Henrik Ibsen
Kaiser und Galiläer
Henrik Ibsen

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweiter Akt

Eine große Vorhalle im Kaiserpalast zu Antiochia. Offener Eingang im Hintergrund; an der linken Wand ist eine Tür, die zu den inneren Räumen führt.

Auf einem erhöhten Sitz im Vordergrunde rechts sitzt Kaiser Julian, umgeben von seinem Hof; Richter, Redner, Dichter und Lehrer, unter ihnen Hekebolios, sitzen auf niedrigeren Sesseln zu seinen Füßen. An die Wand gelehnt, nahe am Ausgang, steht ein Mann, gekleidet wie ein christlicher Priester; er verbirgt das Gesicht in seinen Händen und scheint im Gebet versunken. Bürger der Stadt füllen in großer Menge die Halle. An der Eingangstür steht eine Wache, ebenso an der Tür links.

Julian spricht zu den Versammelten. So großen Erfolg haben mir die Götter vergönnt. Kaum einer einzigen Stadt habe ich mich auf meiner Reise genähert, ohne daß die Galiläer in hellen Haufen mir auf der Landstraße entgegengeströmt wären und, jammernd über ihre Irrtümer, unter die Obhut der göttlichen Mächte sich begeben hätten. Was ist im Vergleich dazu der Spötter törichtes Gebahren? Gleichen die Spötter nicht Hunden, die in ihrer Dummheit den Mond anbellen? Doch ich will nicht leugnen, daß es mich verdrossen hat zu erfahren, einige Bürger dieser Stadt hätten höhnische Worte über die Lebensweise fallen lassen, die ich den Priestern der Kybele, der gütigen Göttin, eingeschärft habe. Müßte nicht die Ehrfurcht vor einer so erhabenen Gottheit ihre Diener davor schützen, zum Gegenstande des Spottes gemacht zu werden? Ich rufe jenen dummdreisten Menschen zu: seid Ihr Barbaren, daß Ihr nicht wisset, wer Kybele ist? Sollte ich Euch im Ernst daran erinnern müssen, daß damals, als die römische Macht so hart von jenem punischen Feldherrn bedroht wurde, dessen Grab ich vor kurzem in Libyssa gesehen habe, – daß damals die kumäische Sibylle den Rat gab, die Bildsäule der Kybele aus dem Tempel in Pessinos zu entfernen und sie nach Rom zu bringen? Was nun die Lebensweise der Priester anbetrifft, so haben einige Leute sich darüber aufgehalten, daß es den Priestern verboten sei, Wurzeln zu essen und alles, was am Boden entlang wächst, während es ihnen erlaubt ist, Pflanzen und Früchte zu genießen, die in die Höhe wachsen. O, Ihr neunmal Unwissenden, ich bedaure Euch, daß Ihr das nicht begreift! Kann denn der Geist des Menschen sich von dem nähren, was am Boden entlang kriecht? Lebt nicht die Seele von all dem, was zum Himmel und zur Sonne emporstrebt? Diese Dinge will ich heute nicht weitläufiger erörtern. Was sonst noch darüber zu sagen ist, das werdet Ihr in einer Schrift finden, an der ich in meinen schlaflosen Nächten arbeite, und die, wie ich hoffe, binnen kurzem sowohl in den Lehrsälen als auf den Märkten wird vorgelesen werden. Er erhebt sich. Und hiermit, meine Freunde, wenn niemand weiter etwas vorzutragen hat, –

Ein Bürger drängt sich vor. Gnädigster Kaiser, laß mich nicht ungehört von Dir gehen!

Julian setzt sich wieder. Gewiß nicht, mein Freund! Wer bist Du?

Der Bürger. Ich bin der Kornhändler Medon. O Herr, wenn nicht meine Liebe zu Dir, Du erhabener und göttlicher –

Julian. Zur Sache, Mann!

Medon. Ich hab' einen Nachbar, Alites, der nun seit vielen Jahren schon auf alle erdenkliche Weise mir geschadet hat; er handelt nämlich auch mit Korn und pfuscht mir auf die schändlichste Art ins Geschäft –

Julian. Na, mein guter Medon, Du siehst doch recht wohlgenährt aus.

Medon. Es ist auch nicht das, allergnädigster Kaiser! O, bei den ehrwürdigen Göttern, die ich Tag für Tag mehr lieben und höher preisen lerne, – die Unbilden, die er mir zufügt, die würde ich übersehen; aber was ich unmöglich dulden kann –

Julian. Er höhnt doch nicht die Götter?

Medon. Er tut noch Schlimmeres, – oder doch jedenfalls etwas ebenso Verwegenes; er – ich weiß kaum, ob der Gram mir erlaubt, es auszusprechen, – er höhnt Dich selbst, allergnädigster Herr.

Julian. So? Was für Worte hat er gebraucht?

Medon. Gar keine Worte hat er gebraucht; er hat Schlimmeres gebraucht.

Julian. Und was ist schlimmer?

Medon. Ein Purpurmantel –

Julian. Den trägt er? Ei, ei, wie dreist.

Medon. Ja, Du großer, flügelfüßiger Merkur, wenn ich daran denke, wie ihm der Mantel in den Tagen Deines Vorfahren bekommen wäre! Und dieses Kleid des Hochmuts hab' ich täglich vor Augen –

Julian. Dieses Kleid, für Gelder gekauft, die Dein sein könnten –

Medon. O gnädigster Kaiser, – straf diesen vermessenen Mann, laß ihn aus der Stadt jagen; meine Liebe zu unserm großen, erhabenen Herrscher erlaubt mir nicht, Zeuge solch einer unverschämten Anmaßung zu sein.

Julian. Sag' mir, guter Medon, was für Kleidungsstücke trägt Alites außer dem Purpurmantel?

Medon. Das weiß ich wahrhaftig nicht, Herr; ich denke, die gewöhnlichen; mir ist nur der Purpurmantel aufgefallen.

Julian. Also Purpurmantel und ungegerbte Sohlen –

Medon. Ja, Herr; es sieht ebenso lächerlich wie unverschämt aus.

Julian. Dem müssen wir abhelfen, Medon!

Medon glücklich. Oh, gnädigster Herr!

Julian. Morgen früh kommst Du hierher in den Palast –

Medon noch glücklicher. Ich werde ganz früh kommen, gnädigster Kaiser, –

Julian. Du meldest Dich bei meinem Hausmeister –

Medon. Ei ja, mein allergnädigster Kaiser!

Julian. Von ihm empfängst Du ein Paar goldgestickte Purpurstiefel –

Medon, Ach, ach! Mein freigebiger Herr und Kaiser!

Julian. Diese Stiefel bringst Du dem Alites, ziehst sie ihm an und sagst ihm, daß er vor allen Dingen sie jedesmal tragen soll, wenn es ihm einfällt, sich am hellen Tage im Purpurmantel auf der Straße zu zeigen –

Medon. O!

Julian. – und nachdem Du das getan hast, kannst Du ihm von mir bestellen, daß er ein Narr ist, wenn er sich im Purpurmantel geehrt glaubt, ohne des Purpurs Macht zu besitzen. – Geh; und hol' Dir morgen die Stiefel! Medon geht verlegen unter dem Gelächter der Bürger ab; die Hofleute, Redner, Dichter, samt den übrigen klatschen in die Hände und rufen dem Kaiser Beifall.

