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Zwölfter Teil.

Nach dem Fortgehen Demeas setzten Cleanthes und Philo die Unterhaltung in folgender Weise fort. Unser Freund, sagte Cleanthes, wird, fürchte ich, wenig Neigung haben, diesen Punkt der Erörterung wieder aufzunehmen, wenn Ihr gegenwärtig seid. Und die Wahrheit zu sagen, Philo, ich möchte lieber mit einem von Euch allein einen so erhabenen und interessanten Gegenstand erörtern. Euer Disputiergeist, verbunden mit Eurem Abscheu vor dem gemeinen Aberglauben, führt Euch in der Darlegung einer Argumentation zu befremdlichen und fern gelegenen Folgerungen, und nichts ist so heilig und ehrwürdig, auch in Euren eigenen Augen, daß Ihr es bei solcher Gelegenheit verschontet.

Ich muß gestehen, erwiderte Philo, daß ich in Sachen der natürlichen Religion weniger vorsichtig bin als in irgendeiner andern, sowohl weil ich weiß, daß ich an diesem Punkt niemals die Grundsätze eines Mannes von gesundem Menschenverstand erschüttern kann, als weil ich überzeugt bin, daß niemand, in dessen Augen ich ein Mann von gesundem Menschenverstand bin, jemals meine Absichten mißverstehen wird. Ihr besonders, Cleanthes, mit dem ich in rückhaltloser Vertrautheit lebe, wißt, daß trotz der Freiheit meiner Unterhaltung und meiner Vorliebe für besondere Argumente niemand einen tiefer religiösen Sinn hat oder dem göttlichen Wesen, wie es sich in dem unerklärlichen Plan und Kunstwerk der Natur offenbart, innigere Verehrung widmet. Zweck und Absicht trifft überall, das Auge auch des sorglosesten und stumpfsinnigsten Denkers, und niemand kann in absurden Systemen so verhärtet sein, daß er zu allen Zeiten sie verwirft. »Die Natur tut nichts umsonst«, dies ist ein von allen Schulen anerkannter, lediglich auf die Betrachtung der Werke der Natur ohne religiöse Rücksicht begründeter Grundsatz; in fester Überzeugung von seiner Wahrheit würde ein Anatom, der ein neues Organ oder Gefäß wahrgenommen hätte, sich nicht beruhigen, bis er auch dessen Gebrauch und Absicht entdeckt hätte. Eine große Grundlage des Kopernikanischen Systems ist der Grundsatz: »Die Natur handelt auf die einfachste Weise und wählt die geeignetsten Mittel zum Ziel«; und oft gaben Astronomen, ohne daran zu denken, hierin eine starke Grundlage für Frömmigkeit und Religion. Dasselbe ist zu sehen in andern Teilen der Philosophie. Und so leiten uns fast alle Wissenschaften unmerklich zur Anerkennung eines ersten intelligenten Urhebers, und ihr Gewicht ist um so größer, als sie nicht direkt auf diese Absicht ausgehen.

Mit Vergnügen höre ich Galen den Bau des menschlichen Körpers erörtern. Die Anatomie des Menschen, sagt er, entdeckt über 600 verschiedene Muskeln; und wer dieselben mit Fleiß betrachtet, findet, daß in jedem die Natur mindestens zehn verschiedene Umstände einander anpassen mußte, um den beabsichtigten Zweck zu erreichen: angemessene Gestalt, richtige Größe, rechte Zusammenstellung der verschiedenen Zwecke, höhere oder tiefere Stellung des Ganzen, geeignete Einführung der verschiedenen Nerven, Venen und Arterien, so daß in den Muskeln allein 6000 verschiedene Gesichtspunkte und Absichten geplant und ausgeführt werden mußten. Die Knochen berechnet er auf 284, die verschiedenen Zwecke, worauf der Bau eines jeden abzielt, auf vierzig. Welch wunderbarer Aufwand von Kunst selbst in diesen einfachen und gleichartigen Teilen? Betrachten wir die Haut, die Bänder, die Gefäße, die Drüsen, die Säfte, wie muß unser Erstaunen im Verhältnis zu der Zahl und Verwickelung so kunstvoll angepaßter Teile steigen. Je weiter wir in diesen Untersuchungen fortgehen, um so mehr entdecken wir neue Schauplätze von Kunst und Weisheit. In der Ferne lassen sich weitere Schauplätze jenseits des Bereichs unseres Blicks erspähen; in der feinern innern Struktur der Teile, in der Anlage des Gehirns, in dem Bau der Samengefäße. Alle diese kunstvollen Anlagen sind in jeder Tiergattung mit wunderbarer Mannigfaltigkeit und genauer Angemessenheit wiederholt, angemessen den verschiedenen Absichten der Natur in Bildung jeder Gattung. Und wenn selbst der ungläubige Galen, selbst als diese Naturwissenschaften noch unvollkommen waren, so redenden Erscheinungen nicht widerstehen konnte, zu welchem Gipfel hartnäckigen Eigensinns muß ein Philosoph dieser Zeit sich versteigen, der noch an einer höchsten Intelligenz zweifeln kann?

