanzert mit Sternen und Großkreuzen; den jüngsten aus England auf Urlaub erschienenen achtzehnjährigen Sohn Fernando's; die von Diamanten funkelnde Gemahlin Alphonso's und ihre fünf sehr hübschen Töchter. Sogar Herr Rosenberger hatte eine von Hildegard eigenhändig geschriebene Einladung erhalten und mit Freuden angenommen. Der Passagier des Leviathan war in ihm kaum wiederzuerkennen; so sehr zu seinem Vortheil hatte er sich verändert, seit auch er, dem Beispiel des älteren Mendez folgend, aus der Gemeinde Aaronson's ausgeschieden. Statt der einst gescheitelt bis auf die Schultern fallenden, unten etwas gelockten schwarzen Strähne trug er jetzt kurz geschorenes Haar. Sein häßlich langer, ungepflegter Vollbart war zurückrasirt zu schmaler Fliege, feinem Schnurrbärtchen und bescheidener Wangenbeschattung. Auch sein Gesellschaftsanzug war tadellos bis auf die herausfordernd großen, auf mehrere Tausende zu schätzenden Solitäre seiner Hemdknöpfe. Das nun ganz annehmbare Gesicht strahlte von Befriedigung, Hochzeitsgast im Grafenschlosse zu sein. Wann sein Blick auf Cäcilie fiel, verrieth sein selbstgefälliges Lächeln keine Spur von Bedauern, die entzückend schöne junge Frau für einen Andern bräutlich geschmückt zu sehen, desto deutlicher hingegen das stolze Bewußtsein, dies Fest seiner Großmuth gutschreiben zu dürfen. Nach der Willigkeit zu schließen, mit der Alphonso's älteste Tochter seinem Geflüster lauschte, entschädigte ihn vielleicht schon eine gegründete Hoffnung für den schriftlichen Verzicht, zu dem ihn Hildegard's Brief bewogen mit der Mahnung an sein Gelöbniß auf dem Rettungsfloß.

Ferner zugegen waren Mottwitz, Mannheimer, einige andere Bekannte Ulrich's und namentlich solche Mitglieder seiner bisherigen Gemeinde, die sich auch dem suspendirten Hauptpastor als eifrige Anhänger bewährten; außerdem alle Wirthschaftsbeamten des Grafen und sogar einige auserwählte Vertreter aus der großen Anzahl der Ackerknechte, Mägde und Feldarbeiter in sauberen, ihnen zum Fest geschenkten Anzügen.

Schüchtern fern von den Gruppen der Gäste stand in einer der tiefen Fensternischen Heiri von Mollis, der Wildheuer, leise plaudernd mit dem alten Förster, mit dem er, einstweilen von ihm beherbergt, schnell Freundschaft geschlossen. Ihm war seine Mutter hochbetagt gestorben und vor Kurzem für die eben im Bau begriffene Eisenbahn durch das Glarusthal sein kleines Grundstück zu ansehnlichem Preise expropriirt worden. Mit dem Vorsatz, nach Nordamerika auszuwandern, hatte er den Grundleger seines Wohlstandes aufgesucht, um sich dankend zu verabschieden und ihn um Rath anzugehen in Betreff der Ueberfahrt und des zu wählenden Staates der Union. Der Graf aber sah in ihm einen geeigneten Obmann für sein wieder in Augriff genommenes Gartendorf und fand ihn willig, zunächst versuchsweise ein Jahr in Sebaldsheim zu bleiben.

Zu diesen Beiden hatte sich anfangs auch Loa gesellt. Denn seit den Proben und dem Festspiel an der alten Eiche war der greise Waldwart sein erkorener Liebling. Nur allzu gern wäre er ganz wohnen geblieben in dessen kleinem Hause. Den jugendlich rüstigen, luchsäugigen Siebenziger auf seinen Forst- und Pürschgängen zu begleiten, sich Bäume, Pflanzen, Wild und allerlei kleines Gethier von ihm zeigen und benennen zu lassen, war er leidenschaftlich erpicht. Sogar dem Beschauen der Rüstkammer unter Führung des Grafen zog er das Umherstreifen mit dem Förster so unverhohlen vor, daß sich der täglich wachsenden Zärtlichkeit des Großvaters bereits etwas von Eifersucht beimischte.