Ein anderer Bürger tritt aus dem Haufen vor. Gepriesen sei des Kaisers Gerechtigkeit! O, wie der neidische Kornwucherer da diese Strafe verdient hat! O höre mich an und laß Deine Gnade –

Julian. Aha, Dein Gesicht scheint mir bekannt. Warst Du nicht unter denen, die rufend vor meinem Wagen herliefen, als ich in die Stadt einzog?

Der Bürger. Ich war einer der eifrigsten Rufer, unvergleichlicher Kaiser! Ich bin der Steuererheber Malkos. Ach, nimm Dich meiner an! Ich führe einen Rechtsstreit mit einem bösen und geizigen Menschen –

Julian. Und deshalb kommst Du zu mir? Gibt es hier keine Richter –?

Malkos. Die Sache ist etwas verwickelt, hoher Kaiser! Es handelt sich um ein Feld, das ich jenem schlechten Kerl in Pacht gegeben habe, und das ich vor sieben Jahren mir zulegte, als ein Teil vom Grund und Boden der Apostelkirche verkauft wurde.

Julian. Schau', schau', – Kirchengut also?

Malkos. Redlich erworbenes; aber nun weigert sich dieser Mensch, mir Zins zu zahlen; und ebensowenig will er das Eigentum mir zurückgeben, alles unter dem Vorwand, daß dieses Feld einmal zum Apollontempel gehört hätte und, wie er sagt, unrechtmäßig dem Tempel vor vielen Jahren weggenommen worden wäre.

Julian. Sag' mir einmal, Malkos, – Du bist gewiß einer von den Anhängern des Galiläers?

Malkos. Gnädigster Kaiser, es ist eine alte Gewohnheit in unserm Geschlecht, Christum zu bekennen.

Julian. Und das sagst Du so gerade heraus, ohne Scheu?

Malkos. Mein Gegner ist dreister als ich, Herr! Er geht in seinem Hause wie früher ein und aus, er floh nicht aus der Stadt, als es ruchbar wurde, Du würdest kommen.

Julian. Er floh nicht? Und warum sollte er das, – er, ein Mann, der nur der Götter Bestes will?

Malkos. Allergnädigster Kaiser, Du hast ohne Zweifel vom Buchhalter Thalassios gehört.

Julian. Wie!? Jener Thalassios, der, um sich bei meinem Vorfahren beliebt zu machen, während ich verleumdet und von Gefahr bedroht in Gallien stand, hier in Antiochia mitten auf dem Markte den Bürgern vorschlug, sie sollten den Kaiser bitten, ihnen Cäsar Julians Haupt zu senden!?

Malkos. Herr, eben dieser Dein Todfeind ist es, der mich schädigt.

Julian. Wahrlich, Malkos, über diesen Mann habe ich ebensoviel Grund zu klagen wie Du.

Malkos. Zehnmal mehr, mein gnädiger Kaiser!

Julian. Und was meinst Du? Sollen wir beide gemeinschaftliche Sache machen und ihn auf einmal verklagen?

Malkos. O, welch außerordentliche Gnade! Ich zehnfach glücklicher Mann!

Julian. Du zehnfacher Tor! Thalassios geht ein und aus in seinem Hause wie zuvor, sagst Du? Er ist nicht bei meiner Ankunft aus der Stadt geflohen? Thalassios hat mich besser gekannt als Du! Fort mit Dir, Mensch! Wenn ich Thalassios wegen meines Kopfes verklage, kannst Du ihn verklagen wegen Deines Feldes.

Malkos händeringend. Ich zehnfach Unglücklicher!

Geht ab durch die Mitte; die Versammelten klatschen dem Kaiser wieder Beifall.

Julian. Recht so, meine Freunde; freut Euch, daß es mir geglückt ist, nicht ganz unwürdig diesen Tag zu beginnen, der zu einem Feste des strahlenden Apollon vor allem geweiht ist. Denn ist es nicht eines Weisheitsfreundes würdig, über die Kränkungen hinwegzusehen, die ihm selbst zugefügt werden, während er streng das Unrecht bestraft, das den unsterblichen Göttern zugefügt wird? Ich weiß nicht, ob jener gekrönte Pfleger der Gelehrsamkeit, Mark Aurel, jemals in ähnlicher Lage gewesen ist; aber wenn er es gewesen ist, so dürfen wir annehmen, daß er nicht ganz mir unähnlich gehandelt hat, der ich eine Ehre darein setze, demütig seinen Spuren zu folgen. Laßt dies Euch zur Richtschnur dienen, wie Ihr Euch in Zukunft zu betragen habt. Im Palast, auf dem Markt, ja, im Theater – wenn es mich nicht ekelte, eine solche Stätte der Torheit zu betreten – mag es sich für Euch geziemen, mich mit Zuruf und frohem Händeklatschen zu begrüßen. Solch eine Gunstbezeugung wurde, wie ich weiß, vom macedonischen Alexander wie von Julius Cäsar wohl aufgenommen, – Männer, denen die Glücksgöttin es ebenfalls vergönnte, vor andern Sterblichen zu glänzen. – Aber seht Ihr mich in einen Tempel eintreten, so ist das doch eine andere Sache. Da will ich, daß Ihr schweigen oder Euren Zuruf an die Götter erheben sollt und nicht an mich, den Ihr mit niedergeschlagenen Augen und gesenkter Stirn einherschreiten seht. Und ganz besonders hoffe ich, daß Ihr dies heute beobachten werdet, da ich einer so ganz außerordentlichen und mächtigen Gottheit zu opfern habe wie der, die wir unter dem Namen des Sonnenkönigs kennen, und die in unsern Augen noch größer wird, wenn wir bedenken, daß sie dieselbe ist, die gewisse morgenländische Volksstämme Mithra nennen. Und hiermit – wenn sonst keiner etwas zu sagen hat –

Der Priester an der Tür richtet sich empor. Im Namen Gottes, des Herrn!

Julian. Wer spricht da?

Der Priester. Ein Diener Gottes und des Kaisers.

Julian. Komm näher. Was willst Du?

Der Priester. Zu Deinem Herzen und zu Deinem Gewissen reden.

Julian springt auf. Welche Stimme! Was seh' ich! Trotz Bart und Kleidung –! Gregor!

Gregor von Nazianz. Ja, mein hoher Herr!

Julian. Gregor! Gregor von Nazianz!

Gregor. Ja, gnädiger Kaiser!

Julian ist herabgestiegen, hat Gregors Hände ergriffen und sieht ihn lange an. Ein wenig gealtert; brauner; stärker. Nein, es war nur im ersten Augenblick; – jetzt bist Du derselbe wie ehedem.

Gregor. O, wärst auch Du es, Herr!

Julian. Athen. Jene Nacht im Säulengange. Kein Mann stand meinem Herzen so nahe wie Du.

Gregor. Deinem Herzen? Ach, Kaiser, aus Deinem Herzen hast Du einen besseren Freund gerissen als mich.

Julian. Du meinst Basilios?

Gregor. Ich meine einen größeren denn Basilios.

Julian finster. Ah so! Um mir dies zu sagen, bist Du gekommen? Und in dieser Kleidung –

Gregor. Ich habe diese Kleidung nicht gewählt, Herr!

Julian. Du nicht? Wer sonst?

Gregor. Er, der größer ist denn der Kaiser.

