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Alle Gegenstände des menschlichen Denkens und Forschens zerfallen von Natur in zwei Klassen, nämlich in Beziehungen der Vorstellungen und in Thatsachen. Zur ersten Klasse gehören die Wissenschaften der Geometrie, Algebra und Arithmetik; mit einem Wort: jeder Satz von anschaulicher oder beweiskräftiger Gewissheit. Dass das Quadrat der Hypothenuse gleich ist den Quadraten der beiden Seiten, ist ein Satz, welcher die Beziehung zwischen diesen Figuren ausdrückt. Dass dreimal fünf gleich ist der Hälfte von Dreissig drückt eine Beziehung zwischen diesen Zahlen aus. Sätze dieser Klasse können durch die reine Thätigkeit des Denkens entdeckt werden, ohne von irgend einem Dasein in der Welt abhängig zu sein. Wenn es auch niemals einen Kreis oder Dreieck in der Natur gegeben hätte, so würden doch die von Euklid dargelegten Wahrheiten für immer ihre Gewissheit und Beweiskraft behalten.
Thatsachen, der zweite Gegenstand der menschlichen Erkenntnis, werden nicht in derselben Weise festgestellt, und unsere Überzeugung von ihrer Wahrheit, so gross sie auch sei, ist doch nicht von derselben Art, wie bei der ersten. Das Gegenteil einer Thatsache bleibt immer möglich; denn es ist niemals ein Widerspruch; es kann von der Seele mit derselben Leichtigkeit und Bestimmtheit vorgestellt werden, als wenn es genau mit der Wirklichkeit übereinstimmte. Dass die Sonne morgen nicht aufgehen werde, ist ein ebenso verständlicher und widerspruchsfreier Satz als die Behauptung: dass sie aufgehen werde. Man würde vergeblich den Beweis ihrer Unwahrheit versuchen. Könnte man sie beweislich widerlegen, so müsste sie einen Widerspruch enthalten und könnte gar nicht deutlich von der Seele vorgestellt werden.
Es ist deshalb von wissenschaftlichem Interesse, die Natur der Gewissheit zu untersuchen, welche uns von der wirklichen Existenz und von Thatsachen überzeugt, so weit sie über das vorhandene Zeugnis unserer Sinne oder die Angaben unseres Gedächtnisses hinausgeht. Dieser Teil der Philosophie ist, wie man findet, sowohl bei den Alten wie bei den Neueren nur wenig gepflegt worden; man wird deshalb unsere Zweifel und Irrtümer bei der Verfolgung einer so wichtigen Untersuchung um so mehr entschuldigen, als der Weg auf sehr schwierige Pfade führt, wo Richtung und Führer fehlen. Diese Zweifel können selbst nützlich werden, weil sie die Wissbegierde wecken und jenen unbedingten Glauben und jene Sicherheit zerstören, welche das Gift alles Forschens und aller freien Untersuchung ist. Wenn in der herkömmlichen Philosophie Mängel bestehen und entdeckt werden, so darf, nach meiner Meinung, dies nicht entmutigen, sondern muss vielmehr antreiben, etwas Vollständigeres und Genügenderes zu erreichen, als man bis jetzt dem Publikum geboten hat.
Alles Schliessen in bezug auf Thatsachen scheint sich auf die Beziehung von Ursache und Wirkung zu gründen. Nur durch diese Beziehung allein können wir über das Zeugnis unseres Gedächtnisses und unserer Sinne hinauskommen. Wenn man einen Menschen fragt, weshalb er eine Thatsache, die nicht gegenwärtig ist, glaubt, z. B. dass sein Freund auf dem Lande oder in Frankreich ist, so wird er einen Grund angeben, und dieser Grund wird irgend eine andere Thatsache enthalten, etwa einen Brief, den er von ihm empfangen hat, oder die Kenntnis seiner früheren Entschlüsse und Zusagen. Wenn man auf einer wüsten Insel eine Uhr oder eine andere Maschine findet, so wird man schliessen, dass einmal Menschen dort gewesen sind. Alle unsere Folgerungen in bezug auf Thatsachen sind von derselben Beschaffenheit; es wird hier beständig vorausgesetzt, dass zwischen der gegenwärtigen Thatsache und der auf sie gestützten eine Verknüpfung besteht. Bände sie nichts zusammen, so wäre der Schluss ganz willkürlich. Hört man in der Dunkelheit eine artikulierte Stimme und ein vernünftiges Gespräch, so vergewissert uns dies von der Gegenwart einer Person. Weshalb? weil jene die Wirkungen menschlicher Beschaffenheit und eng mit dieser verknüpft sind. Untersucht man alle anderen Schlüsse dieser Art, so wird man finden, dass sie sich auf die Beziehung von Ursache und Wirkung stützen, und dass diese Beziehung bald nahe, bald entfernt, bald hinter einander, bald gleichzeitig statt hat. Hitze und Licht sind gleichzeitige Wirkungen des Feuers, und man kann von dem einen richtig auf das andere schliessen.
Will man daher in bezug auf die Natur der Gewissheit über Thatsachen etwas Befriedigendes erreichen, so muss man untersuchen, wie man zur Kenntnis von Ursache und Wirkung gelangt.
Ich wage es als einen allgemeinen und ausnahmslosen Satz hinzustellen, dass die Kenntnis dieser Beziehung in keinem Falle durch ein Denken a priori erreicht wird, sondern dass sie lediglich aus der Erfahrung stammt, durch die sich ergiebt, dass einzelne Gegenstände beständig mit einander verbunden sind. Man gebe einem Manne von noch so gutem Verstande und Fähigkeiten einen Gegenstand, der ihm ganz neu ist, und er wird selbst bei der genauesten Untersuchung seiner sinnlichen Eigenschaften nicht im stande sein, eine seiner Ursachen oder Wirkungen zu entdecken. Adam, von dem man annimmt, dass seine Verstandeskräfte anfänglich ganz vollkommen waren, konnte doch aus der Durchsichtigkeit und Flüssigkeit des Wassers nicht schliessen, dass es ihn ersticken würde; ebenso wenig aus dem Licht und der Wärme des Feuers, dass es ihn verzehren würde. Kein Gegenstand entdeckt durch die Eigenschaften, welche den Sinnen sich bieten, die Ursachen, welche ihn hervorgebracht haben, und die Wirkungen, welche aus ihm entstehen werden, und unsere Vernunft kann ohne Hülfe der Erfahrung keinen Schluss auf das wirkliche Dasein und auf Thatsachen machen.