Wenn ich einem Mann dieser Art begegnete (welche, Gott sei Dank, sehr selten sind), so würde ich ihn fragen, ob ein Gott, vorausgesetzt, daß er sich nicht unmittelbar unsern Sinnen offenbart, stärkere Beweise seines Daseins geben konnte, als in der ganzen Gestalt der Natur erscheinen? In der Tat, was könnte ein solches göttliches Wesen tun, als die vorliegende Anlage der Dinge nachbilden, viele seiner Kunstwerke so durchsichtig machen, daß kein Stumpfsinn sie mißverstehen könnte, Anzeichen von noch größeren Kunstwerken hineinlegen, welche seine wunderbare Erhabenheit über unsere engen Vorstellungen beweisen, und zugleich eine große Menge vor so unvollkommenen Geschöpfen ganz verbergen? Nun muß nach allen Regeln richtiger Beweisführung jede Tatsache für unzweifelhaft gelten, wenn sie durch alle Beweise, deren ihre Natur fähig ist, unterstützt wird, auch wenn diese Beweise an sich selbst nicht stark oder zwingend sind; wieviel mehr in dem vorliegenden Fall, wo keine menschliche Einbildung ihre Zahl berechnen und kein Verstand ihre Beweiskraft schätzen kann!

Ich füge, sagte Cleanthes, zu dem, was Ihr so wohl hervorgehoben habt, hinzu, daß ein großer Vorteil des theistischen Prinzips ist, daß es das einzige kosmogonische System ist, das verständlich und vollständig gemacht werden und durchaus eine starke Analogie mit dem, was wir täglich in der Welt sehen und erfahren, aufweisen kann. Die Vergleichung des Weltalls mit einer Maschine menschlicher Erfindung ist so naheliegend und natürlich, und ist durch so viel Fälle von Ordnung und Absicht in der Natur gerechtfertigt, daß sie unmittelbar jeder vorurteilsfreien Auffassung einleuchten und allgemeine Zustimmung gewinnen muß. Wer immer diese Theorie zu schwächen unternimmt, kann nicht hoffen, an ihrer Stelle eine andere, die genau und bestimmt ist, aufzurichten. Es muß ihm genügen, Zweifel und Schwierigkeiten zu erheben, und durch entfernte und abstrakte Betrachtung der Dinge die Suspension des Urteils zu erreichen, welche hier das äußerste Ziel der Wünsche ist. Aber abgesehen davon, daß dieser Zustand des Geistes in sich selbst unbefriedigend ist, kann er nie stetig aufrecht erhalten werden gegen so redende Erscheinungen, als uns beständig auf die religiöse Hypothese hinführen. Die menschliche Natur ist durch Stärke des Vorurteils imstande, einem falschen und absurden System mit hartnäckiger Beständigkeit anzuhangen; aber es ist, denke ich, absolut unmöglich, überhaupt kein System gegenüber einer auf starke und naheliegende Schlüsse, auf natürliche Neigung, auf frühe Erziehung gestützten Theorie festzuhalten oder zu verteidigen.

So wenig, erwiderte Philo, ist nach meinem Dafürhalten diese Suspension des Urteils in dem vorliegenden Fall möglich, daß ich zu vermuten geneigt bin, es mische sich mehr, als man sich einbildet, ein Streit um Worte in diese Streitfrage. Daß die Werke der Natur große Ähnlichkeit mit den Erzeugnissen der Kunst aufweisen, liegt auf der Hand; und nach allen Regeln richtigen Schließens müssen wir folgern, wenn wir überhaupt Erörterungen darüber anstellen, daß die Ursachen entsprechende Ähnlichkeit haben. Da jedoch auch erhebliche Unterschiede vorhanden sind, so haben wir Grund, einen entsprechenden Unterschied in den Ursachen anzunehmen und müssen im besonderen der höchsten Ursache einen viel höheren Grad von Vermögen und Kraft beilegen, als wir je an Menschen wahrgenommen haben. Hiermit wäre also das Dasein einer Gottheit durch Vernunft klar festgestellt, und wenn wir die Frage erheben, ob wir in Anbetracht dieser Ähnlichkeiten sie im eigentlichen Sinne einen »Geist« und eine »Intelligenz« nennen können, trotz des gewaltigen Unterschiedes, der vernünftigerweise zwischen ihr und menschlichen Geistern vorauszusetzen ist, was ist dies anders als bloßer Wortstreit? Niemand kann die Ähnlichkeiten zwischen den Wirkungen leugnen; uns der Frage nach den Ursachen zu enthalten, ist kaum möglich; auf diese Frage ist die berechtigte Antwort, daß die Ursachen auch Ähnlichkeit besitzen; und wenn wir nicht zufrieden sind, die erste und höchste Ursache Gott oder Gottheit zu nennen, sondern Mannigfaltigkeit des Ausdrucks wünschen, wie sollten wir sie nennen als Geist oder Gedanke, womit erhebliche Ähnlichkeit zu haben von ihr mit Recht angenommen wird?

