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Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Loa.

 

Das ist der Wahn der Welt: was man berichtet,
Weil man's erlebt, das nennt sie stets erdichtet.

 

Inzwischen hatte sich bei Frau Sebald und an einem andern Ort Erwähnenswerthes zugetragen.

Bald nach Sechs hielt vor dem Wittwenhause in der Dohlengasse ein Miethwagen. Ihm entstieg der Domsekretarius Mottwitz. Eine schmächtige, aber ziemlich lange, mit Bindfaden umschnürte Rolle von Zuckerhutpapier, deren dickerem Ende die knallrothe Schnauze eines Steckenpferdes unverhüllt entragte, lehnte er vorläufig wider die Mauer. Dann hob er den kleinen Reisegefährten aus der Droschke und wollte ihn hinauf tragen.

Loa jedoch hatte in den letzten sieben oder acht Wochen nicht nur seiner Leibeshöhe gut anderthalb Zoll zugelegt, sondern auch an Selbstgefühl einen vielleicht noch größeren Zuwachs gewonnen, als an Sprachgewandtheit, obwohl er gerade diese und namentlich seinen Wortvorrath mindestens verdoppelt, ja, unterwegs vielleicht verdreifacht mittelst unermüdlicher Fragen an den stets bereitwillig und mit Meisterkunde der kindlichen Vorstellungsweise antwortenden Mottwitz. Sich von diesem der »S–tatmama« zureichen zu lassen wie ein Wickelkind, fand er ehrenrührig.

»Allein gehn!« rief er sehr gebieterisch und strampelte dabei so energisch mit den kleinen, aber schon erstaunlich muskulösen, einen künftigen Athleten verheißenden Aermchen und Beinchen, daß er sich vermuthlich auch von minderer Willfährigkeit die Erfüllung seines Verlangens ertrotzt haben würde.

»So lauf' da hinein und hinauf, Du unbändiger Zappelwicht!« sagte Mottwitz, ihn niedersetzend. »Nein Kind,« fügte er hinzu, als Lothar nach dem Paket mit der Peitsche und dem geliebten Steckenpferde griff, »das bring' ich Dir nach. Die Treppe ist steil und dunkel; da darfst Du die Hände nicht voll haben.«

Flink huschte der Knirps zur Hausthür hinein. Auf der Treppe fiel er zurück in die abgelegte Vierfüßlergangart und trabte kletternd hinauf mit einer Sicherheit und Behendigkeit, daß ihm der Alte, vor der untersten Stufe stehen bleibend, vergnügt und bewundernd nachschaute. »Ein allerliebstes Teufelskerlchen!« murmelte er für sich.

Oben breitete schon Frau Sebald dem Bürschchen die Arme entgegen. Bei ihr angelangt, richtete er sich auf, blieb einen Augenblick regungslos stehen und beschaute sie wie fragend und prüfend. Ueber ein Jahr war vergangen, seit sie das Pathchen in Tannkirch besucht. So mußte er sie wohl vergessen haben. Ob nun trotz seines zarten Alters dennoch bei näherem Betrachten eine Erinnerung in ihm auftauchte, oder ob die großen Augen der mildschönen Matrone mit der Freude, die sie strahlten über das inzwischen noch weit entschiedener ausgeprägte kluge Sebaldsgesichtchen, das Herz des Kindes zauberschnell erobert hatten –: fragend rief er »S–tatmama?«, sprang, da sie nickte, mit aufgereckten Aermchen an ihr empor, küßte sie, von ihr aufgefangen und an die Brust gedrückt, und ließ sich küssen; jedoch minder lange, als sie das fortzusetzen geneigt schien. Bald verrieth sein Gesträube, und nicht vergeblich, den Wunsch, losgelassen zu werden und wieder auf eigenen Beinchen zu stehen. Auch beschäftigte ihn schon wieder die Sorge um sein Eigenthum. Er wandte sich zurück und sah die Treppe hinunter, ob auch Mottwitz das Steckenpferd mitbringe.

Seine Gedanken errathend, reichte ihm dieser den Schatz hinauf, als er noch etliche Stufen von ihm entfernt war. Nun erst hüpfte Lothar, den Beiden voran, durch die Glasthür in den Korridor und aus diesem in die Wohnzimmer.

Mottwitz verabschiedete sich mit dem Versprechen, wiederzukehren, sobald er sich umgekleidet. Frau Sebald folgte dem Kleinen und fand ihn beschäftigt, im Gesellschaftszimmer alles ihm Neue aufmerksam zu beschauen und womöglich auch zu betasten. Eine Büste des belvederischen Apollo schien seine Aufmerksamkeit besonders zu fesseln. Da er seine Händchen emporstreckte, aber bei Weitem nicht hinauflangen konnte, nahm sie ihn auf den Arm. Doch die Berührung des kalten Gypsgesichtes gab ihm ein widerliches Empfinden. »Haate Mehlma!« rief er zurückzuckend.

