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In Ephesos. Erleuchteter Saal in des Prinzen Julian Wohnung. Der Eingang von der Vorhalle ist rechts; weiter hinten eine kleinere, durch einen Vorhang verdeckte Tür. Links eine Tür, die zum Innenraum des Hauses führt. Der Hintergrund des Saales wird von einer durchbrochenen Wand gebildet, durch die man in einen kleinen umfriedeten Hofraum blickt, der mit Statuetten geschmückt ist.
Diener bereiten eine festliche Abendmahlzeit und legen Polster um den Tisch. Eutherios, der Hausmeister, steht am Eingang und nötigt unter vielen Höflichkeiten Gregor von Nazianz und Basilios von Cäsarea herein.
Eutherios. Ja, ja, ich versichere Euch, – es stimmt alles.
Gregor. Unmöglich! Treib doch nicht Spott mit uns!
Basilios. Du spaßest, Freund! Wie kann Dein Herr uns erwarten? Kein Mensch hat um unsere Abreise von Athen gewußt; kein Aufenthalt hat unsere Fahrt verzögert, – um die Wette sind wir gesegelt mit den Wolken und den wilden Kranichen.
Eutherios. Schaut Euch um – seht den Tisch da. Für gewöhnlich lebt er von Kräutern und Brot.
Gregor. Unleugbar – alle Sinne zeugen für Dich – Weinkannen, umwunden mit Blumen und Grün – Lampen und Früchte – Räucherwerk, das den Saal mit seinem Duft erfüllt – die Flötenspieler draußen vor dem Haustor –
Eutherios. Heut, in der Frühe des Morgens ließ er mich rufen. Er schien ungewöhnlich heiter zu sein; denn er ging auf und ab im Zimmer und rieb sich die Hände. »Rüste ein reichlich Mahl«, sagte er, »denn noch vor Abend kommen zwei Freunde aus Athen.« Er hat inzwischen nach der offenen Tür links einen Blick geworfen, schweigt plötzlich und zieht sich ehrerbietig zurück.
Basilios. Ist er da?
Eutherios nickt als Antwort; dann gibt er den Dienern einen Wink, sich zu entfernen; sie gehen durch die größere Tür rechts ab; er selbst folgt. – Julian kommt gleich darauf von links; er trägt ein langes morgenländisches Gewand; sein ganzes Benehmen ist lebhaft und verrät starke innere Spannung.
Julian geht ihnen entgegen und begrüßt sie leidenschaftlich. Da seid Ihr! Ich habe Euch! Dank, Dank, daß Euer Geist Eurem Körper vorausgeflogen ist!
Gregor. Julian!
Basilios. Mein Freund und Bruder!
Julian. Wie ein Liebender hab' ich nach Eurem Händedruck geschmachtet. Das höfische Pack, nach dem Beifall gewisser Leute trachtend, nannte mich einen Affen – hätte ich doch des Affen vier Hände, um Eure vier auf einmal drücken zu können.
Gregor. So erklär' uns doch, – Deine Diener empfangen uns mit Flötenspiel an der Tür, wollen uns ins Bad führen, unser Haar salben und uns mit Rosen schmücken –
Julian. Ich sah Euch letzte Nacht. Es war Vollmond, wißt, – und da ist der Geist stets so wunderbar wirksam in mir. Drinnen im Büchersaal saß ich an meinem Tisch und war in Schlaf gesunken, – müde, Ihr Freunde, so müde vom Forschen und Schreiben. Da ging es durchs Haus wie ein Sturmwind; der Vorhang hob sich flatternd empor, und ich sah hinaus in die Nacht, weit über das Meer. Ich hörte lieblichen Gesang; die aber, von denen der Gesang kam, waren zwei große Vögel mit Frauengesichtern; in schrägem Flug stießen sie auf die Küste zu – dort schwebten sie sanft hernieder, das Vogelkleid löste wie weißlicher Nebel sich ab und in einem milden Dämmerschein sah ich Euch beide.
Gregor. Bist Du dessen auch gewiß?
Julian. Dachtet Ihr an mich, – spracht Ihr von mir in dieser Nacht?
Basilios. Jawohl, – vorn im Schiff –
Julian. Um welche Zeit in der Nacht war das?
Gregor. Um welche Zeit in der Nacht hattest Du das Gesicht?
Julian. Eine Stunde nach Mitternacht.
Gregor mit einem Blick auf Basilios. Seltsam.
Julian reibt sich die Hände; geht auf und nieder im Zimmer. Seht Ihr! Haha! Seht Ihr wohl?
Basilios folgt ihm mit den Augen. So ist es doch wahr –
Julian. Was? Was ist wahr?
Basilios. Das Gerücht von den geheimnisvollen Künsten, die Du hier treibst.
Julian. Ei, was bauschen Gerüchte nicht auf?! – Doch – was sagt das Gerücht sonst von mir? Ich habe mir erzählen lassen, daß viele Gerüchte über mich umgehen. Darf ich den Versicherungen gewisser Leute trauen, so müßte ich glauben, es gibt wenig Männer im Reich, über die so viel geredet wird wie über mich.
Gregor. Das kannst Du getrost glauben.
Julian. Und was sagt Libanios zu dem allen? Es war ihm niemals angenehm, wenn die Menge sich mehr mit andern als mit ihm beschäftigte. Und was sagen die vielen unvergeßlichen Freunde in Athen sonst? Man weiß wohl, daß ich beim Kaiser wie beim ganzen Hof in Ungnade bin.
Gregor. Du? Ich bekomme doch häufig Nachrichten vom Hoflager, – aber darüber schreibt mein Bruder Cäsarios nichts.