Julian. Ich kenne diese galiläischen Redensarten! Um unserer Freundschaft willen, schweig davon!

Gregor. Zuvörderst also laß mich Dir sagen, wie es kommt, daß Du mich hier siehst, zum Priester der Kirche geweiht, die Du verfolgst.

Julian mit einem harten Blick. Verfolgst! Er steigt wieder die Erhöhung hinauf und setzt sich. Nun kannst Du weiter sprechen.

Gregor. Du weißt, was ich von den göttlichen Dingen hielt bei unserm frohen Zusammenleben in Athen. Aber fern lag mir damals der Gedanke, den Freuden der Welt zu entsagen. Ehrgeiz oder Durst nach Reichtum, das darf ich wohl behaupten, haben mich niemals in Versuchung geführt; doch bliebe ich kaum der Wahrheit treu, wollte ich leugnen, daß mein Auge und mein Sinn bewundernd an all der Herrlichkeit hing, die sich mir in der alten Wissenschaft und Kunst der Griechen erschlossen hat. Die Zänkereien, alle jene kleinlichen Streitigkeiten in unserer Kirche betrübten mich tief; aber ich nahm nicht teil an ihnen; ich diente meinen Landsleuten in weltlichen Dingen, – weiter nicht. – Da kamen Nachrichten aus Konstantinopel. Es hieß, Konstantios sei vor Schreck über Deine Unternehmungen gestorben und habe Dich zum Erben eingesetzt. Empfangen wie ein übermenschliches Wesen, dieweil die Kunde Deiner Siege Dir vorausgeflogen war, hattest Du, der Held Galliens und Germaniens, ohne Schwertschlag den Thron des Konstantios bestiegen. Die Welt lag Dir zu Füßen. – Da kamen wiederum Nachrichten. Der Herr der Welt rüstete sich zum Kriege wider den Herrn des Himmels –

Julian. Gregor, wessen erfrechst Du Dich –!

Gregor. Der Herr der Leiber rüstete sich zum Kriege wider den Herrn der Seelen. Ich stehe hier vor Dir in des Fleisches Furcht und Beben; aber ich darf nicht lügen. Willst Du die Wahrheit hören oder soll ich schweigen?

Julian. Du sollst reden, Gregor!

Gregor. Was haben meine Glaubensgenossen nicht schon in diesen wenigen Monden leiden müssen! Wie viele Todesurteile sind nicht schon gesprochen und aufs grausamste vollzogen worden? Der Staatsschreiber Gaudentios, – Artenios, der frühere Statthalter in Ägypten, – die beiden Tribunen Romanos und Vincentios –

Julian. Du verstehst diese Dinge nicht. Ich sage Dir, die Göttin der Gerechtigkeit hätte Tränen vergossen, wenn jene Verräter mit dem Leben davongekommen wären.

Gregor. Laß dem so sein, mein Kaiser; aber ich sage Dir, es wurde ein Todesurteil gefällt, das Dir die Göttin der Gerechtigkeit niemals verzeihen kann. Ursulos! Dieser Mann, der Dir ein Freund in den Tagen der Drangsal war! Ursulos, der Dir mit Gefahr des eigenen Lebens Geld in Gallien vorstreckte! Ursulos, dessen ganzes Verbrechen sein Christenglaube war und seine Aufrichtigkeit –

Julian. Ah, das hast Du von Deinem Bruder Cäsarios!

Gregor. Strafe mich, Herr, aber schone meines Bruders!

Julian. Du weißt sehr gut, daß Du nichts wagst, Gregor! Im übrigen will ich Dir recht darin geben, daß Nevita zu streng vorgegangen ist.

Gregor. Ja, dieser Barbar, dem es trotz der Griechenschminke nicht gelingt, seine Abkunft zu verleugnen –!

Julian. Nevita ist ein Eiferer in seinem Amte, und ich kann selbst nicht überall sein. Über Ursulos habe ich aufrichtig getrauert, und ich beklage tief, daß weder Zeit noch Umstände mir erlaubt haben, selbst seine Sache zu untersuchen. Ich hätte ihn ganz gewiß geschont, Gregor! Ich habe auch daran gedacht, seinen Erben zurückzugeben, was er etwa hinterlassen hat.

Gregor. Hoher Kaiser, Du schuldest mir keine Rechenschaft für Deine Handlungen. Ich habe Dir nur sagen wollen, daß alle diese Nachrichten sowohl in Cäsarea wie in Nazianz und in den übrigen kappadocischen Städten wie ein Blitz einschlugen. Wie soll ich Dir die Wirkung schildern? Unsere gegenseitigen Streitigkeiten verstummten gegenüber der gemeinsamen Gefahr. Viele ungesunde Glieder der Kirche sind abgefallen; aber in vielen gleichgültigen Herzen entzündete sich das Licht des Herrn in früher nie geahnter Klarheit. Zu alledem brachen Drangsale über das Volk Gottes herein. Die Heiden – ja, mein Kaiser, die, welche ich Heiden nenne – begannen zu drohen, uns zu verunglimpfen, uns zu verfolgen –

Julian. Vergeltung, – Vergeltung, Gregor!

Gregor. Es sei fern von mir, alles verteidigen zu wollen, was meine Glaubensbrüder in übermäßigem Eifer für die Sache der Kirche verübt haben mögen. Doch Du, der Du so sehr erleuchtet bist, und der Du Herrscher aller bist, Du darfst nicht dulden, daß die Lebenden für die Fehler der Toten bestraft werden. Das aber ist in Kappadocien geschehen. Die Feinde der Christen, gering an Zahl, doch nach Gewinn dürstend und brennend vor Eifer, den neuen Beamten zu gefallen, haben Unruhe und Bekümmernis bei der Bevölkerung, in den Städten wie auf dem Lande, geweckt. – Ich denke hier zunächst nicht an die Verhöhnungen, die wir erleiden mußten, auch nicht an die Kränkung unseres wohlerworbenen Eigentumsrechtes, der wir in der letzten Zeit beständig ausgesetzt waren. Was mich und meine ernsthaft gesinnten Brüder am meisten bekümmert, das ist die Gefahr, die dieser Zustand für die Seelen mit sich bringt. Viele sind noch nicht fest im Glauben und vermögen nicht ganz der irdischen Güter zu entraten. Die harte Behandlung, die jetzt ein jeder erdulden muß, der den Christennamen trägt, hat schon mehr als einen Abfall zur Folge gehabt. Herr, das ist Seelenraub an Gottes Reich.

Julian. Mein kluger Gregor, – wie kannst Du so sprechen? Ich staune! Solltest Du nicht im Gegenteil als guter Galiläer Dich freuen, daß Eure Gemeinde diese Menschen los wird?

Gregor. Gnädiger Kaiser, ich bin nicht der Meinung. Ich selbst bin im Glauben gleichgültig gewesen, und ich halte jeden Gleichgültigen für einen Kranken, der, solange er im Schoße der Kirche bleibt, immer noch die Möglichkeit der Heilung in sich trägt. So dachte auch unsere kleine Gemeinde in Nazianz. Bekümmerten Herzens kamen Brüder und Schwestern zusammen, um Rats zu pflegen, wie der Not der Zeit könnte abgeholfen werden. Mit ihnen vereinigten sich Abgesandte aus Cäsarea und den andern Städten. Mein Vater ist hinfällig, und – wie er mit Schmerz bekennt – er hat nicht den festen, unverrückbaren Sinn, der in diesen Tagen der Drangsal von dem gefordert wird, der auf dem Bischofsstuhl sitzt. Da beschloß die Versammlung, es sollte zu seinem Beistand ein jüngerer Mann erkoren werden, der des Herren Herde zusammenhalten könnte. Die Wahl fiel auf mich.