Kaum herunter gelassen, sprang er auf den Sopha, über dem das Porträt des verstorbenen Hauptpastors hing, strich mit der Hand über die bemalte Leinwand, schien erstaunt, keinen ausragenden Körper zu fühlen und sagte: »Ame Ma, kannit spechen!«

Unter dem Porträt hing in bescheidenem Rähmchen ein Aquarell, das einst Frau Sebald selbst als junge Braut ihrem Verlobten gemalt hatte zur Erinnerung an die bedeutungsvolle Stätte, an welcher sie mit ihm bei der ersten Begegnung für's Leben einig geworden war. Es stellte ein gemaltes, altmodisches Glasfenster vor. In getreuer Nachahmung der grellen, unabgestuften Farben, der eckig rohen Gesichtsumrisse und stark verzeichneten Körperlinien zeigte es einen Ritter im Maschenhemde und Sturmhaube ohne Visir, geschmückt mit großem, blutig rothem Kreuz, einen riesigen Flamberg mit geschlängelter Klinge zweihändig schwingend, den eisenumschuhten rechten Fuß erhoben zum Ersteigen der eben nur angedeuteten Quaderstücke einer Mauerbresche.

»Was das?« frug der Knabe, das Bildchen an seiner Hängöse hin und her schiebend, bis ihm der Reflex der Ueberglasung die Malerei möglichst wenig verundeutlichte. »Bunte Ma! Ssön! Loa ßenken!«

Schon wollt' er's abhaken, als ihn Frau Sebald vom Sopha herunter hob.

»Wann Du groß bist, erklär' ich Dir das Bild. Noch kannst Du das nicht verstehen. Wollte Gott,« dachte sie für sich, »Du wärest bald willkommen und zu Hause, wo das Original prangt! – Komm', ich zeige Dir noch andere hübsche Sachen.«

In dem für Arnulf eingerichteten Zimmer kletterte er auf den Schreibstuhl, gaffte offenen Mundes auf das schmucke Schreibgeräth und zog ein recht verdrießliches Gesicht, als es ihm verwehrt wurde, sich der Goldfeder, des Radirmessers, der aus der sammetgefütterten Bronzescheide gezogenen Papierscheere als Spielzeuges zu bemächtigen. Kaum vom Schreibtisch fortgezogen, stand er schon wieder auf einem Stuhl vor dem Sophatisch. Hier fand er entzückt einen Gegenstand, welcher Knaben seines Alters unfehlbar mit um so leidenschaftlicherem Verlangen erfüllt, je strenger ihnen der Gebrauch von den Erwachsenen als gefährlich verboten und entzogen wird: ein scharfes, von Kupfer und Stahl blinkendes Messer, jenen Dolch zum Bücheraufschneiden. Die feine Schneide befühlend, erhob er den wie triumphirend am Griff. Sogleich an sein eingeschnürtes Reitzeug denkend, rief er: »Pert aufsneiden!« und wollte eben mit der geschwungenen Waffe vom Stuhl heruntersetzen, um in's andere Zimmer nach dem Winkel hinter dem Ofen zu laufen, den er seinem Gaul zum Stall angewiesen, als Frau Sebald ängstlich hinzusprang und ihm nicht ohne Anstrengung das bedenkliche Spielzeug entwand.

Ihre dem hungrigen Kinde willkommene Aufforderung, jetzt essen zu kommen, beschwichtete schnell seinen heftigen Verdruß. Doch nicht ohne einen trotzig begehrlichen Rückblick auf das wieder zu den Büchern gelegte Dolchmesser ließ er sich nach dem Speisezimmer führen.

Da stand, aus der Dachkammer heruntergeholt und sauber gedeckt, das kleine Tischchen mit zwei daran befestigten Bänken, an welchem Ulrich und Arnulf als Kinder gesessen. Lothar ließ sich den Milchreis und das Hühnerfleisch trefflich schmecken, wies aber jeden Fütterversuch unwillig ab und bestand eifersüchtig darauf, sowohl den Löffel als die Gabel allein zu Munde zu führen. Auch mußte sich Frau Sebald verwundert bekennen, daß in gleichem Alter selbst ihre doch so strammen Buben nicht mit so zierlicher Geschicklichkeit jeden Bissen des kleingeschnittenen Bratens auf die Gabel gepickt, noch so vornehm hastlos gegessen hatten.

Nach beendigter Mahlzeit ließ er sich ohne Widerspruch in die Schlafkammer führen, vergaß aber nicht, sein immer noch in der Verpackung befindliches Pferd mitzunehmen. Das lehnte er am Kopfende des Bettes wider die Wand. Als Frau Sebald, für sich ein Aergerwort murmelnd über die Einfalt ihrer Magd, welche die Bettstelle mit dem Fußende nach dem Fenster aufgestellt hatte, so daß dem Kinde das Licht in's Gesicht scheinen mußte, sogleich selbst die Umwendung besorgte, da sah sie den Kleinen auch seinen Steckengaul entsprechend umsetzen.

