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Um aber noch weitere Unzuträglichkeiten in Eurem Anthropomorphismus aufzuzeigen, fuhr Philo fort, wollen wir Eure Prinzipien nochmals überblicken. Gleiche Wirkungen beweisen gleiche Ursachen. Dies ist die Maxime aller erfahrungsmäßigen Beweise; und dazu, wie Ihr sagt, der theologischen. Nun ist gewiß, je gleicher die beobachteten Wirkungen und je gleicher die gefolgerten Ursachen, desto stärker ist der Beweis. Jede Abweichung auf einer Seite vermindert die Wahrscheinlichkeit und macht den Beweis weniger schlußkräftig. Ihr könnt nicht zweifeln an dem Prinzip; Ihr dürft auch die Folgen nicht verwerfen.
Alle neuen astronomischen Entdeckungen, welche die unendliche Größe und Erhabenheit der Werke der Natur beweisen, sind, nach dem wahren System des Theismus, so viel fernere Beweise für eine Gottheit; aber nach Eurer Hypothese eines erfahrungsmäßigen Theismus sind es ebenso viele Einwendungen, indem sie die Wirkung noch weiter von aller Ähnlichkeit mit den Wirkungen menschlicher Kunst und Erfindung entfernen. Denn wenn Lucretius, der noch dem alten Weltsystem folgt, ausrufen konnte:
Quis regere immensi summam, quis habere profundi
Indu manu validas potis est moderanter habenas?
Quis pariter coelos omnes convertere? et omnes
Ignibus aetheriis terras suffire feraces?
Omnibus inque locis esse omni tempore praesto?
De natura rerum II., 1094 ff.
Wer kann lenken das All, das unendliche, halten die mächtgen
Zügel in leitender Hand, mit welchen die Tiefe beherrscht wird?
Wer imgleichen kann alle die Himmel umwälzen im Kreislauf?
Wer mit ätherischem Feuer die fruchtbaren Erden erwärmen?
Wessen Gegenwart füllt das All der Räume und Zeiten?
wenn Tullius diese Folgerung für so natürlich hielt, daß er sie seinem Epikureer in den Mund legt:
Quibus enim oculis animi intueri potuit vester Plato fabricam illam tanti operis, qua construi a Deo atque aedificari mundum facit? quae molitio? quae ferramenta? qui vectes? quae machinae? qui ministri tanti muneris fuerunt? quemadmodum autem obedire et parere voluntati architecti aër, ignis, aqua, terra potuerunt? Cicero, de nat Deor. I. 8, 19. Mit welchen Augen des Geistes konnte Euer Platon jene künstliche Veranstaltung des großen Werkes sehen, wodurch er die Welt von Gott gegründet und auferbaut werden läßt? Wo ist die Zurüstung? Wo die Werkzeuge? die Hebel? wer waren die Gehilfen bei so großem Werk? Wie konnten Luft, Feuer, Wasser und Erde dem Willen des Baumeisters gehorsam folgen? wenn dies Argument, sage ich, in früheren Zeitaltern einige Kraft hatte, um wieviel größer muß dieselbe jetzt sein, wo die Grenzen der Natur so unendlich erweitert, ein so großartiges Schauspiel vor uns aufgetan ist? Es ist noch weniger vernunftgemäß, unsere Vorstellung von einer so unendlichen Ursache nach der Erfahrung der kleinen Erzeugnisse menschlicher Absicht und Erfindung zu bilden.
Die Entdeckungen durch das Mikroskop, die uns ein neues Universum im kleinen eröffnen, sind fernere Einwendungen, nämlich für Euch; für mich Beweise. Je weiter wir diese Untersuchungen dieser Art bringen, desto mehr sind wir zu der Folgerung angeleitet, daß die allgemeine Ursache aller Dinge überaus verschieden vom Menschen oder von irgendeinem Gegenstand menschlicher Erfahrung und Beobachtung ist.
Und was sagt Ihr zu den Entdeckungen in der Anatomie, Chemie und Botanik? – Sicherlich sind diese keine Einwendungen, erwiderte Cleanthes; sie enthüllen uns lediglich neue Fälle von Kunst und planvoller Anlage. Es ist das Bild des Geistes, das uns von unzähligen Gegenständen zurückgeworfen wird. – Fügt hinzu: eines dem menschlichen ähnlichen Geistes, sagte Philo. – Ich kenne keinen andern, erwiderte Cleanthes. – Und je ähnlicher desto besser, drängte Philo. – Gewiß, sagte Cleanthes.