Alle Menschen von gesundem Verstand finden an Wortstreit, der in philosophischen und theologischen Untersuchungen so häufig ist, keinen Geschmack; und es hat sich gezeigt, daß gegen diesen Mißbrauch die einzige Abhilfe aus klaren Definitionen, aus der Bestimmung der Vorstellungen, welche in eine Erörterung eingehen, und aus dem strengen und gleichmäßigen Gebrauch der angewendeten Bezeichnungen gewonnen werden muß. Es gibt jedoch eine Art von Streitfragen, welche infolge der Natur der Sprache und der menschlichen Vorstellungen, beständig in Zweideutigkeit verwickelt sind und durch keine Vorsichtsmaßregeln oder Definitionen zu vernünftiger Sicherheit und Bestimmtheit gebracht werden können. Es sind dies die Streitfragen betreffend die Grade einer Eigenschaft oder eines Umstandes. Man mag in alle Ewigkeit darüber disputieren, ob Hannibal ein großer oder ein sehr großer oder ein im höchsten Maß großer Mann war, welchen Grad von Schönheit Kleopatra besaß, auf welches Ehrenprädikat Livius oder Thukydides Anspruch hat, ohne jemals den Streit zu einer Entscheidung zu bringen. Die Beteiligten können hier in ihrer Meinung übereinstimmen und im Ausdruck sich unterscheiden oder umgekehrt, ohne jemals ihre Ausdrücke definieren zu können, um auf den Sinn des andern einzugehen: aus dem Grunde, weil die Grade dieser Qualitäten nicht wie Quantität oder Zahl einer genauen Messung fähig sind, welche den festen Punkt in der Streitfrage bilde. Daß der Streit bezüglich des Theismus von dieser Art und folglich lediglich verbaler Natur, oder sogar, wenn möglich, noch in unheilbare Zweideutigkeit verwickelt ist, leuchtet der oberflächlichsten Untersuchung ein. Ich frage den Theisten, ob er nicht zugesteht, daß zwischen dem menschlichen und göttlichen Geist ein großer und unermeßlicher, weil unfaßbarer Unterschied ist? Je frömmer er ist, desto bereitwilliger wird er die Frage bejahen und den Unterschied zu vergrößern geneigt sein; er wird behaupten, der Unterschied sei von der Art, daß er nicht zu groß gedacht werden könne. Ich wende mich dann zu dem Atheisten, der, wie ich überzeugt bin, es bloß dem Namen nach, nicht in Ernst und Wahrheit, ist; ich frage ihn, ob nicht aus der Einheit und dem offenbaren Zusammenstimmen aller Teile der Welt ein gewisser Grad von Ähnlichkeit zwischen allen Verfahrungsweisen der Natur in jeder Lage und zu jeder Zeit hervorgeht? ob nicht das Verfaulen einer Rübe, die Erzeugung eines Tieres und die Struktur des menschlichen Denkens Tätigkeiten sind, die miteinander nach allem Anschein einige entfernte Ähnlichkeit haben? Unmöglich kann er das leugnen; er wird es bereitwillig anerkennen. Nach diesem Zugeständnis dränge ich ihn noch weiter auf den Rückzug, und frage ihn, ob es nicht wahrscheinlich ist, daß das Prinzip, welches die Ordnung im Weltall zuerst errichtete und noch aufrecht erhält, nicht auch einige entfernte, unbestimmte Ähnlichkeit mit den andern Verfahrungsweisen der Natur, und im besonderen mit der Einrichtung eines menschlichen Geistes und Denkens habe? Wenn auch widerstrebend, muß er das zugestehen. Wo also, rufe ich den beiden Gegnern zu, ist der Gegenstand eures Streits? Der Atheist gesteht zu, daß die ursprüngliche Intelligenz sehr verschieden von menschlicher Vernunft ist, der Theist gesteht zu, daß das ursprüngliche Prinzip der Ordnung einige entfernte Ähnlichkeit damit hat. Wollt ihr, meine Herren, über die Grade streiten und in eine Erörterung eintreten, welche keinen bestimmten Sinn und also keine Entscheidung zuläßt? Wenn ihr so hartnäckig sein wolltet, würde ich mich nicht wundern, wenn ich fände, daß ihr unvermerkt die Plätze vertauscht hättet, indem der Theist seinerseits die Unähnlichkeit zwischen dem höchsten Wesen und schwachen, unvollkommenen, wandelbaren, sterblichen Geschöpfen, und der Atheist andererseits die Ähnlichkeit zwischen allen Verfahrungsweisen der Natur zu allen Zeiten und unter allen Umständen hervorhebt. Seht also zu, wo der wirkliche Streitpunkt liegt, und wenn ihr eure Erörterungen nicht beiseite legen mögt, so bestrebt euch wenigstens, eure Heftigkeit abzulegen.