Julian. Ah!

Gregor. Ich war damals abwesend, auf einer Reise. Aber in meiner Abwesenheit, ohne mich zu befragen, weihte mein Vater mich zum Priester und sandte mir das priesterliche Kleid. – Diese Botschaft traf mich in Tiberina, auf meinem Landgut, wo ich einige Tage mit meinem Bruder und meinem Jugendfreunde Basilios von Cäsarea verbrachte. – Herr, wäre mir mein Todesurteil verkündet worden, es hätte mich nicht mehr erschrecken können als das. – Ich Priester! Ich wollte es und wollte es nicht. Ich mußte es, – und durfte es nicht. Ich rang mit Gott dem Herrn, wie der Patriarch mit ihm rang in den Tagen des alten Bundes. Was mit mir in der folgenden Nacht vorging, weiß ich nicht. Aber das weiß ich, ehe der Hahn krähte, sprach ich mit dem Gekreuzigten von Angesicht zu Angesicht. – Da ward ich sein.

Julian. Torheit, Torheit! Ich kenne diese Träume.

Gregor. Auf der Heimreise kam ich durch Cäsarea. Ach, was für traurige Zustände fand ich da! Ich sah die Stadt voll flüchtiger Landbewohner, die Haus und Herd verlassen hatten, weil die Dürre dieses Sommers die Saat verbrannt und alle Weinberge, alle Ölgärten verheert hatte. Um dem Hungertode zu entgehen, hatten sie zu den Hungernden ihre Zuflucht genommen. Da lagen sie – Männer, Weiber und Kinder – zu Hauf, die Häuserwände entlang – Fieber schüttelte sie, Hunger wühlte in ihren Eingeweiden. Was hatte ihnen Cäsarea zu bieten, – diese verarmte, unglückliche Stadt, die nach dem großen Erdbeben vor zwei Jahren kaum erst zur Hälfte sich wieder erhoben hat? Und bei alledem, bei brennender Hitze und bei häufigen Erdstößen, mußten sie bei Tag und Nacht gottlose Opferfeste mitansehen. Die umgestürzten Altäre wurden in aller Eile wieder aufgebaut; das Opferblut rann in Strömen; unter Sang und Tanz tollten Gaukler und Dirnen durch die Gassen der Stadt. – Herr, – kann es Dich wundern, wenn meine hart geprüften Brüder, in der Heimsuchung, die sie traf, eine Strafe des Himmels zu erblicken glaubten, weil sie so lange den Unglauben und des Unglaubens anstößige Zeichen unter sich geduldet hatten?

Julian. Was für Zeichen meinst Du da?

Gregor. Der Notschrei der Geängstigten, der Fieberkranken wurde immer lauter; sie forderten, die Vorsteher der Stadt sollten ein handgreifliches Zeugnis vor Christus ablegen, indem sie niederreißen ließen, was noch als ein Denkmal der alten Macht des Heidentums in Cäsarea dastände.

Julian. Du willst doch wohl damit nicht sagen, daß –?

Gregor. Die Behörden der Stadt ließen eine Versammlung berufen, der auch ich beiwohnte. Du weißt, gnädigster Kaiser, daß alle Tempel Eigentum der Bürgerschaft sind. Die Bürger können also über sie nach eigenem freien Ermessen verfügen.

Julian. Nun, nun? Und wenn dem so wäre?

Gregor. Bei jenem entsetzlichen Erdbeben, das vor zwei Jahren Cäsarea heimsuchte, wurden alle Tempel zerstört bis auf einen.

Julian. Jawohl, bis auf Fortunas Tempel.

Gregor. In der Versammlung, von der ich spreche, beschloß die Gemeinde, Gottes strafendes Werk zu vollenden, als ein Zeugnis, daß sie allein und ausschließlich, zu ihm halten und nicht länger das Ärgernis in ihrer Mitte dulden wollte.

Julian heiser. Gregor – alter Freund – hast Du Dein Leben lieb?

Gregor. Die Gemeinde faßte da einen Beschluß, den ich nicht billigen konnte, der aber fast alle Stimmen für sich hatte. Doch da wir fürchteten, die Sache könnte in entstellter Form Dir zu Ohren kommen und vielleicht Deinen Zorn wider die Stadt entflammen, so wurde vereinbart, es sollte sich jemand hierher begeben und Dich von dem verständigen, was wir beschlossen hätten und was jetzt geschehen würde. – Erhabener Herrscher, – es fand sich keiner sonst, der bereit gewesen wäre, sich dieser Aufgabe zu unterziehen. Ich mußte sie also übernehmen. So kommt es, Herr, daß ich hier in Demut vor Dir stehe und Dir künde, daß wir Christen in Cäsarea beschlossen haben, den Tempel, worin die Heiden ehedem eine falsche Gottheit unter dem Namen Fortuna verehrt haben, niederzureißen und dem Erdboden gleich zu machen.

Julian springt auf. Und das muß ich mit meinen eigenen Ohren vernehmen! So unerhörte Dinge wagt ein einzelner Mann mir zu sagen!

Hofleute, Redner und Dichter. O frommer Kaiser, dulde das nicht! Strafe diesen Verwegenen!

Hekebolios. Er ist von Sinnen, Herr! Laß ihn gehen. Sieh hin, sieh, – der Wahnwitz glüht aus seinen Augen.

Julian. Allerdings muß man das Wahnwitz nennen. Aber es ist mehr als Wahnwitz. Diesen hervorragenden Tempel niederreißen zu wollen, der einer ebenso hervorragenden Göttin errichtet ist! Und verdanken wir nicht der Gunst gerade dieser Göttin die Taten, von denen selbst die fernsten Völker reden? Wie könnte ich fürder noch Sieg und Glück erhoffen, wenn ich dergleichen geschehen ließe? – Gregor, ich befehle Dir, nach Cäsarea heimzukehren und den Bürgern zu bestellen, daß ich ihnen diese vermessene Tat verbiete.

Gregor. Es ist nicht mehr möglich, Herr! Die Sache ist nun so weit gediehen, daß wir zwischen Menschenfurcht und Gehorsam gegen Gott zu wählen haben. Wir können nicht zurück.

Julian. So sollt Ihr denn fühlen, wieweit des Kaisers Arm reicht!

Gregor. Des Kaisers Arm ist gewaltig in den irdischen Dingen; und ich, wie die übrigen, erzittere unter seiner Macht.

Julian. So zeigt es durch die Tat! Ha, Ihr Galiläer, Ihr verlaßt Euch auf meine Langmut! Baut nicht darauf; denn wahrhaftig – Lärm am Eingang; der Haarscherer Eunapios, von mehreren Bürgern begleitet, stürzt herein.

Julian. Was ist das? Eunapios, was ist Dir begegnet?

Eunapios. O, daß meine Augen Zeugen eines solchen Anblicks sein mußten!

Julian. Was für einen Anblick hast Du gehabt?

