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XXVI

Sehr oft gedachte man im Chodengau des heurigen Frühlings, in welchem auf den Feldern noch frei und ohne Robot, ohne Furcht vor den Herren gearbeitet wurde! Überall blühte zu dieser Zeit noch die Hoffnung, die Ernte werde erst recht schön werden, da dann bereits der Prozess gewonnen sein, und man sicherlich furchtlos die herbeigesehnte Freiheit geniessen werde. Und welch' ein Wandel, bevor die Ernte kam! Welch' ein Gewittersturm vernichtete die Hoffnung, ja die feste Zuversicht der Choden, dass bessere Tage der Freiheit kommen werden! Er hat ausgetobt – und wie ausgetobt!

Das bei Putzeried so reichlich vergossene Blut floss umsonst. Glücklich waren noch jene zu nennen, die dort wie Matthias Přibek auf dem Felde liegen blieben, oder alle jene, die ihren dort erhaltenen Wunden erlagen. Es schlug sich zwar aus Přibeks verwegener Schar so mancher durch und rettete sich so. Doch solche fristeten in den Wäldern oder im benachbarten Baiernlande nur kümmerlich ihr Leben. Wie lange können es diese Flüchtlinge aushalten? Sollte sie der Hunger nicht zur Rückkehr zwingen, wird sie das Heimweh nicht dazu bringen, dass sie, wie jene in Hammern bittend heimkehren? Diesen hatte es Matthias Přibek gut vorausgesagt.

Sie wurden in Gnaden aufgenommen, aber wie! Mehr als siebzig von ihnen wurden gefesselt in die Gefängnisse von Pilsen, Teinitz und Mies gesteckt. Es erging ihnen dorten schlimm, sie wurden wie Diebe und Vagabunden geprügelt.

Unterdessen reifte auf den Feldern das Getreide und es begann die Ernte. Es war aber eine andere Ernte, als auf die sich die Choden gefreut hatten.

Knapp vor der Erntezeit wurden die Bauern nach Chodenschloss in die Kanzlei berufen; sie wurden aber nicht alle auf einmal, sondern ein Dorf nach dem anderen hinbeschieden. Hier mussten alle, Bauern wie Chaluppner, auf das heilige Evangelium schwören, dass sie und ihre Nachkommen Untertanen und Robotleute S. G. des hochgeborenen Herrn Maxmilian Lamminger von Albenreuth und seiner Erben sind und bleiben werden und geloben, die Untertanenpflichten treu und folgsam zu erfüllen, sowie dieser ihrer allergnädigsten Obrigkeit gegenüber gehorsam zu sein und als Leibeigene sich verhalten zu wollen.

Nachdem sie die Eidesformel nachgesprochen hatten, wurde ihnen noch eine Urkunde vorgelesen, in der es hiess: Alle Choden erkennen an, dass ihre ehemaligen Rechte und Majestätsbriefe ungültig sind, und werden mit ihrer Obrigkeit – wie dies auch das Allerhöchste kais. Patent anordnet und befiehlt – nie mehr prozessieren, sondern das ihnen aufgetragene »perpetuum silentium« einhalten.

Ruhig, geräuschlos zogen die Choden zur Kanzlei und warteten dort ruhig, schweigsam und eingeschüchtert, bis sie herein gerufen werden. Es gab unter ihnen keinen wilden Brychta mehr, und auch kein Šerlovský oder Matthias Přibek war hier. Viele waren niedergeschlagenen Geistes, und die es nicht waren, wussten sehr wohl, dass alles umsonst sei. –

Mit dumpfer Stimme sprachen sie die Eidesformel herunter; so mancher blieb dabei stecken und schauderte, und auch manche abgearbeitete Rechte zitterte, als sie das Schriftstück, mit dem sie sich selbst den Mund stopften, sich selbst die Hände fesselten, sich selbst niederschlugen, unterfertigte.

Als die Chodenmänner die Kanzlei verliessen, entrang sich so mancher tiefe Seufzer ihrer Brust. Jetzt waren sie bereits Untertanen, mit Leib und Seele Eigentum der verhassten Obrigkeit.

Schon der Gedanke an sich war peinlich – und doch fühlten sie es erst dann recht, als sie das, was sie in der Kanzlei versprochen, auch üben mussten. Kaum hatte die Ernte begonnen, benützte auch schon die Obrigkeit ihr Recht, und jagte die Choden zur Robot. Sie und ihre Väter wurden schon früher zu solchen Arbeiten gezwungen, doch welch' ein Unterschied in der Arbeit, in der Anzahl der Robottage, in allen Forderungen und in der Art, wie man sie behandelte!

