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Bei Lutetia in Gallien. Ein Saal im Palast Cäsar Julians, den »warmen Bädern«, draußen vor der Stadt. Eingangstür im Hintergrund; rechts eine andere, kleinere Tür; vorn links ein Fenster mit Vorhang.
Fürstin Helena, reich geschmückt, Perlen im Haar, sitzt in einem Armstuhl und blickt hinaus durchs Fenster. Myrrha, die Sklavin, steht hinter ihr vorgebeugt und hebt den Vorhang.
Helena. Welch Gewimmel! Die ganze Stadt strömt ihnen entgegen. Horch, Myrrha! Hörst Du nicht Flöten und Trommeln?
Myrrha. Ja, ich glaube bestimmt –
Helena. Du lügst! Der Lärm ist zu groß; Du kannst nichts hören. – Springt auf. – O, diese martervolle Ungewißheit! Nicht zu wissen, ob er als Sieger oder als Flüchtling heimkehrt.
Myrrha. Ängstige Dich nicht, Gebieterin! Cäsar ist noch stets als Sieger heimgekehrt.
Helena. Früher – ja. Aus den kleineren Treffen! Aber diesmal, Myrrha! Diese große, verhängnisvolle Schlacht! All diese Gerüchte, die sich kreuzen! Wenn Cäsar als Sieger heimkehrte, warum hat er dann jenen Brief an die Vorsteher der Stadt geschickt und ihnen verboten, ihn mit Ehrenbezeugungen vor den Toren zu empfangen?
Myrrha. O, Du weißt doch, Gebieterin, wie wenig Dein hoher Gemahl von solchen Dingen hält.
Helena. Das ist freilich wahr. Und wenn er eine Niederlage erlitten hätte, – in Rom müßte man es doch wissen, – hätte uns da der Kaiser wohl den Gesandten geschickt, der noch heute eintreffen wird, und dessen Eilbote mir alle diese reichen Schmucksachen und Geschenke überbracht hat? Ah, Eutherios! Nun, nun?
Der Hausmeister Eutherios durch die Mitte. Fürstin, es ist ganz unmöglich, etwas Zuverlässiges zu erfahren –
Helena. Unmöglich? Du betrügst mich! Die Soldaten selbst müssen doch wissen –
Eutherios. Nur barbarische Hilfstruppen rücken ein, – Bataver und andere, – und die wissen nichts.
Helena ringt die Hände. Habe ich diese Qual verdient! Süßer, heiliger Christus, habe ich nicht Tag und Nacht Dich angerufen – Lauscht und schreit auf. Ah, mein Julian! Ich höre ihn! – Julian, Geliebter!
Julian in bestaubter Rüstung, kommt eilig durch die Mitte. Helena!
Eutherios. Erhabener Cäsar!
Julian umarmt die Fürstin mit Leidenschaft. Helena! – Schließ alle Tore, Eutherios!
Helena. Geschlagen! Verfolgt!
Eutherios. Herr!
Julian. Doppelte Wachen vor die Tore! Laß keinen herein! Höre – ist ein Gesandter vorn Kaiser gekommen?
Eutherios. Nein, Herr! Aber es ist einer zu erwarten.
Julian. Geh, geh! Zur Sklavin. Fort mit Dir!
Eutherios und Myrrha ab durch die Mitte.
Helena sinkt in den Armstuhl nieder. So ist es denn aus mit uns!
Julian zieht den Vorhang vor. Wer weiß. Nur wachsam, so kann das Unwetter noch –
Helena. Nach einer solchen Niederlage –?
Julian. Niederlage? Wovon sprichst Du, Liebste?
Helena. Haben die Alemannen Dich nicht geschlagen?
Julian. Hätten sie mich geschlagen, so würdest Du mich nicht lebend wiedergesehen haben.
Helena springt auf. Aber, Herr des Himmels, was ist denn geschehen?
Julian. Das Schlimmste, Helena – ein ungeheurer Sieg.
Helena. Ein Sieg, sagst Du? Ein ungeheurer Sieg? Du hast gesiegt und doch –?
Julian. Du kannst nicht wissen, wie es mit mir steht. Du kennst von all dem Cäsarenelend nur die goldene Außenseite.
Julian. Kannst Du mir verdenken, daß ich es Dir verheimlicht habe? Hat nicht Pflicht und Scham geboten –? Ah, – was ist das? Welche Veränderung –!
Helena. Was? Was?
Julian. Welche Veränderung mit Dir in diesen Monden! Helena, bist Du krank gewesen?
Helena. Nein, nein! Aber sag' mir –?
Julian. Doch, Du bist krank gewesen! Du mußt noch krank sein – diese fieberheißen Schläfen, diese blaubraunen Ringe um die Augen –
Helena. O, nichts Geliebter! Sieh mich nicht an, Julian! Nur Angst und Nachtwachen um Deinetwillen; heiße Gebete zu dem Hochgebenedeiten am Stamm des Kreuzes –
Julian. Schone Dich, Teure! Es ist ja doch ganz ungewiß, ob dieser Eifer viel fruchtet.
Helena. Pfui, Dein Sinn ist nicht fromm! – Aber sprich von Deinen eigenen Sachen, Julian! Ich bitte Dich, verbirg mir nichts!
Julian. Es kann nicht länger verborgen bleiben. Seit dem Tode der Kaiserin habe ich nicht einen Schritt hier in Gallien tun können, der nicht bei Hofe übel gedeutet worden wäre. Ging ich vorsichtig gegen die Alemannen zu Werke, so hieß es, ich wäre furchtsam und untätig. Man spottete über den Weisheitsfreund, der sich nicht recht daran gewöhnen konnte, eine Kriegsrüstung zu tragen. Errang ich einen Vorteil über die Barbaren, so mußte ich hören, daß ich noch mehr hätte erreichen können.
Helena. Aber Deine vielen Freunde im Heer –
Julian. Wen hältst Du für meinen Freund im Heer? Nicht einer ist da, liebste Helena! Doch ja, ein einziger, – jener perusische Ritter Sallust, dem ich auf unserm Hochzeitsfest in Mailand ein billiges Verlangen abschlagen mußte. Er ist edelmütig zu mir ins Lager gekommen, hat mich an unsere alte Freundschaft in Athen erinnert und mich gebeten, mir in alle Gefahren folgen zu dürfen. Aber was gilt wohl Sallust am Kaiserhof? Ist er doch einer von denen, die man dort Heiden nennt! Er kann mir nichts nützen! – Und nun die andern! Der Kriegsoberst Arbetio, der mich im Stich ließ, als ich im Gebiete der Senonen eingeschlossen lag! Der alte Severus, der unter dem Gefühl der eigenen Untüchtigkeit leidet und doch mit meiner neuen Kriegsführung sich nicht befreunden kann. Oder glaubst Du, ich kann auf Florentius rechnen, – den Prätorianerhäuptling? Ich sage Dir, dieser unruhige Mann trachtet nach den höchsten Dingen!
Helena. Julian!
Julian geht auf und nieder. Könnte ich nur ihren Ränken auf die Spur kommen! Jede Woche gehen aus dem Lager heimliche Briefe nach Rom. Alles, was ich vorhabe, wird berichtet und entstellt. Kein Sklave im Reich ist so gebunden wie der Cäsar. Weißt Du, Helena: der Speisezettel, nach dem mein Koch sich zu richten hat, ist ihm vom Kaiser gesandt, und ich darf nichts daran ändern, weder durch Zusätze noch durch Abstriche.
Helena. Und das alles hast Du in Dich verschlossen –
Julian. Alle wissen es, – außer Dir. Alle spotten über Cäsars Ohnmacht. Ich ertrage es nicht länger! Ich will es nicht länger ertragen!
Helena. Aber die große Schlacht –? Erzähl' mir doch, – hat das Gerücht übertrieben –?
Julian. Das Gerücht hat nicht übertreiben können. Horch! Was war das? – Lauscht nach der Tür hin. Nein, nein; ich glaubte nur –. – Ich darf sagen, daß ich in diesen Monden das Menschenmögliche geleistet habe. Schritt für Schritt, trotz aller Widerstände im eigenen Lager, trieb ich die Barbaren nach der östlichen Grenze zurück. Vor Argentoratum, den Rhein im Rücken, zog König Knodomar alle seine Streitkräfte zusammen. Fünf Könige und zehn kleinere Fürsten stießen zu ihm. Aber ehe er noch die zum Übergang nötigen Boote für den äußersten Fall beisammen hatte, ließ ich mein Heer zum Angriff vorrücken.
