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Das Leben Humes ist mannigfacher und reicher, als das der meisten deutschen Gelehrten und Philosophen. Sein wiederholter Aufenthalt in fremden Ländern, sein vertrauter Umgang mit den höhern Ständen, seine diplomatische Thätigkeit, sein lebhafter Verkehr mit gebildeten Frauen haben die in ihm vorherrschende Leidenschaft zur Philosophie gemässigt und vor den Abwegen geschützt, in die sich der Gelehrte, der nur in seiner Stube über seinen Büchern brütet oder nur Studenten im Hörsaale vor sich sieht, nur zu leicht verirrt. Hume hat wenig Monate vor seinem Tode in einem Alter von 66 Jahren sein Leben selbst beschrieben. Er wendet da seine feine Ironie gegen sich selbst; aber jede Zeile spiegelt zugleich seine Gutmütigkeit, Heiterkeit, Menschenkenntnis und Urteilsschärfe wieder. Am Schluss dieser Lebensbeschreibung sagt Hume:
»Im Frühjahr 1775 befiel mich ein Unterleibsleiden, was anfangs nicht bedenklich schien; aber seitdem, fürchte ich, sich als unheilbar und tötlich herausgestellt hat. Ich rechne jetzt (April 1776) auf eine baldige Auflösung. ( Hume starb vier Monate darauf.) Das Übel hat mir wenig Schmerzen gemacht, und trotzdem, dass ich körperlich sehr schwach geworden bin, habe ich keinen Augenblick eine Abnahme meiner geistigen Kräfte gespürt. Sollte ich noch einmal unter den verschiedenen Perioden meines Lebens wählen können, um eine zu wiederholen, so würde ich beinah dieser letzten den Vorzug geben. Ich bin noch ebenso eifrig im Studium, wie heiter in der Gesellschaft. Auch weiss ich, dass ein Mann von 66 Jahren bei seinem Tode doch nur wenige Jahre der Schwäche einbüsst. Allerdings treten jetzt viele Zeichen meines steigenden litterarischen Ruhmes hervor, allein ich könnte mich doch dessen nur noch wenige Jahre erfreuen. Es wird selten jemand mehr vom Leben los gelöst sein, als ich es gegenwärtig bin. – Um mit meinem Charakter zu schliessen, so war ich, denn dies passt besser als: so bin ich, von mildem Charakter, gemässigtem Temperament und von offenem, geselligem und gutmütigem Wesen. Ich schliesse mich gern an Andere an, habe keinen Sinn für Feindschaft und war immer mässig in allen meinen Neigungen. Selbst meine vorherrschende Leidenschaft für litterarischen Ruhm hat nie mein Urteil verbittert, obgleich ich Enttäuschungen genug dabei habe erfahren müssen. Ich war ein willkommener Gesellschafter, der sorglosen Jugend wie den eifrigen Gelehrten. Der Umgang mit gesitteten Frauen gewährte mir besonderes Vergnügen, und mit der Art, wie man mich hier aufnahm, hatte ich alle Ursache zufrieden zu sein.«
»Alle bedeutenden Männer haben sich gewöhnlich über Verleumdung beklagt; ich habe indes deren scharfen Zahn nie gefühlt. Obgleich ich mich leichtsinnig der Wut der politischen und kirchlichen Parteien preisgab, so schienen sie doch, mir gegenüber, von ihrer gewohnten Wut entwaffnet. Meine Freunde brauchten meinen Charakter und mein Benehmen nicht zu verteidigen, denn meine Gegner konnten trotz aller Bereitwilligkeit keine Vorwürfe aussinnen, die das Gepräge der Wahrscheinlichkeit an sich getragen hätten. Es steckt vielleicht einige Eitelkeit in dieser Leichenpredigt, aber sie wird nicht an der unrechten Stelle angebracht sein, und die Thatsachen können leicht aufgeklärt und festgestellt werden.«
So schrieb ein Mann, der weder an den christlichen Gott, noch an ein jenseitiges Leben glaubte, als er mit einer tötlichen Krankheit im Körper seinen nahen Tod erwartete.