Eunapios. Sieh her, allergnädigster Kaiser, ich komme blutig, zerschlagen und doch glücklich darüber, der erste zu sein, der Dich aufruft, zu strafen –

Julian. Rede, Mann; – wer hat Dich geschlagen?

Eunapios. Gestatte mir, Herr, meine Anklage vorzubringen. Ich bin heut in der Morgenstunde zur Stadt hinausgegangen, den kleinen Venustempel aufzusuchen, den Du jüngst wieder in Stand hast setzen lassen. Als ich hinaus kam, scholl mir Gesang und Flötenspiel entgegen. Weiber führten schöne Tänze in der Vorhalle auf, und den ganzen Innenraum fand ich mit einer jubelnden Schar angefüllt, während die Priester vor dem Altar die Opfer darbrachten, die Du befohlen hast.

Julian. Jawohl, und dann?

Eunapios. Kaum hatte ich Zeit gefunden, in Andacht meine Gedanken auf diese hinreißende Göttin zu richten, die ich besonders verehre und preise, – da drang ein großer Schwarm junger Leute in den Tempel ein –

Julian. Doch nicht Galiläer?

Eunapios. Ja, Herr, – Galiläer.

Julian. Ha!

Eunapios. Was für ein Auftritt folgte da! Weinend, unter den Schimpfworten und Stockschlägen der Gewalttätigen flohen die tanzenden Mädchen aus der Vorhalle zu uns hinein. Die Galiläer fielen über uns alle her, mißhandelten uns und verhöhnten uns auf die schändlichste Art.

Julian steigt von der Erhöhung herab. Wartet nur, wartet!

Eunapios. Ach, hätte diese Kränkung nur uns allein getroffen! Aber die Rasenden gingen noch weiter. Ja, gnädigster Kaiser – mit einem Wort: der Altar wurde niedergerissen, die Statue der Göttin in Stücke geschlagen, die Eingeweide der Opfertiere draußen den Hunden zum Fraß vorgeworfen –

Julian geht auf und nieder. Wartet, wartet, wartet!

Gregor. Herr, dieses Mannes Wort allein genügt nicht –

Julian. Schweig! Zu Eunapios. War Dir einer dieser Tempelschänder bekannt?

Eunapios. Mir nicht, Herr; aber diese Bürger hier kannten mehrere von ihnen.

Julian. Nehmt Wachen mit Euch. Ergreift von den Schuldigen so viele, wie Ihr fassen könnt. Werft sie ins Gefängnis! Die Gefangenen sollen den Namen der übrigen angeben; und wenn ich sie alle in meiner Gewalt habe –

Gregor. Was dann, Herr?

Julian. Das wird der Henker Dir sagen können. Du und die Bürger von Cäsarea, Ihr sollt erfahren, was Ihr zu erwarten habt, wenn Ihr mit galiläischem Starrsinn auf Eurem Vorhaben beharrt. Der Kaiser geht in heftigem Zorne links ab; Eunapios und seine Zeugen entfernen sich mit der Wache; die übrigen zerstreuen sich.


Ein Markt in Antiochja.

Im Vordergrunde rechts mündet eine Gasse auf den Markt; links im Hintergrunde blickt man in eine schmale, krumme Gasse hinein. Eine große Menschenmenge füllt den Markt. Verkäufer rufen ihre Waren aus. An mehreren Stellen haben sich die Bürger, eifrig redend, zusammengerottet.

Ein Bürger. Aber, du guter Gott im Himmel, wann ist das Unglück geschehen?

Ein zweiter Bürger. Heut morgen, sage ich; heut morgen ganz früh.

Färber Phokion, der aus der Gasse rechts gegangen kommt. Lieber Mann, findest Du es passend, dies ein Unglück zu nennen? Ich nenne es ein Verbrechen, und noch dazu ein höchst freches Verbrechen.

Der zweite Bürger. Jawohl, – ganz recht; es war eine höchst freche Tat.

Phokion. Wenn man bedenkt, – ja, Ihr sprecht doch von dem Überfall im Venustempel? Ja. Wenn man bedenkt, sage ich, – zu einer Zeit, da der Kaiser selbst in der Stadt ist –! Und dann einen Tag zu wählen, wie diesen – einen Tag –

Ein dritter Bürger nähert sich den Sprechenden. Ei, sagt mir doch, Ihr guten Fremden, was ist denn eigentlich –?

Phokion. Ich sage, einen Tag wie diesen, da unser erhabener Herrscher in eigener Person beim Apollonfest den Gottesdienst verrichten will.

Der dritte Bürger. Ja, sicherlich, – das weiß ich; aber warum wirft man diese Christen ins Gefängnis?

Phokion, Was? Man wirft sie ins Gefängnis? Ist man ihnen wirklich auf die Spur gekommen? Man hört lautes Geschrei. Hört, was ist das? Ja, bei den Göttern, ich glaube, man hat sie!

Ein altes Weib, verstört, mit aufgelöstem Haar, bahnt sich einen Weg durch die Menschenmasse; sie ist von andern Weibern umringt, die sie vergebens zurückzuhalten suchen.

Das alte Weib. Haltet mich nicht auf! Er ist mein Einziger. Er ist die Stütze meines Alters! Laßt mich, laßt mich! Kann mir keiner sagen, wo ich den Kaiser finde?

Phokion. Was willst Du vom Kaiser, Mütterchen?

Das alte Weib. Ich will meinen Sohn wieder haben! Helft mir! Mein Sohn! Hilarion! Denkt nur, sie haben ihn mir genommen! Sie brachen in unser Haus ein, – und dann schleppten sie ihn fort!

Ein Bürger zu Phokion. Wer ist das Weib?

Phokion. Wie? Kennst Du nicht die Witwe Publia, – die Kirchensängerin?

Der Bürger. Ah, ja doch, ja!

Publia. Hilarion! Mein Kind! Was haben sie mit ihm vor? Ah, sieh da, Phokion – bist Du's? Ein Gottesglück, daß ich einen christlichen Bruder treffe –-

Phokion. Pst, still, still – schrei nicht so; der Kaiser kommt.

Publia. O, der gottlose Kaiser! Der Herr des Zornes sucht uns heim um seiner Sünden willen; Hungersnot verheert die Lande, die Erde bebt unter uns!

Eine Abteilung Soldaten kommt aus der Gasse rechts.

Der Anführer. Zur Seite! Macht Platz hier!

Publia. O komm, guter Phokion; – hilf mir um unserer Freundschaft und unserer Bruderschaft willen –

Phokion. Bist Du verrückt, Weib? Ich kenne Dich nicht.

Publia. Wie? Du kennst mich nicht? Bist Du nicht der Färber Phokion? Bist Du nicht der Sohn des –?

Phokion. Ich bin keinem sein Sohn. Pack' Dich, Weib! Du bist toll! Ich kenne Dich nicht, ich habe Dich noch nie gesehen. Er enteilt in das Gedränge.

Ein Unterbefehlshaber mit Soldaten von rechts. Platz da! Die Soldaten drängen die Menschenmenge an die Wände der Häuser zurück. Die alte Publia sinkt um in die Arme der Weiber links. Alle starren erwartungsvoll die Straße hinab.

Phokion im Haufen hinter den Wachtposten rechts. Ja, beim Sonnengott, da kommt er. O der glückselige Herr!

Ein Soldat. Drängt nicht so vor, Ihr da hinten!