Helena. Mein Held, mein Julian!
Julian. Lupicin umging mit den Speerwerfern und Leichtbewaffneten den Feind im Norden; die alten Legionen unter Severus trieben die Barbaren mehr und mehr östlich auf den Strom zu; die Bataver, unsere Bundesgenossen, unter dem treuen Bainabaudes, standen den Legionen ehrlich bei, und da Knodomar sah, daß Gefahr im Verzüge sei, suchte er nach Süden zu entkommen, um die Inseln zu erreichen. Aber noch ehe dies geschehen konnte, ließ ich Florentius mit den Prätorianern und Reitern ihm entgegenrücken. Helena, ich möchte es nicht laut sagen, aber sicher ist, daß Verräterei oder Neid mich beinahe um die Frucht des Sieges gebracht hätte. Die römischen Reiter wichen einmal ums andere zurück vor den Barbaren, die sich auf die Erde warfen und die Rosse in den Bug stachen. Ich sah unsere Niederlage vor Augen –
Helena. Aber der Gott der Schlachten war mit Dir!
Julian. Ich ergriff eine Fahne, feuerte die kaiserlichen Haustruppen durch meinen Zuruf an, hielt in aller Eile eine Rede an sie, eine Rede, die vielleicht auch vor einem gebildeteren Zuhörerkreise bestanden hätte, und kaum hatte der Beifallsruf der Soldaten mir gelohnt, stürzte ich mich auch schon hinein in das dichteste Kampfgetümmel.
Helena. Julian! O, Du liebst mich nicht!
Julian. In dem Augenblick dachte ich nicht an Dich. Ich wollte sterben; einen andern Ausweg sah ich nicht. Aber es glückte, Geliebte! Es war, als ob unsere Lanzenspitzen Blitze des Schreckens sprühten. Ich sah Knodomar, den furchtbaren Krieger, – Du hast ihn ja selbst gesehen, – ich sah ihn zu Fuß vom Schlachtfeld fliehen, und mit ihm flohen sein Bruder Vestralp und die Könige Hortar und Suomar und alle, die unsern Schwertern nicht unterlagen.
Helena. Ich sehe es; ich sehe es! Gebenedeiter Heiland! Du warst es, der abermals seine Würgengel von der mulvischen Brücke ausgesandt hat!
Julian. Niemals habe ich solches Jammergeschrei vernommen; niemals so klaffende Wunden geschaut wie die, in die wir traten, da wir über die Gefallenen wateten. Der Strom tat das übrige; die Ertrinkenden rangen miteinander, bis sie ermatteten und untersanken. Die Mehrzahl der Fürsten fiel uns lebend in die Hände; Knodomar selbst hatte Zuflucht in einem Röhricht gesucht; von seinem Gefolge verriet ihn einer; unsere Leute sandten einen Pfeilregen in sein Versteck, doch ohne ihn zu treffen. Da kam er freiwillig heraus und ergab sich.
Helena. Und nach einem solchen Sieg solltest Du Dich nicht sicher fühlen?
Julian zaudernd. Nach dem Sieg, an demselben Abend noch, trat ein zufälliger Umstand ein, etwas Unbedeutendes –
Helena. Ein zufälliger Umstand?
Julian. Ich möchte es am liebsten so nennen. In Athen zerbrachen wir uns so viel den Kopf über die Nemesis. – Mein Sieg war so herrlich groß, Helena; meine Stellung war wie aus dem Gleichgewicht geraten; ich weiß nicht –
Helena. So sprich doch –; Du ängstigst mich!
Julian. Es war etwas Unbedeutendes, sage ich Dir. Ich ließ den gefangenen Knodomar mir vorführen im Angesicht des Heeres. Vor der Schlacht hatte er damit gedroht, ich sollte lebendig geschunden werden, wenn ich ihm in die Hände fiele. Jetzt ging er mir mit unsicherm Schritt entgegen, zitternd am ganzen Leibe; gebrochen vom Unglück, warf er sich nach Barbarenart vor mir nieder, umklammerte meine Knie, vergoß Tränen und bat um sein Leben.
Helena. Mit des Entsetzens Schauder in den kraftvollen Gliedern. Ich sehe den Knodomar liegen. – Hast Du ihn getötet, Geliebter?
Julian. Ich konnte ihn nicht töten, diesen Mann. Ich sagte ihm Sicherheit zu und versprach, ihn als Gefangenen nach Rom zu senden.
Helena. Ohne ihm ein Haar zu krümmen?
Julian. Die Klugheit gebot mir, milde zu handeln. Aber da, – ich fasse es nicht, wie es zuging, – im Übermaß des Glückes, mit einem Freudengeheul sprang der Barbar auf, streckte seine gefesselten Hände empor und in seiner unzulänglichen Kenntnis unserer Sprache rief er mit lauter Stimme: »Gepriesen seist Du, Julian, Du mächtiger Kaiser!«
Helena. Ah!
Julian. Mein Gefolge wollte darüber lachen; aber der Ruf des Barbarenkönigs schlug wie ein zündender Blitz in die Soldatenhaufen. »Es lebe Kaiser Julian!« riefen die Umstehenden, und der Ruf pflanzte sich fort, in weiteren und immer weiteren Ringen bis in die fernste Ferne; es war, als ob ein Titan einen Berg ins Weltmeer hinaus geschleudert hätte; – Liebste, verzeih mir dieses heidnische Gleichnis, aber –
Helena. Kaiser Julian! Er sagte: Kaiser Julian!
Julian. Was wußte der rauhe Alemanne von Konstantios, den er nie gesehen hat? Ich, sein Überwinder, war ihm der größte –
Helena. Freilich – aber die Soldaten –?
Julian. Ich wies sie streng zurecht, denn ich sah sehr wohl, – Florentius, Severus und gewisse andere Leute standen lautlos umher, bleich vor Schrecken und Zorn.
Helena. Ja, ja, – sie, aber nicht die Soldaten.
Julian. Kaum war eine Nacht vergangen, da hatten meine heimlichen Feinde den Sachverhalt auch schon entstellt. Der Cäsar hat durch Knodomar sich zum Kaiser ausrufen lassen, hieß es, und zum Dank dafür hat er dem Barbarenkönig das Leben geschenkt. In dieser Verdrehung wurde die Geschichte denn auch nach Rom gemeldet.
Helena. Weißt Du das sicher? Und von wem?
Julian. Ja, von wem? Von wem? Ich selbst habe flugs an den Kaiser geschrieben und ihm genau den Hergang erzählt, aber –
Helena. Nun, – und was hat er geantwortet?
Julian. Wie gewöhnlich. Du kennst dieses unglückverheißende Schweigen, wenn er einen vernichten will.
Helena. Ich glaube doch, Du legst das alles falsch aus. Es ist nicht anders möglich. Du sollst sehen: der Gesandte wird Dir bald Gewißheit bringen, daß –
Julian. Ich habe Gewißheit, Helena! Hier auf meiner Brust verwahre ich aufgefangene Briefe, die –
Helena. Herr, mein Gott, laß mich sehen!
Julian. Später, später! – Er geht auf und nieder. – Und das alles, nachdem ich ihm solche Dienste geleistet habe. Während ich hier die Angriffe der Alemannen für lange Zeit abgeschlagen habe, hat er selbst Niederlage auf Niederlage an der Donau erlitten, ist das Heer in Asien offenbar kaum einen Schritt gegen die Perser vorgerückt. Schmach und Unheil allerorten, nur hier nicht, wo man einen widerwilligen Weisheitsfreund an die Spitze der Unternehmung gestellt hat. Und trotzdem werde ich bei Hofe verhöhnt! Ja, selbst nach dem letzten großen Siege hat man ein Spottgedicht auf mich gemacht und mich Viktorinus genannt. Das muß ein Ende haben!
Helena. Ja, das denke ich auch.