Nun brachte die Köchin eine Bütte mit lauwarmem Wasser und schickte sich an das Kind auszukleiden und zu baden. Letzteres Geschäft indeß nach einer Frist von bald dreißig Jahren wieder einmal eigenhändig zu besorgen, ließ Frau Sebald sich nicht nehmen. Und wie reich fühlte sie sich dafür belohnt! Als sie das Kerlchen nackt in die Wanne gehoben, kostete es ihr einen Entschluß, nicht allzu lange müßig zu schwelgen im Beschauen dieser entzückend gebildeten Mannsminiatur, und öfter als nöthig ließ sie beim Waschen den Schwamm fallen, um auch ihre Handfläche die Wohlform dieser Gestalt und den warmen Sammet ihrer festgespannten Haut kosten zu lassen.

Als das Kind, mit frischem, kurzärmligem Hemdchen bekleidet, ruhig unter der purpurstreifigen weißen Wolldecke lag, zog sie sich in das Zimmer Arnulf's zurück, von wo sie durch die halb offen lehnende Thür zuweilen nach ihm lauschte. Bald schien er fest zu schlafen. Sie hörte auf der Treppe den wiederkehrenden Mottwitz und begab sich in den Salon zurück.

Doch der Pfiffige kleine Schelm schlief noch nicht. Als er die Thür von der Nebenstube zum Salon zuklappen gehört, überkletterte er geräuschlos die Galerie der Bettstelle und holte sich das Dolchmesser. In seinem Lager aufrecht sitzend, begann er die Schnüre und das Packpapier um Steckenpferd und Peitsche aufzuschneiden. Schwelgend in dem Vergnügen, das verbotene Werkzeug doch zu verwenden, hatte er nun seine Kleinodien freigeschält. Inzwischen aber war das Dämmerlicht des Fensters so schwach geworden, daß ihm sein sonst so schön blau und roth prangender Gaul einfarbig grau erschien. Auch fühlte er die Händchen doch recht müde von der schwierigen Arbeit im Halbdunkel. So lehnte er denn das Pferd wider die Wand, legte die Peitsche links neben sich, verbarg das Dolchmesser rechts zwischen Matratze und Bettstelle, sank rückwärts und war bald darauf wirklich fest eingeschlafen. –

 

Um die Vesperstunde desselben Tages befand sich bei Professor Marpinger ein Fremdling von südländischem Aussehen.

Aus den Amtsberichten der katholischen Pfarrer fließen alle für die Mission des Jesuitenordens erwägenswerth scheinenden Meldungen in Auszügen oder Abschriften zusammen im Kabinet des Provinzials.

Als daselbst die Frage vorlag, wie der Gefahr vorzubeugen sei, Hildegard, die einzige Tochter eines begüterten Standesherrn, an die Protestanten zu verlieren, mußte man sich erinnern der Anzeige eines Regimentsgeistlichen, der einen schwer verwundeten Offizier desselben Namens »in periculo mortis« ohne vorgängiges Aufgebot getraut hatte. Dem alsbald aus den Akten hervorgesuchten Bericht fand man die Erklärung hinzugefügt, daß Oberlieutenant Lothar Sebald, Graf von Sebaldsheim, zur Vermählung auf dem Sterbebett bewogen worden sei durch die Mutterhoffnung seiner Geliebten, der berühmten Kunstreiterin Miß Arabella.

Es stellte sich heraus, daß dieser Lothar Hildegard's Bruder gewesen. Fernere Erkundigungen hoben zwar die Befürchtung, nach dem Tode des regierenden Grafen das Majorat dieser vor anderthalb Jahrhunderten dem Lutherthum entrissenen Familie unmittelbar in den Besitz eines Ketzers übergehen zu sehn. Aber kaum weniger beunruhigend lautete die eingeforderte Charakteristik des nominell katholischen Erbanwarts. Diesen Husarenrittmeister schilderte der Feldprobst seines Regiments als einen Wüstling, Spieler und ruchlosen Spötter. Schon seinen Vater habe er fast ruinirt, auch neuerdings, seit er durch sein Erbrecht wieder zu Kredit gekommen, eine ansehnliche, von Wucherern erborgte Summe in kurzer Frist sinnlos vergeudet. Es stand also zu befürchten, daß er sein Erbe schon überschuldet antreten und durch Zwangsverkauf bald wieder verlieren würde, worauf es in dem fast ausschließlich protestantischen Bezirk wahrscheinlich den Besitz und Einfluß der Nichtkatholiken zu vermehren bestimmt war.

So drängte sich dem Provinzial der Gedanke auf, nach dem Kinde Arabella's forschen zu lassen. War es ein Sohn, so mußte wohl ein leiblicher Enkel auch dem alten Grafen als Erbe weit erwünschter sein als der anrüchige Verschwender. Die Kirche vollends konnte sich in ihm, wenn er schon in zartester Jugend ihrer Leitung anvertraut wurde, einen treuen Schirmvogt und Bannerträger erziehen für ihre Vorhut zur Wiedereroberung einer verlorenen Provinz.