Phokion. Könnt Ihr ihn sehen? Der Mann mit der weißen Binde um die Stirn, das ist der Kaiser.

Ein Bürger. Der Mann, der ganz weiß gekleidet ist?

Phokion. Jawohl, eben der.

Der Bürger. Aber warum ist er weiß gekleidet?

Phokion. Natürlich der Hitze wegen; – oder nein, wartet mal, ich denke, daß er als Opferpriester –

Ein anderer Bürger. Will denn der Kaiser selber opfern?

Phokion. Ja, Kaiser Julian tut alles selber.

Ein dritter Bürger. Er sieht nicht so gewaltig aus wie Kaiser Konstantios.

Phokion. Das finde ich doch. Er ist nicht so groß wie der vorige Kaiser; aber dafür sind seine Arme länger. Und dann hat er einen Blick, – o, Ihr Freunde! – Ja, jetzt könnt Ihr das nicht sehen; er schlägt beim Gehen ehrbar die Augen nieder. Ja, ehrbar ist er, das dürft Ihr glauben. Weiber sieht er nicht an. Ich will darauf schwören, daß er seit dem Tode seiner Frau nur ganz wenige Male –; ich will Euch sagen, er schreibt die ganze Nacht. Darum sind auch seine Finger oft so schwarz wie die eines Färbers; ja, just wie meine. Ich bin auch Färber. Ihr könnt mir glauben, ich kenne den Kaiser besser als die meisten. Ich bin hier in dieser Stadt geboren, aber ich habe fünfzehn Jahr in Konstantinopel gelebt, bis vor ganz kurzer Zeit –

Ein Bürger. Sollte etwas an dem Gerücht sein, der Kaiser gedenke hier ständig zu wohnen?

Phokion. Ich kenne des Kaisers Haarscherer, und der sagt es. Möchten nur diese schändlichen Händel ihn nicht allzusehr reizen!

Ein Bürger. Ach, ach, das wäre ärgerlich!

Ein zweiter Bürger. Bleibt der Kaiser hier, so fällt für uns alle was ab.

Phokion. Darauf hatte ich auch gebaut; deshalb zog ich hierher. Aber jetzt müssen wir unser Bestes tun, Freunde; wenn der Kaiser vorbeikommt, wollen wir ihn mit frohem Zuruf begrüßen, ihn und Apollon.

Ein Bürger zu dem zweiten. Was ist denn das eigentlich für ein Apollon, von dem die Leute jetzt so viel reden?

Der zweite Bürger. Ei, das ist ja der Priester in Korinth, – der da bewässerte, was der heilige Paulus gepflanzt hatte.

Der erste Bürger. Ach so; ja, ich glaube, ich erinnere mich.

Phokion. Ei, ei, ei – das ist nicht der Apollon; das ist ein ganz anderer, das ist der Sonnenkönig – der große Leierspieler Apollon.

Der andere Bürger. Ach so; der Apollon! Ist der besser?

Phokion. Ja, das will ich meinen. Seht, seht, – da kommt er. O, der edle, teure Herr!

Julian als Oberpriester gekleidet, kommt, umgeben von Opferpriestern und Tempeldienern. Hofleute und Gelehrte, unter ihnen der Schriftgelehrte Hekebolios, haben sich dem Zuge angeschlossen; ebenso Bürger. Dem Kaiser voran gehen Flötenspieler und Harfenschläger. Soldaten und Polizisten machen mit langen Stöcken vorn und an den Seiten Platz.

Die Menge auf dem Markt klatscht in die Hände. Gepriesen sei der Kaiser! Gelobt sei Julian, der Held und Glückspender!

Phokion. Gegrüßt sei Julian und der Sonnenkönig! Es lebe Apollon!

Die Bürger im Vordergrunde rechts. Kaiser, Kaiser, bleib lange in unserer Mitte! Julian gibt ein Zeichen mit der Hand; der Zug bleibt stehen.

Julian. Bürger von Antiochia! Nicht wüßte ich jetzt im Augenblick etwas zu nennen, was mein Herz mehr erfreuen könnte als diese Eure ermunternden Zurufe. Und wohl bedarf mein Herz dieser Erquickung! – In geistiger Niedergeschlagenheit habe ich diese Wanderung unternommen, die ein Gang der Freude und der Erhebung sein sollte. Ja, ich will nicht verhehlen, beinahe wäre heut morgen meine Seele aus dem Gleichgewicht geraten, das in allen Schickungen zu bewahren doch vornehmlich dem Weisen geziemt. – Aber hätte einer das Herz, deswegen mit mir zu rechten? Ich gebe jedem zu bedenken, welche Vermessenheiten man anderswo ersinnt und hier bereits ins Werk gesetzt hat.

Publia. Herr, Herr!

Phokion. O Du frommer und gerechter Kaiser, straf die Verwegenen!

Publia. Herr, gib mir Hilarion wieder!

Phokion. Alle guten Bürger erflehen Deine Huld für die Stadt.

Julian. Suchet der Götter Huld zu gewinnen, dann habt Ihr sicherlich die meine. Und ist es nicht billig, daß Antiochia hierin vorangeht? Ist es nicht, als ob das Auge des Sonnengottes mit besonderem Wohlgefallen auf dieser Stadt ruhe? Befraget weitgereiste Männer, und Ihr werdet erfahren, in welch traurigem Übermaß es anderwärts der Irrlehre geglückt ist, unsere heiligen Stätten zu veröden. Was ist übriggeblieben? Eine Ruine hier und dort, und von dem Besten nichts. – Aber bei Euch, Ihr Bürger von Antiochia! O, meine Augen füllten sich mit Freudentränen, da ich zum ersten Male dieses unvergleichliche Heiligtum sah, Apollons eigenes Haus, das man sich kaum von Menschenhänden aufgeführt denken könnte. Steht nicht das Bild des Herrlichen darinnen wie früher in ungetrübter Schönheit? Nicht eine Ecke von seinem Altar ist abgehauen oder verwittert; nicht ein Riß ist zu sehen in den schlanken, ragenden Säulen. – O, wenn ich dies bedenke, – wenn ich die Binde an meiner Stirn fühle, – wenn ich hinabblicke auf dieses Gewand, das mir teurer ist denn der Purpurmantel, dann empfinde ich die Nähe des Gottes mit einem heiligen Schauer. – Seht hin, seht, wie das Licht uns umzittert in Herrlichkeit! – O fühlt, fühlt es, wie die Luft vom Duft frischer Kränze geschwängert ist! – Schöne Erde, Heimat des Lichtes und des Lebens, Heimat der Freude, Heimat des Glückes und der Schönheit, – was einst du warst, das sollst du wieder werden! – Auf, in des Sonnenkönigs Arme! Mithra, Mithra! Vorwärts auf unserm Siegesgange!

Der Zug setzt sich wieder, unter dem Beifall der Menge, in Bewegung, aber die Vordersten stocken beim Eingang der engen Gasse, durch die ein anderer Zug herab auf den Markt kommt.

Julian. Was hindert uns?

Hekebolios. Gnädigster Herr, es ist da oben auf der Gasse was los.

Gesang in der Ferne.
Selig, zu leiden, selig zu sterben,
Selig, vom Jammertal aufzuerstehn!

Phokion. Die Galiläer, Herr! Man hat sie!

Publia. Hilarion!

Phokion. Man hat sie! Ich höre die Ketten –

Julian. Vorbei an ihnen!