Julian. Was ist die Cäsarenwürde unter solchen Verhältnissen!
Helena. Du hast recht, Julian. Es kann nicht so bleiben.
Julian bleibt stehen. Helena, könntest Du mir folgen?
Helena leise. Sei um mich unbesorgt. Ich werde nicht den Mut verlieren.
Julian. Dann fort von diesem undankbaren, mühevollen Amt! Fort in die lang ersehnte Einsamkeit –!
Helena. Was sagst Du? In die Einsamkeit?
Julian. Mit Dir, Geliebte! Und mit meinen lieben Büchern, die ich hier so selten habe aufschlagen können, denen ich nur meine schlaflosen Nächte habe weihen dürfen.
Helena sieht ihn von oben bis unten an. Ah, so!
Julian. Was sonst?
Helena. Nun ja, – was sonst?
Julian. Allerdings: ich frage, was sonst?
Helena näher. Julian, – wie grüßte der Barbarenkönig Dich?
Julian zurückweichend. Helena!
Helena wieder näher. Was war das für ein Name, der in den Reihen der Soldaten widerhallte?
Julian. Verwegene! Hier steht vielleicht vor jeder Tür ein Horcher!
Helena. Was fürchtest Du Dich vor Horchern? Ist nicht Gottes Gnade über Dir? Bist Du nicht in allen Treffen glücklich gewesen? – Ich sehe, ermahnend, den Erlöser; ich sehe den Engel mit dem Flammenschwert, der vor meinem Vater herschritt, als er den Maxentius in den Tiber warf!
Julian. Ich sollte mich auflehnen gegen den Beherrscher des Reiches?!
Helena. Nur gegen die, die zwischen Euch stehen! Auf, auf! Triff sie mit dem Blitze Deines Zornes; mach' diesem aufreibenden, freudlosen Leben ein Ende! Gallien ist eine Einöde! Ich friere hier, Julian! Ich will wieder heim, zur warmen Sonne – nach Rom und Griechenland!
Julian. Und heim zu Deinem Bruder?
Helena leise. Konstantios ist hinfällig.
Julian. Helena!
Helena. Ich halte es nicht länger aus, sage ich Dir. Die Zeit vergeht. Eusebia ist nicht mehr – ihr leerer Sitz steht da, Ehre und Herrlichkeit verheißend, indessen ich altere –
Julian. Du alterst nicht! Du bist jung und schön!
Helena. Nein, nein, nein! Die Zeit vergeht! Meine Geduld hat ein Ende, – das Leben entflieht mir!
Julian sieht sie an. Wie verführerisch schön, wie götterhaft Du bist!
Helena schmiegt sich an ihn. Bin ich das, Julian?
Julian umarmt sie. Du bist das einzige Weib, das ich geliebt habe, – das einzige, das mich geliebt hat.
Helena. Ich bin älter als Du! Ich will nicht noch mehr altern. Wenn alles vorüber ist, dann –
Julian reißt sich los. Still! Ich will nichts mehr hören!
Helena geht ihm nach. Konstantios kommt mit jedem Tag dem Tode näher – er steht schon mit einem Fuß im Grabe. Mein teurer Julian, Du hast doch die Soldaten auf Deiner Seite –
Julian. Schweig, schweig!
Helena. Er verträgt keine Gemütserschütterungen. Was also haben wir zu fürchten? Ich denke ja an nichts Blutiges. Pfui, wie kannst Du das nur glauben? Der Schreck wird genügen; er wird ihn umfangen und seine Leiden liebevoll enden.
Julian. Denk an des Gesalbten unsichtbare Leibwache!
Helena. Christus ist gut. O, sei fromm, Julian, dann verzeiht er viel. Ich werde helfen. Gebete sollen für Dich aufsteigen. Gelobt seien die Heiligen! Gelobt seien die Blutzeugen! Glaub' mir, wir werden später alles sühnen. Gib mir die Alemannen zur Bekehrung; ich will Priester unter sie senden; sie sollen sich beugen vor der Gnade des Kreuzes.
Julian. Die Alemannen beugen sich nicht davor.
Helena. So sollen sie sterben! Wie süßer Opferrauch soll ihr Blut zum Gebenedeiten emporsteigen. Wir wollen seine Herrlichkeit mehren; sein Ruhm soll durch uns verkündet werden. Ich will selbst mit dabei sein. Mir die Alemannenweiber! Beugen sie sich nicht, so werden sie geopfert! Und dann, mein Julian, – wenn Du mich wiedersiehst – verjüngt, verjüngt! Gib mir die Alemannenweiber, Geliebter! Blut –, es ist doch kein Mord, und das Mittel soll unfehlbar sein –, ein Bad in Jungfernblut –
Julian. Helena, Du frevelst!
Helena. Ist es ein Verbrechen, zu freveln um Deinetwillen?
Julian. Du Schöne, Du Einzige!
Helena beugt sich über seine Hände. Mein Herr vor Gott und den Menschen! – Bleib diesmal standhaft, Julian! Mein Held, mein Kaiser! Ich sehe den Himmel offen. Die Priester sollen Christus lobsingen – meine Frauen sollen sich zum Gebete sammeln. – Mit erhobenen Armen. – Gebenedeiter! Herr der Heerscharen! Der Du Gnade und Sieg in Deiner Hand hältst –
Julian mit einem Blick auf die Tür ruft: Helena!
Helena. Ah!
Eutherios durch die Mitte. Herr, der Gesandte des Kaisers –
Julian. Ist er gekommen?
Eutherios. Ja, Herr!
Julian. Sein Name? Wer ist es?
Eutherios. Der Tribun Decentius.
Helena. Wirklich? Der fromme Decentius?
Julian. Mit wem hat er gesprochen?
Eutherios. Mit niemand, Herr; er ist diesen Augenblick gekommen.
Julian. Ich will ihn gleich sprechen. Und – noch eins, die Heerführer und Kriegsobersten sollen sich bei mir einfinden.
Eutherios. Gut, gnädigster Herr! Er geht durch die Mitte ab.
Julian. Jetzt, Helena, jetzt wird es sich zeigen –
Helena leise. Was sich auch zeigen mag, vergiß nicht daß Du auf die Soldaten bauen kannst.
Julian. Ach, bauen, bauen, – ich weiß nicht, ob ich überhaupt auf einen Menschen bauen kann.
Der Tribun Decentius kommt durch die Mitte.
Helena ihm entgegen. Willkommen, edler Decentius! Ein römisches Gesicht, – und gerade dieses Gesicht, – es breitet lebendigen Sonnenschein über unser rauhes Gallien.
Decentius. Der Kaiser kommt Deiner Sehnsucht und Deiner Hoffnung auf halbem Weg entgegen, hohe Fürstin! Wir haben Grund zu glauben, daß Dein Aufenthalt in Gallien die längste Zeit gedauert hat.
Helena. In der Tat, Du Freudenbote? Der Kaiser also gedenkt meiner immer in Liebe? Wie steht es mit seiner Gesundheit?
Julian. Geh, geh, teure Helena!
Decentius. Des Kaisers Gesundheit hat sich keineswegs verschlimmert.
Helena. Nein, nicht wahr? Ich habe es mir gedacht. Diese beängstigenden Gerüchte –. Der Himmel sei gepriesen, daß es nur Gerüchte waren! Danke Gott von Herzen, frommer Decentius! Und sei selbst bedankt. Die reichen Gaben, mit denen Du Deine Ankunft gemeldet hast! Kaiserliche Gaben – nein, nein, wahrhaft brüderliche Gaben! Zwei glänzend schwarze Nubier, – die solltest Du sehen, Julian! – und Perlen! Ich trage sie schon. Und Früchte, – süße schwellende Früchte! Ah! Pfirsiche aus Damaskus, Pfirsiche in goldenen Schalen! Die sollen mir schmecken! – Früchte, Früchte – ich verschmachte hier in Gallien.
Julian. Ein Freudenmahl soll den Tag enden. Aber zuerst die Geschäfte. Geh, teures Weib!
Helena. Ich gehe zur Kirche, – beten für meinen Bruder und alle Hoffnungen. Sie geht rechts ab.
Julian nach einer kleinen Pause. Botschaft oder Briefschaften?