Dieser Satz, dass die Ursachen und Wirkungen nicht durch die Vernunft, sondern nur durch Erfahrung erkennbar sind, wird leicht für solche Gegenstände zugestanden werden, die, wie wir uns erinnern, uns einmal ganz unbekannt waren; denn man ist sich bewusst, dass man da gänzlich unfähig war, irgend vorher zu sagen, was aus ihnen entstehen werde. Man gebe einem Menschen, der keine Kenntnis von der Physik hat, zwei geglättete Marmorplatten, und er wird nimmer entdecken, dass sie in der Weise miteinander zusammenhängen können, dass ihre Trennung in gerader Linie grosse Kraft erfordert, während sie der seitlichen Verschiebung nur geringen Widerstand entgegenstellen. Von solchen Vorgängen, welche mit dem gewöhnlichen Laufe der Natur wenig Ähnlichkeit haben, räumt man auch bereitwillig ein, dass man sie nur durch Erfahrung kennen lernen kann, und niemand bildet sich ein, dass die Gewalt des entzündeten Pulvers oder die Anziehung eines Magneten jemals durch Gründe a priori hätte entdeckt werden können.
Ebensowenig bestreitet man bei Wirkungen, welche von einer verwickelten Maschinerie oder von einer geheimen Zusammenstellung der Teile abhängen, dass man die Kenntnis derselben nur der Erfahrung verdankt. Wer will behaupten, dass er den letzten Grund angeben könne, weshalb Milch und Brot ein passendes Nahrungsmittel für den Menschen, aber nicht für den Bären oder Tiger sei?
Diese Wahrheit hat aber anscheinend nicht die gleiche Augenscheinlichkeit bei Vorgängen, mit denen wir seit unserem Eintreten in die Welt vertraut geworden sind, welche mit dem ganzen Lauf der Natur grosse Ähnlichkeit haben, und die vermeintlich nur von einfachen Eigenschaften der Dinge abhängen und nicht von einem verborgenen Zusammenhange der Teile. Hier meint man, durch die blosse Thätigkeit des Verstandes, ohne Hilfe der Erfahrung, die Wirkungen entdecken zu können. Man meint, dass, wäre man plötzlich in die Welt gestellt worden, man sofort hätte schliessen können, dass eine Billardkugel durch Stoss einer anderen ihre Bewegung mitteile, und dass man nicht nötig gehabt, auf den Erfolg zu warten, um dies mit Sicherheit aussprechen zu können. So stark ist die Macht der Gewohnheit; gerade da, wo sie am grössten ist, verdeckt sie nicht bloss unsere natürliche Unwissenheit, sondern verbirgt auch sich selbst; sie scheint nicht vorhanden zu sein, gerade weil sie im höchsten Masse besteht.
Aber die folgenden Betrachtungen werden vielleicht genügend zeigen, dass alle Naturgesetze und alle Wirkungen der Körper ohne Ausnahme lediglich durch die Erfahrung erkannt werden. Wenn ein Gegenstand uns gebracht wird, und wir sollen die von ihm ausgehende Wirkung angeben, ohne frühere Beobachtungen zu Rate zu ziehen, so frage ich, wie soll der Verstand hierbei verfahren? Er muss sich eine Folge ausdenken oder erfinden, welche er der Sache als Wirkung zuschreibt, es ist aber klar, dass ein solches Verfahren nur ganz willkürlich sein kann. Der Verstand vermag unmöglich die Wirkung in der angenommenen Ursache zu finden, selbst bei der genauesten Untersuchung und Prüfung. Denn die Wirkung ist von der Ursache ganz verschieden und kann deshalb niemals in dieser aufgefunden werden. Die Bewegung der zweiten Billardkugel ist ein ganz anderer Vorgang, als die Bewegung der ersten, und es ist nichts in der einen, was den leisesten Wink für die andere gäbe. Ein in die Höhe gehobener Stein oder Metallklumpen fällt sofort, wenn man die Stütze wegnimmt; kann man aber, betrachtet man die Sache a priori, irgend etwas dabei entdecken, was die Vorstellung von einer Bewegung nach unten eher erzeugen könnte, als die nach oben oder nach der Seite?
Und wie bei allen Naturvorgängen die Vorstellung oder Erfindung einer bestimmten Wirkung ohne vorherige Rückfrage bei der Erfahrung willkürlich bleibt, so muss man dies auch von dem angenommenen Band oder der Verknüpfung zwischen Ursache und Wirkung, welche sie aneinander bindet und es unmöglich macht, dass eine andere Wirkung aus der Wirksamkeit dieser Ursache hervorgehen kann, halten. Wenn ich z. B. eine Billardkugel sich gerade gegen eine andere bewegen sehe, so mag mir vielleicht der Gedanke kommen, dass die Bewegung der zweiten das Ergebnis der Berührung oder des Stosses sei; aber kann ich nicht ebenso gut hundert andere Wirkungen aus dieser Ursache voraussetzen? Könnten beide Kugeln nicht in völliger Ruhe bleiben? Kann die erste Kugel sich nicht gerade zurück bewegen oder in irgend einer Richtung seitlich von der zweiten abspringen? Alle diese Annahmen sind möglich und denkbar. Weshalb soll man da der einen den Vorzug vor der anderen geben, die ebenso möglich und denkbar ist wie jene? Alle unsere Gründe a priori können uns nie einen Anhalt für einen solchen Vorzug bieten.