Eunapios eilig durch die Menge. Es ist über alles Maß geglückt, Herr!

Julian. Wer sind sie, diese Schamlosen?

Eunapios. Einige davon sind Bürger hier aus der Stadt, aber die meisten sind fliehende Landleute aus Kappadocien.

Julian. Ich will sie nicht sehen. Vorwärts, habe ich befohlen!

Gesang der Gefangenen näher.
Selig, der Märtyrer Kronen zu erben,
Selig, im Jenseits sie wiederzusehn!

Julian. Die Wahnwitzigen! Kommt mir nicht zu nahe! Wache, Wache!

Beide Züge sind unterdessen im Gedränge zusammengestoßen; der Apollonzug muß halten, während der Zug der Gefangenen, Männer in Ketten, umringt von Soldaten und begleitet von einer großen Menschenmenge, vorbeischreitet.

Publia. Mein Kind! Hilarion!

Hilarion unter den Gefangenen. Freue Dich, meine Mutter!

Julian. Ihr armen Verirrten! Wenn ich den Wahnwitz so aus Euch sprechen höre, so zweifle ich fast daran, daß ich ein Recht habe, Euch zu strafen.

Eine andere Stimme unter den Gefangenen. Zur Seite! Nehmt uns nicht die Dornenkrone!

Julian. Abgrund des Entsetzens! – Was ist das für eine Stimme!?

Hauptmann der Wache. Herr, der da war's, der gesprochen hat. Er stößt einen Gefangenen vor sich her, einen jungen Mann, der einen halbwüchsigen Jüngling an der Hand hält.

Julian schreit auf. Agathon!

Der Gefangene sieht ihn an und schweigt.

Julian. Agathon, Agathon! Antworte mir! Bist Du nicht Agathon?

Der Gefangene. Ja.

Julian. Du unter denen da! Rede! Rede!

Agathon. Ich kenne Dich nicht.

Julian. Du kennst mich nicht? Du weißt nicht, wer ich bin?

Agathon. Ich weiß, daß Du der Herr der Erde bist, – darum bekenne ich mich nicht zu Dir.

Julian. Und das Kind –? Ist das Dein junger Bruder? Zum Hauptmann der Wache. Dieser Mann muß unschuldig sein.

Eunapios. Herr, dieser Mann ist gerade der Anführer des Ganzen. Er hat es selbst eingestanden; ja, er hat sich seiner Tat noch gerühmt.

Julian. So seltsam können Hunger und Siechtum und Unglück den Geist eines Menschen verwirren. Zu den Gefangenen. Sagt mit Einem Wort nur, daß Ihr bereut, und es soll Euch kein Leid geschehen.

Publia schreit: Sag' es nicht, Hilarion!

Agathon. Sei stark, lieber Bruder!

Publia. Geh, geh dahin, wo man Deiner wartet, mein Einziger!

Julian. Hört mich und bedenkt Euch, Ihr andern –

Agathon zu den Gefangenen. Wählt zwischen Christus und dem Kaiser!

Die Gefangenen. Gelobt sei der Herr in der Höhe!

Julian. Furchtbar ist die irreleitende Macht des Galiläers. Sie muß gebrochen werden. Weiter mit Euch, Ihr Abscheulichen! Sie verfinstern die Freude! Sie verdunkeln den Tag mit ihrer brütenden Todessehnsucht. – Flötenspieler, – Männer, Weiber, stimmt an! Gesang, – Gesang zum Preise des Lebens, des Lichtes und des Glücks!

Der Appollonzug singt.
Süß ist der Rosen stirnkühlender Kranz,
Süß ist des Sonnentags flimmernder Glanz!

Der Zug der Gefangenen
Selig, in Gräbern voll Blut zu ertrinken,
Selig, dem Eden entgegen zu sinken!

Der Appollonzug
Süß dieses Weihrauchs duftglimmende Glut!

Der Zug der Gefangenen
Selig, ersticken in dampfendem Blut!

Der Appollonzug
Reichsten Genusses strömende Schale
Beutst Du, Apoll, Deinem Jünger, zum Mahle.

Der Zug der Gefangenen
Fressende Brandschwären, wunde Gebeine
Heilet der Eine!

Der Appollonzug
Süß oh! zu jubeln im Gluttauf-Odem!

Der Zug der Gefangenen
Selig, verstöhnen in Bluttauf-Brodem!

Beide Züge sind unter Gesang aneinander vorbeigegangen. Die Menge auf dem Markt sieht ihnen in dumpfem Schweigen nach.


Der heilige Hain am Apollontempel.

Die von Säulen getragene Vorhalle, zu der eine breite Treppe hinaufführt, ist sichtbar zwischen den Bäumen im Hintergrunde links.

Eine Menge Menschen läuft entsetzt, unter lautem Klageruf im Hain umher. Weit in der Ferne hört man die Musik des Festzuges.

Frauen. Erbarmen! Eben erbebte die Erde wieder!

Ein flüchtender Mann. Wie grausig! Donner unter den Füßen –

Ein zweiter Mann. War's wirklich so? War es die Erde, die bebte?

Eine Frau. Hast Du es nicht gefühlt? Der Baum dort schwankte so heftig, daß es in der Laubkrone sauste.

Viele Stimmen. Horch! Horch! Horch!

Einige. Es sind Wagen auf dem Straßenpflaster.

Andere. Es sind Trommeln. Hört die Musik –; der Kaiser kommt!

Man sieht, wie der Apollonzug von rechts durch den Hain kommt und beim Spiel von Flöten und Harfen sich vor dem Tempel in einem Halbkreis aufstellt.

Julian zum Tempel gewendet, mit erhobenen Händen. Ich nehme das Wahrzeichen an! – So eng habe ich mich nie mit den unsterblichen Göttern im Bunde gefühlt. – Der Bogenschwinger ist in unsrer Mitte. Die Erde erdröhnt unter seiner Ferse, so wie sie einstmals erdröhnte, als er im Zorne das trojanische Gestade stampfte. – Aber nicht wider uns richtet er die gerunzelten Brauen. Nein, wider jene Unseligen, die, ihn und sein sonnenhelles Reich hassen. – Ja, – so gewiß, wie die Fülle des Glücks oder Unglücks den rechten Maßstab gibt für die Gunst der Götter gegen die Sterblichen, – so gewiß offenbart sich hier der Unterschied zwischen uns und jenen. – Wo sind die Galiläer nun? Die einen sind unter den Händen des Henkers, – andere flüchten durch die engen Gassen, aschgrau vor Entsetzen, mit aufgerissenen Augen, – einen Schrei zwischen den halbaufgesperrten Kiefern, – das Haar sträubt sich in der Angst empor, oder sie raufen es in Verzweiflung –. Und wo sind wir? Hier in Daphnes frischem Hain, wo der Dryaden duftender Atem unsere Schläfen kühlt, – hier vor dem herrlichen Tempel des Herrlichen, umrauscht vom Klange der Leiern und der Flöten, – hier im Licht, im Glück, im Frieden, den Gott selbst unter uns, der sich offenbarte. – Wo ist der Galiläergott? Wo ist der Jude, der gekreuzigte Zimmermannssohn? Er offenbare sich doch! Aber er hütet sich! – Und darum ziemt es sich wohl, daß wir das Heiligtum füllen. Dort will ich mit eigenen Händen den Dienst verrichten, den ich jedem andern vorziehe, geschweige denn daß er mir gering und unschicklich erschiene.