Die ersten und am meisten geachteten Bauern, die dort in Hammern waren, mussten die schwerste und ärgste Arbeit leisten. Man führte sie aus den Dörfern und aus den Gefängnissen, in denen sie bisher gehalten wurden, heraus und trieb sie gefesselt auf die Felder, wo sie zu arbeiten hatten.

Es war etwas Unerhörtes. Der »Prokurator« Syka, der alte Psůtka aus Possigkau, Pajdar aus Putzeried und so mancher in Ehren ergraute Nachbar verrichteten Arbeiten auf den Feldern der Herrschaft, an den Füssen, gleich Lumpen und Verbrechern gefesselt. Jeder der an dem Aufstande nur halbwegs teil genommen hatte, der sich früher nur im geringsten wehrte, wurde jetzt gestraft. Auch den Tauser Nachbarn, Just, vergass man nicht; er wurde eingesperrt, weil er die Choden aufgehetzt. Ja selbst der Prokurator wurde, wie man aus Prag vernahm, in den Kerker gesteckt und es half ihm seine adelige Abstammung eben so wenig wie seine hochgeborenen Verwandten, die für ihn Fürsprache einlegten.

Von den Boten, vom alten Hrubý, Kozina, Čtverák, Němec aus Medaken, Peč aus Meigelshof und seinen zwei Genossen vernahm man nur, dass sie noch im Kerker seien.

Die besten und entschlossensten Choden waren eingesperrt oder mussten in Ketten Frondienste leisten – war es da ein Wunder, dass der ganze Chodengau stumm und traurig war? Die Ernte brach an, aber sie vollzog sich in aller Stille, ohne Gesang, traurig verlief die Zeit, und nur der Kummer blieb zurück. Der Herbst forderte neue Arbeit und die Herrschaft neue Robot. Düster, schweigsam und ohne zu mucksen, verrichteten sie die Choden auch dann, als sie die Verwalter und das herrschaftliche Gesinde gröber denn je anfuhren und so roh wie nie vorher behandelten. Man fluchte höchstens abseits und knirschte mit den Zähnen, aber diejenigen, die ein weniger mutiges Herz besassen, begannen bereits über jene zu klagen, denen sie früher eifrig und begeistert zugestimmt hatten. Der selige Přibek, Syka, Hrubý und Kozina hätten, meinten sie, alles dies zum Schaden der Gesamtheit eingefädelt.

Nur der alte Přibek, des verstorbenen Matthias Přibek Vater, schwieg.

Er war seit der Zeit, als es in Hammern so schlimm ausfiel und sein einziger Sohn dabei den Tod fand, ganz verändert. Die achtzig und mehr Jahre, die er bereits erlebt, begannen plötzlich schwer auf ihm zu lasten.

Es schien, als ob er sich um nichts interessieren würde, und es freute ihn auch nichts mehr. Stundenlang sass er zu Hause auf dem Lindenklotz oder auf dem Bette, falls er nicht mit gesenktem Haupte und mit in die Erde gebohrten Blicken, ganz einsam und nachdenklich in der Sonnenglut im Garten sass. Manchmal dachte schon Manka, er sei eingeschummert, als sie aber sodann sachte zu ihm trat, hörte sie, wie der Grossvater halblaut zu sich selbst von ihrem Vater sprach. Als sie einmal knapp hinter ihm stand, schlug er die Augen auf und als sähe er jemanden vor sich, sprach er: »Dieser Chomet – ich habe es doch gesagt –« Er schüttelte den Kopf, liess ihn plötzlich sinken und fügte leise bei: »Und die Gerechtigkeit! Gibt es denn eine Gerechtigkeit?«

Die Enkelin verstand seine Gedanken. Es geht ihm nicht aus dem Sinne, er denkt an nichts anderes. Wie oft wurde er schon von ihr in verschiedenen Angelegenheiten um Rat befragt, er antwortete aber kaum, als höre er oder verstehe er nicht. Er, der einst ein so sorgsamer Hauswirt gewesen! Jetzt musste dieses junge Mädchen alles selbst besorgen und noch um den Grossvater, wie für ein kleines Kind sorgen. Und sie sorgte auch. Wohl prägte sich ihrem Gedächtnis ein, was ihr Vater ihr gesagt hat, als er vor dem Kampfe von ihr Abschied nahm. Sie beherzigte so getreu seine Worte, dass sie um den Grossvater gar nicht mehr besser sorgen konnte. Gleich nachdem man den Vater beerdigt hatte, führte sie den Grossvater nach Hause. Was war das damals für eine Rückkehr und wie fand sie die Wirtschaft! Alles war, wie in Aujezdl überall, ausgeplündert.