Decentius. Briefschaften. Er reicht ihm eine Papierrolle.
Julian liest, unterdrückt ein Lächeln und streckt die Hand aus. Weiter! –
Decentius. Erhabener Cäsar, das ist so gut wie alles.
Julian. Wirklich? Hat der Kaiser seinen Freund den weiten Weg geschickt, nur um –? Er bricht in ein kurzes Lachen aus, dann geht er auf und ab. War der Alemannenkönig Knodomar schon in Rom vor Deinem Aufbruch?
Julian. Und wie hilft er sich in der Fremde, unkundig der Landessprache, wie er ist? Ja, er ist ihrer höchst unkundig, Decentius! Er war geradezu das Gelächter meiner Soldaten. Denke Dir, er verwechselte so geläufige Worte wie Kaiser und Cäsar.
Decentius zuckt mit den Achseln. Ein Barbar. Was ist da zu sagen.
Julian. Ja, was ist da zu sagen. Aber der Kaiser ist ihm doch gnädig?
Decentius. Knodomar ist tot, Herr!
Julian bleibt stehen. Knodomar ist tot?
Decentius. Im Fremdenlager starb er auf dem Cölischen Hügel.
Julian. Tot? So? – Ja, die römische Luft ist ungesund.
Decentius. Der Alemannenkönig starb an Heimweh, Herr! Die Sehnsucht nach den Seinen und der Freiheit –
Julian. – sie zehrt, Decentius; ja, ja, ich kenne das. – Ich hätte ihn nicht lebend nach Rom schicken – ich hätte ihn hier töten lassen sollen.
Decentius. Des Cäsar Sinn ist milde.
Julian. Hm –! Heimweh? Ja so!
Zum Stallmeister Sintula, der durch die Mitte kommt.
Julian. Bist Du's, alter Faun? Versuch' mich nicht mehr. Zu Decentius. Seit der Schlacht bei Argentoratum spricht er zu mir nur von dem Siegeswagen und dem weißen Vorspann. Zu Sintula. Es würde Phaëtons Fahrt mit den lybischen Sonnenrossen werden. Wie endete sie? Hast Du es vergessen – hast Du Dein Heidentum vergessen, hätte ich fast gesagt. – Verzeihung, Decentius, wenn ich Dein frommes Ohr verletze.
Decentius. Cäsar kitzelt seines Dieners Ohr, – aber er verletzt es nicht.
Julian. Ja, ja; hab' Nachsicht mit Cäsar, wenn er scherzt. Ich weiß es wirklich nicht anders zu nehmen als so. – Da sind sie!
Heerführer Severus, Prätorianerhäuptling Florentius mit mehreren Kriegsobersten und Höflingen des Cäsar kommen durch die Mitte.
Julian geht ihnen entgegen. Guten Morgen, Ihr Waffenbrüder und Freunde! Seid nicht allzu ungehalten, daß ich Euch vom Schmutz und Mühsal der Landstraße sogleich hierher berufen habe; ich hätte Euch gewißlich einige Stunden Rast gönnen sollen, aber –
Florentius. Hat etwas Besonderes sich ereignet, Herr?
Julian. In der Tat. Könnt Ihr mir sagen, – was zu des Cäsar Glück noch fehlte?
Florentius. Was sollte wohl zu des Cäsar Glück fehlen?
Julian. Eigentlich nichts. Zu Decentius. Das Heer hat verlangt, ich sollte als Sieger den Einzug in die Stadt halten. An der Spitze der Legionen sollte ich durch Lutetias Tore einrücken. Gefangene Barbarenfürsten, mit gebundenen Händen, sollten neben den Wagenrädern schreiten; Weiber und Sklaven von zwanzig überwundenen Völkerschaften sollten folgen, in dichtem Haufen, Kopf an Kopf –. Bricht plötzlich ab. – Freut Euch, meine tapferen Waffengefährten; hier seht Ihr den Tribunen Decentius, des Kaisers vertrauten Freund und Ratgeber. Er ist heut morgen mit Gaben und Grüßen von Rom gekommen.
Florentius. Ah, so fehlt gewiß nichts zu Cäsars Glück.
Severus leise zu Florentius. Unbegreiflich! Also wieder in der Gunst des Kaisers.
Florentius leise. Dieser wankelmütige Kaiser!
Julian. Verwunderung, scheint es, hat Euch allen den Mund geschlossen. – Man findet, der Kaiser hätte zu viel getan, guter Decentius!
Florentius. Wie kann nur Cäsar auf solche Gedanken kommen?
Severus. Zu viel, hoher Cäsar? Keineswegs. Sollte der Kaiser nicht seine Gnade in den richtigen Grenzen zu halten wissen?
Florentius. Gewißlich ist dies eine große und seltene Auszeichnung –
Severus. Ich möchte sie über die Maßen groß und selten nennen.
Florentius. Und namentlich gibt sie ein glänzendes Zeugnis dafür, daß der Sinn unseres erhabenen Kaisers frei ist von allem Neide –
Severus. Ein Zeugnis ohnegleichen – das darf man wohl sagen.
Florentius. Aber was hat nicht auch Cäsar in diesen wenigen Jahren in Gallien ausgerichtet!
Julian. Ein jahrelanger Wahn, teure Freunde! Ich habe gar nichts ausgerichtet, – nichts, nichts!
Florentius. Und das rechnet Deine Bescheidenheit für nichts? Was war das Heer, als Du es übernahmst? Ein wirrer Haufe –
Severus. – ohne inneres Band, ohne Gehorsam, ohne Leitung.
Julian. Übertreibung, Severus!
Florentius. Und zogst Du nicht mit diesem zügellosen Haufen gegen die Alemannen? Schlugst Du sie nicht mit diesen Banden, die Du durch das Glück der Siege zu einem Heer von Siegern umgewandelt hast? Hast Du nicht Colonia Agrippina zurückerobert –?
Julian. Ei, ei, Du siehst mit dem Auge der Freundschaft, Florentius! – Oder ist es wirklich wahr? Ist dem wirklich so, daß ich die Barbaren von den Rheininseln verjagte? Daß ich das verwüstete Tres Tabernae in Verteidigungszustand setzte zu Schutz und Frommen des Reichs? Ist dem wirklich so?
Florentius. Wie, Herr? Kannst Du an so großen Dingen zweifeln?
Julian. Nein, in der Tat, ich glaube –. Und die Schlacht bei Argentoratum? War ich nicht mit dabei? Mir ist doch, als hätte ich Knodomar besiegt. Und nach dem Siege –; Florentius, habe ich geträumt, oder baute ich nicht Trajans Kastell wieder auf, da wir in die Germanischen Gaue einrückten?
Florentius. Hoher Cäsar, welcher Wahnwitzige wollte Dir diese Ehre streitig machen?
Severus zu Decentius. Ich preise das Geschick, das mir auf meine alten Tage vergönnte, einem so glücklichen Feldherrn zu folgen.
Florentius ebenfalls zum Tribunen. Was für eine Wendung der Überfall der Alemannen ohne Cäsars Tapferkeit und Klugheit hätte nehmen können – das wage ich kaum auszudenken.
Mehrere Hofleute drängen sich vor. Ja, Herr, – groß ist Cäsar!
Andere klatschen in die Hände. Ohnegleichen ist Cäsar!
Julian blickt eine Weile abwechselnd auf Decentius und auf die anderen; dann bricht er in ein lautes, kurzes Lachen aus. So blind ist Freundschaft, Decentius! So blind, so blind! Er wendet sich zu den übrigen und schlägt auf die Papierrolle, die er in der Hand hält. Hier stehen ganz andre Dinge! Merkt auf und schlürft es ein wie einen erquickenden Tau der Erkenntnis! Es ist des Kaisers Botschaft an alle Statthalter rings im Reiche, – unser herrlicher Decentius hat eine Abschrift mitgebracht. Hier steht's: ich habe nichts in Gallien ausgerichtet. Es war ein Wahn, wie ich eben schon sagte. Hier haben wir des Kaisers eigne Worte: unter des Kaisers glücklicher Leitung wurde die Gefahr abgewendet, die dem Reiche drohte.