Nun, Cleanthes, sagte Philo mit lebhafter und triumphierender Miene, gebt acht auf die Folgen. Erstlich, durch diese Folgerungsweise verzichtet Ihr auf die Unendlichkeit jeder göttlichen Eigenschaft. Denn da die Ursache nur der Wirkung angemessen sein darf, und da die Wirkung, soweit sie zu unserer Kenntnis kommt, nicht unendlich ist, welches Recht haben wir, nach Euren Voraussetzungen, diese Eigenschaft dem göttlichen Wesen beizulegen? Ihr werdet vielmehr darauf bestehen, daß, indem wir ihn so sehr von aller Ähnlichkeit mit menschlichen Geschöpfen entfernen, wir in die allerwillkürlichsten Hypothesen geraten und zugleich alle Beweise für sein Dasein schwächen.
Zweitens, Ihr habt bei Eurer Theorie keinen Grund, der Gottheit Vollkommenheit zuzuschreiben, selbst nicht in ihrer endlichen Macht, oder sie für frei von Irrtum, Mißgriff und Inkonsequenz in ihren Unternehmungen zu halten. Es gibt in den Werken der Natur manche unerklärliche Schwierigkeiten, welche, wenn wir die Vollkommenheit des Urhebers als a priori bewiesen zulassen, leicht zu lösen sind und zu bloß scheinbaren Schwierigkeiten werden, entspringend aus der engbegrenzten menschlichen Fähigkeit, welche unendliche Beziehungen nicht bis zu Ende verfolgen kann. Aber für Eure Folgerungsweise werden dies alles wirkliche Schwierigkeiten und man könnte sie als neue Züge der Ähnlichkeit mit menschlicher Kunst und Erfindung ausbeuten. Wenigstens müßt Ihr anerkennen, daß wir von unserm beschränkten Gesichtspunkte aus unmöglich sagen können, ob dies System, verglichen mit andern möglichen oder auch wirklichen Systemen, große Fehler enthält oder irgend erhebliches Lob verdient. Könnte ein Bauer, dem die Äneide vorgelesen wird, urteilen, daß dies Gedicht absolut fehlerfrei sei oder ihm auch nur den ihm zukommenden Rang unter den Erzeugnissen menschlichen Geistes anweisen, er, der kein anderes Erzeugnis dieses Geistes gesehen hat?
Wenn aber auch diese Welt ein noch so vollkommenes Erzeugnis wäre, müßte es doch unsicher bleiben, ob alle diese Vorzüge des Werkes dem Werkmeister mit Recht zugeschrieben werden können. Wenn wir ein Schiff betrachten, was für eine übertriebene Vorstellung müßten wir uns von der Erfindungsgabe des Zimmermanns machen, der eine so zusammengesetzte, nützliche und schöne Maschine bildete. Und welches Erstaunen müßten wir empfinden, wenn wir in ihm einen stumpfsinnigen Handwerker fänden, der andere nachahmte und eine Kunst kopierte, welche in einer langen Reihe von Zeiträumen nach vielen Versuchen, Mißgriffen, Verbesserungen, Überlegungen und Meinungsverschiedenheiten allmählich es zu einiger Vollkommenheit gebracht hat? Viele Welten mögen während einer Ewigkeit verpfuscht sein, ehe dies System gelang, viele Arbeit mag verloren, viele vergebliche Versuche angestellt, und ein langsamer aber fortwährender Fortschritt in der Weltanfertigungskunst während unendlicher Zeiträume gemacht sein. Wer will in solcher Sache entscheiden, wo unter einer großen Zahl von Hypothesen, die man vorbringen und einer größeren Zahl, die man in der Einbildung konzipieren mag, die Wahrheit, oder auch nur vermuten, wo die Wahrscheinlichkeit liegt?
Und welchen Schatten von Beweis, fuhr Philo fort, könnt Ihr von Eurer Annahme her für die Einheit Gottes beibringen? Eine große Anzahl Menschen vereinigen sich zur Erbauung eines Hauses oder Schiffes, zur Gründung einer Stadt oder zur Bildung eines Staates; warum sollten nicht verschiedene Gottheiten sich zur Erfindung und Bildung einer Welt verbinden? Das wäre bloß um so größere Ähnlichkeit mit menschlichen Dingen. Indem wir das Werk unter eine Anzahl verteilen, können wir die Eigenschaften jedes einzelnen um so mehr einschränken, und jene außerordentliche Kraft und Einsicht los werden, welche in einer einzigen Gottheit vorausgesetzt werden müßte, und welche, nach Euch, allein dazu dienen kann, den Beweis ihrer Existenz zu schwächen. Und wenn so törichte, so lasterhafte Geschöpfe, wie der Mensch, sich oft zur Bildung und Ausführung eines Planes vereinigen können, um wieviel mehr jene Gottheiten oder Götter, welche wir für viel vollkommener ansehen mögen?