Kurz, jede Wirkung ist von ihrer Ursache verschieden; sie kann deshalb in dieser nicht gefunden werden, und jede Erfindung oder Vorstellung derselben a priori muss völlig willkürlich bleiben. Und selbst wenn die Wirkung genannt ist, bleibt ihre Verbindung mit der Ursache gleich willkürlich, weil es eine Menge anderer Wirkungen giebt, welche dem Verstande ebenso möglich und denkbar erscheinen. Es ist deshalb vergeblich, wenn man meint, ohne Hilfe der Beobachtung und Erfahrung irgend eine Wirkung bestimmen und eine Ursache oder eine Folge ableiten zu können.
Daher kommt es, dass kein vorsichtiger und bescheidener Philosoph es je unternommen hat, die letzte Ursache von irgend einem Naturvorgang anzugeben oder die Wirksamkeit derjenigen Kraft bestimmt darzulegen, welche in der Welt eine Wirkung herbeiführt. Alles, was anerkanntermassen die Vernunft vermag, ist, die Grundursachen der Naturerscheinungen auf eine grössere Einfachheit zurückzuführen und die vielen besonderen Wirkungen aus wenigen allgemeinen Ursachen abzuleiten, und zwar mit Hilfe der Analogie, Erfahrung und Beobachtung. Aber die Ursachen dieser allgemeinen Ursachen entdecken zu wollen, ist vergeblich, und keine Erklärung derselben wird hier zufriedenstellen. Die letzten Kräfte und Prinzipien sind der menschlichen Wissbegierde und Forschung gänzlich verschlossen. Elastizität, Schwere, Zusammenhang der Teile, Mitteilung der Bewegung durch Stoss sind vielleicht die letzten Ursachen und Prinzipien, die man in der Natur entdecken kann, und man muss sich glücklich schätzen, wenn durch sorgfältige Untersuchung und Überlegung die besonderen Erscheinungen sich bis auf diese allgemeinen Prinzipien oder bis nahe zu ihnen zurückführen lassen. Die vollkommenste Naturwissenschaft schiebt nur unsere Unwissenheit ein wenig weiter zurück, und ebenso dient vielleicht die vollkommenste Philosophie nur dazu, grössere Stücke von unserer Unwissenheit bloss zu legen. So ist die Erkenntnis menschlicher Schwäche und Blindheit das Ergebnis aller Philosophie; bei jeder Wendung treffen wir auf sie, trotz aller Versuche, sie zu beseitigen oder zu umgehen.
Selbst wenn die Naturwissenschaft die Geometrie zu Hilfe nimmt, kann diese, trotz der mit Recht gepriesenen Schärfe ihrer Beweise, diesen Mangel nicht beseitigen und die Kenntnis der letzten Ursachen nicht verschaffen. Jeder Teil der angewandten Mathematik setzt für ihre Wirksamkeit gewisse Naturgesetze als gültig voraus, und das reine Denken dient nur, um der Erfahrung bei der Auffindung dieser Gesetze zu helfen oder deren Einfluss in den einzelnen Fällen, wo dieser von einer genauen Bestimmung der Entfernung oder Grösse abhängt, zu bestimmen. So ist es ein durch Erfahrung entdecktes Gesetz der Bewegung, dass sich die Kraft eines jeden in Bewegung seienden Körpers aus dem Verhältnisse seiner Masse und seiner Schnelligkeit zusammensetzt; und folglich wird eine sehwache Kraft auch ein grosses Hindernis überwinden oder eine grosse Last heben, wenn man durch irgend eine Einrichtung oder Maschinerie die Schnelligkeit dieser Kraft so vergrössern kann, dass sie die Übermacht über ihren Gegner erhält. Die Geometrie hilft bei Anwendung dieses Gesetzes; sie giebt die richtigen Masse für alle Teile und Gestalten, die für irgend eine Maschine nötig sind; aber die Entdeckung des Gesetzes selbst verdankt man doch nur der Erfahrung, und alles reine Denken der ganzen Welt hätte nie einen Schritt weiter zur Kenntnis desselben geführt. Bei dem blossen Denken a priori und bei dem blossen Betrachten eines Gegenstandes oder einer Ursache, wie sie dem Verstande erscheint, ohne Rücksicht auf Erfahrung, kann nie der Begriff eines unterschiedenen oder anderen Gegenstandes gewonnen werden, der als seine Wirkung gelten müsse; noch weniger, dass beide untrennbar und ausnahmslos verknüpft seien. Der Mensch müsste wunderbar scharfsinnig sein, der durch blosses Denken entdecken könnte, dass die Krystalle die Wirkung der Hitze, und das Eis die Wirkung der Kälte seien, ohne vorher mit der Wirksamkeit dieser Bestimmungen bekannt zu sein.
Die im Beginn dieses Abschnittes von
Hume gemachte Einteilung der Vorstellungen in
Beziehungen und
Thatsachen erinnert an die in B. I. 31 gegebene Einteilung derselben in Begriffe des Seienden und blosse Beziehungen des Denkens. Allein
Hume verfolgt diesen Gedanken nicht weiter; vielmehr ergiebt die Anwendung, die er von den Beziehungen auf die Mathematik macht, dass der wahre Begriff der Beziehungen und die Natur der mathematischen Erkenntnis von ihm nicht erreicht worden ist. Schon Kant hat es gerügt, dass
Hume die Lehrsätze der Mathematik fälschlich als
analytische Urteile behandle. Ob
Hume dies wirklich so gemeint hat, bleibt zweifelhaft; er sagt nur: die Lehrsätze lassen sich durch das reine Denken entdecken. Allein unter reinem Denken versteht
Hume hier auch das bildliche Vorstellen einzelner geometrischer Figuren, welches zwar ein verbindendes Denken ist, aber doch ohne die vorgängige Wahrnehmung des Raumes und seiner Elemente sich nicht vollziehen lässt, und deshalb nicht zu dem reinen Denken, sondern zu der Erfahrung gerechnet werden muss.
Hume lässt dies alles freilich im Unklaren; aber auch
Kant hat hier das Wahre noch nicht erreicht, wie in B. 1. S. 79 und B. III. S. 91 näher nachgewiesen worden ist.