Bald wußte man, daß Arabella, von Dalmatien ihrer Gesellschaft nachgereist, noch mehrere Monate an verschiedenen Orten, zuletzt etwa sechs Wochen in Odenburg gespielt hatte. Dann war sie aus der Oeffentlichkeit verschwunden, erst ein volles Vierteljahr später in einer andern Stadt wieder aufgetreten und schließlich, als die Zalesky'schen Reiter Odenburg nach Jahren zum zweiten Mal besucht, in der Eröffnungsvorstellung verunglückt.

So hatte denn Professor Marpinger, als Chef der geheimen Mission im Odenburger Bezirk, zugleich mit jenen Weisungen, deren Ausführung Hildegard's Mitreise nach Amerika unterbrochen, den Auftrag erhalten, weder Mühe noch Kosten zu sparen, um das Kind Arabella's zu ermitteln, und, wenn es ein Knabe sei, dessen kirchliche Erziehung zu sichern.

Es gelang ihm zu entdecken, daß Arabella in der Frauenklinik zu Odenburg wirklich eines Knaben genesen, auch daß der lutherische Pastor Sebald das Kind der Katholikin getauft und geraume Zeit später mehrere Stunden zugebracht hatte am Sterbelager der Kunstreiterin. Lange fruchtlos hingegen blieben seine Bemühungen, den Aufenthalt des Kleinen zu erforschen, so sehr auch sein eigener Eifer von seinen Oberen immer dringlicher gespornt und mit reichlichen Mitteln ausgerüstet wurde. Denn aus seinen Berichten zog man den Schluß, daß ein ähnlicher Feldzugsplan seitens der Protestanten mit Umsicht angelegt sei zur Wiedergewinnung der ihnen einst abgenommenen Grafschaft Sebaldsheim.

Das war insofern ein Irrthum, als einer so wohlgegliederten, weltumfassenden und einheitlich geleiteten Organisation zur Proselytenmacherei, wie der jesuitischen, die lutherische Kirche in ihrer Zersplitterung so gut wie wehrlos gegenüberstand. Dennoch war es nicht ganz unrichtig, da in diesem Falle der Wille eines einzelnen Mannes erstrebte, was man einer geheimen Gegenmission zuschrieb.

Ulrich Sebald glaubte zum Beichtiger, Testamentsvollstrecker und Kindesvormund der katholischen Karola durch eine höhere Fügung bestimmt worden zu sein. Das Recht seiner Familie auf den Heimfall der Grafschaft erachtete er als längst verjährt. Indeß war ja vom Statut seines Ahnen, des Reformators Dietleib, wenigstens die Absicht endlich noch verwirklicht, wenn die im Besitz bleibende jüngere Linie wieder zum protestantischen Bekenntniß gehörte. Neben dem Wunsch der sterbenden Mutter, ihr Söhnchen entzogen zu wissen den sie selbst auf Schritt und Tritt lästig umspürenden katholischen Geistlichen und Jesuiten, war es also weit mehr das Gefühl seiner Familienpflicht, als der in ihm wenig entwickelte Bekehrungseifer gewesen, was ihn bewogen hatte, sein Mündel Lothar dem Hause eines aufgeklärten und milden, aber streng protestantischen Pfarrers im entlegenen Gebirgsdorf Tannkirch zur ersten Erziehung anzuvertrauen.

Erst im Verkehr mit Spitzer und Schlaube stieß Marpinger endlich auf die richtige Fährte, als er hörte von jener irrigen Geburtsanzeige im Taufregister, von Ulrich's eigenhändiger Berichtigung derselben, vom Nachtrag endlich, in welchem sich der Pastor unter Hinweis auf Dokumente im Geheimschrank zugleich als Vormund Lothar's bekannt habe. Wie er sich wohl hütete, seine gründliche Verachtung der beiden Wichte merken zu lassen, deren dumme Rachsucht und elenden Brodneid er nichtsdestoweniger seinem Streitwagen im Dienst der Kirche vorspannte, ohne dadurch sein Werthbewußtsein vermindert zu fühlen, so widersprach er auch trotz besserem Wissen mit keiner Silbe ihrem sogleich fertigen Verdacht. Er gab sich den Anschein, Schlaube's und Spitzer's Meinung theilend, Lothar ebenfalls für einen Bankert Ulrich's zu halten und zur eifrigen Förderung weiterer Nachforschungen bewogen zu sein von der Absicht, den Hauptpastor eines unsittlichen Lebenswandels zu überführen. Sogar seinen anfänglichen Widerspruch gegen die Karrikatur auf dem Umschlag der Osterpredigt, so sehr ihn diese Erfindung Schlaube's auch anekelte, ließ er fallen, um keine Ahnung auskommen zu lassen, daß er bei dieser Intrigue noch ein anderes und höheres Ziel im Auge habe als die Verdrängung Ulrich's. Auf seine Anregung hatte Schlaube dem Küster empfohlen, sich die Adressen der Privatbriefe des Pastors und seiner Mutter zu merken, um so den Aufenthaltsort Lothar's zu erfahren. Von ihm war Spitzer mit Reisegeld und Instruktionen zur Spürfahrt nach Tannkirch versehen worden.