Er geht an der Spitze des Zuges durch die Volksmenge nach dem. Tempel zu.

Eine Stimme ruft im Gedränge. Halt, Du Gottloser!

Julian. Ein Galiläer unter uns?

Dieselbe Stimme. Nicht weiter, Gottesleugner!

Julian. Wer ist der Mann, der da redet?

Andere Stimmen im Haufen. Ein galiläischer Priester. Ein blinder Greis. Hier steht er.

Wieder andere. Fort, fort mit dem Schamlosen!

Ein alter, blinder Mann, in priesterlicher Kleidung, gestützt von zwei, ebenfalls priesterlich gekleideten jüngeren Männern, wird nach vorn hingedrängt, so daß er unten an der Treppe des Tempels vor den Kaiser zu stehen kommt.

Julian. Ah, was muß ich sehen! Sag' mir, alter Mann, bist Du nicht der Bischof Maris von Chalcedon?

Der alte Mann. Ja, ich bin der unwürdigste Diener dieser unserer Kirche.

Julian. Den unwürdigsten nennst Du Dich – und ich glaube, daß Du nicht so ganz unrecht hast. Wenn ich nicht irre, bist Du einer von denen gewesen, die am eifrigsten Zwietracht unter den Galiläern gesät haben.

Bischof Maris. Ich habe getan, was mich noch tiefer niederzieht in Reue. Als Du die Herrschaft übernahmst, und Deine Gesinnung ruchbar wurde, da ward mein Herz von unsäglicher Angst umklammert. Altersschwach und blind, wie ich war, gab ich nicht dem Gedanken Raum, mich gegen den mächtigen Herrn der Erde aufzulehnen. Ja, – Gott sei mir gnädig, – ich verließ die Herde, die zu beschirmen ich eingesetzt war, entzog mich feige all den Gefahren, die sich drohend um die Gemeinde des Herrn sammelten, und suchte Schutz hier in Syrien auf meinem Landgut –

Julian. Sieh da, sieh da! Äußerst seltsam! Und Du, der feige Mann, der früher des Kaisers Gunst so hoch geschätzt hat, Du trittst nun vor mich hin und schleuderst mir einen Schmähruf ins Angesicht.

Maris. Jetzt fürchte ich Dich nicht mehr; denn jetzt hat Christus ganz und gar mein Herz. In der Drangsalszeit der Kirche gingen sein Licht und seine Herrlichkeit mir auf. All das Blut, das Du vergießt, – all die Gewalt und all das Unrecht, das Du übst, schreit zum Himmel, widerhallt mit Macht, dröhnt vor meinen tauben Ohren und weist mir in der Nacht meiner Blindheit den Weg, den ich zu gehen habe.

Julian. Zieh heim, alter Mann!

Maris. Nicht ehe Du gelobst hast, von diesem Deinem teuflischen Treiben abzustehen. Worauf sinnst Du? Will der Staub sich erheben wider den Geist? Will der Erde Herr den Herrn des Himmels stürzen? Siehst Du nicht, daß der Tag des Zornes über uns ist um Deiner Sünden willen? Die Quellen vertrocknen wie Augen, die sich leer geweint haben. Die Wolken, die das Manna der Fruchtbarkeit über uns ausschütten sollten, ziehen an unsern Häuptern vorüber und ergießen sich nicht. Die Erde, die verflucht ist seit Anbeginn der Tage, sie erbebt und erzittert unter der Blutschuld des Kaisers.

Julian. Welche Gunst erwartest Du von Deinem Gotte für diesen übermäßigen Eifer, törichter Greis? Hoffst Du, Dein galiläischer Meister würde wie ehedem ein Wunder tun und Dir Dein Augenlicht wiedergeben?

Maris. Ich habe das Augenlicht, das ich wünsche; und ich danke dem Herrn, daß er mir das leibliche Auge auslöschte, damit mir der Anblick des Mannes erspart bleibt, der in grauenvollerer Nacht einhergeht als ich.

Julian. Mach' mir Platz!

Maris. Wohin willst Du?

Julian. In das Haus des Sonnenkönigs.

Maris. Du gehst nicht. Ich verbiete es Dir im Namen des Einen.

Julian. Wahnwitziger Greis! – Hinweg mit ihm!

Maris. Ja, leg' nur Hand an mich! Aber wer es wagt, dessen Hand soll verdorren. Der Gott des Zornes soll sich offenbaren in seiner Gewalt –

Julian. Dein Gott ist kein gewaltiger Gott. Ich werde Dir beweisen, daß der Kaiser stärker ist als er –

Maris. Verloren! – So sprech' ich den Fluch über Dich, den abtrünnigen Sohn der Kirche!

Hekebolios bleich. Herr und Kaiser, laß das nicht geschehen!

Maris mit lauter Stimme. Sei verflucht, Julianos Apostata! Sei verflucht, Kaiser Julian! Gott der Herr hat Dich aus seinem Munde ausgespien! Verflucht seien Deine Augen und Deine Hände! Verflucht sei Dein Haupt und all Dein Tun! – Wehe, wehe, wehe über den Apostaten! Wehe, wehe, wehe – – –

Man hört hohlrollendes Dröhnen; des Tempels Dach und Säulen wanken und scheinen unter donnerndem Krach zusammenzustürzen, während der ganze Bau sich in eine Staubwolke hüllt. Die Menge stößt einen Schrei des Entsetzens aus, viele flüchten, andere fallen zu Boden. Eine Weile herrscht atemlose Stille. Bald darauf zerteilt sich die Staubwolke und man sieht den Apollontempel in Trümmern.

Maris, dessen Begleiter geflüchtet sind, steht allein und sagt leise: Gott hat gesprochen.

Julian bleich und mit dumpfer Stimme. Apollon hat gesprochen; sein Tempel war besudelt, deshalb zerschmetterte er ihn.

Maris. Und ich sage Dir, es war derselbe Gott, der Jerusalems Tempel in Schutt und Asche legte.

Julian. Wenn dem so ist, so sollen die Kirchen des Galiläers zugesperrt, und seine Priester sollen mit Geißelhieben gezwungen werden, diesen Tempel wieder aufzubauen.

Maris. Versuch' es, Ohnmächtiger! Wer vermöchte den Tempel Jerusalems wieder aufzubauen, da Golgathas Fürst den Fluch über ihn gesprochen hat.

Julian. Ich werde es vermögen! Der Kaiser wird es vermögen! Euer Gott soll zum Lügner werden! Stein für Stein werde ich jenen Tempel Jerusalems wieder aufbauen, in der Pracht und Herrlichkeit, wie er in Salomos Tagen war.

Maris. Es soll Dir nicht gelingen, auch nur einen Stein auf den andern zu fügen, denn der Herr hat ihn verflucht.

Julian. Warte nur, warte nur! Du sollst sehen – wenn Du sehen könntest, – Du, der verlassen und hilflos dasteht, hinaustaumelnd in die Nacht, ohne zu wissen, wohin Du Deinen Fuß setzen sollst.

Maris. Vor mir leuchtet der Blitz, der Dich und die Deinen dereinst zerschmettern wird.

Er tastet hinaus; Julian bleibt zurück, umringt von einer kleinen, schreckensbleichen Schar.


 << zurück weiter >>