David Hume, am 26. April 1711 in Edinburg geboren, war von guter, aber armer Familie, und als zweiter Sohn genötigt, für sein Fortkommen selbst zu sorgen. Er sollte die Rechte studieren; allein er wendete sich mit Leidenschaft der Philosophie zu. Nur Nahrungssorgen trieben ihn, nach einem vergeblichen Versuch in ein kaufmännisches Geschäft einzutreten, 1734 nach Frankreich, wo er drei Jahre in Rheims und später in La Flêche in Anjou blieb und sein erstes Werk: »Abhandlung über die menschliche Natur, als Versuch, die beobachtende Methode auch für Gegenstände der Moral einzuführen,« zu stande brachte. Bei seiner Rückkehr nach England, 1738, veröffentlichte es Hume und hoffte auf grossen Erfolg. Allein Hume selbst sagt: »Das Werk kam totgeboren aus der Presse und erregte nicht einmal insoweit die Aufmerksamkeit, dass die Frommen sich darüber ereifert hätten.« Hume fasste sich indes bald und gab 1742 den ersten Band seiner »Essays« heraus, welche politische und moralische Fragen behandelten und eine günstigere Aufnahme fanden. In Frankreich wurden sie durch eine französische Übersetzung bekannt und erregten grosses Aufsehen. 1745 trat Hume als Gesellschafter in das Haus des Marquis von Annandale; 1746 begleitete Hume den General von St. Clair als Sekretär auf einer See-Expedition nach den Küsten Frankreichs; 1747 ging er als Begleiter dieses Generals nach Wien und Turin, wohin dieser als Gesandter geschickt wurde. Zwei Jahre lebte Hume hier ganz der grossen Welt; dann kehrte er nach England und zu seinen Studien zurück. Er begann die Umarbeitung des ersten Teiles seines Werkes »Über die menschliche Natur«; er meinte an diesem zu frühzeitig veröffentlichten Werke vieles verbessern zu müssen, und im Jahre 1748 veröffentlichte er diese neue Arbeit unter dem Titel: »Eine Untersuchung in Betreff des menschlichen Verstandes«. – Sie ist das hier in Übersetzung gebotene Werk und gilt in Deutschland als das Hauptwerk Humes. Obgleich auch jetzt der Erfolg ausblieb, verlor Hume den Mut nicht. Er setzte seine Essays fort und arbeitete auch den moralischen Teil seines Erstlingswerkes um.
Als sein Ruhm allmählich sich zu heben begann, gab dies ihm Mut. »Denn ich neigte«, sagt Hume, »mehr dazu, die Dinge von der guten, als von der schlimmen Seite anzusehen; eine Anlage, die ihren Besitzer glücklicher macht als ein Einkommen von 60 000 Thalern.«
1751 erschienen seine »politischen Abhandlungen«, und 1752 seine »Untersuchung über die Grundlagen der Moral«, welches Werk Hume für das Beste von all seinen Schriften erklärt.
1752 übernahm Hume die Stelle als Bibliothekar der Advokatenkammer in Edinburg und wurde dadurch zu historischen Arbeiten geführt, deren Ergebnis die »Geschichte Englands« war, welche nach und nach von ihm bearbeitet und herausgegeben wurde. 1754 erschien die »Geschichte der Stuarts«; 1759 die des Hauses Tudor, und 1763 die ältere Geschichte von Cäsar. Auch hier war der Erfolg anfangs gering, da keine der bestehenden politischen und kirchlichen Parteien mit dem Werke zufrieden war.
In der Zwischenzeit veröffentlichte Hume seine »Natürliche Geschichte der Religion«.
1763 folgte Hume einer Einladung des zum Gesandten ernannten Grafen v. Hertford und ging als dessen Sekretär mit nach Paris. 1765 trat der Herzog v. Richmond an dessen Stelle; Hume blieb aber und hatte in der Zwischenzeit die Geschäfte selbständig als Chargé d'affaires zu verwalten; erst 1766 ging Hume nach Schottland zurück.
Hume selbst sagt über seinen Aufenthalt in Paris:
»Wer die Macht der Mode nicht kennt, hat keinen Begriff von der Aufnahme, die ich in Paris sowohl bei Männern, als bei Frauen fand. Je mehr ich ihren übertriebenen Artigkeiten auszuweichen suchte, desto mehr wurde ich damit überschüttet. Indes ist das Leben in Paris ein wahrer Genuss; diese Stadt übertrifft alle Orte der Welt an zahlreicher gebildeter, kenntnisreicher und feinfühlender Gesellschaft. Ich hatte die Absicht, mich dort fest niederzulassen.«
Auch hier ist indes Hume viel zu bescheiden geblieben. Mit Humes Triumphzug in Paris lässt sich nur der von Voltaire vergleichen; aber der Humesche währte von 1763-65, während jener schnell vorüberging. Die Encyklopädisten und Frauen rissen sich um ihn, ob gleich sie kein Wort von seinem schlechten Französisch verstanden. Auch bei Hofe wurde er vergöttert, und die kleinen Prinzen mussten feierliche Anreden an ihn halten. Hume selbst sagt in einem Briefe an Robertson:
»Wie mir's geht? Ich esse nur Ambrosia, trinke nur Nektar, atme nur Weihrauch, sammle nur Blumen. Alle Männer, und mehr noch alle Frauen halten es für eine heilige Pflicht, lange Sermone zu meinem Lobe an mich zu richten.«
In Paris machte Hume auch die Bekanntschaft von Rousseau, und Beide schlossen sich eine Zeitlang eng an einander; Hume verhalf Rousseau nach England, allein das Misstrauen Rousseaus und der Gegensatz in beider Charakteren führte später zu einem Bruch, der damals mehr Aufsehn als alle politischen Begebenheiten machte.