Hume geht nun zu seinem eigentlichen Thema über und sucht nach den Gründen für die
Gewissheit der Thatsachen. So weit sie auf Wahrnehmung oder auf Erinnerung an ein Wahrgenommenes beruhen, erkennt
Hume diese Gewissheit an und lässt sich auf deren Prüfung nicht weiter ein. Dies unterscheidet ihn von den Idealisten und zeigt, dass er auch kein Skeptiker ist, wie man gewöhnlich meint. Seine ganze Aufmerksamkeit wendet sich vielmehr der Frage zu: Worauf beruht unsere Gewissheit über solche Thatsachen, die wir nicht wahrnehmen oder wahrgenommen haben? Die Frage ist wichtig, weil der grösste Teil unseres Wissens von Thatsachen nicht auf eigener Wahrnehmung beruht. Das Natürlichste wäre hier gewesen, dieses mittelbare Wissen von den
Gesetzen abzuleiten, d. h. von Regeln, welche aussprechen, dass gewisse Dinge oder Eigenschaften stets und überall einander zeitlich folgen oder zugleich miteinander bestehen. Diese Gesetze machen es möglich, aus der
Wahrnehmung des einen Dinges auch die Gewissheit von dem Dasein des andern ohne Wahrnehmung zu gewinnen. Diese Gesetze sind deshalb das Ziel aller Wissenschaften. In dieser Weise ist die hier von
Hume gestellte Frage in B. I. S. 76 erledigt worden.
Hume bleibt aber von Anfang ab bei einer beschränkteren Auffassung stehen; anstatt den Begriff des Gesetzes überhaupt, behandelt Hume nur die Beziehungsform der Ursachlichkeit. Diese bildet allerdings eine Klasse von Gesetzen, aber sie ist nicht die einzige. Die Lehrsätze der Geometrie z. B. sind allgemeine Gesetze, welche unterschiedene Bestimmungen als mit einander verbunden aussagen; aber deshalb ist die eine nicht die Ursache der andern; vielmehr bestehen beide in den geometrischen Gestalten zugleich, während in der Ursachlichkeit die Ursache vorgeht, und die Wirkung nachfolgt. Auch die Merkmale der Pflanzen- und Tiergattungen sind zugleich und allgemein, aber nicht so verbunden, dass die eine die Ursache der andern wäre. Schon daraus erhellt, dass Hume die Frage zu beschränkt auffasst. Er selbst muss später die Fälle der Gleichzeitigkeit von Hitze und Licht bei dem Feuer anerkennen.
Hume zeigt nun, dass die bestimmten Wirkungen einzelner Ursachen nicht a priori, aus dem Begriffe eines von Beiden abgeleitet werden können, sondern dass diese Verbindung für die einzelnen Arten der Dinge nur aus der Erfahrung entnommen werden könne.
Diese Darstellung ist vortrefflich, überzeugend und so klar, dass sie keiner Erläuterung bedarf. Der spätere Irrtum Humes liegt nicht hierin, sondern darin, dass er die Ursachlichkeit, als Beziehungsform überhaupt, mit ihrer Anwendung auf den einzelnen Fall verwechselt. Welcher Art die Wirkung einer einzelnen Ursache ist, kann allerdings nur aus der Erfahrung abgenommen werden; aber deshalb braucht nicht auch die Beziehungsform der Ursachlichkeit überhaupt aus der Erfahrung zu stammen; vielmehr ist sie der Seele von Natur einwohnend und bildet sich nicht erst aus der Übung oder Erfahrung. Die eigentümlichen Bestimmungen der Allgemeinheit, der Notwendigkeit, der Erzeugung, welche sie enthält, können nie wahrgenommen werden; nur die Frage, auf welche in die Wahrnehmung fallenden zeitlichen Folgen eines Dinges diese Beziehungsform angewendet werden kann, muss aus der Erfahrung entnommen werden.
Bis hier ist indes noch keine genügende Antwort auf die im Anfang gestellte Frage gewonnen worden. Jede Lösung erweckt neue Fragen, so schwierig wie die früheren, und treibt zu weiteren Nachforschungen. Auf die Frage: Was ist das Wesen aller unserer Schlüsse in bezug auf Thatsachen? erscheint als richtige Antwort, dass sie sich auf die Beziehung von Ursache und Wirkung gründen. Auf die weitere Frage: Was ist die Grundlage aller Beweise und Schlüsse betreffs dieser Beziehung? kann man mit dem einen Wort Erfahrung die Antwort geben. Fragt man aber in solcher sichtenden Stimmung weiter: Was ist die Grundlage von allen Schlüssen aus der Erfahrung? so trifft dies einen schwer zu lösenden und zu erklärenden Punkt. Philosophen mit der Miene höherer Weisheit und Selbstbewusstsein bestehen eine harte Probe, wenn sie auf Personen treffen, die gern fragen, und die sie aus jedem Winkel, in den sie sich zurückziehen, wieder aufjagen, sicher, sie zuletzt in ein gefährliches Entweder-Oder zu drängen. Der beste Schutz gegen solche Verlegenheit ist Bescheidenheit in unseren Ansprüchen; man lege lieber selbst die Schwierigkeit dar, ehe man sie sich vorhalten lässt. Dadurch kann man sogar seine Unwissenheit zu einer Art von Verdienst erheben.
Ich werde mich in diesem Abschnitt auf ein leichtes Geschäft beschränken und nur eine negative Antwort auf die gestellte Frage geben. Ich sage, dass selbst nachdem man die Erfahrung von der Wirksamkeit der Ursachen und Wirkungen gewonnen hat, die Schlüsse aus dieser Erfahrung sich nicht auf Vernunft oder einen Vorgang innerhalb des Denkens stützen. Diese Antwort habe ich zu erläutern und zu verteidigen.