Deren Ergebniß meldete Marpinger seinen Oberen und bat um Verhaltungsbefehle. Ohne solche die schon geplante Entführung selbständig in's Werk zu setzen, dünkte ihm doch zu verantwortlich. Auch schien ihm Eile durch nichts geboten, da er keine Kunde hatte von der zufälligen Begegnung zwischen Mottwitz und dem Kleinen. Als aber, verbunden mit einer scharfen Rüge seines Zögerns, die Weisung eintraf, sich Lothar's unverzüglich zu versichern, hatte das Erscheinen der Osterpredigt mit der Karrikatur bereits den Besuch des Domsekretärs bei Ulrich und seine Reise nach Tannkirch zur Abholung des Knaben zur Folge gehabt.

In der Missive mit dem Befehl für Marpinger, ungesäumt zu handeln, war deren Ueberbringer für die Ausführung empfohlen als ein Ordensagent, der sich in schwierigen Aufträgen von ähnlicher Art schon mehrmals bewährt habe.

Mit diesem, einem aller Hauptsprachen Europas mächtigen Italiener von untersetzter Gestalt und gedrungenem Gliederbau, saß Marpinger in seinem Studirzimmer eben in Berathung. Der Professor hatte mitgetheilt, was er in Erfahrung gebracht über den Pfarrer in Tannkirch und dessen schlichten Haushalt. Vor den Beiden lag auf dem Tisch ausgebreitet eine Spezialkarte der Gebirgslandschaft um Tannkirch. Der Entführungsplan war beschlossen. Noch diesen Abend sollte Maloti als Hausirer mit ländlichen Kleiderstoffen und Spielwaaren die Reise nach dem einsamen Gebirgsdorf antreten.

Da erschien Spitzer und meldete dem Professor, er habe eine Kinderbettstelle nebst zugehörigem Geräth in das Pfarrwittwenhaus tragen gesehen. In der vermuthlichen Bestimmung dieser Sachen habe er sogleich eine Erklärung gewittert für die auffällige, bereits drei Tage dauernde Abwesenheit des Domsekretärs Mottwitz, eines vertrauten Freundes des Hauptpastors. Seine Erkundigungen in dessen Wohnung und in der Expedition der Fahrpost seien bestätigend ausgefallen. Wahrscheinlich mit dem heute sechs Uhr Abends fälligen Wagen werde Mottwitz mit dem Bankert der Kunstreiterin und des Pfarrers eintreffen.

Maloti frug, ob ihm die Wohnung der Frau Sebald auch im Innern bekannt sei.

»Sehr genau,« versetzte der Küster mit einem Seufzer des Uumuths. »Bin ihr nur allzu bequem bei der Hand; denn ich wohne gerade gegenüber. Täglich hab' ich Botengänge, Einkäufe und selbst Hausgeschäfte für die Frau Pfarrerin zu besorgen. Heute vollends wollen die Packeseldienste kein Ende nehmen, auch muß ich gleich nochmals hin. Konnte das der Mutter meines Vorgesetzten bisher nicht gut verweigern, so sehr es mich empört, als Lakai gemißbraucht zu werden, ich, der ich zwei Semester auf der Universität gewesen bin und fünf oder sechs Jahre früher als dieser Herr Sebald selbst hätte Pfarrer werden können, wenn mich nicht ein unerhörtes Mißgeschick auf den verwünschten Küsterposten verschlagen.«

»Ich weiß, ich weiß!« entgegnete Maloti. »Sie müssen aus dieser unwürdigen Erniedrigung hinauf in eine höhere Region. Jetzt eilen Sie, Ihr voraussichtlich letztes Bedientengeschäft zu besorgen. Geben Sie bei der Gelegenheit genau Acht, wo und wie das Kinderbett aufgestellt ist. Dann überwachen Sie die Ankunft der Post, um uns unverzüglich zu berichten, ob Ihre Vermuthung sich bestätigt hat. Noch diesen Abend werd' ich Ihnen dann die Treppe aus der Gesindestube in den Herrensaal weit offen zeigen.«

Hastig rannte Spitzer fort, mit Eifer beflügelt durch diese so mysteriös als verheißungsvoll klingende Andeutung. Beim Abschiedsbückling hatte er seinen Hoffnungsrausch durch ein so grotesk heftiges Ohrenzucken verrathen, daß die Beiden sich sehr zusammennehmen mußten, einen Lachausbruch zu unterdrücken, bis er außer Hörweite war.