Eben aber bekam Loa selbst die ersten Regungen dieser Leidenschaft zu empfinden. Je besser er sich selbst gefiel, wann er sich im neuen Knabenanzug von dunkelgrünem Sammet in einem der großen Spiegel beschaute, desto mehr verdroß es ihn, daß ihm heute dieselbe Cäcilie so wenig Beachtung schenkte, die ihn doch bei der Stadtmama erst halb nackt, dann im garstigen Tannkircher Kattunkleidchen so zärtlich geherzt und auf ihrem Schooße gefüttert hatte. Im langen Schleier, im Kranz von Myrten und Orangenblüten sah sie noch viel schöner aus als bisher. Nach mehrmals unbeachtet gebliebenem Zupfen an ihrem spitzenumwölkten, schwerfaltigen weißen Schleppkleide von gewässertem Seidendamast drohte er mit kräftigem Griff ihren Anzug in Unordnung zu bringen und verlangte, als sie ihn nun endlich wahrnahm, sie solle ihn doch wieder auf den Arm heben und küssen. Aber nur kopfschüttelnd und wortlos abwehrend schob sie ihn beiseite. Tief gekränkt fühlte er sein kleines Herz schwellen von Neid und Grimm auf Ulrich, weil für den allein die Braut innige Blicke und kosende Worte zu haben schien. Das andere Brautpaar merkte, was in ihm vorging, wollte ihn festhalten und streichelnd trösten. Doch ganz uneingedenk der beseligenden Beförderung vom Steckengaul auf den lebendigen Pony und der wonnevollen Reitkunststudien im Waldcirkus, riß er sich mit zornigem Gesicht und knurrend los von Onkel Ulf und Tante Hilla und flüchtete zu Mottwitz, um dem seinen Unmuth auszuschütten. Indem er aber an den Brüdern Mendez vorüber kam, ließ ihn die verwunderte Neugier, was deren Ordensschmuck wohl zu bedeuten habe, seinen Herzenskummer augenblicklich vergessen. Statt sich zu beklagen, frug er den Onkel Bisch in seiner immer noch etwas ungelenken Redeweise, ob denn die Beiden lebendig begraben werden sollten, da sie gerade so mit Sternen von Blech beschlagen seien wie die Särge, die in Tannkirch sein Dorfpapa auf den Friedhof begleitet.

Als alle Eingeladenen erschienen waren, bat der Graf die Frau Base Sebald, ihn als Wirthin einstweilen zu vertreten, bewog Ulrich, sich von Cäcilie auf ein Viertelstündchen zu beurlauben, und ging mit ihm hinunter in sein Arbeitszimmer. Dort fanden sie den Schloßkaplan wartend.

»Haben Sie sich,« frug den der Graf, »meinen Vorschlag nochmals überlegt? Nicht Unerläßlichkeit Ihrer Zustimmung führt uns her. Wir haben alle Vorbereitungen getroffen, um Ihrer Mitwirkung entrathen zu können. Doch wünschen wir festzustellen, daß wir es nur gezwungen thun. Ich wiederhole also, was ich Ihnen schon gesagt. Ich verbürge Ihnen eine gesicherte Zukunft, was immer Ihre Vorgesetzten in Folge Ihrer Nachgiebigkeit gegen mich auch beschließen sollten. Zugleich aber liegt mir die Absicht fern, Sie in eine Nothlage zu bringen. Auch wenn Sie meinen Wunsch nicht erfüllen, behalten Sie bis zur anderweiten Versorgung Ihre Stellung und Bezüge als mein Patronatspfarrer. Sie haben also volle Freiheit des Entschlusses.«

»Mein gnädigster Herr Graf,« erwiederte der Geistliche, »ich muß beharren auf dem neulich Ausgesprochenen. Wenn Ihr Herr Schwiegersohn die Verpflichtung unterschreibt, seine Kinder katholisch erziehen zu lassen, bin ich bereit, seine Ehe auch kirchlich einzusegnen. Sogar Ihre Trauung, Herr Ulrich Sebald, würde ich nach einem für solche Fälle vorgeschriebenen Formular zu vollziehen befugt und willig sein, da Ihre Weihe zum lutherischen Geistlichen eine Gültigkeit als Priesterweihe für uns ohnehin nicht hätte, auch wenn dieselbe nicht sogar für Ihre Kirche fraglich geworden wäre durch die Suspension. Nur müßte ich darauf bestehen, Fräulein Mendez zuvor taufen zu dürfen. Unter diesen beiden Bedingungen steh' ich zu Dienst; anders nicht, mein Priestergelübde verbietet's.«

»So müssen wir also ohne Sie vorgehen, selbstverständlich auch verzichten auf Ihre Gegenwart in der Kapelle.«

Zurückgekehrt zur Gesellschaft hatten die Beiden ein leises Gespräch mit Cäcilie.