Florentius. Alle Unternehmungen des Reiches gedeihen unter des Kaisers glücklicher Leitung.
Julian. Mehr, noch mehr! Hier wird berichtet, daß es der Kaiser war, der am Rhein gekämpft und gesiegt hat; der Kaiser hieß den demütig bittenden Alemannenkönig, der sich vor ihm auf die Knie geworfen, vom Boden aufstehen. Meinen Namen vermag ich nirgends in diesem Schriftstück zu finden, – auch den Deinen nicht, Florentius, auch Deinen nicht, Severus! Und hier, in der Schilderung der Schlacht bei Argentoratum – wo war's doch gleich? – Jawohl, hier – hier steht es: der Kaiser war's, der die Schlachtordnung entwarf, der Kaiser war's in eigner Person, der mit Gefahr des Lebens sein Schwert stumpf hieb, in den vordersten Reihen kämpfend, – der Kaiser war's, der durch den Schrecken seiner Gegenwart die Barbaren Hals über Kopf in die Flucht jagte –. Lest, lest, sage ich.
Severus. Hoher Cäsar, Dein Wort genügt.
Julian. Wo wollt Ihr also hinaus mit Eurer verführerischen Sprache, Ihr Freunde? Wollt Ihr, aus übertriebener Liebe zu mir, einen Schmarotzer aus mir machen und ihn mit dem Überfluß mästen, den Ihr von meines Vetters Tische gerafft habt? Was dünkt Dich, Decentius? Was sagst Du dazu? Du siehst, ich muß im eignen Lager auf meine Anhänger ein Auge haben, die zuweilen, in ihrer Blindheit, auf bestem Wege sind, sich über die Grenzen des Aufruhrs hinaus zu verirren.
Florentius schnell zum Tribunen. In der Tat, meine Worte sind höchlich mißverstanden worden, falls –
Severus ebenso zum Tribunen. Es würde mir nie der Gedanke kommen, in dieser Weise –
Julian. So ist es recht, Ihr Kampfgenossen! Laßt uns alle den Hochmut hinunterschlucken. Ich fragte vorhin, was zu Cäsars Glück fehle. Jetzt wißt Ihr's. Es war die Erkenntnis der Wahrheit, die zu Cäsars Glück fehlte. Dein Silberhelm wird nicht vom Staube des Triumphzuges bedeckt werden, tapferer Florentius! Der Kaiser hat bereits für uns den Triumphzug in Rom gehalten. Darum findet er, daß hier alle Feierlichkeiten überflüssig sind. Geh, Sintula, und laß die geplanten Aufzüge absagen. Der Kaiser wünscht, daß seinen Soldaten heilsame Ruhe gegönnt wird. Es ist sein Wille, daß sie im Lager vor den Mauern verbleiben. Der Stallmeister Sintula geht ab durch die Mitte. War ich nicht einmal ein Weisheitsfreund? Es hieß doch so – in Athen wie in Ephesos. So schwach ist der menschliche Geist im Glück. Beinahe wäre ich der Weisheit untreu geworden. Der Kaiser hat mich daran erinnert. Dank' ihm untertänigst, Decentius! Hast Du noch mehr zu melden?
Decentius. Noch eins. Nach allem, was der Kaiser vernommen hat, und dem Briefe zufolge, den Du von Argentoratum ihm geschrieben hast, ist das große Friedenswerk hier in Gallien glücklich vollendet.
Julian. Allerdings. Der Kaiser hat teils durch seine Tapferkeit, teils durch seine großmütige Milde –
Decentius. Des Reiches Grenze ist gegen den Rhein hin gesichert.
Julian. Durch den Kaiser, durch den Kaiser.
Decentius. In den Landschaften an der Donau stehen dagegen die Dinge schlecht, und noch schlechter in Asien. König Sapores rückt immer weiter vor.
Julian. Der Verwegene! Das Gerücht sagt, daß es dem Kaiser auch im Sommer nicht gefallen hat, ihn durch seine Heerführer vernichten zu lassen.
Decentius. Der Kaiser denkt ihn selbst im Frühjahr zu vernichten. Zieht eine Papierrolle hervor. Hier ist sein Wille, hoher Cäsar!
Julian. Laß sehen, laß sehen! Liest. Ah! Er liest noch einmal lange, mit starker innerer Erregung, dann blickt er auf und sagt: Es ist also des Kaisers Wille, daß –? Gut, gut, edler Decentius! Des Kaisers Wille soll erfüllt werden.
Decentius. Er muß noch heut erfüllt werden.
Julian. Noch heute, versteht sich. Komm her, Sintula. Nun, wo ist er? Ach so! Holt Sintula zurück!
Ein Höfling ab durch die Mitte; Julian geht an das Fenster und liest die Papiere wiederholt durch.
Florentius leise zum Tribunen. Ich bitte flehentlichst, mißversteht nicht meine Worte von vorhin. Wenn ich dem Cäsar die Ehre gab, so war damit natürlich nicht gemeint, daß –
Severus leise. Nie würde es mir einfallen zu glauben, daß es nicht des Kaisers weise Oberleitung ist, die –
Ein Höfling auf der anderen Seite des Tribunen. Ich bitte Dich, edler Herr, – leg' ein Wort für mich ein bei Hofe und erlöse mich von diesem peinlichen Posten bei einem Cäsar, der – ja, er ist des Kaisers hoher Vetter, aber –
Ein anderer Höfling. Leider könnte ich Dir Dinge erzählen, die eben so sehr von grenzenloser Eitelkeit zeugen, wie von verwegenen Hoffnungen –
Julian. Noch heut! Ein Wort, Decentius! Es wäre mein höchster Wunsch, wenn ich diese verantwortungsvolle Würde niederlegen könnte.
Decentius. Es soll dem Kaiser gemeldet werden.
Julian. Ich rufe den Himmel zum Zeugen dafür an, daß ich nie –. Ah, da ist Sintula – so können wir also – zum Tribunen. Du gehst?
Decentius. Ich habe mit den Heerführern zu verhandeln, hoher Cäsar!
Julian. Ohne meine Vermittlung?
Decentius. Der Kaiser hat mir geboten, seinen teuern Vetter zu schonen.
Er geht ab durch die Mitte, begleitet von den übrigen, Sintula ausgenommen, der an der Tür stehen bleibt.
Julian sieht ihn eine Weile an. Sintula!
Sintula. Ja, hoher Herr!
Julian. Komm näher! Ja, meiner Treu –. Du siehst ehrlich aus. Verzeih, ich habe nie gedacht, daß Du mir so ergeben sein könntest.
Sintula. Woher weißt Du, Herr, daß ich Dir ergeben bin?
Julian zeigt auf die Papierrolle. Hier kann ich es zwischen den Zeilen lesen. Da steht, daß Du mich verlassen sollst.
Sintula. Ich, Herr?
Julian. Der Kaiser löst das Gallierheer auf, Sintula!
Sintula. Löst das Heer auf –?
Julian. Ja, was ist das anderes als eine Auflösung? Der Kaiser braucht Verstärkung an der Donau und auch gegen die Perser. Unsere batavischen und herulischen Hilfstruppen sollen in aller Eile aufbrechen, um noch zum Frühjahr in Asien stehen zu können.
Sintula. Aber das ist ja unmöglich, Herr! Hast Du nicht feierlich eben diesen unsern Bundesgenossen geschworen, daß sie in keiner Art jenseits der Alpen verwendet werden dürfen?!
Julian. Gerade deshalb, Sintula! Der Kaiser schreibt, daß ich jene Zusage in der Übereilung und ohne seine Zustimmung gegeben habe. Das habe ich nun freilich nicht gewußt, – aber es steht so da. Ich soll gezwungen werden, mein Wort zu brechen, mich in den Augen des Heeres zu entehren, den zügellosen Groll der Barbaren, vielleicht ihre todbringenden Waffen gegen mich zu kehren.
Sintula. Das wird fehlschlagen, Herr! Die römischen Legionen werden Dir ihre Brust zum Schilde bieten.
Julian. Die römischen Legionen? Hm, – argloser Freund! Von jeder römischen Legion sollen je dreihundert Mann gleichfalls auf dem kürzesten Wege zum Kaiser abgehen.