Julian. Ich kann es nicht anders deuten, guter Gregor! Allerseits halten sie es für ratsam, ein Auge auf mich zu haben. Neulich sandte Cäsar Gallos seinen Hauspriester Aëtios her, um zu erkunden, ob ich an der unverfälschten Lehre festhielte –
Basilios. Nun, und?
Julian. Ich versäume so leicht keine Morgenandacht in der Kirche. Auch zähle ich die Blutzeugen zu den außerordentlichen Menschen; denn es ist wahrhaftig keine Kleinigkeit, so große Schmerzen, selbst den Tod um seiner Überzeugung willen zu leiden. Alles in allem glaube ich, Aëtios war wohl mit mir zufrieden, als er abreiste.
Basilios greift nach seiner Hand. Julian,– bei unserer innigen Freundschaft, – sprich offen über Deine Lage.
Julian. Lieben Freunde, ich bin der glücklichste Sohn der Erde! Und Maximos, – ja, er trägt seinen Namen mit Recht – Maximos ist der Größte, der je gelebt hat!
Gregor wendet sich zum Gehen. Wir wollten Dich nur sehen, Herr!
Julian. Darf das den Bruder entfremden dem Bruder? Ihr weicht in Angst vor dem Rätselhaften! O ja, das wundert mich gar nicht. So wich auch ich, bis ich sehend ward und bis ich ahnte, was des Lebens Kern ist.
Basilios. Was nennst Du des Lebens Kern?
Julian. Maximos weiß es. In ihm ist die neue Offenbarung.
Basilios. Und sie ist Dir zu teil geworden?
Julian. Noch nicht ganz. Ich bin nahe daran. Noch in dieser Nacht, hat Maximos mir versprochen –
Gregor. Maximos ist ein Schwärmer, oder er betrügt Dich –
Julian. Wie kannst Du über die Geheimnisse urteilen? Das ist nichts für Deine Gelehrsamkeit, mein Gregor! Der Weg zur großen Glückseligkeit ist entsetzlich. Jene Träumer in Eleusis waren beinahe auf der richtigen Spur; Maximos fand die Spur, und dann ich – an seiner Hand. Ich habe finstre Klüfte durchwandert. Ein träges, sumpfiges Gewässer war mir zur Linken – ich glaube, es war ein Strom, der des Weiterfließens vergessen hatte. Grelle Stimmen redeten wirr, – plötzlich und sozusagen ohne alle Ursache im Dunkel der Nacht. Ab und zu sah ich ein bläuliches Licht; schreckhafte Gestalten strichen an mir vorüber; ich ging und ging in Todesangst, aber ich habe die Prüfung bestanden – –. Und dann – und dann, Ihr teuren Freunde, bin ich mit diesem meinem zu Geist verwandelten Leibe tief im Innern des Paradieses gewesen. Die Engel haben mir ihre Lobgesänge gesungen, – ich habe das mittelste Licht geschaut –
Gregor. Wehe über diesen gottlosen Maximos! Wehe über diesen heidnischen Gaukler, der des Teufels ist!
Julian. Blindheit, Blindheit! Maximos huldigt seinem vorausgegangenen Bruder; er huldigt seinen beiden großen Brüdern: dem Gesetzgeber von Sinai und dem Seher von Nazareth – –. Weißt Du, wie der Geist der Erkenntnis über mich gekommen ist? Es geschah eines Nachts bei Gebet und Fasten. Da war es mir, als würde ich weit hinweggerückt – weit hinaus in den Raum und hinaus aus der Zeit – denn voller, sonnenlichter Tag war um mich, und ich stand einsam auf einem Schiff mit schlaffem Segel mitten im blanken, blitzenden Griechenmeer. Die Inseln stiegen auf, leichten, gefesselten Wolkenschichten gleich, weit in der Ferne, und träge lag das Schiff, als ob es schliefe auf der weinblauen Fläche –. Siehe, da ward die Fläche immer durchsichtiger, leichter und dünner; zuletzt war sie ganz verschwunden, und mein Schiff hing über einer leeren, entsetzlichen Tiefe. Nichts Grünes, keine Sonne da unten, – nur der tote, schleimige, schwarze Meeresgrund in seiner ganzen grausigen Öde. – Doch über mir in der unendlichen Wölbung, die mir vorher als Leere erschienen war, da war das Leben; da gestaltete es sich in unsichtbaren Formen, und die Stille nahm Töne an. – Da ward mir die große, erlösende Erkenntnis.
Gregor. Was für eine Erkenntnis meinst Du?
Julian. Was ist, ist nicht; und was nicht ist, das ist.
Basilios. Du gehst unter und verlierst Dich in diesem Gespinst von Licht und Nebel!
Julian. Ich? Geschehen nicht Wunder? Verkünden nicht Wahrzeichen und gewisse seltsame Ereignisse am Sternenhimmel, daß der göttliche Wille etwas noch Unaufgeklärtes mit mir vorhat?
Gregor. Trau' diesen Zeichen nicht, Du kannst nicht wissen, wessen Werk sie sind.
Julian. Ich sollte nicht den glückverheißenden Zeichen trauen, die sich schon bestätigt haben? Er zieht sie näher an sich heran und spricht leise: Euch kann ich es sagen, Freunde, daß eine große Umwälzung vor der Tür steht. Cäsar Gallos und ich werden binnen kurzer Zeit die Weltherrschaft teilen, – er als Kaiser und ich als –, ja, wie soll ich es nennen? Das Ungeborne kann man nicht mit Namen nennen, denn es hat keinen. Also nichts mehr davon, bis die Zeit erfüllt ist. Doch über Cäsar Gallos darf ich wohl sprechen –. Habt Ihr von dem Gesicht gehört, dessentwegen man den Bürger Apollinaris zu Sidon verhaftet und gemartert hat?