Und hier muß ich ferner anerkennen, Cleanthes, daß, da die Werke der Natur viel größere Ähnlichkeit mit den Wirkungen unserer Kunst und Erfindung als mit denen unseres Wohlwollens und unserer Gerechtigkeit haben, wir zu der Forderung Grund haben, daß die natürlichen Eigenschaften der Gottheit größere Ähnlichkeit mit denen des Menschen haben, als ihre moralischen mit menschlichen Tugenden. Aber was folgt daraus? Nichts anderes als dies, daß die moralischen Eigenschaften des Menschen in ihrer Art unvollkommener sind, als seine natürlichen Fähigkeiten. Denn da das höchste Wesen zugestandenermaßen absolut vollkommen ist, so weicht, was am meisten von ihm sich unterscheidet, am meisten von dem letzten Maßstab der Gerechtigkeit und Vollkommenheit ab. Es scheint offenbar, daß der Streit zwischen den Skeptikern und Dogmatikern gänzlich verbaler Natur ist oder doch nur die Grade von Zweifel und Überzeugtheit betrifft, die wir allen Schlüssen entgegenbringen sollten; und solcher Streit ist gewöhnlich im Grunde verbal und läßt eine bestimmte Entscheidung nicht zu. Kein philosophischer Dogmatiker leugnet, daß Schwierigkeiten vorhanden sind, sowohl mit Bezug auf die Sinne, als auf alle Wissenschaften, und daß diese Schwierigkeiten in regulärer logischer Methode völlig unlösbar sind. Kein Skeptiker leugnet, daß eine absolute Notwendigkeit, trotz dieser Schwierigkeiten, uns zwingt, zu denken, zu glauben, zu schließen in allen Arten von Sachen und oft mit Zuversicht und Gewißheit uns für eine Ansicht zu entscheiden. Der einzige Unterschied zwischen diesen Sekten, wenn sie den Namen verdienen, ist also der, daß der Skeptiker aus Gewohnheit, Willkür oder Neigung auf die Schwierigkeiten, der Dogmatiker, aus gleichen Ursachen, auf die Notwendigkeit mehr Gewicht legt.

Das sind, Cleanthes, meine ungefärbten Überzeugungen in dieser Sache, und diese Überzeugungen, wißt Ihr, habe ich stets mit Eifer festgehalten. Aber meiner Verehrung für wahre Religion entspricht mein Abscheu vor dem Aberglauben der Masse und ich folge, ich gestehe es, einer besonderen Neigung, wenn ich die Grundsätze des letzteren, sei es zur Absurdität oder zur Gottlosigkeit, überführen kann. Und Ihr verhehlt Euch nicht, daß alle Frömmler, trotz ihrer viel größeren Abneigung gegen die letztere als gegen die erstere, in der Regel sich beider gleich sehr schuldig machen.

Meine Neigung, erwiderte Cleanthes, liegt auf der andern Seite. Religion, wie verderbt immer, ist besser als gar keine Religion. Die Lehre von einem zukünftigen Dasein ist für die Moral eine so starke und notwendige Sicherung, daß wir sie nie verlassen oder vernachlässigen sollten. Denn wenn endliche und zeitliche Belohnungen und Strafen so große Wirkung haben, als wir täglich sehen, wieviel größere müssen wir von unendlichen und ewigen erwarten?

Wenn der Aberglaube der Menge, sagte Philo, für die Gesellschaft so heilsam ist, wie kommt es denn, daß alle Geschichte voll ist von Berichten über seine verderblichen Folgen für die öffentlichen Angelegenheiten? Parteiungen, Bürgerkriege, Verfolgungen, Umsturz von Regierungen, Unterdrückung, Sklaverei, dies sind die unglückseligen Folgen, welche sein Vorwiegen im menschlichen Geiste stets begleiten. Wenn religiöser Geist in einer Geschichtserzählung erwähnt wird, so sind wir sicher, bald einem Detail von Elend zu begegnen, das ihn begleitete. Und keine Zeit kann glücklicher oder gedeihlicher sein als die, worin er nicht in Betracht kommt oder wo gar nicht von ihm gehört wird.

Der Grund dieser Wahrnehmung liegt auf der Hand, sagte Cleanthes. Die der Religion eigene Aufgabe ist, das Herz der Menschen zu leiten, sein Verhalten menschlich zu machen, den Geist der Mäßigung, Ordnung und des Gehorsams einzuflößen; und da ihre Wirksamkeit ohne Aufheben geschieht, und bloß die Antriebe der Sittlichkeit und Gerechtigkeit verstärkt, so ist sie in Gefahr übersehen und mit den anderen Antrieben vermischt zu werden. Wenn sie sich loslöst, und als ein selbständiges Prinzip auf die Menschen wirkt, so hat sie die ihr eigene Sphäre verlassen und ist ein Deckmantel für Parteiung und Ehrgeiz geworden.

Und das ist mit aller Religion, mit Ausnahme der philosophischen und rationellen der Fall, sagte Philo. Eure Schlüsse lassen sich leichter abweisen als meine Tatsachen. Die Folgerung ist nicht richtig, daß, weil endliche und zeitliche Belohnungen und Strafen so großen Einfluß haben, deshalb unendliche und ewige um so viel größeren haben müssen. Achtet, ich bitte Euch, auf die Hingebung, welche wir für gegenwärtige Dinge haben und die geringe Rücksicht, welche wir für so entfernte und ungewisse Dinge zeigen. Wenn Geistliche gegen das gewöhnliche Treiben der Welt eifern, so stellen sie stets dieses Prinzip als das stärkste dar, das wir uns einbilden können (und das ist es in der Tat); nach ihrer Beschreibung erliegt fast die ganze Menschheit seinem Einfluß und ist in die tiefste, stumpfsinnigste Mißachtung gegen religiöse Interessen gesunken. Diese selben Geistlichen, wenn sie ihre spekulativen Gegner widerlegen, legen den Antrieben der Religion so große Macht bei, daß es der bürgerlichen Gesellschaft unmöglich sein soll ohne sie zu bestehen; und sie schämen sich dieses greifbaren Widerspruchs nicht. Es ist durch Erfahrung gewiß, daß das kleinste Körnchen von natürlichem Anstand und Wohlwollen mehr Einfluß auf den Wandel des Menschen hat, als die großartigsten Aussichten, welche theologische Theorien und Systeme bieten. Die natürliche Neigung eines Menschen wirkt beständig auf ihn, sie ist seinem Geist stets gegenwärtig und mischt sich in jede Ansicht und Überlegung; wogegen religiöse Antriebe, wenn sie überhaupt wirksam sind, stoßweise und zeitweilig wirken, und es ist fast unmöglich, daß sie habituell im Geiste werden. Die Kraft der größten Schwere ist nach den Philosophen unendlich klein im Vergleich zu der des geringsten Stoßes; dennoch ist gewiß, daß die kleinste Schwere am Ende starken Stoß überwiegt, weil kein Stoß mit solcher Beständigkeit wiederholt werden kann als Anziehung und Schwere.