Doch sie war Matthias Přibeks Tochter. Eine andere wäre ratlos gewesen. Manka rackerte sich aber vom frühen Morgen bis spät in die Nacht ab, während das Gesinde meistens auf den herrschaftlichen Feldern arbeitete. Doch die schwere Arbeit, die Anstrengung hätte sie schon überwunden, aber den Vater konnte sie nicht vergessen. Und diese Sorgen! Der alte Šerlovský, der sich mit seinem Sohne durchschlug, kehrte im Herbste dennoch heim und musste ebenfalls in Ketten aufs herrschaftliche Feld. Der Sohn aber blieb in Baiern, da man ihn benachrichtigt hatte, dass die Obrigkeit mit besonderem Eifer nach ihm fahnde und ihn offenbar schwer zu bestrafen beabsichtige. Wie wird es weiter sein? Wann wird er heimkehren und wird eine Wiederkehr überhaupt möglich sein?

Diese Zweifel quälten Přibeks Tochter am meisten.

Jiskra Řehůřeks Dudelsack und die Geige seines alten Vaters hingen unberührt, ohne jetzt je zu ertönen. Selbst die Schüler kamen nicht mehr. Wer könnte auch zu einer solchen Zeit an Musik denken! Der Dudelsackpfeifer war der Schaffner bei Kozinas. Brauchte man ihn ja dort auch und es war ein Glück zu nennen, dass Jiskra die Familie seines Freundes und Vetters nicht vergessen hatte. Es arbeiteten zwar sowohl die alte Kozina als auch Hančí über und über, aber ihre Kräfte reichten trotzdem hie und da nicht hin. Jiskra verliess sie seit dem Augenblicke, in welchem er ihnen bei der Flucht behilflich war, nicht mehr. Aus dem Walde von Zelenov führte er sie auf den Bauernhof zurück und verbrachte bei ihnen sodann die meiste Tageszeit. Nur einigemale wurde er daran gehindert, als er nämlich auf das Schloss berufen wurde, um eine Tracht Prügel mit dem Haselstocke des Musketieres zu empfangen und dann als er ebenfalls auf Robot gehen musste.

Die junge Hausfrau atmete immer erleichtert auf, wenn er auf den Bauernhof kam. Sie hatte Jiskra als den besten Kameraden ihres Mannes gerne, konnte sie doch mit ihm nach Herzenslust über Jan sprechen und ihrer Sehnsucht nach ihm Ausdruck verleihen. Mit Jans Mutter verkehrte sie nicht viel. Die Ausgedingerin wich ihr fast aus, sie fühlte es wohl, dass ihre Schwiegertochter sie im Geiste beschuldigt, dass sie die Anstifterin des ganzen Übels sei. Hätte sie Jan nicht angespornt, hätte sie jene unglückseligen Urkunden nicht gerettet, Jan hätte den Prozess mit den Herren sicherlich nicht begonnen, wenigstens nicht in dieser Weise.

Jiskra gelang es wohl manchmal, die niedergeschlagene Hančí zu trösten und ihr finsteres Antlitz aufzuheitern, doch alsbald verfiel sie wieder in ihre Schwermut. Sie arbeitete, sorgte für alles, war überall die erste, manchmal verschwand sie aber auf einmal von der schwersten Arbeit und kehrte erst nach einer langen Weile zurück. Das Gesinde suchte sie später nicht mehr auf, denn man wusste es wohl, dass sich die Hausfrau nicht mehr bemeistern konnte und in die Kammer oder auf den Schüttboden geeilt sei, um sich dorten auszuweinen.