1767 nahm Hume die Stelle eines Unter-Staatssekretärs im Ministerium unter dem General Conway in London an. Nach zweijähriger Verwaltung kehrte er nach Edinburg zurück, wie Hume sagt:
»sehr wohlhabend (mit einem Einkommen von 1000 Pfund), gesund, zwar vorgerückt in Jahren, aber mit der fröhlichen Aussicht, seine Musse zu geniessen und seinen Ruhm wachsen zu sehen.«
So geschah es auch; Hume ward mit Ehren in Edinburg empfangen, lebte seinen Freunden, beschäftigte sich mit Lektüre, hielt ein offenes Haus; aber war nicht mehr litterarisch thätig. Geistig und gemütlich in Frieden, beschloss er sein Leben am 25. August 1776 im Alter von 66 Jahren, während Kant in Königsberg, durch Humes Werke angeregt, gerade in der eifrigsten Arbeit an seiner Kritik der reinen Vernunft befangen war.
Humes Philosophie ruht auf dem Prinzip der Beobachtung; er hat dasselbe über alle Gebiete derselben auszudehnen versucht. Darauf beruht der innere Wert seiner Arbeiten, die Klarheit seines Stils und der grosse Erfolg, welchen er erreicht hat. Seine Philosophie ist noch bis auf den heutigen Tag die herrschende in England. Selbst Stuart Mill hat sich in seiner Logik nur in Einzelheiten davon entfernt. Hume hat vorzugsweise die Philosophie des Wissens und Handelns bearbeitet. Wie weit er in der erstern vorgedrungen ist, ergiebt das hier gebotene Werk. Man kann zweifeln, ob nicht die ursprüngliche Darstellung in Humes Erstlingswerk bedeutender sei, als in dieser Überarbeitung. Jedenfalls ist jenes umfassender, vollständiger und nähert sich einem System des Wissens mehr, als letztere. Da indes Hume selbst letztere höher stellt, und sie in der geschichtlichen Entwickelung der Philosophie einen höhern Rang eingenommen hat, so ist nicht das erste Werk, sondern diese Überarbeitung hier aufgenommen worden.
In der Ethik hat Hume die beobachtende Methode mit nicht geringem Erfolge versucht. Treffend ist seine Unterscheidung des Denkens und Wollens und der Satz, dass das Denken für sich den Willen nicht bestimmen kann. Auch in seiner Unterscheidung der natürlichen und künstlichen Tugenden ist Hume der Wahrheit nahe gekommen. Unter jenen versteht er das Handeln aus Motiven der Lust, unter diesen aus Motiven der Achtung. Doch bleibt Hume hier noch unklar; erst Kant gelang es, den Begriff des sittlichen Sollens von aller Beimischung der Lust und der Liebe zu reinigen. Dennoch verdienen die Arbeiten Humes in dem praktischen Gebiete mehr Berücksichtigung, als ihnen bisher in Deutschland zu teil geworden ist.
In seinen »Essays« hat Hume auch für Fragen der Kunst und der Nationalökonomie sich als ein scharfer Beobachter erwiesen. Die Erfolge dieser populären, die Wissenschaft dennoch fördernden Abhandlungen waren so gross, dass erst Macaulay in unsern Tagen mit seinen Essays ähnliches wieder erreicht hat.
Neben den zahlreichen Ausgaben von Humes einzelnen Werken aus früherer Zeit sind Gesamtausgaben seiner philosophischen Schriften in Edinburg 1827, 1836 und in London 1856 erschienen. Ins Deutsche übersetzt sind der »Treatise on human nature« von Jacob. (Halle 1790-91 3 Bände.) Die »Inquiry concerning human understanding« hat Sulzer (Hamburg 1755) und Tennemann (Jena 1793) übersetzt.
Eine sehr eingehende und nur durch den Hegelschen Standpunkt etwas getrübte Darstellung von Humes Leben und Schriften hat Feuerlein in der philosophischen Zeitschrift: »Der Gedanke«, Band 4 und 5, Berlin 1863-64, geliefert.