Man muss zugestehen, dass die Natur uns von ihren Geheimnissen fern hält und uns nur die Kenntnis einiger äusserlichen Eigenschaften der Dinge verstattet, während sie uns die Kräfte und Prinzipien verbirgt, von denen die Wirksamkeit der Dinge abhängt. Unsere Sinne belehren uns über die Farbe, das Gewicht und den Stoff des Brotes; aber weder die Sinne noch die Vernunft können uns über die Eigenschaften belehren, welche es für die Ernährung und Unterhaltung des menschlichen Körpers geschickt machen. Das Gefühl und das Gesicht geben eine Vorstellung von der wirklichen Bewegung der Körper; aber von der wunderbaren Kraft oder Macht, welche einen bewegten Körper immer in einer steten Veränderung des Ortes erhält, und welche ein Körper nur durch Mitteilung an andere verliert, kann man sich nicht die entfernteste Vorstellung machen. Aber trotz dieser Unkenntnis der natürlichen Kräfte Das Wort Kraft ist hier in einem gemeinüblichen und weniger strengen Sinne gebraucht. Die schärfere Bestimmung desselben würde den Beweis dieses Grundes noch steigern. und Prinzipien setzt man bei Wahrnehmung gleicher Eigenschaften immer die gleichen verborgenen Kräfte voraus und erwartet den Eintritt von Wirkungen, welche den früher wahrgenommenen gleichen. Wenn eine Sache von gleicher Farbe und Beschaffenheit mit dem früher gegessenen Brode uns geboten wird, so wiederholen wir ohne Bedenken den Versuch und erwarten mit Gewissheit gleiche Ernährung und Erhaltung. Dieser Vorgang in der Seele oder im Denken ist es, von dem ich die Begründung kennen lernen möchte. Jedermann gesteht zu, dass man keine Verknüpfung zwischen den sinnlichen Eigenschaften und den geheimen Kräften kennt, und dass deshalb die Seele durch nichts, was sie von deren Natur kennt, veranlasst wird, eine solche regelmässige und bestimmte Verbindung zwischen denselben anzunehmen. Was frühere Erfahrung anlangt, so kann man einräumen, dass sie unmittelbare und gewisse Auskunft genau über die Gegenstände und den Zeitpunkt, die sie umfasste, giebt; weshalb soll aber diese Erfahrung auch auf die Zukunft und auf andere Dinge ausgedehnt werden, die so viel, wie wir wissen, jenen nur in der äusseren Erscheinung gleichen? Dies ist die erste Frage, die ich stelle. Das früher verzehrte Brot hat mich ernährt, d. h. ein Körper von diesen sinnlichen Eigenschaften war zu dieser Zeit mit dieser verborgenen Kraft ausgerüstet; folgt aber daraus, dass ein anderes Brot, zu anderer Zeit, mich ebenfalls ernähren muss und dass die gleichen sinnlichen Eigenschaften mit gleichen geheimen Kräften immer verbunden sind? Diese Folge ist durchaus nicht notwendig; wenigstens muss man anerkennen, dass hier eine Folgerung besteht, die von dem Verstande gezogen wird; dass hier ein Schritt gethan wird, ein Vorgang im Denken und eine Schlussart besteht, welche der Erklärung bedarf. Die zwei Sätze sind durchaus nicht dieselben: Ich habe gefunden, dass dieses Ding immer mit dieser Wirkung verbunden gewesen ist; und: Ich sehe voraus, dass andere, scheinbar ähnliche Dinge mit ähnlichen Wirkungen verbunden sein werden. Ich erkenne, wenn man will, an, dass der eine Satz von dem anderen richtig abgeleitet werden mag, ich weiss auch, dass diese Ableitung thatsächlich geschieht; wenn man aber behauptet, dass diese Ableitung durch eine Kette von Gründen geschieht, so möchte ich diese Gründe kennen lernen. Die Verbindung zwischen beiden Sätzen ist nicht anschaulicher Art; es ist ein Mittelglied notwendig, welches den Verstand zur Ziehung eines solchen Schlusses befähigt, wenn er überhaupt auf Vernunft und Gründen beruhen soll. Nun gestehe ich, was dieses Mittelglied ist, übersteigt meine Begriffe; man soll es mir zeigen, wenn man behauptet, dass es wirklich bestehe, und der Ursprung aller unserer Schlüsse über Thatsachen sei. Dieser verneinende Einwand wird sicherlich allmählich überzeugend werden, wenn scharfsinnige und geschickte Philosophen ihre Untersuchung auf diesen Punkt richten und Keiner ein Gesetz der Verknüpfung, oder einen vermittelnden Schritt wird nachweisen können, auf welche der Verstand bei dieser Folgerung sich stützt. Da indes diese Frage noch eine neue ist, so wird nicht jeder Leser seinem Scharfsinn soweit vertrauen, um anzunehmen, dass ein Grund nicht bestehe, weil er ihn nicht finden kann. Es wird deshalb nötig sein, noch eine schwierigere Aufgabe zu wagen und durch Aufzählung aller Zweige des menschlichen Wissens zu zeigen, dass Keiner einen solchen Grund beschaffen kann.
Alle Schlüsse zerfallen in zwei Arten, nämlich in beweisende, die Verbindung von Begriffen betreffend, und in wahrscheinliche (moralische), Thatsachen und Existenz betreffend. Dass in unserm Falle kein beweisender Schluss vorliegt, scheint offenbar; denn es ist kein Widerspruch darin, dass der Naturlauf wechsele, und dass ein Ding, welches anscheinend einem früher durch Erfahrung bekannten gleicht, mit anderen oder entgegengesetzten Wirkungen sein könne. Kann ich mir nicht klar und deutlich vorstellen, dass ein Ding, was aus den Wolken fällt und überall sonst dem Schnee gleicht, doch wie Salz schmeckt und wie Feuer brennt? Ist etwas verständlicher als die Behauptung, dass alle Bäume im Dezember und Januar blühen und im Mai und Juni kahl werden? Nun enthält aber das, was man verstehen und deutlich vorstellen kann, keinen Widerspruch in sich und kann niemals a priori durch einen Beweis oder eine begriffliche Folgerung widerlegt werden.