 

Man verlangte von der Chodendeputation bereits beim Appellationsgerichte, sie möge die Ungültigkeit der alten Freiheiten einbekennen und Herrn Lamminger den Untertaneneid leisten und Leibeigenschaft geloben. Damals wiesen alle ohne Ausnahme diese Forderung mutig und einmütig zurück und gingen darauf auch dann nicht ein, als man sie in das Gefängnis im Neustädter Rathause warf. Hier beliess man sie jedoch nicht lange beisammen. Man trennte sie vom alten Hrubý und Kozina, die man bei Gerichte als ihre Führer und die Anstifter der ganzen Revolte ansah und wurde jeder von ihnen einzeln eingekerkert.

Nachher sahen sich die Landsleute noch einmal und zwar als man ihnen vor Gericht das Urteil verkündigte. Der alte Hrubý und Kozina wurden am meisten schuldig befunden und jeder zu einem Jahre Gefängnis verurteilt. Den übrigen wurde mitgeteilt, dass sie unverzüglich freigelassen werden, falls sie einen Revers unterschreiben, laut welchem sie sich als Untertanen Lammingers erklären. Dabei führte ihnen einer der Herren Räte das unglückliche Ende dieses Aufstandes daheim vor Augen und bemerkte, dass alle Dörfer sich bereits unterworfen und ihre Leibeigenschaft auch alle mit ihrer Unterschrift bekräftigt haben.

Dies entschied bei den wankenden Choden, die das Gefängnis drückte und die Sehnsucht nach ihren Familien quälte. Wozu noch einen Widerstand leisten?

Němec aus Medaken unterschrieb als erster, ihm folgte Peč, sodann einer nach dem anderen, zuletzt setzte Ecl Čtverák, der in den letzten Faschingstagen eine so schöne Rede über das Ende der herrschaftlichen Peitsche gehalten, seinen Namen zu jenen der übrigen. – Und nun war alles aus! Sie wurden in Freiheit gesetzt, sie waren frei wie die Vögel, und doch freute sich dessen keiner von ihnen. Langsam und zaghaft traten sie von dem Tische, auf dem die Urkunde lag, zurück, als wäre sie ihr Grab.

Sodann forderte einer der Herren Appellationsräte noch einmal Hrubý und Kozina zur gleichzeitigen Unterschrift auf. Doch der weisshaarige Erbrichter von Trasinau schüttelte verneinend den Kopf und sein Neffe sprach ernst mit fest auf die Herren gerichtetem Blick:

»Lomikar kann von uns die Robot erzwingen, doch wie kann er behaupten, dass unsere Rechte nicht mehr gelten? Wozu haben wir dies alles unternommen, warum haben wir prozessiert, warum sind wir nach Wien bis an das kaiserliche Hoflager gegangen, warum sitzen wir hier im Arreste, warum floss bereits Blut? Und jetzt sollte ich sagen: dies alles war um nichts und wieder nichts, dies alles war ein Narrenspiel? Ich habe mir alles wohl überlegt und erwogen, bevor ich begonnen habe. Unser Recht gilt. Wir überlassen es Gott.«

Die Landsleute, die unterschrieben hatten, senkten, während er so sprach, die Blicke und als sie, dem Amtsdiener folgend, draussen an Hrubý und Kozina vorübergingen, getrauten sie sich kaum die Augen zu erheben. Sie gingen fort – der Trasinauer Erbrichter und sein Neffe wurden dagegen wieder in das Gefängnis abgeführt, um es nur dann zu verlassen, wenn man sie in Ketten zur Zwangsarbeit abholte.

Die Welt schloss sich hinter Kozina. Er war mit seiner zerstörten Hoffnung, mit seiner Sorge und Angst um die liebe Familie abermals allein. Er trug die Trennung vom alten Onkel sehr bitter. Alle waren so schwach, nur er, dieser hinfällige, sieche Greis hielt stand! Könnte er doch wenigstens bei ihm sein, um für ihn zu sorgen! Er bat darum, doch vergebens.

So schwand ein Tag nach dem anderen dahin, einer länger als der andere und jeder gleich trostlos und traurig. Als die in die Freiheit gesetzten Landsleute abzogen, regte sich etwas im Busen des jungen Bauers. Auch jetzt gedachte er ihrer öfter, sie sind bei ihren Lieben, bei Weib und Kindern! Bei diesen verweilte er im Geiste am meisten. Er dachte an das Weib und sah sie, wie sie sich grämt und quält, er sah auch die alte Mutter, die – er kannte sie ja – finster blickte, aber kein Wort der Klage vorbrachte, dafür aber im Innern einen doppelten Schmerz verborgen hielt. Hančí beklagt ihn, die alte Mutter kränkt aber überdies noch der unglückliche Kampf, der alle ihre Hoffnungen begraben hat. Ach, sie wird die goldene Freiheit, deretwegen sie die alten Majestätsbriefe wie einen Schatz verbarg und zuliess, dass ihr Sohn Martern erlitt, nicht mehr erleben. Und der kleine Paul und Hanálka!