»Sie, Herr Graf,« sagte diese, »sind nun unser Patriarch. Auch was man einer Braut wohl noch niemals zugemuthet hat, will ich mit Freuden thun, wenn Sie es für angemessen erachten.«

Bald darauf setzte sich die Gesellschaft in Bewegung, paarweise geordnet, voran der Graf mit Frau Sebald, ihnen zunächst die beiden Brautpaare, die breite Stiege hinunter, dann durch das Bogenpförtchen mit dem Drachentödter, den Korridor entlang und vorüber am Glasfenster mit dem Kreuzritter Udo nach der Schloßkapelle.

Die kleine, schmucke Hauskirche wurde gedrängt voll. Die meisten Gäste mußten sich mit Stehplätzen begnügen.

Vor dem Altar erhob sich ein in zwei Lauben getheilter Baldachin aus Tannenreisig und einer Fülle von Blumen. Unter die Laube rechts traten Arnulf und Hildegard. Die zur Linken blieb einstweilen leer; denn Ulrich führte seine Braut zu allgemeiner Verwunderung auf die Estrade dem Altar gegenüber, wo sie Platz nahm vor der deminutiven Orgel und das auf dem Notenbrett über der Tastatur bereitliegende Choralbuch aufschlug. Doch nicht aus diesem, soudern frei phantasirend begann sie, zunächst nur das Flötenregister und Cor anglais ziehend, ein leises Vorspiel. Obgleich getragen und choralartig ließ es dennoch als Thema deutlich erkennen das Hauptmotiv einer neuerdings berühmt gewordenen Komposition des wunderbar schönen Liebeslobes im Hohenliede Salomonis mit dem Refrain:

»Denn der Liebe Gluten
Sind Flammen Gottes.«

Dann, während ihre rechte Hand eine ausklingende Variation dieses Motivs weiter modelte, nahm die Linke noch die Bourdonstimme hinzn. Die Variation wurde zu diskantischer Begleitung und, aus der untersten Tiefe allmälig aufsteigend bis zur Altlage, klang nun herrschend hinein die Melodie des Volksliedes:

»Es waren zwei Königskinder« &c.

Jetzt gab sie dem Wildheuer von Mollis, der die Handspeiche der Bälge zu drücken übernommen, einen Wink zu stärkster Bewegung des Gebläses. Mit der Vollkraft aller Register ließ das kleine Positiv den Choral rauschen, der für die Spielende so bedeutsam geworden war.

Unterdeß war Ulrich hinter den erhöht zwischen den zwei farbenbunten Spitzbogenfenstern der Westwand stehenden Kanzelpult getreten. Als nach einmaliger Wiederholung des Chorals die Orgel schwieg, begann er:

»Meine geliebten Eltern, Geschwister, Verwandte, Freunde und Angehörige unseres Familienhauptes!

Ueber trennende Tiefen, die hoffnungslos unwegsam schienen, haben sich vier Herzen dennoch zu einander gefunden, weil ihnen die Flamme Gottes, die Liebe, zur Hafenleuchte ward. Ihr Bund ist geschlossen und mit der Würde des Gesetzes geweiht worden vom starken Beschützer der christlichen Lebensordnung, dem Staat.

Die Weihe der Kirche wird uns verweigert. Meinem Bruder, weil weder er, noch seine Braut, noch deren Vater gestatten wollen, daß einst zwischen ihnen und ihren Kindern und Enkeln ein Unterschied wieder aufkomme, der für sie nichtig geworden ist. Mir noch weit entschiedener aus anderem Grunde. Das eben gespielte Kirchenlied hat meine Braut aus der Verzweiflung am Leben gerettet und sie meinem Glauben und mir zugeführt. Kraft ihres Willens gehört sie für mich diesem Glauben schon so vollständig an, daß ich feierlich gelobt habe, es ihr zu überlassen, ob und wann sie nach unserer Vermählung geneigt sein werde, sich auch der symbolischen Aufnahme zu unterziehen.

Wir alle Vier wollen die Heiligung unserer Ehe im Namen Gottes nicht entbehren. So greifen wir denn, um zu erlangen, was uns die Diener der Kirche versagen, nothgedrungen zurück zum Urgebrauch aller gesitteten Völker, die weiland keine andere Priesterwürde kannten, als die angeborene ihrer Patriarchen.