Basilios. Nein, nein, wie sollten wir –?
Julian. Apollinaris hat ausgesagt, er habe zur Nachtzeit an seiner Türe wiederholtes Klopfen gehört. Er stand auf und trat ins Freie. Und siehe, draußen gewahrte er eine Gestalt, – ob Mann, ob Weib, das wußte er nicht. Und die Gestalt sprach ihn an und befahl ihm, ein Purpurgewand anzufertigen, so wie es neugewählte Herrscher tragen. Aber als Apollinaris erschrocken so gefährlicher Dinge sich erwehren wollte, da war die Erscheinung verschwunden, und nur eine Stimme rief noch: Geh, geh, Apollinaris, und fertige rasch das Purpurgewand!
Gregor. Das war also das Zeichen, das, wie Du eben sagtest, sich bestätigt hat?
Julian nickt langsam. Sieben Tage später starb in Bithynien die Gattin des Cäsar. Konstantina war immer sein böser Engel gewesen; darum mußte sie jetzt fort, nachdem in dem göttlichen Willen eine Wandlung vorgegangen war. Drei Wochen nach Konstantinas Tod kam des Kaisers Abgesandter, der Tribun Skudilo, mit großem Gefolge nach Antiochia, erwies dem Cäsar Gallos kaiserliche Ehren und lud ihn in des Kaisers Namen an das römische Hoflager zu Gast. – Wie im Siegeszuge fährt jetzt der Cäsar durch die Lande. Zu Konstantinopel hielt er im Hippodrom einen Wettlauf ab, und die Menge jubelte hell, da er, obwohl erst nur dem Namen nach Cäsar, nach Art der alten Kaiser auftrat und den Kranz jenem Korax reichte, der im Wettlauf gewonnen hatte. So wunderbar erhöht aufs neue Gott unser Geschlecht, das unter Sünde und Verfolgung gesunken war.
Gregor. Seltsam. In Athen gingen andere Gerüchte.
Julian. Ich habe sichere Kunde. Es hat Eile mit dem Purpurgewande, Gregor! Und sollte ich zweifeln an dem, was Maximos mir als nahe bevorstehend verheißen hat? Heut nacht fällt die letzte Hülle. An dieser Stelle soll sich das große Rätsel offenbaren. Bleibt bei mir, Brüder, – bleibt bei mir in diesen Stunden der Angst und Erwartung! Wenn Maximos kommt, sollt Ihr Zeugen sein –
Basilios. Niemals!
Gregor. Kann nicht sein! Wir sind auf der Heimreise nach Kappadocien.
Julian. Und was hat Euch so jählings aus Griechenland getrieben?
Basilios. Meine Mutter ist Witwe, Julian!
Gregor. Mein Vater ist hinfällig an Körper und Geist; er bedarf einer Stütze.
Julian. So bleibt in der Herberge – nur bis morgen!
Gregor. Unmöglich; unsere Weggenossen brechen mit Tagesgrauen auf.
Julian. Mit Tagesgrauen? Vor Mitternacht noch könnte der Tag Euch grauen.
Basilios. Julian, laß mich nicht in allzu großer Angst von dannen ziehen. Sag' mir, – wenn Dir Maximos alle Rätsel gelöst hat, – was dann?
Julian. Erinnerst Du Dich jenes Flusses, von dem Strabon schreibt, – jenes Flusses, der seine Quellen auf den libyschen Bergen hat? Er wächst und wächst in seinem Lauf, aber wenn er ganz groß geworden ist, siecht er im Wüstensande dahin und begräbt sich selbst im Mutterschoß der Erde, dem er entsprungen ist.
Basilios. Du willst doch nicht den Tod, Julian?!
Julian. Was Ihr knechtisch nach dem Tod erhofft, das hier in unserm irdischen Leben für alle Mitwissenden zu erwerben, das eben ist der Zweck des großen Geheimnisses. Es ist Wiedergeburt, die Maximos und seine Lehrlinge suchen, – es ist die verlorene Gottähnlichkeit. Warum so zweifelsüchtig, Ihr Brüder? Warum steht Ihr da wie vor etwas Unübersteiglichem? Ich weiß, was ich weiß. In jedem der wechselnden Geschlechter war eine Seele, worin der reine Adam wieder erstand; er war stark in Moses, dem Gesetzgeber; er hatte Kraft, sich die Erde untertänig zu machen, im macedonischen Alexander; er war beinahe vollkommen in Jesus von Nazareth. Aber sieh, Basilios, – seinen Arm ergreifend – ihnen allen mangelte, was mir verheißen ist, – das reine Weib.
Basilios reißt sich los. Julian, Julian!
Gregor. Du Lästerer! Dahin hat der Hochmut Deines Herzens Dich gebracht!
Basilios. Gregor, er ist krank und irr!