Ein anderer Vorteil der Neigung: sie hat auf ihrer Seite allen Witz und Scharfsinn des Geistes, und bedient sich, wenn sie in Gegensatz zu religiösen Prinzipien steht, jeder Art und Kunst sie zu eludieren, worin sie fast stets erfolgreich ist. Wer kann das Herz des Menschen erklären oder für diese wunderlichen Ausreden und Entschuldigungen Rechenschaft geben, womit man sich zufrieden gibt, wenn man seinen Neigungen im Gegensatz zu seiner religiösen Pflicht folgt? Das weiß alle Welt und nur Narren trauen einem Manne weniger, wenn sie hören, daß er infolge von philosophischen Studien theoretische Bedenken mit Bezug auf theologische Gegenstände unterhält. Und wenn wir mit einem Mann zu tun haben, der von seiner Religion und Frömmigkeit viel Aufhebens macht, hat dies einen andern Einfluß auf viele, die für verständige Leute gelten, als sie behutsam gegen Betrug und Täuschung zu machen?

Ferner müssen wir bedenken, daß Philosophen, die Vernunft und Nachdenken pflegen, solcher Motive weniger bedürfen, um in den Schranken der Moral zu bleiben, und daß die Menge, welche allein ihrer bedarf, gänzlich unzugänglich für eine so reine Religion ist, nach deren Darstellung die Gottheit allein an einem tugendhaften Wandel Wohlgefallen hat. Gewöhnlich wird angenommen, daß man sich der Gottheit empfiehlt entweder durch Beobachtung nichtiger Bräuche oder durch ekstatische Verzückungen oder durch frömmelnde Gläubigkeit. Wir brauchen nicht in ferne Vorzeit oder entlegene Gegenden zu gehen, um Beispiele dieser Entartung zu finden. Unter uns selbst haben sich welche der Roheit, die ägyptischem und griechischem Aberglauben fremd war, schuldig gemacht, in ausdrücklichen Worten gegen Moralität zu eifern und sie als sicheres Verscherzen der göttlichen Gnade darzustellen, falls man die geringste Zuversicht oder Hoffnung darauf setze.

Aber selbst, wenn Aberglaube oder Schwärmerei sich nicht in unmittelbaren Gegensatz gegen Moralität setzt, so muß schon die bloße Zerstreuung der Aufmerksamkeit, die Aufrichtung einer neuen und nichtigen Art von Verdienst, die verkehrte Verteilung von Lob und Tadel die verderblichsten Folgen haben und die Folgsamkeit des Menschen gegen die natürlichen Antriebe der Gerechtigkeit und Menschlichkeit aufs äußerste schwächen.

Ferner wirkt ein solches Prinzip des Handelns, da es nicht einer der gewöhnlichen Antriebe für menschliches Verhalten ist, bloß in Zwischenräumen auf das Gemüt und muß durch fortwährende Anstrengungen angeregt werden, um den frommen Eiferer mit seinem eigenen Betragen zufriedenzustellen und ihn zur Erfüllung seiner Andachtsgeschäfte anzuhalten. Viele religiösen Übungen werden mit anscheinender Inbrunst begangen, während die Gefühle des Herzens kalt und matt sind. Ein Habitus des Heuchelns wird allmählich herangebildet, und Betrug und Falschheit werden vorherrschendes Prinzip. Dies der Grund der gemeinen Wahrnehmung, daß höchster Eifer in Religion und tiefste Heuchelei, weit entfernt unverträglich zu sein, oft oder gewöhnlich in demselben individuellen Charakter beisammen sind.

Es ist leicht die üblen Wirkungen eines solchen Habitus selbst im gemeinen Leben vorauszusehen; wo aber gar die Interessen der Religion in Betracht kommen, kann keine Moralität verbindlich genug sein, den schwärmerischen Eiferer zurückzuhalten. Die Heiligkeit der Sache rechtfertigt jedes Mittel, welches gebraucht werden kann, sie zu fördern.

Schon die stete Aufmerksamkeit auf ein so wichtiges Interesse als die ewige Seligkeit ist imstande, die wohlwollenden Affektionen auszulöschen und eine engherzige und beschränkte Selbstsucht zuwege zu bringen. Und wenn eine solche Gemütsbeschaffenheit ermuntert wird, macht sie mit Leichtigkeit alle allgemeinen Vorschriften von Liebe und Wohlwollen unwirksam.