»Wenn man uns wirklich zuvorgekommen ist,« meinte jetzt Marpinger, »werden wir die Entführung des Knaben wohl aufgeben müssen.«

»Ich bin nicht gewohnt, so leicht aufzugeben, was ich auf Befehl der Oberen übernommen habe,« versetzte Maloti mit einiger Schärfe.

»In einer Großstadt voll wachsamer Polizei wird das Unternehmen weit schwieriger.«

»Aber nicht unmöglich.«

»Auch sehr gefährlich.«

»Um so verdienstlicher und, für mich wenigstens, lockender.«

»Gefährlich nicht nur für uns. Bedeutendes Aufsehen ist hier unvermeidlich und könnte die Sache der Kirche, der wir dienen wollen, empfindlich schädigen.«

»Ja, wenn wir's ungeschickt angriffen.«

»Meine Meinung ist, daß wir unsern Zweck in der Hauptsache doch erreichen können, und trotz dieser unvermutheten Kreuzung unseres Planes, selbst ohne Gefahr, wenn wir den Grafen von Sebaldsheim in's Vertrauen ziehen und seine Mitwirkung in Anspruch nehmen. Unser Vorhaben bekommt so die Wendung zum geraden Gegentheil eines Kinderraubes. Wir scheinen nichts weiter zu beabsichtigen, als die sehr löbliche Heimführung eines dem Großvater von unseren Gegnern verheimlichten und vorenthaltenen Enkels, sichern aber so nicht minder die gewünschte Erziehung des Majoratserben.«

»Die gewünschte? Gesetzt, der Graf anerkenne den Posthumus seines Sohnes von der Kunstreiterin, was mir noch keineswegs unfraglich dünkt –: an das uns genannte Kloster wird er dann den Enkel schwerlich abgeben wollen. Offenbar aber ist gerade die Klostererziehung nach den Absichten des Provinzials die Hauptforderung in unseren Instruktionen.«

»Auf diese müßten wir allerdings verzichten. Aber was thut's? Wenn auch nicht klösterlich, so doch immerhin katholisch würde das Kind auch der Graf erziehen. Er ist ja Katholik.«

»Aber ein lauer. Kurz, ich bin nicht so schnell fertig mit dem Entschluß, umzusatteln. Jedenfalls will ich zuvor ein Examen privatissimum anstellen mit Ihrem sehr brauchbaren Spion. Nach Ihrer meisterlich psychologischen Charakteranalyse und Biographie scheint mir dieser halb erdrückte Lastträger einer Bestienerbschaft nicht nur pfiffig und habgierig, sondern auch grimmdumm und racheblind genug, um sich ködern zu lassen zur Besorgung unseres Geschäfts. Zur einmaligen Beizung als Kindergeier hoff' ich diese Ohreule dressirbar zu finden. Erst nachträglich erfahre er von uns, daß es für ihn nur eine Rettung vor dem Zuchthause gebe: Uebertritt und Aufnahme in ein auswärtiges Kloster. Da muß er dann nicht nur diese Rolle Lockgold, sondern auch seine eigenen Ersparnisse der Genossenschaft ausliefern. Als dienender Laienbruder Wasser tragend und Holz hackend mag er das Privilegium genießen, seine Hyänenohren unter der Kapuze verborgen zu halten. Bitte, stecken Sie diese Rolle zu sich. Wann er sich verabschieden will, brechen Sie dieselbe auf, zählen das halbe Hundert Doppelkronen auf den Tisch und geben mir, mit einem verständlichen Seitenblick auf ihn, einen Wink, sie in meine Tasche zu thun. Ich wette, daß das Geklirr des Goldes, wann ich es zusammenscharre und einsacke, auch den letzten Rest seiner persönlichen Vorsicht in Giertrunkenheit ersäufen wird. Ich nehme dann vertraulich seinen Arm, begleite ihn nach seiner Wohnung und werde schwerlich mehr als ein Viertelstündchen nöthig haben, um über ihn zu verfügen als über ein willenloses, zu Allem fähiges Werkzeug.«

»Laut dieser Missive,« entgegnete Marpinger, »bin ich nicht befugt, Ihr Wagniß zu verbieten. Aber in sogleich aufzunehmendem und von Ihnen mit zu unterzeichnendem Geheimprotokoll will ich mein Bedenken urkundlich niederlegen und alle Verantwortung ablehnen. Auch bedaure ich, wegen meiner eben so wichtigen als delikaten Stellung in dieser Stadt meine Mitwirkung versagen zu müssen bei anderweiter Verwendung des für die Fahrt nach Tannkirch bereitgestellten Wagens. Dagegen werd' ich die Nacht über in den Kleidern und Ihrer gewärtig bleiben. Falls Ihr Unternehmen mißlänge, würden wir die entstehende ernste Gefahr vielleicht noch beschwören können durch rasches Einschlagen des von mir bezeichneten Weges. Nach einem Brief des Sebaldsheimer Kaplans muß der Graf gestern oder heute heimgekehrt sein. Ihn würd' ich dann unverzüglich besuchen, in's Vertrauen ziehen, ihm Ihr Wagniß als einen aus Uebereifer für ihn mit unvorsichtiger Hast ausgeführten Streich darstellen und so seinen Einfluß in's Spiel setzen, um das Einschreiten der Polizei wenigstens zu verzögern.«