Im Laufe der Zeiten ist ihr Amt zum eifersüchtig bewachten, machtbegierig gesteigerten Vorrecht eines besonderen Standes geworden. Wenn aber die Mitglieder dieses Standes mit ihren hierarchischen Satzungen sich auflehnen gegen die Satzungen des Staates; wenn sie als unerlaubt und unheilig verurtheilen, was der Staat erlaubt und heiligt, weil er endlich einer höher entwickelten Gesittung und Ordnung der Gesellschaft gerecht geworden ist; wenn sie gesetzlich geschlossener Ehe die kirchliche Bestätigung durch Ausübung ihres Amtes als ein Sakrilegium vorenthalten, dann erzwingen sie selbst den Heimfall dieses Amtes an die natürlichen Urinhaber, die Familienväter.

Dich daher, Graf Udo, als den Patriarchen unseres Geschlechtes, bitten wir, Deine Tochter Hildegard, Deine Stammneffen Arnulf und ich, wie auch meine, mir vom Staate bereits anvermählte Gattin Cäcilie Sebald, nun für uns der irdische Stellvertreter des Ewigen zu sein und an uns das Priesteramt zu üben durch Einsegnung unseres Bundes.«

Er verließ die Kanzel, holte seine Braut und begab sich mit ihr an die Seite Arnulf's und Hildegard's, während der Organist der Sebalduskirche den Sitz vor der Orgel einnahm und in kurzem Zwischenspiel kunstreich improvisirend dieselben Motive ineinander flocht, die schon Cäcilie angeschlagen hatte. Als er geschlossen, trat der Graf vor den Laubenbaldachin und auf die unterste Stufe des Altars.

»Ihnen, Frau Cäcilie Sebald,« begann er, »Ihrem Vater und der Familie seines Bruders wünschten wir zu beweisen, wie gern wir Sie aufnehmen in unser uraltes Geschlecht und wie fern es uns liegt, in dieser Epoche widerwärtigen konfessionellen Haders geringschätzig zu denken von der ehrwürdigen Religion Ihrer Vorfahren, der Mutter der unsrigen. Deshalb haben wir nach einem anmuthenden Brauch Ihrer bisherigen Glaubensgenossen diesen Laubenbaldachin geflochten, um euch Vier durch eine Blumenpforte eintreten zu lassen in das neue Leben der Liebesgemeinschaft. Eben deshalb ferner bitte ich nun nicht allein Sie und Ulrich, sondern auch euch, meine Kinder, eure Verbindung einzuweihen mit einer sinnigen symbolischen Handlung gleicher Herkunft.«

Er wandte sich um und füllte zwei auf dem Altar bereitstehende Trinkschalen von geschliffenem Bergkrystall aus goldenem Kännchen mit dem köstlichsten Wein des Schloßkellers. Sie den Paaren überreichend, fuhr er fort:

»Zum Zeichen, daß ihr fortan ein unzertrennlich getreues Doppeldasein führen, je ein Leib und eine Seele sein und wie jedes Leid auch jede Lust und Erquickung theilen wollet, tränket nun einander mit diesem auserlesenen Rebensaft. Abwechselnd halte die Schale der Mann seiner Frau und umgekehrt an die Lippen. So leeret sie bis auf den letzten Tropfen. Eine Abweichung indeß befehl' ich vom entliehenen Brauch. Nicht zerschmettern sollt ihr die Schalen, sondern aufbewahren als Eheheiligthum, um alljährlich, wann der heutige Tag wiederkehrt, abermals zu thun wie jetzt.

Nun vollzieht noch einen zweiten sinnbildlichen Akt theils ähnlicher, theils geheimnißvoller Bedeutung, der in der Urzeit unserer Vorfahren als Ehesegen in Uebung war. Auf silbernem Teller überreich' ich hier jedem Paar ein goldenes Messer und einen Apfel. Den schäle die Braut, den zerlege der Bräutigam, in jedes Stück einen der schwarzgereiften Kerne eindrückend. Dann verspeist ihn zusammen, indem ihr euch die Schnitte gegenseitig in den Mund steckt. Auch das wiederholt mit demselben Geräth, aber nur in jedem fünften Jahr, und lasset dann eure Nachkommen mitessen. Möchtet ihr das zehnmal thun dürfen und einst am Tag der goldenen Hochzeit den größesten findbaren Apfel in die allerwinzigsten Schnittchen zertheilen müssen, um jedem Kinde, Enkel und Urenkel eines darbieten zu können.