Julian. Warum diese höhnischen Zweifel? Ist es mein schmächtiger Wuchs, der gegen mich zeugt? Haha! Ich sage Euch, dieses grobe, fleischige Geschlecht wird vergehen. Das werdende wird mehr vom Geiste empfangen werden als vom Körper. In dem ersten Adam war Gleichgewicht wie in jenen Abbildungen des Gottes Apollon. Dann war es mit dem Gleichgewicht zu Ende. Hatte nicht Moses eine schwere Zunge? Mußte man nicht seine Arme stützen, da er sie beschwörend erheben sollte am Roten Meere dort? Mußte nicht der Macedonier häufig durch gewisse starke Getränke und andere künstliche Mittel sich befeuern? Und nun Jesus von Nazareth, – hatte er nicht einen gebrechlichen Körper? Fiel er nicht in Schlaf auf dem Schiffe, während doch die andern sich wach hielten? Brach er nicht unter dem Kreuz zusammen, unter jenem Kreuz, das der Jude Simon mit Leichtigkeit trug? Die beiden Schächer brachen nicht zusammen. – Ihr nennt Euch Gläubige, und habt doch so wenig Glauben an die Offenbarungsmacht des Wunderbaren? Wartet, wartet, Ihr sollt sehen; – die Braut wird mir gewißlich werden, und dann –, Hand in Hand gehen wir gen Osten, dahin, wo, nach einigen, Helios geboren sein soll; – in die Einsamkeit, uns zu verbergen, wie die Gottheit sich verbirgt, zu suchen den Paradiesesgarten an des Euphrats Ufern, ihn zu finden, und da – o, Herrlichkeit! – von da aus soll ein neues Geschlecht in Schönheit und Gleichgewicht ausgehen über die Erde – da, Ihr schriftgeketteten Zweifler, soll das Kaiserreich des Geistes gegründet werden!
Basilios. O, ich muß wohl meine Hände in Trauer über Dich ringen! Bist Du derselbe Julian, der vor drei Jahren Konstantinopel verließ?
Julian. Damals war ich blind, wie jetzt Ihr! Ich kannte nur den Weg, der mit der Lehre aufhört.
Gregor. Weißt Du, wo Dein Weg aufhört?
Julian. Wo Weg und Ziel Eins sind. – Zum letzten Mal, Gregor, Basilios, – ich flehe Euch an, bleibt bei mir. Das Gesicht, das ich letzte Nacht hatte, – das und vieles andere – deuten auf ein rätselhaftes Band zwischen uns. Dir, mein Basilios, hätte ich so viel zu sagen. Du bist ja das Haupt Deiner Sippe; und wer weiß, ob nicht all das Verführerische, das mir verheißen ist, – ob nicht durch Dich und in Deinem Hause –
Basilios. Niemals! Mit meinem Willen soll keiner mit hineingerissen werden in Deinen Wahn und Deine wilden Träume.
Julian. Was sprichst Du da von Willen? Eine schreibende Hand gewahre ich an der Wand; bald werde ich die Schrift deuten.
Gregor. Komm, Basilios.
Julian mit ausgestreckten Armen. O, Ihr Freunde! Ihr Freunde!
Gregor. Wir sind geschieden von heut ab –.
Er zieht Basilios mit sich fort; beide rechts ab.
Julian sieht ihnen eine Weile nach. Ja, geht! Geht nur! Was wißt Ihr zwei gelehrten Leute! Was bringt Ihr mit von der Stätte der Weisheit? Du, mein starker, trotziger Gregor, – und Du, Basilios, mehr Mädchen als Mann, – Ihr kennt nur zwei Wege in Athen, den Weg zur Schule und den Weg zur Kirche, den dritten Weg – über Eleusis und weiter, den kennt Ihr nicht, und noch weniger– –. Ah!
Der Vorhang rechts wird beiseite gezogen. Zwei Diener in morgenländischen Kleidern bringen einen hohen verhüllten Gegenstand herein, den sie in eine Ecke hinter den Tisch stellen. Gleich darauf tritt Maximos, der Mystiker, durch dieselbe Tür. Er ist ein magerer, mittelgroßer Mann mit braunem, habichtartigem Gesicht; sein Haar und Bart ist stark ergraut, mit Ausnahme der dichten Augenbrauen und des Schnurrbartes, die noch ihre tiefschwarze Farbe haben. Er trägt eine spitze Mütze und ein langes, schwarzes Gewand; in der Hand hat er einen weißen Stab.
Maximos geht, ohne Julians zu achten, auf den verhüllten Gegenstand zu, bleibt stehen und gibt den Dienern einen Wink; sie entfernen sich lautlos.
Julian leise. Endlich!
Maximos nimmt die Hülle ab; man erblickt eine Bronzelampe auf einem hohen Dreifuß; dann zieht er einen kleinen silbernen Krug hervor und gießt Öl in die Lampenschale. Die Lampe entzündet sich von selbst und brennt mit starkem, rötlichem Schein.
Julian in gespannter Erwartung. Ist die Stunde da?
Maximos, ohne ihn anzusehen. Ist Dein Sinn und Dein Körper rein?
Julian. Ich habe gefastet und habe mich gesalbt.
Maximos. So kann das nächtliche Fest beginnen!
Er gibt ein Zeichen; Tänzerinnen und Flötenspieler erscheinen im Vorhof; Musik und Tanz während des Folgenden.
Julian. Maximos, – was ist das?
Maximos. Rosen ins Haar! Perlenden Wein! Sieh, sieh dort die schönen Glieder im Tanz!
Julian. Und mitten in diesem Taumel der Sinne willst Du –?
Maximos. Die Sünde ist nur in Deiner Anschauung des Sündigen.
Julian. Rosen ins Haar! Perlenden Wein! Er wirft sich auf ein Polster am Tische, leert eine volle Schale, setzt sie schnell ab und fragt: Ah, was war in dem Wein?
Maximos. Ein Funke von dem Feuer, das Prometheus stahl. Er legt sich auf ein Polster an der andern Seite des Tisches.
Julian. Meine Sinne tauschen ihre Verrichtungen aus: ich höre Licht und sehe Töne.