Sintula. Ah, das ist –!
Julian. Das ist wohl berechnet, – nicht wahr? Alle Truppenteile sollen gegen mich aufgereizt werden, damit man mich um so gefahrloser entwaffnen kann.
Sintula. Und ich sage Dir, Herr, daß nicht ein einziger von Deinen Heerführern sich dazu hergibt.
Julian. Meine Heerführer werden auch nicht in Versuchung kommen. Du bist der Mann.
Sintula. Ich, mein Cäsar?
Julian. Hier steht's geschrieben. Der Kaiser überträgt Dir alles nötige zu ordnen und dann die ausgewählten Truppenteile nach Rom zu führen.
Sintula. Und das überträgt man mir? Wo Männer wie Florentius und der alte, Severus –
Julian. Du hast keine gewonnenen Schlachten auf Deinem Sündenregister, Sintula!
Sintula. Nein, das ist sicher wahr! Niemals hat man mir Gelegenheit geboten, zu zeigen –
Julian. Ich bin ungerecht gegen Dich gewesen. Dank für Deine Treue!
Sintula. Eine so große kaiserliche Gnade! Herr, darf ich sehen –
Julian. Was. willst Du sehen? Du willst Dich doch nicht dazu hergeben.
Sintula. Gott verhüte, daß ich dem Kaiser den Gehorsam verweigern sollte!
Julian Sintula, – Du könntest Deinen Cäsar entwaffnen?
Sintula. Der Cäsar hat stets wenig von mir gehalten. Der Cäsar hat mir nie verzeihen können, daß er einen Stallmeister um sich dulden mußte, den der Kaiser gewählt hatte.
Julian Der Kaiser ist groß und weise; er versteht es, sich seine Leute zu wählen.
Sintula. Herr, ich brenne darauf, meine Pflicht zu tun – darf ich um des Kaisers Befehl bitten?
Julian. reicht ihm eins von den Papieren. Hier ist des Kaisers Befehl. Geh und tu Deine Pflicht.
Die Sklavin Myrrha kommt eilig von rechts. Barmherziger Erlöser!
Julian. Myrrha! Was ist geschehen?
Myrrha. Gnädiger Himmel, meine Herrin –
Julian. Deine Herrin – was ist mit ihr?
Myrrha. Krankheit oder Wahnsinn, – zu Hilfe, zu Hilfe!
Julian. Helena krank! Den Arzt! Oribases soll kommen, Sintula! Hol' ihn!
Sintula ab durch die Mitte. Julian will rechts hinauseilen, begegnet aber in der Tür der Fürstin Helena, die umringt ist von Sklavinnen; ihr Antlitz ist wild und verstört; Haar und Kleider sind in Unordnung.
Helena. Löst mir den Kamm! Löst mir den Kamm, sage ich! Er ist glühend! Feuer im Haar – ich brenne – ich brenne!
Julian. Helena! Um Gottes Gnade willen –!
Helena. Will keiner helfen? Sie morden mich mit Nadelstichen!
Julian. Liebe Helena! Was ist Dir geschehen?
Helena. Myrrha, Myrrha! Befrei' mich von den Mädchen, Myrrha!
Der Arzt des Oribases kommt durch die Mitte. Welche Schreckenskunde erzählt man sich –? Ist es wahr? Ah!
Julian. Helena! O Du meine Liebe, – Licht meines Lebens –!
Helena. Weg von mir! O, süßer Jesus, hilf! Sie sinkt halb um inmitten der Sklavinnen.
Julian. Sie ist von Sinnen. Was kann es nur sein, Oribases! Sieh, – sieh die Augen, wie groß –!
Oribases zu Myrrha. Was hat die Fürstin zu sich genommen? Was hat sie gegessen oder getrunken?
Julian. Ah, Du glaubst –?
Oribases. Antwortet, Ihr Weiber! Was habt Ihr der Fürstin gegeben?
Myrrha. Wir? Nichts, glaub' mir, sie hat selbst –
Oribases. Nun, nun?!
Myrrha. Einige Früchte – es waren, glaub' ich, Pfirsiche – ich weiß nicht –
Julian. Früchte! Pfirsiche? Von denen, die –?
Myrrha. Ja – nein – ja; ich weiß nicht, Herr, es waren zwei Nubier –
Julian. Hilf, hilf, Oribases!
Oribases. Ich fürchte – leider –
Julian. Nein, nein, nein!
Oribases. Still, gnädiger Herr! Sie kommt zu sich.
Helena flüsternd. Warum ging die Sonne unter? O heiliges, geheimnisvolles Dunkel!
Julian. Helena! Höre – sammle Deine Gedanken!
Oribases. Hohe Gebieterin –
Julian. Es ist der Arzt, Helena! Nimmt ihre Hand. Nein hier, wo ich stehe.
Helena reißt sich los. Pfui, da war er wieder!
Julian. Sie sieht mich nicht. Hier, hier, Helena!
Helena. Der Abscheuliche – immer ist er um mich.
Julian. Was meint sie?
Oribases. Tritt beiseite, gnädiger Herr, –!
Helena. Süße Stille! Er ahnt nicht – o mein Gallos!
Julian. Gallos?
Oribases. Geh, hoher Cäsar; es taugt nicht –
Helena. Wie Dein dichtes, lockiges Haar sich trotzig um den Nacken ringelt! O, dieser kurze, fleischige Nacken –
Julian. Abgrund aller Abgründe –!
Oribases. Der Wahnsinn nimmt zu –
Julian. Ich merke, ich merke. Wir müssen forschen, Oribases!
Helena lächelt leise. Jetzt will er wieder forschen – Tinte an den Fingern – Bücherstaub im Haar – ungewaschen –. Pfui; pfui; wie er stinkt!
Myrrha. Herr, soll ich nicht –?
Julian. Weg mit Dir, Weib!
Helena. Wie konntest Du Dich von ihm bezwingen lassen, Du brauner, kraftstrotzender Barbar? Er kann ja nicht ein Weib bezwingen. Wie sie mich anekelt, diese Tugend aus Ohnmacht!
Julian. Weg mit Euch allen! Nicht so nahe, Oribases! Ich selbst will die Fürstin überwachen.
Helena. Zürnst Du mir, Herrlicher? Gallos ist ja tot. Geköpft. Was für ein Streich muß das gewesen sein! Nicht eifersüchtig, Du mein Erster und Letzter! Gallos brenne im Höllenfeuer – Du warst es doch nur, Du allein, der –
Julian. Nicht näher, Oribases!
Helena. Töte den Priester auch! Ich will ihn fürder nicht mehr sehen. Du kennst ja unser süßes Geheimnis. Du Sehnsucht meiner Tage, Entzücken meiner Nächte! Du selbst warst es ja, – in Deines Dieners Gestalt – in der Betkammer – ja, ja, Du warst da – Du warst es – im Dunkel, in der Luft, in des Weihrauchs Schleierwolken – jene Nacht, da der werdende Cäsar unter meinem Herzen –
Julian prallt mit einem Schrei zurück. Ah!
Helena mit ausgebreiteten Armen. Mein Herr und Geliebter! Mein, mein –! Sie fällt zu Boden; Sklavinnen eilen hinzu und umringen sie.
Julian steht einen Augenblick unbeweglich; dann ballt er die Hand, streckt sie empor und ruft: Galiläer! Die Sklavinnen tragen die Prinzessin rechts hinaus; in demselben Augenblick kommt der Ritter Sallust schnell durch die Tür des Hintergrundes.
Sallust. Die Fürstin in Ohnmacht! So ist es doch wahr!
Julian ergreift den Arzt beim Arm und führt ihn beiseite. Sag' die Wahrheit! Hast Du bis zum heutigen Tage nicht gewußt – nun, Du verstehst mich doch – hast Du bis zum heutigen Tage nichts gewußt von dem – Zustande der Fürstin!
Oribases. Ich so gut wie alle andern, Herr!
Julian. Und Du hast mir nichts gesagt, Oribases!
Oribases. Wie, mein Cäsar?
Julian. Wie konntest Du wagen, so etwas zu verschweigen!
Oribases. Herr, eines nur haben wir alle nicht gewußt –
Julian. Und das war?