Wenn uns daher Gründe veranlassen, früheren Erfahrungen zu vertrauen und sie zum Massstab unseres Urteils über Kommendes zu nehmen, so können diese Gründe nur Wahrscheinlichkeit haben, oder solche sein, welche sich, nach der obigen Einteilung, auf Thatsachen und wirkliches Dasein beziehen. Aber einen Grund dieser Art kann es nicht geben, wenn meine Erklärung über diese Art der Begründung als zuverlässig und genügend erscheint. Es ist bereits dargelegt worden, dass alle Beweise in Betreff der Existenz sich auf die Beziehung von Ursache und Wirkung stützen; dass unsere Kenntnis von dieser Beziehung sich lediglich aus der Erfahrung ableitet, und dass alle unsere Erfahrungsschlüsse von der Voraussetzung ausgehen, dass das Kommende dem Vergangenen gleichen werde. Ein Beweis des letzten Satzes, der sich auf die Wahrscheinlichkeit und Existenz-Gründe stützt, dreht sich daher offenbar im Zirkel und nimmt das für zugestanden an, was den Kern der Frage bildet.
Alle Erfahrungsbeweise gründen sich in Wahrheit auf die Ähnlichkeit, welche man zwischen Naturgegenständen bemerkt, und welche ähnliche Wirkungen wie die erwarten lässt, welche man früher als Folge von solchen Gegenständen bemerkt hat. Obgleich nun nur ein Narr oder ein Wahnsinniger das Ansehen der Erfahrung in Zweifel ziehen oder diesen grossen Führer durch das menschliche Leben von sich weisen wird, so wird man doch einem Philosophen die Frage nach dem Prinzip der menschlichen Natur gestatten, welches der Erfahrung dieses mächtige Ansehen giebt und Nutzen aus der Ähnlichkeit ziehen lässt, welche die Natur zwischen verschiedenen Gegenständen stattfinden lässt. Von ähnlichen Ursachen erwartet man ähnliche Wirkungen. Darauf laufen alle Erfahrungsbeweise hinaus. Stützte sich nun dieser Schluss auf die Vernunft, so müsste er bei dem ersten Male und für einen Fall ebenso vollkommen gelten, als nach einer langen Reihe von Einzelfällen; aber dies ist durchaus nicht so. Nichts gleicht sich so wie Eier; aber niemand erwartet wegen dieser anscheinenden Ähnlichkeit denselben Wohlgeschmack bei allen. Nur nach einer langen Reihe gleichförmiger Vorgänge irgend einer Art erreichen wir in Beziehung auf einen bestimmten Fall Gewissheit und Vertrauen. Worin ist nun das Verfahren der Vernunft, welches von einem Fall einen ganz anderen Schluss zieht als von hundert Fällen, die in keiner Weise von jenem Einzelnen unterschieden sind? Ich stelle diese Frage vielmehr der Belehrung als der Schwierigkeit wegen. Solch ein Verfahren der Vernunft kann ich nicht finden, noch mir vorstellen. Aber mein Ohr steht jeder Belehrung offen, die mir jemand zu geben vermag.
Sagt man, dass wir aus einer Anzahl gleicher Versuche eine Verknüpfung der sinnlichen Eigenschaften mit geheimen Kräften folgern, so scheint mir dies dieselbe Schwierigkeit zu sein, nur in andere Worte gehüllt. Immer kehrt die Frage nach der Schlussart wieder, auf die sich diese Folgerung gründet. Wo ist das Mittelglied, der zwischenliegende Gedanke, welcher so weit getrennte Sätze verbindet? Man giebt zu, dass die Farbe, die Masse und die übrigen sinnlichen Eigenschaften des Brotes nicht aus sich selbst eine Verknüpfung mit den verborgenen Kräften der Ernährung und Erhaltung zu haben scheinen; denn sonst könnte man diese Kräfte aus der ersten Erscheinung dieser sinnlichen Eigenschaften abnehmen ohne Hilfe der Erfahrung, was gegen die Ansicht aller Philosophen und gegen die klaren Thatsachen streitet. Hier zeigt sich nun unser natürlicher Zustand der Unwissenheit rücksichtlich der Kräfte und Wirkungen aller Dinge. Wie hilft die Erfahrung ihr ab? Sie zeigt uns bloss eine Anzahl gleichförmiger Wirkungen von gewissen Dingen und lehrt uns, dass diese einzelnen Dinge in der bestimmten Zeit mit solcher Kraft ausgerüstet waren. Kommt ein neues Ding, mit gleicher sinnlichen Eigenschaft, so erwartet man die gleiche Kraft mit gleicher Wirkung. Von einem Körper gleicher Farbe und Bestandteile wie Brot erwartet man gleiche Ernährung und Erhaltung. Allein ein solcher Schritt, ein solches Verfahren des Verstandes bedarf sicherlich der Erklärung. Wenn jemand sagt: Ich habe in allen früheren Fällen solche sinnliche Eigenschaften mit solchen verborgenen Kräften verbunden gefunden, und wenn jemand sagt: Gleiche sinnliche Eigenschaften werden immer mit gleichen verborgenen Kräften verbunden sein, so sagt er nicht dasselbe, und beide Sätze sind nicht identisch. Man erwidert: Der eine ist von dem andern abgeleitet; aber man muss entgegnen, dass diese Ableitung nicht wahrgenommen und nicht bewiesen werden kann. Welcher Art ist sie also? Nennt man sie Erfahrung, so ist dies keine Lösung. Denn alle Erfahrungsbeweise ruhen auf der Grundlage, dass das Kommende dem Vergangenen gleichen werde, und das gleiche Kräfte mit gleichen sinnlichen Eigenschaften verbunden sein werden. Entstünde ein Verdacht, dass der Lauf der Natur sich ändern könne, und dass das Vergangene keine Regel für das Kommende sein werde, so würde alle Erfahrung nutzlos und diente zu keiner Folgerung oder Ableitung. Keine Erfahrung kann deshalb diese Gleichheit zwischen Kommendem und Vergangenem beweisen; denn alle Beweise stützen sich auf die Annahme dieser Gleichheit. Wenn auch der Lauf der Dinge bisher noch so regelmässig gewesen ist, so beweist dies für sich allein und ohne einen neuen Grund nicht, dass dies auch in Zukunft so sein werde. Man irrt, wenn man meint, die Natur der Dinge aus vergangenen Fällen erkannt zu haben. Ihre verborgene Natur und folglich alle ihre Wirkungen können sich ändern, ohne dass ihre sinnlichen Eigenschaften wechseln. In einzelnen Fällen und bei einzelnen Dingen geschieht dies; weshalb kann es nicht immer und für alles geschehen? Welche Logik, welcher Beweis spricht gegen diese Annahme? Man sagt: Deine Handlungsweise widerlegt deine Zweifel. Aber dies trifft nicht den Sinn der Frage. Als Handelnder bin ich in diesem Punkt ganz zufriedengestellt; aber als Philosoph mit etwas Wissbegierde, wo nicht Zweifelsucht, verlange ich nach dem Grunde dieser Ableitung. Kein Buch, kein Nachdenken hat bis jetzt die Schwierigkeit heben oder mich in einem so wichtigen Punkte zufriedenstellen können. Was kann ich Besseres thun, als die Frage dem Publikum vorlegen, obgleich ich wenig Hoffnung habe, sie gelöst zu bekommen. Wir werden auf diese Weise wenigstens unserer Unwissenheit inne, wenn wir auch unser Wissen nicht vermehren.