Sein Herz erbebte bei dem Gedanken, wie sie jetzt arm und verlassen da stehen und vergeblich suchte er seinen Geist durch gewaltsame Rückblicke auf sein ehemals glückliches Familienleben zu trügen, indem er an den Frohsinn und die Belustigungen seiner Kinder, an ihr Lachen, ihre geschmeidige Anhänglichkeit dachte und sich den Klang ihrer Stimmen, den Schall ihrer kleinen Schritte, mit denen sie ihm entgegen eilten, in das Gedächtnis zurückrief. Er dachte an Hančí, wie sie jetzt wohl, als sie von der Rückkehr Čtveráks erfuhr, nach Klenč eilte, um sich über ihren Mann zu erkundigen, wie sie sodann, als sie hörte, er werde nicht sobald heimkehren, traurig nach Hause schritt! Was werden sie ohne ihn zu Hause anfangen, welche Sorgen und Rackereien hat wohl Hančí! Und er! Er wird niemanden zu sehen bekommen, als wäre er lebendig begraben. Könnte er doch wenigstens eine Nachricht darüber, wie es zu Hause, wie es im Chodengaue zugeht, erhalten!

Wie geht es dort wohl zu! Kozinas Stirn faltete sich und unwillkürlich ballte er die Fäuste, als er an all' das Unrecht, das man den Choden und ihm angetan, dachte.

Es war himmelschreiend, und doch nirgends ein Schutz, nirgends Gerechtigkeit. Und wie soll es werden, bis er heimkehrt, bis er in die Robot gehen und schweigen müssen wird, wenn die herrschaftlichen Schergen ihn schmähen und verspotten werden! O würden so der selige Vater und die übrigen auferstehen, was gebe es erst da für einen Jammer! –

Im Geiste hoffte er, dass jemand ihm nach Prag nachkommen werde – am wahrscheinlichsten schien es ihm, dass Hančí kommen werde. Doch ein Tag verging nach dem anderen, Wochen waren bereits verflogen, der Winter war vor der Tür und es kam niemand. Kozina hatte sich getäuscht und das kränkte ihn. Oder hätte man vielleicht niemanden zu ihm zugelassen? Er irrte sich nicht. Wenn er wenigstens gewusst hätte, dass Hančí, die wegen der vielen Arbeit und Sorgen selbst nicht abkommen konnte, seinen treuen Kameraden, den Dudelsackpfeifer Jiskra Řehůřek hergesandt hatte, wie sich dieser abmühte, um den Landsmann besuchen zu dürfen, wie er von Pontius zu Pilatus rannte, wie er bat, flehte, wie er einige Tage um das Gefängnis herumirrte, und wieder und wieder so lange bat, bis man ihn endlich mit Gewalt davonjagte! Doch selbst das erfuhr Kozina nicht.

Der schleichende Winter brach heran.

Der junge Häftling hörte nicht auf, nach seinem alten Onkel zu fragen und um Zulassung zu ihm zu bitten. Dass der alte Erbrichter krank ist, dass es ihm eher ärger als besser gehe, sagte man Kozina; sonst wies man aber seine Bitte ab. Der junge Bauer merkte es wohl, dass man mit ihm wie mit einem Verbrecher schlecht und strenge verfahre, dass es andere, wirkliche Verbrecher nicht ärger haben. Sein empörter Geist fand die eigentliche Ursache all des Unglückes, das ihn und alle Choden traf, in – Lamminger. Seine Bitterkeit wurde dadurch nur gesteigert und als er dachte, es könnte so auf einmal unverhofft zu ihm der Chodenschlosser Herr eintreten und ihm die Freiheit anbieten, falls er widerrufe und bekenne, dass er irrte, dass ihre alten Rechte nicht mehr gelten, da fühlte er, wie er Lamminger in die Augen schauen und sein entschiedenes »Nein« diesem Henker in das Gesicht sagen würde. Sicherlich würde er seinen durchdringenden drohenden Blick eben so ruhig vertragen, wie es damals geschah, als er nach Aujezdl kam, um die alten Majestätsbriefe abzuholen.


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