Also die Antriebe des gewöhnlichen Aberglaubens haben keinen großen Einfluß auf das allgemeine Verhalten, und in den Fällen, wo sie überwiegenden Einfluß haben, ist ihre Wirksamkeit der Moralität nicht eben günstig.

Gibt es in der Politik einen sichereren und untrüglicheren Grundsatz als den, daß Anzahl und Autorität der Priester in sehr engen Grenzen zu halten sind, und daß die bürgerliche Obrigkeit ihre Rutenbündel und Beile so gefährlichen Händen stets fern halten sollte? Und doch, wenn der Geist volkstümlicher Religion für die Gesellschaft so heilsam wäre, müßte der entgegengesetzte Grundsatz gelten. Die größere Zahl der Priester und ihre größere Autorität und Reichtum wird stets den religiösen Geist stärken. Und da die Priester die Leitung dieses Geistes haben, wie sollten wir nicht eine höhere Heiligkeit des Lebens, größeres Wohlwollen und Mäßigung von Personen erwarten, die eigens für Religion da sind, die sie beständig anderen einprägen und die selbst einen größeren Anteil davon in sich aufnehmen müssen? Woher kommt es denn, daß tatsächlich das Höchste, was die weiseste Obrigkeit mit Bezug auf volkstümliche Religionen anordnen kann, ist, so viel als möglich ein sparsam zugelassenes Spiel aus ihnen zu machen und ihre verderblichen Folgen für die Gesellschaft zu verhindern? Jeder Weg, den sie zu diesem niedrigen Zwecke einschlägt, ist mit Unzuträglichkeiten umgeben. Wenn sie bloß eine Religion unter ihren Untertanen zuläßt, muß sie einer ungewissen Aussicht auf Ruhe jede Rücksicht auf öffentliche Freiheit, Wissenschaft, Vernunft, Industrie und selbst ihre eigene Unabhängigkeit opfern. Wenn sie verschiedenen Sekten Religionsfreiheit gibt, was das weisere Verfahren ist, so muß sie eine sehr philosophische Unparteilichkeit gegen alle beobachten und die Ansprüche der überwiegenden Seite sorgfältig in Zaum halten; sonst muß sie endloser Disputationen, Streitigkeiten, Faktionen, Verfolgungen und bürgerlicher Unruhen gewärtig sein.

Wahre Religion, ich gestehe es, hat nicht solche verderbliche Folgen; aber wir müssen von der Religion handeln, wie sie gewöhnlich in der Welt gefunden wird; und ich habe nichts zu tun mit der spekulativen Ansicht des Theismus, die, da sie eine Richtung in der Philosophie ist, an dem wohltätigen Einfluß dieses Prinzips teil haben und zugleich dem gleichen Nachteil ausgesetzt sein muß, nämlich stets auf sehr wenige Personen eingeschränkt zu sein.

Eide sind erforderlich bei jedem Gerichtshof; aber es ist eine Frage, ob ihr Ansehen aus einer volkstümlichen Religion entspringt. Es ist die Feierlichkeit und Bedeutung der Gelegenheit, die Rücksicht auf bürgerliche Ehre und der Gedanke an die allgemeinen Interessen der Gesellschaft, welche den Menschen hauptsächlich in Schranken halten. Zollhauseide und politische Eide werden selbst von manchen, die auf Gewissenhaftigkeit und Religion Anspruch machen, wenig geachtet; und die Versicherung eines Quäkers wird bei uns mit Recht auf gleichem Fuß mit dem Eide anderer Personen behandelt. Ich weiß, daß Polybios Lib. VI., cap. 54. den schlimmen Ruf der griechischen Treue dem Vorwiegen der Epikureischen Philosophie zuschreibt; aber ich weiß auch, daß punische Treue im Altertum ebenso schlimmen Ruf hatte als irische Aussage in der Neuzeit, obwohl wir für diese gemeinen Beobachtungen nicht denselben Grund angeben können. Nicht zu gedenken, daß griechische Treue vor dem Aufkommen der Epikureischen Philosophie berüchtigt war; und Euripides Iphigenia in Tauride. hat in einer Stelle, die ich Euch anzeigen will, mit Bezug auf diesen Umstand, seinem Volke einen bemerkenswerten satirischen Hieb gegeben.

Gebt acht, Philo, erwiderte Cleanthes, gebt acht; geht nicht zu weit; laßt Euren Eifer gegen falsche Religion Eure Verehrung für die wahre nicht untergraben. Laßt nicht dies Prinzip fahren, den hauptsächlichsten, den einzigen großen Trost im Leben, und unsere wichtigste Stütze bei allen Angriffen eines widrigen Schicksals. Die erhabenste Betrachtung, welche menschliches Vorstellungsvermögen an die Hand geben kann, ist die des wahren Theismus, der uns als Geschöpfe eines vollkommen guten, weisen und mächtigen Wesens ansehen lehrt, das uns für das Glück erschuf und das, unermeßliches Verlangen des Guten uns einpflanzend, unser Dasein in Ewigkeit erhalten und uns in eine unendliche Mannigfaltigkeit von Situationen führen will, um diesem Verlangen zu genügen und unsere Glückseligkeit vollkommen und dauernd zu machen. Nächst diesem Wesen selbst (wenn der Vergleich gestattet ist) ist das glücklichste Los, das wir vorstellen können, unter seiner Obhut und seinem Schutz zu stehen.