Maximos. Der Wein ist die Seele der Traube! Der befreite, freiwillige Gefangene! Logos in Pan!
Die tanzenden Mädchen singen im Vorhofe:
Leere die Schalen der
Bacchischen Glut; –
Wieg Dich auf strahlender
Rhythmen Flut!
Julian trinkt. Ja, ja – im Rausch ist Befreiung! Kannst Du diese Seligkeit deuten?
Maximos. Der Rausch ist Deine Hochzeit mit der Seele der Natur.
Julian. Süßes Rätsel! Versuchendes, verlockendes! Was war das? Warum lachtest Du?
Maximos. Ich?
Julian. Es flüstert an meiner linken Seite! Das seidene Polster knistert – bleich; springt halb auf: Maximos, wir sind nicht allein!
Maximos ruft: Wir sind fünf zu Tisch!
Julian. Ein Symposion mit Geistern!
Maximos. Mit Schatten.
Julian. Nenne mir die Gäste!
Maximos. Noch nicht! Horch, horch!
Julian. Was ist das? Es braust wie ein Sturm durch das Haus –
Maximos schreit: Julian! Julian! Julian!
Julian. Sprich, sprich! Was geschieht mit uns?
Maximos. Die Stunde der Verheißung ist über Dir!
Julian springt auf und weicht vom Tische weit zurück. Ah! Die Tischlampen drohen zu erlöschen; über der großen Bronzelampe erhebt sich ein bläulicher Lichtkreis.
Maximos wirft sich ganz nieder. Wende das Auge zum Licht!
Maximos. Ja, ja!
Gesang der Mädchen gedämpft aus dem Vorhofe:
Nacht, die wachäugige,
Stellt das Netz ein;
Lust, die lachäugige,
Lockt Dich hinein.
Julian starrt auf den Lichtglanz. Maximos! Maximos!
Maximos leise. Siehst Du etwas?
Julian. Ja!
Maximos. Was siehst Du?
Julian. Ich sehe ein leuchtendes Antlitz im Licht!
Maximos. Mann oder Weib?
Julian. Ich weiß nicht.
Maximos. Sprich zu ihm!
Julian. Darf ich?
Maximos. Sprich! Sprich!
Julian näher. Warum wurde ich?
Eine Stimme im Lichtkreis. Um dem Geist zu dienen.
Maximos. Antwortet es?
Julian. Ja, ja!
Maximos. Frag' mehr!
Julian. Was ist meine Bestimmung?
Die Stimme. Du sollst das Reich begründen.
Julian. Welches Reich?
Die Stimme. Das Reich.
Julian. Und auf welchem Wege?
Die Stimme Auf dem Wege der Freiheit!
Julian. Sprich Dich aus! Welches ist der Weg der Freiheit?
Die Stimme. Der Weg der Notwendigkeit.
Julian. Und durch welche Macht?
Die Stimme. Durch das Wollen.
Julian. Was soll ich wollen?
Die Stimme. Was Du mußt!
Julian. Es verblaßt – es schwindet –! Näher. Sprich! Sprich! Was muß ich?
Die Stimme wehklagend. Julian!
Der Lichtkreis löst sich auf; die Tischlampen brennen wie zuvor.
Maximos sieht auf. Fort?
Julian. Fort.
Maximos. Bist Du jetzt wissend?
Julian. Weniger denn je. Ich schwebe über der Feste der unergründlichen Tiefe – mitten zwischen Licht und Finsternis. Er legt sich wieder hin. Was ist das Reich?
Maximos. Es gibt drei Reiche.
Julian. Drei?
Maximos. Zuerst jenes Reich, das auf den Baum der Erkenntnis gegründet ward; dann jenes, das auf den Baum des Kreuzes gegründet ward –
Julian. Und das dritte?
Maximos. Das dritte ist das Reich des großen Geheimnisses, das Reich, das auf den Baum der Erkenntnis und des Kreuzes zusammen gegründet werden soll, weil es sie beide zugleich haßt und liebt, und weil es seine lebendigen Quellen in Adams Garten und unter Golgatha hat.
Julian. Und das Reich wird kommen –?
Maximos. Es steht vor der Tür. Ich habe gerechnet und gerechnet –
Julian bricht jäh ab. Es flüstert wieder. Wer sind meine Gäste?
Maximos. Die drei Ecksteine unter dem Zorne der Notwendigkeit.
Julian. Wer, wer?
Maximos. Die drei großen Helfer der Verneinung.
Julian. Nenne sie!
Maximos. Das kann ich nicht – ich kenne sie nicht – – aber ich könnte sie Dir zeigen –
Julian. So zeig' sie mir! Gleich, Maximos –!
Maximos. Nimm Dich in acht –!
Julian. Gleich! Gleich! Ich will sie sehen – ich will sie sprechen, einen nach dem andern.
Maximos. Über Dich selbst komme die Schuld! Er schwingt seinen Stab und ruft: Nimm an Gestalt und erscheine, Du erstes Opferlamm der Erwählung!
Julian. Ah!
Maximos mit verhülltem Gesicht. Was siehst Du?
Julian gedämpft. Da liegt er – gleich an der Ecke. Er ist groß wie Herakles und schön – doch nein, – nicht – – Zögernd. Kannst Du, so sprich zu mir!
Eine Stimme. Was willst Du wissen?
Julian. Was war Dein Beruf im Leben?
Die Stimme. Meine Schuld.
Julian. Warum wurdest Du schuldig?
Die Stimme. Warum ward ich nicht mein Bruder?