Es ist gewiss eine unverzeihliche Anmassung, zu behaupten, dass ein Beweisgrund deshalb nicht bestehe, weil er der eigenen Forschung bisher entgangen ist. Ebenso voreilig würde es sein, deshalb, weil alle Gelehrten in verschiedenen Zeiten vergeblieh einen Gegenstand zu erforschen suchten, zu folgern, dass dieser alle menschliche Fassungskraft übersteige. Selbst wenn man alle Quellen unseres Wissens untersucht und sie für diesen Gegenstand ungeeignet findet, so bleibt doch das Bedenken, ob die Aufzählung vollständig, oder ob die Untersuchung erschöpfend gewesen. In Beziehung auf die vorliegende Frage bieten sich indes einige Erwägungen, welche diesen Vorwurf der Anmassung und den Zweifel, ob man sich nicht irre, wohl beseitigen.
Es ist Thatsache, dass die unwissendsten und dümmsten Bauern, ja die Kinder, ja selbst die unvernünftigen Tiere durch Erfahrung klüger werden und die Eigenschaften der natürlichen Dinge durch Beobachtung ihrer Wirkungen kennen lernen. Wenn ein Kind den Schmerz aus der Berührung eines brennenden Lichtes gefühlt hat, so wird es sorgfältig seine Hände von der Flamme fern halten, denn es erwartet die gleiche Wirkung von einer Ursache mit gleichen Eigenschaften und gleichem Äusseren. Meint man, dass der Verstand des Kindes auf diesen Schluss durch einen Beweis oder eine Thätigkeit der Vernunft geführt werde, so bitte ich, mir diesen Beweis darzulegen; eine so billige Frage wird man nicht abweisen können. Man darf nicht einwenden, dass der Gegenstand schwierig sei und sieh der Nachforschung entziehe, wenn man anerkennt, dass die Fähigkeit eines Kindes dafür hinreicht. Wenn man daher zaudert und sich besinnt und dann eine verwickelte oder dunkele Auseinandersetzung beibringt, so giebt man die Sache verloren und erkennt an, dass kein Vernunftschluss uns bestimmt, um anzunehmen, dass das Vergangene dem Kommenden gleichen werde, und dass gleiche Wirkungen aus äusserlich gleichen Ursachen hervorgehen werden. Dies ist der Satz, den ich in diesem Abschnitt habe hervorheben wollen. Habe ich Recht, so will ich damit nicht behaupten, etwas Grosses entdeckt zu haben; habe ich Unrecht, so muss ich mich selbst für einen sehr ungelehrigen Schüler halten, weil ich einen Beweisgrund nicht finden kann, der mir dem Anscheine nach doch schon ganz geläufig war, noch ehe ich die Wiege verliess.
In diesem Abschnitt greift Hume mit gleichem Geschick, wie oben, die Beweiskraft des sogenannten Induktionsverfahrens an, welches aus einer grossen Anzahl von wahrgenommenen Fällen die Allgemeinheit der in ihnen enthaltenen Verbindung folgert. Auch Kant und viele Andere stimmen hier mit Hume überein; auch in B. I. S. 78 ist dargelegt, dass ein solcher Schluss von Vielen auf Alles durchaus unbegründet ist. Dennoch ist dieser Schluss für das Leben unentbehrlich, da ohne eine solche auf die Induktion sich stützende Überzeugung weder das Leben noch das Handeln möglich wäre. (B. I. 77. 80.) Einzelne Systeme haben immer wieder von neuem versucht, die Beweiskraft der Induktion darzulegen. Hierher gehört Stuart Mill in seiner Logik, und Ueberweg (Geschichte der Philosophie III. 140). Kant wurde durch den Umstand, dass in der Mathematik wahrhaft allgemeine Gesetze bestehen und ebenso nach seiner Meinung in der Naturwissenschaft, während doch die Induktion zu solchen nicht führen könne, auf seinen transscendentalen Idealismus gebracht, durch den er das Wahrgenommene in eine blosse Erscheinung umwandelte und die Allgemeinheit der in dieser Erscheinungswelt gültigen Gesetze dann daraus erklärte, dass der Mensch dieselben erst in diese Welt hineintrage, weil ohne sie die Erfahrung von ihr unmöglich sei.
Hume schlägt in Abt. V einen andern Weg ein; er leugnet nicht die Wirklichkeit der Dinge, sondern nur die Allgemeinheit der für sie in den Wissenschaften und im Leben aufgestellten Gesetze. Als auf der Induktion beruhend, ist ihm diese Allgemeinheit nicht einmal eine Wahrscheinlichkeit, sondern nur eine Gewohnheit des Denkens.