Oribases. Daß der Cäsar nichts wußte. Er will gehen.
Julian. Wohin?
Oribases. Die Mittel versuchen, die meine Kunst –
Julian. Ich glaube, Deine Kunst wird vergeblich sein.
Oribases. Herr, es wäre doch nicht undenkbar, daß –
Julian. Vergeblich, sage ich!
Oribases tritt einen Schritt zurück. Hoher Cäsar, es ist meine Pflicht, Dir hierin nicht zu gehorchen.
Julian. Wie deutest Du meine Worte? Geh, geh! Sieh zu, – was Deine Kunst –; rette des Kaisers Schwester; der Kaiser würde untröstlich sein, wenn seine zärtliche Fürsorge ein Unglück nach sich zöge. Du weißt doch, daß jene Früchte ein Geschenk des Kaisers waren?
Oribases. Ah!
Julian. Geh, geh, Mann! und sieh zu, was Deine Kunst –
Oribases verbeugt sich ehrerbietig. Ich glaube, meine Kunst ist vergeblich, Herr! Er geht rechts ab.
Julian. Ah, Du, Sallust! Was bedünkt Dich? Des Schicksals Wogen wälzen sich wieder drohend über unser Geschlecht hin.
Sallust. Noch ist Rettung. Oribases will –
Julian kurz und abwehrend. Die Fürstin stirbt!
Sallust. Wenn ich sprechen dürfte! Wenn ich den heimlichen Fäden in diesem höllischen Gespinst nachspüren dürfte!
Julian. Sei getrost, Freund! Eines Tages liegen alle Fäden offen, und dann –
Der Tribun Decentius erscheint im Hintergrunde. Wie soll ich vor Cäsars Antlitz treten! Wie unerforschlich sind doch Gottes Wege! Zerschmettert bin ich –. Könntest Du in meinem Innern lesen! Ich, der Trauer und des Unglücks Bote –!
Julian. Ja, das mußt Du zweimal sagen, edler Decentius! Und wie soll ich Worte finden, sanft und schonend genug, um das da in erträglicher Darstellung vor das brüderliche Ohr des Kaisers zu bringen!
Decentius. Ein Unheil, daß so etwas mit meiner Sendung zusammentreffen mußte! Und gerade jetzt! Dieser Blitz aus dem wolkenlosen Himmel der Hoffnungen!
Julian. Ja, dieser Meeressturm des Geschickes, der losbricht und das Schiff verschlingt, – und gerade in dem Augenblicke, da es in den lang ersehnten Hafen einlaufen will. O dieser, dieser –! Der Schmerz macht uns beredt, Decentius, – Dich wie mich. Aber zuvor die Geschäfte. Die beiden Nubier sollen verhaftet und verhört werden.
Decentius. Die Nubier, Herr? Glaubst Du, mein ergrimmter Eifer konnte dulden, daß diese beiden pflichtvergessenen Diener einen Augenblick länger –?
Julian. Wie? Du hast doch wohl nicht –?
Decentius. Nenne mich übereilt, hoher Cäsar, – aber meine Liebe zum Kaiser und zu seinem schmerzbetroffenen Hause müßte in der Tat weniger groß sein, wenn sie in solchem Augenblick hätte ruhiger Überlegung Raum geben können.
Julian. Du hast die beiden Sklaven töten lassen?
Decentius. Hatten sie den Tod nicht siebenfach verdient, die Unachtsamen? Es waren ja Wilde, Herr, und Heiden! Ihr Zeugnis hätte zu nichts gedient; es war mir nicht möglich, etwas anderes aus ihnen herauszubringen als die Aussage, daß sie jene wichtigen Dinge ziemlich lange hatten im Vorsaal ohne Bewachung stehen lassen, allen und jedem zugänglich –
Julian. Aha! Ja so, Decentius!
Decentius. Ich klage keinen an. Aber, teurer Cäsar, ich warne Dich, – Du bist umgeben von ungetreuen Dienern. Dein Hof – welch unseliges Mißverständnis! – man hat geglaubt, eine Art von Ungnade, oder wie ich es sonst nennen soll, hinter den Verhaltungsmaßregeln zu erblicken, die der Kaiser notgedrungen hier anordnen mußte. Kurz und gut –
Stallmeister Sintula kommt durch die Mitte. Herr, Du hast mir ein Amt gegeben, dem ich in keiner Weise gewachsen bin.
Julian. Der Kaiser hat Dir das Amt gegeben, guter Sintula!
Sintula. Nimm es mir ab, Herr, – ich bin ihm wahrhaftig nicht gewachsen.
Decentius. Was ist geschehen?
Sintula. Das Lager ist in wildem Aufruhr. Die Legionstruppen und die Bundesgenossen rotten sich zusammen –
Decentius. Auflehnung gegen den Willen des Kaisers!
Sintula. Die Soldaten rufen, sie hielten sich an Cäsars Versprechungen.
Julian. Hört, hört, – dieses Gebrüll draußen –!
Sintula. Die Rotte stürmt hierher –
Decentius. Laßt keinen ein.
Sallust am Fenster. Es ist zu spät! Der ganze Platz ist erfüllt von drohenden Soldaten.
Decentius. Des Cäsar teures Leben in Gefahr! Wo ist Florentius?
Sintula. Geflohen.
Decentius. Der großmäulige Lump! Und Severus –?
Sintula. Severus meldet sich krank; er hat sich auf sein Landgut fahren lassen.
Julian. Ich selbst will mit den Rasenden reden.
Decentius. Nicht von der Stelle, hoher Cäsar!
Julian. Was soll das heißen?
Decentius. Es ist meine Pflicht, gnädigster Herr! Des Kaisers Gebot, – seines teuren Vetters Leben, – Cäsar ist mein Gefangener!
Sallust. Ah!
Julian. Also doch!
Decentius. Die Haustruppen, Sintula! Du hast Cäsar nach Rom zu geleiten und haftest für sein Leben.
Julian. Nach Rom!
Sintula. Was sagst Du, Herr!?
Decentius. Nach Rom, sage ich!
Julian. Wie Gallos! Er ruft durch das Fenster. Zu Hilfe, zu Hilfe!
Sallust. Flieh, mein Cäsar! Flieh, flieh!
Wilder Lärm erschallt draußen. Römische Legionssoldaten, batavische Hilfstruppen und andere Bundesgenossen steigen durch das Fenster ein; zugleich dringt ein anderer Haufen durch die Mitte ein. Unter den ersten der Fahnenträger Mauros; Frauen, zum Teil mit Kindern auf den Armen, folgen den Eindringenden.
Ruf der Soldaten. Cäsar! Cäsar!
Andere Stimmen. Cäsar, warum hast Du uns verraten?
Andere. Nieder mit dem treulosen Cäsar!
Julian wirft sich mit ausgebreiteten Armen mitten unter die Soldaten und ruft: Mitkämpfer, Kriegsgenossen! – rettet mich vor meinen Feinden!
Decentius. Was ist das –!
Wilde Rufe. Nieder mit dem Cäsar! Schlagt den Cäsar nieder!
Julian. Schließt einen Kreis um mich – zieht Eure Schwerter!
Mauros. Sie sind schon gezogen.
Frauen. Schlagt zu! Schlagt zu!
Julian. Dank, daß Ihr gekommen seid! Mauros! Braver Mauros! Ja, – auf Dich kann ich mich verlassen.
Batavische Soldaten. Wie darfst Du uns nach den Grenzen der Erde verschicken? Hast Du uns das geschworen?
Andere Bundesgenossen. Nicht über die Alpen! Dazu sind wir nicht verpflichtet!
Julian. Nicht nach Rom! Ich gehe nicht, – sie wollen mich morden, wie sie meinen Bruder Gallos gemordet haben!
Mauros. Was sagst Du, Herr?
Decentius. Glaub' ihm nicht!
Julian. Rührt nicht den edlen Decentius an, – er ist ohne Schuld.
Unterbefehlshaber Laipso. Es ist wahr! Cäsar ist der Schuldige!
Julian. Ah, Du bist es, Laipso! Kühner Freund, Du bist es? Du schlugst Dich gut bei Argentoratum.
Laipso. Dessen erinnert sich Cäsar?