Ursachen ohne Not zu vermehren ist allerdings der wahren Philosophie entgegen; aber dies Prinzip hat auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. Wenn von vornherein durch Eure Theorie der Beweis für eine Gottheit, die mit jeder zur Schöpfung des Universums erforderlichen Eigenschaft ausgestattet ist, erbracht wäre, so würde es, ich gestehe, unnütz (wenn auch nicht absurd) sein, eine weitere Gottheit anzunehmen. Aber so lange es noch die Frage ist, ob alle diese Eigenschaften in einem Subjekt vereinigt oder unter verschiedene unabhängige Wesen verteilt sind, auf Grund welcher Erscheinungen in der Natur können wir uns herausnehmen, die Streitfrage zu entscheiden? Wo wir in einer Wagschale einen Körper steigen sehen, sind wir sicher, daß in der entgegengesetzten Wagschale, wie verborgen es unserm Auge sein mag, ein gleiches Gegengewicht wirkt; aber es bleibt zweifelhaft, ob dies Gewicht eine Menge von unterschiedenen Körpern oder eine einzige einheitliche Masse ist. Und wenn das erforderliche Gewicht alles übersteigt, was wir je in einem Körper vereinigt gesehen haben, so wird erstere Annahme wahrscheinlicher und natürlicher. Ein intelligentes Wesen von so ungeheurer Macht und Fähigkeit, als zur Hervorbringung des Universums notwendig ist, oder, in der Sprache der alten Philosophie, ein so wunderbares Lebewesen geht über alle Analogie und sogar über alle Begriffe hinaus.
Und ferner, Cleanthes, Menschen sind sterblich und erneuern ihre Art durch Zeugung, und das ist allen lebenden Geschöpfen gemeinsam. Die beiden großen Geschlechter von Mann und Weib, sagt Milton, beleben die Welt. Warum sollte dieser so allgemeine, so wesentliche Umstand von jenen zahlreichen und endlichen Gottheiten ausgeschlossen sein? Seht, die Theogonie alter Zeiten kehrt uns wieder.
Und warum nicht vollendeter Anthropomorphist werden? Warum nicht sagen, die Gottheit oder Gottheiten seien körperlich, haben Augen, Nase, Mund, Ohren usw.? Epikurus behauptet, daß niemand jemals Vernunft gesehen habe, außer in Menschengestalt. Und dies Argument, welches von Cicero mit Recht lächerlich gemacht ist, wird nach Euch gründlich und philosophisch.
Mit einem Wort, Cleanthes, wer Eurer Annahme folgt, ist vielleicht imstande zu versichern oder zu vermuten, daß das Universum einmal aus etwas einer Absicht Ähnlichem entsprang; aber über diese Annahme hinaus kann er nicht irgendeinen Umstand sicherstellen und hat nachher die Freiheit, jeden Punkt seiner Theologie durch die ausschweifendsten Hypothesen der Einbildungskraft zu bestimmen. Diese Welt mag, was seine Erkenntnis angeht, sehr fehlerhaft und unvollkommen sein, wenn man einen höheren Maßstab anlegt; sie war bloß der erste rohe Versuch einer kindlichen Gottheit, welche ihn nachher im Stich ließ, beschämt über ihr kümmerliches Machwerk; sie ist das Werk einer abhängigen, untergeordneten Gottheit und Gegenstand des Spottes höherer; sie ist das Erzeugnis des kindischen Greisenalters einer überlebten Gottheit und ist seit ihrem Tode durch den ersten Anstoß und die lebendige Kraft, welche sie von ihm empfing, aufs Geradewohl weiter gelaufen. Mit Recht äußert Ihr Zeichen des Entsetzens, Demea, über diese befremdlichen Unterstellungen; aber sie und tausend andere dieser Art sind des Cleanthes' Unterstellungen, nicht die meinigen. Von dem Augenblick an, wo man die Eigenschaften der Gottheit als begrenzte annimmt, sind sie alle möglich. Und ich meinesteils kann nicht glauben, daß ein so wildes und grundloses System der Theologie den Vorzug habe vor überhaupt gar keinem.
Ich erkenne diese Unterstellungen durchaus nicht an, rief Cleanthes; gleichwohl erfüllen sie mich nicht mit Entsetzen, besonders nicht in der ausschweifenden Form vorgebracht, in der sie von Euch hingeworfen werden. Im Gegenteil, sie machen mir Vergnügen, wenn ich sehe, daß Ihr, auch wenn Ihr Eurer Einbildung die Zügel schießen laßt, die Annahme von Absicht im Universum dennoch nicht loswerdet, sondern bei jeder Wendung darauf zurückzukommen genötigt seid. Auf diesem Zugeständnis beharre ich fest; ich betrachte es als eine hinlängliche Begründung der Religion.
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