Hume beschäftigt sich hier auch viel mit den verborgenen Kräften, welche in der Ursache enthalten seien und die Wirkung erzeugten. Er meint, wenn man diese Kräfte wahrnehmen oder sonst erkennen könnte, wären alle Rätsel der Natur gelöst. Hieraus erhellt, dass Hume in diesen geheimen Kräften das Dasein wirklicher Ursachen anerkennt, welche in den Stoffen oder Dingen, mit denen sie verbunden sind, wahrhaft das Neue, oder die Veränderung oder die Wirkung hervorbringen; Hume leugnet nur, dass diese Kräfte oder Ursachen erkennbar seien. Dies stimmt indes nicht mit seiner spätern Ableitung der Ursächlichkeit aus einer Gewohnheit des Menschen, welcher die als Ursache und Wirkung geltenden Dinge oft zeitlich nacheinander wahrgenommen habe. Eine solche bloss der wahrnehmenden Person anhaftende Gewohnheit ist indes keine der Sache anhaftende Eigenschaft oder Kraft. Es giebt deshalb nur zwei Alternativen; ist die Ursächlichkeit nur eine Gewohnheit innerhalb der Ideen-Assoziation der Seele, so besteht im Gegenstande nichts der Art und die zeitliche Folge der Wirkung auf ihre Ursache entbehrt dann sachlich jedes Bandes und ist aus den Gegenständen nicht weiter zu erklären; oder es besteht in den geheimen Kräften der Dinge ein solches Band, und die Wirkung wird durch diese Kräfte hervorgebracht; dann ist die Ursächlichkeit keine bloss subjektive Gedankenverbindung, sondern es entspricht ihr ein seiender Vorgang und es ist diese verbindende und und erzeugende Kraft nur nicht erkennbar, oder wenigstens bis jetzt noch nicht erkannt. Beide Alternativen schliessen einander aus; allein Hume hält Beide fest, was man deshalb nur so verstehen darf, dass der Mensch bei dem jetzigen Stande der Wissenschaften statt jener wahren, wirkenden Kräfte, sich mit einer subjektiven, durch Gewohnheit herbeigeführten Gedankenverbindung begnügt und auf diese sich für den Begriff der Ursächlichkeit stützt, weil die wahre wirkende Kraft ihm unerkennbar ist. Hiernach ist Kants Urteil über Hume zu berichtigen, wonach letzterer den wahren Begriff der Ursächlichkeit gar nicht gekannt haben soll.
Nach der realistischen Lehre sind beide Alternativen falsch. Die Ursächlichkeit ist keine bloss auf Gewohnheit beruhende Gedankenverbindung und sie ist auch kein gegenständlicher, auf einer geheimen Kraft beruhender Vorgang. Diese geheimen Kräfte sind blosse Phantasiebilder des Denkens, für deren Dasein nicht der mindeste Grund vorliegt. Sie sind bloss erfanden, um die Beziehungsform der Erzeugung, welche in der Ursachlichkeit liegt, dem Denken verständlicher zu machen. An sich scheint es unbegreiflich, wie in der Welt aus Einem (der Ursache) ein ganz davon verschiedenes Andere (die Wirkung) hervorgehen könne. Die Wahrnehmung kann dies Hervorgehen oder Erzeugen trotz der feinsten Instrumente auch niemals erfassen. Anstatt nun sich bei der thatsächlichen und wahrgenommenen zeitlichen regelmässigen Folge des Einen auf das Andere zu beruhigen, benutzte man zunächst die Beziehungsform der Ursachlichkeit und machte das Eine zum Erzeuger des Anderen. Allein damit war man noch nicht zufrieden; die Ursache blieb auch so noch immer ein Anderes als die Wirkung, mithin blieb auch jene Unbegreiflichkeit an ihr haften; deshalb schob man noch ein Drittes zwischen Ursache und Wirkung ein, d. h. eine geheime Kraft, welche eigentlich die wahre Erzeugerin der Wirkung sei. So ist dieser Begriff in alle Lehrbücher der Naturwissenschaft übergegangen, und auch Hume ist von dem Dasein dieser geheimen Kräfte überzeugt; sie sind ihm nur unerkennbar. Allein sie sind in Wahrheit nichts als ein Gebilde der Phantasie, wodurch man den Versuch, die Erzeugung sich begreiflicher zu machen, noch einmal wiederholt; obgleich dieser zweite Versuch so vergeblich, bleibt, wie der erste mit der Ursachlichkeit für sich. Denn wenn auch eine Kraft zwischen Ursache und Wirkung eingeschoben wird, so wird die Unbegreiflichkeit nicht gemindert. Diese Kraft muss dann wieder etwas von der Wirkung Verschiedenes sein und die Schwierigkeit, wie Etwas ein von sich Verschiedenes aus sich erzeugen könne, bleibt auch für die Kraft bestehen. Diese Kraft ist also nur die Einschiebung einer zweiten Ursache; sie bildet nur eine Verdoppelung der Ursachlichkeit, die mithin die in ihr überhaupt enthaltene Unbegreiflichkeit nicht mindern, sondern nur vermehren kann. Deshalb ist auch die Naturwissenschaft mit der Annahme dieser geheimen Kraft nicht einen Schritt weiter gekommen; in allen Lehrbüchern ist zu lesen, dass diese Kraft unerkennbar sei. Es ist deshalb offenbar richtiger, diese qualitates occultas ganz beiseite zu lassen und einfach bei der Thatsache zu bleiben, dass Eines auf ein Anderes regelmässig zeitlich folgt. Die moderne Naturwissenschaft hat dies gethan und diesen geheimen Kräften nicht mehr nachgespürt; sie begnügt sich, die Thatsachen zu sammeln, wo eine solche zeitliche Folge stattfindet, und diese auf ihren allgemeinsten Ausdruck zu bringen. – Die Erzeugung wird ewig unbegreiflich bleiben; denn sie ist nicht wahrnehmbar und kann deshalb nur als eine Beziehungsform des Denkens gelten. Das Weitere sehe man B. I. S. 42, und Philosophie des Wissens I. 198.