Julian. Keine Ausflüchte. Warum wurdest Du schuldig?
Die Stimme Warum ward ich ich selbst?
Julian. Und was wolltest Du – als Du selbst?
Die Stimme. Was ich mußte.
Julian. Und warum mußtest Du?
Die Stimme. Ich war ich.
Julian. Du bist wortkarg.
Maximos ohne aufzusehen. In vino veritas.
Julian. Du hast es getroffen, Maximos! Er gießt eine volle Schale aus vor dem leeren Sitz. Bade Dich in Weinduft, mein bleicher Gast! Erquicke Dich! Sieh, sieh, – es steigt empor wie Opferrauch.
Die Stimme. Opferrauch steigt nicht immer.
Julian. Warum rötet sich jener Streifen auf Deiner Stirn? Nein, nein, – streich nicht das Haar darüber. Was ist das?
Die Stimme. Das Zeichen.
Julian. Hm – nichts mehr davon. Und welche Frucht hat Deine Schuld getragen?
Die Stimme. Die herrlichste.
Julian. Was nennst Du die herrlichste?
Die Stimme. Das Leben.
Julian. Und des Lebens Grund?
Die Stimme. Der Tod.
Die Stimme. verliert sich in einem Seufzer. Ja, das ist das Rätsel.
Julian. Fort!
Maximos blickt auf. Fort?
Julian. Ja.
Maximos. Kanntest Du ihn?
Julian. Ja.
Maximos. Wer war es?
Julian. Kain.
Maximos. Den Weg also! Forsche nicht weiter!
Julian mit einer entschiedenen Handbewegung. Den zweiten, Maximos!
Maximos. Nein, nein, nein! – ich tue es nicht!
Julian. Den andern, sage ich! Du hast mir zugeschworen, ich sollte gewissen Dingen auf den Grund kommen. Den zweiten, Maximos! Ich will ihn sehen! Ich will meine Gäste kennen!
Maximos. Du hast es gewollt, nicht ich. Er schwingt den Stab. Herbei und erscheine, Du wollender Sklave, der Du bei der nächsten großen Weltwende geholfen hast!
Julian starrt einen Augenblick in den leeren Raum, plötzlich streckt er die Hand abwehrend aus gegen den Sitz dicht neben sich und sagt leise: Nicht näher!
Maximos abgewendet: Siehst Du ihn?
Julian. Ja.
Maximos. Wie siehst Du ihn?
Julian. Ich sehe ihn als einen rotbärtigen Mann. Er hat zerrissene Kleider und einen Strick um den Hals. – Sprich zu ihm, Maximos!
Maximos. Du mußt sprechen.
Julian. Was warst Du im Leben?
Eine Stimme dicht neben ihm. Des Weltwagens zwölftes Rad.
Julian. Das zwölfte? Schon das fünfte gilt als unnütz.
Die Stimme. Wohin wäre der Wagen gerollt ohne mich?
Julian. Wohin rollte er durch Dich?
Die Stimme. In die Herrlichkeit.
Julian. Warum halfst Du?
Die Stimme. Weil ich wollend war.
Julian. Was wolltest Du?
Die Stimme. Was ich wollen mußte.
Julian. Wer erwählte Dich?
Die Stimme. Der Meister.
Julian. War der Meister vorauswissend, als er Dich erwählte?
Die Stimme. Ja, das ist das Rätsel. Kurze Pause.
Maximos. Du schweigst?
Julian. Er ist nicht mehr da.
Maximos blickt auf. Kanntest Du ihn?
Julian. Ja.
Maximos. Wie hieß er im Leben?
Julian. Judas Ischariot.
Maximos aufspringend. Der Abgrund treibt Blumen; die Nacht verrät sich selbst!
Julian schreit ihm zu. Her mit dem Dritten!
Maximos. Er soll kommen! Schwingt den Stab. Hervor, Du dritter Eckstein! Hervor, Du dritter großer Freigelassener unter der Notwendigkeit! Er wirft sich wiederum auf das Polster nieder und wendet sein Antlitz ab. Was siehst Du?
Julian. Ich sehe nichts.
Maximos. Und doch ist er hier. Er schwingt den Stab wieder. Bei Salomos Siegel, bei dem Auge im Dreieck, – ich beschwöre Dich, – erscheine! – Was siehst Du jetzt?
Julian. Nichts – nichts!
Maximos schwingt abermals den Stab. Hervor, Du –! – – Er hält plötzlich inne, stößt einen Schrei aus und springt auf vom Tisch. Ah! Ein Blitz in der Nacht! Ich sehe es; – alle Kunst ist vergebens.
Julian erhebt sich. Warum? Sprich, sprich!
Maximos. Der Dritte ist noch nicht unter den Schatten.
Maximos. Ja, er lebt!
Julian. Und hier, sagtest Du –?
Maximos. Hier oder dort oder unter den Ungeborenen – ich weiß nicht –
Julian dringt auf ihn ein. Du lügst! Du betrügst mich! Hier, hier, sagtest Du –!
Maximos. Laß meinen Mantel los.
Julian. Also Du oder ich! Aber wer von uns?
Maximos. Laß den Mantel los, Julian!
Julian. Wer von uns? Wer? Daran hängt alles!
Maximos. Du bist wissender als ich! Was verkündete die Stimme im Licht?
Julian. Die Stimme im Licht –? Schreit auf. Das Reich! Das Reich? Begründen soll ich das Reich –!
Maximos. Das dritte Reich!
Julian. Nein, und tausendmal nein! Hebe Dich weg, Verderber! Ich sage mich los von Dir und Deinem ganzen Tun –
Maximos. Von der Notwendigkeit?