»Das gewünschte Protokoll bin ich bereit zu unterzeichnen. Auch Ihren Vorschlag zur Deckung meines allfälligen Rückzuges nehme ich an. Es dünkt mir sogar geboten, von Ihrem nothbehelflichen Plan dem Küster eine für ihn korrigirte Lesart glaublich zu machen.«

»Wozu?«

»Erstlich ist sein Hauptmotiv, uns in dieser Sache zu dienen, sein Verlangen, dem verhaßten Pastor einen Schandfleck anzuheften. Wenn ihm der naheliegende Gedanke aufstiege, daß Lothar's Verschwinden diese oberste seiner Absichten vereiteln könne, dann, fürchte ich, würde selbst seine Geldgier nicht ausreichen, ihn zur immerhin gewagten Förderung dieses Verschwindens zu bestimmen. Wir müssen ihm also beibringen, daß nicht nur die Amtsentsetzung Sebald's völlig gesichert sei, sondern auch die Aufdeckung der Buhlschaft mittelst Entführung des Kindes erst recht beschämend, ja, vernichtend für den Ruf des Hauptpastors erfolgen solle. Daß uns an der Rettung des Kleinen aus den Klauen der Ketzer weit mehr gelegen ist, als an der Vertreibung des Pfarrers, das merkt er bereits. Bei der Vergeblichkeit des Versuches, das zu verbergen, wird es gerathener sein, es unverhohlen einzugestehen. Zweitens ist dieser Schleicher ebenso feig als heimtückisch. Um seinen leidenschaftlichen Ingrimm für eine Viertelstunde anzuheizen zum Surrogat des Muths, wird es ersprießlich und unerläßlich sein, ihm das Wagniß mit einem Schein von gefahrloser Unschuld, ja selbst mit einem Firnißglanz von Verdienstlichkeit anzustreichen.«

»Und wie wollen Sie zu diesem Behuf meinen Plan umlügen?«

»Da Spitzer nichts wissen darf vom wahren Vater Lothar's, muß ihm beigebracht werden, des Kleinen Mutter sei die Tochter eines in der Nachbarschaft Odenburgs begüterten Standesherrn gewesen. Letzterer habe jetzt erst erfahren von den abenteuerlichen Schicksalen des ihm einst von Zigeunern gestohlenen Mädchens, von ihrem Ende als Kunstreiterin, von ihrer Liebschaft, von der Existenz ihres Söhnchens. Diesen ihm vorenthaltenen Enkel wolle er den lutherischen Proselytenmachern entreißen, um ihn zu seinem Erben zu erziehen. So werde denn dieser steinreiche, erlauchte Großvater den muthigen Befreier seines kleinen Stammhalters glänzend zu belohnen und zugleich mit seinem allmächtigen Einfluß zu schützen wissen vor jeder unangenehmen Folge seiner kühnen That. – Das ist die rohe Skizze des Märchens, das ich ihm aufbinden will, natürlich verbrämt mit novellistischem Detail und gewürzt mit hochtönenden Phrasen vom preiswürdigen Edelsinn unseres Unternehmens. Die werd' ich ihm einlöffeln in seine ungeheuerlichen Ohren, bis er selbst darauf schwört, eine hochherzige Heldenthat zu verrichten, indem er sich hergibt zum Knabenmarder.«

Marpinger vermied es zu antworten, schien aber mit leichtem Kopfnicken, wenn auch nicht sein Einverständniß, so doch seine Gefügigkeit anzudeuten.

Gegen halb Sieben erschien der Küster und meldete, daß Mottwitz, den kleinen Lothar im Arm, aus dem Postwagen in einen Fiaker gestiegen und nach dem Pfarrwittwenhause in der Dohlengasse gefahren sei.

Als er sich, nach Beantwortung einiger Fragen Maloti's nach der Treppe, dem Vorplatz, dem Korridor und der Zimmereintheilung bei Frau Sebald, wieder verabschieden wollte, hieß man ihn noch einen Augenblick warten, und alsbald begannen die Beiden das beschlossene Köderspiel.

Wann in unseren zoologischen Gärten nach dem den Raubthieren auferlegten allwöchentlichen Fasttage der Wärter mit dem Stück Fleisch auf dem Eisenhaken in Sicht kommt, dann funkeln selbst die Augen des schwarzen Panthers nicht wilder von Freßgier, als jetzt die Augen des Küsters Goldhunger sprühten, während Marpinger in verabredeter Weise den Inhalt der Rolle auf den Tisch zählte. Als Maloti den glänzenden Haufen möglichst geräuschvoll zusammenrechte und noch in der Hosentasche eine Weile klimpernd in ihm herumwühlte, da weckte der Kopf mit den trillerschnell auf und nieder zwinkernden Ohren etwa die Vorstellung einer Vogelmißgeburt, die mit ungenügenden Flügelstümpfen vergebliche Flatterversuche anstelle.