Diese Vorstellungen, sagte Philo, sind sehr ansprechend und verführerisch, und mit Hinsicht auf die wahre Philosophie sind sie mehr als bloße Vorstellungen. Aber es geschieht hier, wie in dem früheren Fall: für den größeren Teil der Menschheit sind die Vorstellungen betrüglich und die Schrecken der Religion überwiegen meistens ihre Tröstungen.

Zugestandenermaßen nehmen die Menschen nie leichter ihre Zuflucht zu religiösen Übungen, als wenn sie von Kummer gedrückt, von Krankheit niedergeworfen sind. Ist das nicht ein Beweis, daß der religiöse Geist nicht in so naher Beziehung zu Freude als zu Trauer steht?

Aber die Menschen, erwiderte Cleanthes, finden Trost in der Religion, wenn sie betrübt sind. Zuweilen, sagte Philo; aber es liegt nahe sich vorzustellen, daß sie von diesem unbekannten Wesen sich eine Vorstellung machen, die der gegenwärtigen trüben und düsteren Stimmung des Gemüts entspricht, in der sie sich zu ihrer Betrachtung wenden. Demgemäß finden wir, daß schreckhafte Bildungen in allen Religionen vorwiegen, und wir selbst fallen, nachdem wir in den erhabensten Ausdrücken eine Beschreibung der Gottheit gegeben haben, in den plattesten Widerspruch, wenn wir die Zahl der Verdammten als unendlich die Zahl der Erwählten übersteigend angeben.

Ich wage zu behaupten, daß es nie eine volkstümliche Religion gegeben hat, welche den Zustand der abgeschiedenen Seelen in einem Licht darstellte, das es dem Menschen begehrenswert erscheinen ließe, daß es einen solchen Zustand gäbe. Diese feinen Muster von Religionen gehören der Philosophie an. Denn zwischen dem Auge und der Aussicht auf die Zukunft liegt der Tod, und dieser ist für die Natur so schreckhaft, daß er sein Düster auf alle Gegenden wirft, welche hinter ihm liegen und der Allgemeinheit der Menschen die Vorstellungen eines Cerberus und der Furien, von Teufeln in Strömen von Feuer und Schwefel eingibt.

Es ist wahr, beide, Furcht und Hoffnung, gehen in die Religion ein, weil beide Affekte zu verschiedener Zeit den menschlichen Geist bewegen und jeder von ihnen bildet eine Form der Gottheit, wie sie ihm entspricht. Aber wenn jemand in froher Stimmung ist, ist er für Geschäft oder Gesellschaft oder Unterhaltung irgendwelcher Art aufgelegt, und hält sich an diese und denkt nicht an Religion. Ist er trübsinnig und niedergeschlagen, dann hat er nichts zu tun als über die Schrecken der unsichtbaren Welt zu brüten und sich immer tiefer in Trübsinn hineinzuarbeiten. Es mag in der Tat vorkommen, daß, nachdem er in dieser Weise die religiösen Ansichten tief in seine Gedanken und Einbildungen eingeprägt hat, ein Wechsel in seinem Befinden oder seinen Umständen eintritt, der seine Laune wiederherstellt und frohe Bilder der Zukunft ihm vorführend ihn in das andere Extrem von Freude und Zuversicht leitet. Aber doch ist anzuerkennen, daß Schrecken, das primäre Prinzip der Religion, der Affekt ist, der stets in ihr vorwiegt und bloß kurze Zwischenräume der Lust zuläßt.

Nicht zu gedenken, daß diese Paroxysmen von ausgelassener enthusiastischer Freude, indem sie das Gemüt erschöpfen, gleichen Paroxysmen abergläubischer Schrecken und Verzweiflung den Weg bereiten; es gibt keinen so glücklichen Zustand des Geistes als Ruhe und Gleichmut. Aber diesen Zustand ist es unmöglich zu erhalten, wenn man sich vorstellt, daß man in so tiefer und dunkler Ungewißheit zwischen ewigem Glück und ewigem Elend schwebt. Kein Wunder, daß diese Meinung die geordnete Haltung des Geistes stört und ihn in die äußerste Verwirrung bringt. Und obwohl diese Meinung in ihrer Wirkung selten so stetig ist, daß sie alle Handlungen beeinflußt, so ist sie doch geeignet, eine erhebliche Spaltung in das Gemütsleben zu bringen und jene düstere und trübe Stimmung zu erzeugen, welche in allen Frommen so bemerkbar ist.

Es ist dem gesunden Verstande entgegen, auf Grund irgendeiner Meinung Furcht oder Besorgnis zu hegen oder vorzustellen, daß wir durch den freiesten Gebrauch unserer Vernunft Gefahr liefen mit Bezug auf das Jenseits. Eine solche Ansicht schließt zugleich eine Absurdität und einen Widerspruch ein. Es ist eine Absurdität zu glauben, daß die Gottheit menschliche Affekte hat und dazu einen der niedrigsten menschlichen Affekte, ein rastloses Verlangen nach Beifall. Es ist ein Widerspruch zu glauben, daß, wenn die Gottheit einmal diesen menschlichen Affekt hat, sie nicht auch andere hat: im besonderen Gleichgültigkeit gegen die Meinungen von so tief unter ihr stehenden Geschöpfen.