So! Empfanget nun diese Ringe, streifet sie einander auf und flüstert mit, was ich euch vorsage aus dem Hohenliede:

›Wie diesen Ring an deine Hand,
So lege nun mich an dein Herz.
Stark wie der Tod ist die Liebe
Und fest wie die Hölle hält heiße Minne.
Ihre Gluten hinwegzufluten
Seien keine Ströme vermögend
Und sie zu löschen keine weiten Gewässer.
Böte Jemand für die Liebe allen Reichthum,
Er würde werth nur des Hohnes und des Spottes,
Denn der Liebe Gluten
Sind Flammen Gottes.‹

Tretet hervor aus der Blütenlaube der Brautschaft in den heiligen Ernst des Ehestandes. Knieet nieder auf der Stufe meines Hausaltars, zu dem ich, euer Patriarch, emporsteige als stellvertretender Priester, um euch die Hände segnend auf die Häupter zu legen. Der uns in seiner Weltgröße immerdar unbegreifliche Träger und Beweger des Alls ist uns offenbar geworden als unser Vater, als das Wesen, das in uns zur höchsten Stufe der auf dem Erdstern möglichen Herrlichkeit sich entfalten will. In uns, als Stimme der Pflicht und des Gewissens, gebietet er uns, der anerzeugten Gotteskindschaft immer würdiger zu werden. Sein Wollen ist es, was Heiligung unserer Herzen wirkt und uns in Zucht und Sitte das Wachsthum des Menschengeschlechts zu fördern befiehlt bis zur einstigen Erfüllung des Ideals, des Gottesmenschen, zu dem sich in unserem Glauben das Bild des Stifters unserer Religion verklärt hat. So sprech' ich euch zusammen auch im Namen Gottes. Seid Mann und Weib!«

*

Nur vom Schluß der Hochzeitsfeier sei noch Eines erwähnt.

Beide Paare dachten viel zu vernünftig, um sich der häßlichen Mode der Hochzeitsreise zu fügen. Bis zum allgemeinen Aufbruch bewahrten sie dem Feste seinen Sinn und seine Würde durch ihre Anwesenheit. Dann fuhr jedes nach seiner neuen Heimstätte; Ulrich mit Cäcilie nach der nahe der Villa Mendez für sie eingerichteten vorläufigen Miethwohnung; Arnulf mit seiner jungen Frau nach Wallingen.

Dort erwachte Hildegard am Morgen nach der Hochzeitsnacht von einem Kuß auf ihre Fußsohle.

Erschrocken fuhr sie auf, erglühte, sobald sie zum Bewußtsein gekommen, und fragte dann schamhaft kichernd und zum Gatten nur von unter dem vorgehaltenen Arm aufblinzelnd:

»War das Einleitung zur Antwort, die ich nun zu fordern endlich in der Lage bin: warum Du am Saume des Stillen Meeres meine Stapfen maßest?«

»Getroffen, lieb Herz. Wisse nun, daß der Menschengestalt allereigenstes nächst dem Haupte die Fußbildung ist als Erwerb der Aufrichtung zum Schauen des Himmels und seiner Gestirne. Ja, zum Kennzeichen und Maßstabe der innerhalb unserer Gattung erklommenen, sehr verschiedenen Stufenhöhe eracht' ich sie fast noch mehr geeignet, als das Gefäß des Denkorganes, mit dem wir uns siegreich ein Stück über die Natur aufgeschwungen haben. – Laß eine Magd, womöglich eine nichtgermanische, barfuß über aschebestreute Diele schreiten; thu' dann Du dasselbe und vergleiche die Spuren. Fast die ganze Unterseite des Fußes der Magd, von der Ferse bis zu den Zehen, wirst Du abgedrückt finden, dagegen von Deinem Fuß außer der Ferse und dem Vorderballen der Sohle nur einen fingerbreiten Streifen auf der Außenseite, der beide verbindet. Die Höhe der Aufwölbung auf der Innenseite der Sohle und die Schmäle ihrer Auftrittleiste an der Außenseite sind das untrügliche Merkmal leiblichen Adels. Gleich auffällig entwickelt wie an meinen Eltern und Ulrich hatte ich es noch nie gesehen. Als ich es drüben am Gestade der Südsee ähnlich stark sogar in den Stiefelspuren Deines Vaters angedeutet sah, aber noch weit entschiedener ausgeprägt in den Stapfen Deiner Füße, die ein glücklicher Zufall entblößt hatte, da mußt' ich Sebalds in euch ahnen; wie ich denn auch Loa als echten Sprößling des alten Stammes daran erkannte, daß er sich dieser Bildung in erstaunlichem Maße erfreut und darin sogar Dich noch übertrifft.«

Was hierauf Arnulf dem geliebten Weibe noch in's Ohr sagte, das war vielleicht herauszulesen aus dem Lächeln des Schalks und Hildegard's abermals aufflammendem Wangenroth.

Drohend jedoch erhebt Frau Muse den Zeigefinger und verbietet es auszuplaudern.


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