Ein mit dem blendenden Gelbmetall und seinem höllischen Lockton hypnotisirter, dem Willen des Magnetiseurs widerstandlos unterthäniger Sklav schritt am Arm des zufrieden lächelnden Italieners aus dem Arbeitszimmer des Professors.

Mit Spitzer in dessen Wohnung sitzend, am Fenster eines dunkelgelassenen Zimmers zu ebener Erde, wußte Maloti die schon dem Professor angedeutete Skizze meisterhaft bis in's Einzelne auszumalen und kraft seiner virtuosen Menschenkenntniß für den Küster so schlicht glaublich als ermuthigend und unwiderstehlich verführerisch darzustellen.

»Retten Sie uns dies gestohlene Kind!« schloß er. »Fern von hier, unangefochten von Spöttern, ich verbürg' es, sollen Sie dann ein ungestört friedliches und sorgenfreies Leben führen.«

»Die drei hellen Fenster im ersten Stock drüben,« sagte Spitzer nach einigem Ueberlegen, »gehören zum Gesellschaftszimmer. Die Frau Pastor gibt ein kleines Fest zu Ehren ihres heute von Amerika- zurückgekehrten zweiten Sohnes. Außer diesem und dem Pastor sind, soviel ich weiß, noch Doktor Mannheimer und der Domsekretär gebeten. Die jetzt nur durch die offenstehende Thür des Salons etwas erhellte Stube mit den zwei eben aufschimmernden Fenstern ist für den Amerikaner eingerichtet. Neben dieser liegt eine schmale Kammer. Ihr Fenster, das letzte des Hauses nach rechts, ist völlig dunkel, die Thür also zugemacht, vielleicht sogar verschlossen. In der hab' ich das Bettchen für den Bankert aufgestellt gesehen. Nach dem Korridor hat sie ihren besonderen Ausgang. Der ist gewiß nicht verriegelt, da man sonst, um zu dem Kleinen zu gelangen, jedesmal den Amerikaner stören müßte. Die alte Dienstmagd drüben ist freilich eine resolute, mir nicht eben grüne Person. Aber mein Kommen und Gehen ist sie zu allen Stunden gewohnt. Auch kann ich ihr, um einen unverdächtigen Vorwand zu haben für mein Erscheinen in so später Stunde, dies Paket Thee einhändigen. Man erwartet es erst morgen; aber ich kann ja sagen, daß ich der Gesellschaft wegen dringlichen Bedarf vermuthet hätte. Besser freilich wär's, wenn ich ihr gar nicht begegnete. Will also warten, bis man sich zum Speisen in's Hinterzimmer begibt, was von hier aus wahrzunehmen ist; dann hat die Magd die Schüsseln herumzureichen. Derweil könnt' ich das Kind unbemerkt herausholen. Aber der Bengel hat eine kräftige Stimme und wird schreien.«

»Das ist leicht zu verhüten. Ich werde Ihnen einen zubereiteten Schwamm mitgeben. Ziehen Sie, um lautlos aufzutreten, über die Stiefel dicke Wollenstrümpfe. In der Kammer angelangt, halten Sie den Schwamm dem Knaben unter die Nase. Dann schläft er zehn Minuten so fest, daß ihn selbst ein Kanonenschuß nicht erwecken würde. Wissen Sie, wie sein Bette steht?«

»Ja wohl, dicht an der Thür.«

»Vermuthlich mit dem Kopfende nach dem Fenster?«

»Im Gegentheil, ich entsinne mich genau, daß ich die Kopfkissen nach der Thür zu gelegt sah.«

»Desto besser. Recken Sie Ihre tastende Hand vorsichtig nicht weiter, als bis Sie Leibeswärme spüren. Ich denke, Sie müssen sehr feinfühlig sein.«

»Ja, das bin ich.«

»Gut denn. Nur eben so nahe dem Gesicht brauchen Sie den Schwamm eine halbe Minute zu halten, um das Bürschchen lautlos und regungslos gefügig zu machen. Dann greifen Sie dreist und kräftig zu. Das Kind unter dem Mantel im Arm, eilen Sie sacht hinunter. Auf dieser Seite der Gasse, zwei Häuser oberhalb des Ihrigen, unter dem Vordach der Hufschmiede, erwart' ich Sie. Auf dem Gemüsemarkt, rechts von der Ausmündung dieser Gasse, wird mein Wagen halten. Zwei Stunden später befinden wir uns in Sicherheit auf dem Grafensitz des Großvaters, der Ihnen seine Dankbarkeit mindestens mit dem doppelten Betrage unserer Vergütung beweisen wird.«


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