»Gott erkennen«, sagt Seneca, »heißt ihn verehren.« In der Tat, alle andere Verehrung ist absurd, abergläubisch, ja gottlos. Es erniedrigt ihn zur Tiefe menschlicher Empfindungsweise, welche Vergnügen daran hat, sich bitten, anflehen, beschenken, schmeicheln zu lassen. Und diese Gottlosigkeit ist noch die kleinste, deren der Aberglaube sich schuldig macht. In der Regel erniedrigt er die Gottheit tief unter den Menschen und stellt sie dar als einen launischen Dämon, der seine Macht ohne Vernunft und ohne Menschlichkeit übt. Und wäre dies göttliche Wesen angelegt, durch die Laster und Torheiten armer Sterblicher, die sein eigenes Werk sind, beleidigt zu werden, so würde es fürwahr übel stehen um die Anhänger der meisten volkstümlichen Superstitionen. Seine Gnade würde vom ganzen Menschengeschlecht niemand verdienen außer einigen wenigen, den philosophischen Theisten die angemessene Vorstellungen, von seinen göttlichen Vollkommenheiten hegen oder besser, zu hegen bestrebt sind; und die einzigen Personen, die auf sein Mitleid und seine Nachsicht Anspruch hätten, würden die philosophischen Skeptiker sein, eine beinahe ebenso seltene Sekte, die infolge eines natürlichen Mißtrauens in ihre Fähigkeiten, ihr Urteil über so erhabene und außerordentliche Dinge suspendieren oder zu suspendieren bestrebt sind.

Wenn die ganze natürliche Theologie, wie einige zu behaupten scheinen, auf den einen einfachen, wenngleich etwas zweideutigen, wenigstens unbestimmten Satz zurückkommt: »daß die Ursache oder Ursachen der Ordnung im Weltall anscheinend einige entfernte Ähnlichkeit mit menschlicher Intelligenz haben«; wenn dieser Satz der Erweiterung, Umbildung und spezielleren Ausführung nicht fähig ist, wenn sich keine Folgerungen daraus ziehen lassen, die das menschliche Leben angehen, oder die Quelle einer Handlung oder Unterlassung sein können; und wenn die Ähnlichkeit, unvollkommen wie sie ist, nicht über die menschliche Intelligenz hinaus mit einigem Anschein von Wahrscheinlichkeit auf die anderen Eigenschaften des Geistes ausgedehnt werden kann: wenn dies wirklich der Fall ist, was kann der forschende, denkende und religiöse Mann mehr tun, als dem Satz, so oft er ihm vorkommt, einfache philosophische Zustimmung geben und glauben, daß die Argumente, worauf er errichtet ist, die Einwendungen überwiegen, welche gegen ihn sprechen? Einiges Erstaunen wird freilich entspringen aus der Größe des Gegenstandes, einige Betrübnis aus seiner Dunkelheit, einige Verachtung menschlicher Vernunft aus der Tatsache, daß sie mit Bezug auf eine so bedeutende und große Frage nicht eine befriedigende Antwort zu geben vermag. Aber glaubt mir, Cleanthes, das natürlichste Gefühl, das ein wohlgestimmtes Gemüt bei dieser Gelegenheit empfinden wird, ist ein sehnsüchtiges Verlangen und Hoffen, daß es dem Himmel gefallen möge, diese tiefe Dunkelheit zu zerstreuen oder doch zu lichten, indem er dem Menschen einige detailliertere Offenbarung zukommen lasse und Enthüllungen über die Natur, Eigenschaften und Tätigkeiten des göttlichen Gegenstandes des Glaubens mache. Ein Mann, der eine richtige Empfindung der Unvollkommenheiten der natürlichen Vernunft hat, wird mit der größten Begierde der offenbarten Wahrheit sich in die Arme werfen, während der hochmütige Dogmatiker, überzeugt, daß er ein vollkommenes System der Theologie durch bloße Hilfe der Philosophie errichten kann, weitere Hilfsmittel verachtet und diesen dazukommenden Lehrer verwirft. Philosophischer Skeptiker zu sein ist an einem Gelehrten der erste und wesentliche Schritt zu einem gesunden gläubigen Christen; ein Satz, den ich der Aufmerksamkeit des Pamphilus empfohlen zu haben wünschte. Und ich hoffe, Cleanthes wird mir verzeihen, daß ich mich soweit in die Erziehung und den Unterricht seines Zöglings einmische.

Cleanthes und Philo führten diese Unterredung nicht lange weiter. Wie niemals etwas größeren Eindruck auf mich machte als alle die Erörterungen dieses Tages, so gestehe ich, daß ich auf ernstliche Überlegung des Ganzen nicht umhin kann zu denken, daß Philos Grundsätze wahrscheinlicher sind als Demeas, aber daß die des Cleanthes sich der Wahrheit noch mehr nähern.

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