Julian. Ich trotze der Notwendigkeit! Ich will ihr nicht dienen! Ich bin frei, frei, frei!
Draußen Lärm; die Tänzerinnen und Flötenspieler flüchten.
Maximos lauscht nach rechts. Was für ein Schrecken und Geschrei –?
Julian. Fremde Leute dringen ins Haus –
Maximos. Man mißhandelt Deine Diener, – sie wollen uns morden!
Julian. Sei ruhig! Uns kann keiner etwas anhaben!
Der Hausmeister Eutherios kommt eilig über den Vorhof. Herr, Herr!
Julian. Wer macht den Lärm da draußen?
Eutherios. Fremde Männer haben das Haus umstellt; sie haben alle Ausgänge mit Wachen besetzt; sie dringen ein – fast mit Gewalt. Da kommen sie, Herr! Da sind sie!
Der Quästor Leontes mit großem, prächtigem Gefolge tritt von rechts ein.
Leontes. Verzeih, ich bitte Dich tausendmal, mein gnädigster Herr –
Julian einen Schritt zurück. Was sehe ich!
Leontes. Deine Diener wollten mir den Eintritt verwehren – und da es mir von höchster Wichtigkeit war –
Julian. Du hier in Ephesos, mein trefflicher Leontes!
Leontes. Ich bin Tag und Nacht gereist als des Kaisers Gesandter.
Julian bleich. Zu mir? Was will der Kaiser von mir? Ich bin mir wahrhaftig keiner Schuld bewußt. Ich bin krank, Leontes! Dieser Mann – er zeigt auf Maximos – ist mein Arzt.
Leontes. Gestatte mir, gnädigster Herr –!
Julian. Warum dringt man so gewaltsam bei mir ein? Was will der Kaiser?
Leontes. Er will Dich erfreuen, Herr, mit einer großen, bedeutenden Botschaft.
Julian. Ich bitte Dich, laß mich die Botschaft wissen, die Du bringst.
Leontes kniet nieder. Mein allerhöchster Herr, – preisend Dein und mein eigen Glück, begrüße ich Dich als Cäsar.
Das Gefolge des Quästors. Lang lebe Cäsar Julian!
Maximos. Cäsar!
Julian weicht zurück, ausrufend: Cäsar! – Steh auf, Leontes! Du redest irre!
Leontes. Ich bringe vom Kaiser Botschaft.
Julian. Ich – ich Cäsar! – Wo ist Gallos?
Leontes. O, frage nicht!
Julian. Wo ist Gallos? Ich beschwöre Dich! Wo ist Gallos?
Leontes steht auf. Cäsar Gallos ist bei seiner geliebten Gemahlin.
Leontes. Selig bei seiner Gemahlin.
Julian. Tot! Tot! Gallos tot! Mitten auf seinem Siegeszug gestorben! Aber wann, – und wo?
Leontes. Teurer Herr, erspare mir –
Gregor von Nazianz ringt mit der Wache am Eingang.
Gregor. Ich muß hinein zu ihm! Laßt mich, sag' ich! – Julian!
Julian. Gregor, Bruder, – so kommst Du doch wieder!
Gregor. Ist es wahr, was das Gerücht wie einen Pfeilregen über die Stadt ausschüttet?
Julian. Ich bin selbst wie vom Pfeil des Gerüchtes getroffen. Darf ich an diese Mischung von Glück und Unglück glauben?
Gregor. Um Christi willen, weise den Versucher von Dir!
Julian. Des Kaisers Boten, Gregor!
Gregor. Du willst auf Deines Bruders blutigen Leichnam treten –
Julian. Blutigen –?
Gregor. Weißt Du es nicht? Cäsar Gallos ist ermordet.
Julian schlägt die Hände zusammen. Ermordet!
Leontes. Wer ist der Verwegene da –?
Julian. Ermordet! Ermordet! – Zu Leontes. – Er lügt doch?
Leontes. Cäsar Gallos ist über seine Taten gestürzt.
Julian. Ermordet! – Wer hat ihn ermordet?
Leontes. Was geschehen ist – war eine Notwendigkeit, hoher Herr! Cäsar Gallos hat wie ein Rasender seine Macht hier in den Morgenlanden mißbraucht. Seine Stellung als Cäsar genügte ihm nicht mehr. Sein Betragen in Konstantinopel und anderswo unterwegs zeigte deutlich, was er im Schilde führte.
Julian. Ich frage nicht nach seiner Schuld, – das andere will ich wissen.
Leontes. Laß mich Dein Bruderohr damit verschonen.
Julian. Mein Bruderohr kann ertragen, was mein Sohnesohr ertragen hat. Wer hat ihn getötet?
Leontes. Der Tribun Skudilo, der ihn begleitete, hielt es für geraten, ihn hinrichten zu lassen.
Julian. Wo? Doch nicht in Rom?
Leontes. Nein, Herr, es geschah auf dem Zuge dorthin, – in der Stadt Pola in Illyrien.
Julian verneigt sich. Der Kaiser ist groß und gerecht –. Der letzte des Geschlechtes, Gregor! – Kaiser Konstantios ist groß.
Leontes nimmt einen Purpurmantel aus der Hand eines seiner Begleiter. Hoher Cäsar, da ich für würdig befunden bin, Dich zu bekleiden –
Julian. Rot! Weg damit! Trug er den in Pola –?
Leontes. Er ist neu von Sidon gekommen.
Julian mit einem Blick auf Maximos. Von Sidon! Das Purpurgewand –!
Maximos. Des Apollinaris Gesicht!