Unterbefehlshaber Varro. Seiner Versprechungen erinnert er sich nicht!
Julian. War das nicht die Stimme. des unerschrocknen Varro, die ich da vernahm? Da ist er ja! Deine Wunde ist geheilt, wie ich sehe. Du hochverdienter Krieger, – daß es mir nicht vergönnt sein soll, Dich zum Hauptmann zu machen!
Varro. Hast Du das wirklich gewollt?
Julian. Trag's dem Kaiser nicht nach, daß er meine Bitte abschlug. Der Kaiser kennt keinen von Euch, so, wie ich Euch kenne.
Decentius. Soldaten, hört mich –!
Viele Stimmen. Wir haben mit dem Kaiser nichts zu schaffen!
Andere drängen drohend vor. Cäsar soll uns Rede stehen!
Julian. Welche Macht hat denn Euer unglücklicher Cäsar, Ihr Freunde? Man will mich nach Rom schaffen. Man nimmt mir sogar die Regelung meiner eigenen Angelegenheiten. Man legt Beschlag auf meinen Anteil an der Kriegsbeute. Fünf Goldstücke und ein Pfund Silber dachte ich jedem Soldaten zu schenken, aber –
Die Soldaten. Was sagt er?
Julian. Es ist nicht der Kaiser, der es untersagt – es sind böse, mißgünstige Ratgeber! Der Kaiser ist gut, Ihr lieben Freunde! Aber der Kaiser ist krank, er kann nichts ausrichten –
Viele Soldaten. Fünf Goldstücke und ein Pfund Silber!
Andere Soldaten. Und das wird uns verweigert!
Andere. Wer darf dem Cäsar etwas verweigern!
Mauros. So behandelt man den Cäsar, den Vater der Soldaten!
Laipso. Diesen Cäsar, der uns mehr Freund als Herr gewesen ist! Oder war er das etwa nicht?
Viele Stimmen. Ja! Ja! Das war er!
Varro. Darf nicht Cäsar, der Sieger, zum Hauptmann machen, wen er will?
Mauros. Darf er nicht frei über die Beute verfügen, die ihm zugefallen ist?
Laute Rufe. Ja! Ja! Ja!
Julian. Ach, was würde das Euch nützen? Was wollt Ihr mit irdischen Gütern anfangen, Ihr, die Ihr nach den fernsten Ländern geschickt werden sollt, um einem ungewissen Schicksal entgegen zu gehen –
Soldaten. Wir gehen nicht!
Julian. Seht mich nicht an – ich schäme mich – denn mir kommen die bitteren Tränen, wenn ich daran denke, daß Ihr in wenigen Monden der Krankheit, dem Hunger und den Waffen eines blutdürstigen Feindes preisgegeben sein sollt.
Viele Soldaten scharen sich um ihn. Cäsar! Guter Cäsar!
Julian. Und dann Eure wehrlosen Frauen und Kinder, die Ihr zurücklassen müßt in den einsamen Heimstätten! Wer soll die Bejammernswerten beschirmen, diese künftigen Witwen und Waisen, die bald den Überfällen rachegieriger Alemannen ausgesetzt sein werden?
Die Frauen weinend. Cäsar, Cäsar, nimm Dich unser an!
Julian ebenfalls in Tränen. Was ist Cäsar? Was vermag der gestürzte Cäsar?
Laipso. Schreib an den Kaiser und sag' ihm –
Julian. Ach, was ist der Kaiser? Der Kaiser ist krank an Geist und Körper; er ist gebrochen von Sorgen um das Wohl des Reiches. Nicht wahr, Decentius?
Decentius. Gewiß, – jedoch –
Julian. Wie schnitt es mir ins Herz, als ich erfuhr –. Er drückt den Umstehenden die Hände. Betet für seine Seele, Ihr, die Ihr den lieben Herrn Christus verehrt! Bringt Opfer für seine Genesung, Ihr, die Ihr den Göttern Eurer Väter treu geblieben seid! – Wißt Ihr wohl, daß der Kaiser seinen Triumphzug in Rom gehalten hat?
Mauros. Der Kaiser?
Varro. Wie? Er kam doch besiegt von der Donau?!
Julian. Kam besiegt von der Donau und hat für unsre Siege Triumphzug gehalten –
Decentius drohend. Hoher Cäsar, bedenke –!
Julian. Es ist so, wie der Tribun sagt: – bedenkt, wie umwölkt des Kaisers Gemüt sein muß, wenn so etwas geschehen kann! Mein schwergeprüfter Vetter! Da er in Rom durch Konstantins gewaltigen Bogen ritt, dünkte er sich so groß, daß er den Rücken krümmte und sein Haupt bis auf den Sattelknauf beugte.
Mauros. Wie ein Hahn unter einem Torweg!
Gelächter unter den Soldaten.
Einzelne Stimmen. Ist das ein Kaiser!
Varro. Und dem sollen wir gehorchen!
Laipso. Weg mit ihm!
Mauros. Cäsar, nimm Du das Steuer –
Decentius. Aufruhr –!
Viele Stimmen. Übernimm die Herrschaft, übernimm die Herrschaft, Cäsar!
Julian. Wahnwitzige! Heißt das wie Römer gesprochen? Wollt Ihr den alemannischen Barbaren gleichen? Was rief Knodomar bei Argentoratum? Antworte mir, guter Mauros – was rief er?
Mauros. Er rief: Es lebe Kaiser Julian!
Julian. Ach, schweig, schweig, – was sagst Du doch da?
Mauros. Es lebe Kaiser Julian!
Die hinten Stehenden. Was geht da vor?
Varro. Sie rufen Cäsar Julian zum Kaiser aus!
Laute Rufe. Es lebe der Kaiser! Es lebe Kaiser Julian!
Der Ruf pflanzt sich draußen weiter und weiter fort; alle sprechen durcheinander; Julian kann lange nicht zu Worte kommen.
Julian. Ich beschwöre Euch –! Soldaten, Freunde, Kampfgefährten, – seht, ich strecke zitternd meine Arme aus –! Hab' keine Furcht, mein Decentius! – O, daß ich dies erleben mußte! Ich mache Euch keinen Vorwurf, Ihr Getreuen! Es ist die Verzweiflung, die Euch so weit treibt! Ihr wollt es! Gut! – ich unterwerfe mich dem Willen des Heeres. – Sintula, laß meinen Kriegsrat sich versammeln. Du, Tribun, kannst vor Konstantios bezeugen, daß ich nur notgedrungen –. Wendet sich zu Varro. Geh, Hauptmann, und verkünd' im Lager diesen unerwarteten Wandel der Dinge. Ich selbst will ohne Verzug nach Rom schreiben –
Sallust. Herr, die Soldaten wollen Dich sehen.
Mauros. Einen goldenen Reif um Dein Haupt, Kaiser!
Julian. Solch einen Schmuck habe ich nie besessen.
Mauros. Das tut's auch! Er nimmt seine Halskette ab und schlingt sie mehrmals um Julians Stirn.
Rufe draußen. Den Kaiser! Den Kaiser! Wir wollen den Kaiser sehen!
Soldaten. Auf den Schild mit ihm! Hinauf, hinauf! Die Umstehenden heben Julian auf einem Schild hoch empor und zeigen ihn der Menge unter langanhaltenden Beifallsrufen.
Julian. Des Heeres Wille geschehe! Ich beuge mich dem Unabwendbaren und erneuere alle Zusagen –
Legionssoldaten. Fünf Goldstücke und ein Pfund Silber!
Bataver. Nicht über die Alpen!
Julian. Wir wollen uns in Vienna festsetzen. Es ist die stärkste Stadt in Gallien, und dazu ist sie reich an allerhand Vorrat. Es ist meine Absicht, dort abzuwarten, ob mein niedergebeugter Vetter billigt, was wir hier zu des Reiches Frommen festgesetzt haben.
Sallust. Er tut es nicht, Herr!
Julian mit erhobenen Händen. Göttliche Weisheit, erleuchte seine verdüsterte Seele und leite ihn zum Heile! Sei mit mir, Glück, das mir bis heute noch immer treu gewesen ist!
Myrrha und die Frauen wehklagend draußen rechts. Tot, tot, tot!