Gregor. Julian! Julian!
Leontes. Sieh, er wird Dir vom Kaiser, Deinem Vetter, geschickt. Er läßt Dir sagen, daß er, der kinderlose Mann, hoffe, Du werdest diese tiefste Wunde seines Lebens heilen. Er wünscht, Dich in Rom zu sehen. Und dann ist es sein Wille, daß Du als Cäsar nach Gallien gehest. Die alemannischen Grenzvölker haben den Rheinstrom überschritten und einen gefährlichen Einfall in das Reich gemacht. Er baut fest auf Dein Glück und Deine Erfolge im Barbarenland! Im Traum hat sich ihm Gewisses offenbart, und sein letztes Wort bei meinem Aufbruch war: es werde Dir sicher glücken, das Reich zu begründen.
Julian. Das Reich zu begründen! Die Stimme im Licht, Maximos!
Maximos. Zeichen gegen Zeichen!
Leontes. Wie, hoher Cäsar?
Julian. Auch mir ist Gewisses verkündet; aber das –
Gregor. Sag' nein, Julian! Es sind die Schwingen des Verderbens, die sich an Deine Schultern heften wollen.
Leontes. Wer bist Du, der Du dem Kaiser trotzest?
Gregor. Mein Name ist Gregor; ich bin der Sohn des Bischofs von Nazianz, – macht mit mir, was Ihr wollt.
Julian. Er ist mein Freund und Bruder, – keiner rühre ihn an! –
Eine große Menschenmenge hat inzwischen den Vorhof gefüllt.
Basilios von Cäsarea bahnt sich einen Weg durch die Menge. Nimm nicht den Purpur, Julian!
Julian. Auch Du, mein treuer Basilios!
Basilios. Nimm ihn nicht! Um Gottes, des Herrn, willen –
Julian. Was erschreckt Dich daran?
Basilios. Die Greuel, die kommen werden.
Julian. Durch mich soll das Reich begründet werden.
Basilios. Christi Reich?
Julian. Des Kaisers großes, schönes Reich!
Basilios. War es des Kaisers Reich, das Dir leuchtend vor der Seele stand, da Du als Kind von den Gräbern der kappadocischen Blutzeugen die Lehre verkündetest? Wolltest Du des Kaisers Reich auf Erden gründen, da Du von Konstantinopel zogst? War es des Kaisers Reich, –
Julian. Schemen! Schemen! – Das alles liegt hinter mir wie ein wirrer Traum.
Basilios. Dir wäre besser, Du lägest selbst, einen Mühlstein um den Hals, auf dem Meeresgrund, als daß dieser Traum sollte hinter Dir liegen. – Merkst Du nicht das Werk des Versuchers? Alle Herrlichkeit der Erde wird Dir zu Füßen gelegt.
Maximos. Zeichen gegen Zeichen, Cäsar!
Julian. Ein Wort, Leontes! – Er ergreift seine Hand und zieht ihn beiseite. Wohin führst Du mich?
Leontes. Nach Rom, Herr!
Julian. Danach frage ich nicht. Wohin führst Du mich: zu Glück und Macht, – oder zur Schlachtbank?
Leontes. Herr, dieses höhnische Mißtrauen –
Julian. Der Leichnam des Gallos ist noch kaum verwest.
Leontes. Ich kann alle Zweifel beseitigen. – Zieht ein Papier hervor. – Dieser kaiserliche Brief, den ich Dir am liebsten unter vier Augen überreicht hätte, –
Julian. Ein Brief? Was schreibt er? – Er öffnet das Papier und liest. – Ah, Helena! – Leontes! Helena – Helena ist mein!
Leontes. Der Kaiser schenkt sie Dir, Herr! Er schenkt Dir diese seine teure Schwester, um die Cäsar Gallos vergebens geworben hat.
Julian. Helena ist mein! Das Unerreichbare, es ist errungen –. Doch sie, Leontes –?
Leontes. Beim Abschied nahm er die Fürstin bei der Hand und führte sie mir zu. Ein Strom jungfräulichen Blutes schoß in ihre holden Wangen; sie schlug die Augen nieder und sagte: Grüßt meinen lieben Vetter und gebt ihm zu verstehen, daß er immer der Mann gewesen ist, der –
Julian. Weiter, Leontes!
Leontes. Nach diesen Worten schwieg sie, das züchtige und reine Weib.
Julian. Das reine Weib! – Wunderbar erfüllt sich alles! Ruft laut: Den Purpurmantel!
Maximos. Du hast gewählt?
Julian. Gewählt, Maximos!
Maximos. Gewählt, trotz Zeichen gegen Zeichen?
Julian. Hier steht nicht Zeichen gegen Zeichen. Maximos, Maximos, Du bist blind gewesen, Du Sehender! – Den Purpurmantel! Leontes legt ihm den Mantel um.
Basilios. Es ist geschehen!
Maximos murmelt vor sich hin mit erhobenen Händen. Sieg und Licht über den Wollenden!
Leontes. Und nun zu des Statthalters Hause! Das Volk will den Cäsar grüßen.
Julian. Cäsar bleibt in seiner Erhöhung, was er war, – der arme Weisheitsfreund, der alles von des Kaisers Gnade empfing. – Zu des Statthalters Haus, Ihr lieben Freunde und Herren!
Stimmen aus dem Gefolge des Quästors. Platz, Platz für Cäsar Julian!
Alle gehen durch den Vorhof unter dem Beifallsruf der Menge ab; nur Gregor und Basilios bleiben zurück.
Basilios. Gregor! Was auch kommen mag, – laß uns zusammenhalten!