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Es gibt eigentlich nur drei Elemente, nämlich Wasser, Feuer und Luft. Das Wasser ist räumlich und positiv, das Feuer geistig und negativ, die Luft seelisch verbindend. Das Feuer aber umgibt sich, um dem Leben zugänglich zu werden, mit einer Hülle von Erde und wird dadurch das Element des Menschen, in dessen Bewußtsein sich Positives und Negatives neutralisiert. So wenig wie Semele die Umarmung des Gottes in seiner göttlichen Majestät ertragen konnte, so wenig erträgt die Natur den absoluten Geist, das absolute Feuer, es erscheint nur verkleidet entweder in irdischer oder ätherischer Hülle.
Aus dem Wasser taucht das Leben und die Schönheit und betritt die Erde; von der Erde erhebt sich das Leben in die Luft. Es war eine ungeheuere Tat, daß das Tier seine vorderen Gliedmaßen in Flügel verwandelte und den Flug wagte, ein Vorspiel zum Menschwerden. Noch jetzt, während die Jungen der Wasser- und Erdtiere ohne weiteres schwimmen und laufen können, müssen die jungen Vögel zum Erlernen des Fliegens fast gezwungen werden; können sie es einmal, so erscheint uns zwar das Schweben in der Höhe müheloser und beseligender als das Schwimmen in der Feuchte und als das Schreiten auf der Feste.
Die Vögel unter den Menschen sind diejenigen, die, ganz bewußt geworden, die Erde verlassen und sich in das Reich des Geistes begeben; dies kann aber nicht in einem Male geschehen, sondern ihre Organe müssen sich den Bedingungen des neuen Elementes anpassen, und es kommt eine Zeit, wo dies noch nicht erreicht, den Bedingungen des Irdischen aber schon nicht mehr entsprochen wird, eine Zeit, wo der am höchsten entwickelte Mensch als der allerschwächste und untauglichste erscheint.
Die seltenste Erscheinung unter den Menschen ist eine vollendete Persönlichkeit. Normalerweise sollte die Persönlichkeit eine gesunde, starke Natur, die Wurzel, und einen reichen Intellekt, den Stamm, krönen; da sich aber eine Steigerung nach einer Seite meist auf eine Minderung nach der anderen Seite gründet, so fehlen der Persönlichkeit oft Wurzeln und Stamm, sie schwebt gewissermaßen in der Luft und wirkt unharmonisch.
Harmonische Entwicklung besteht darin, daß im gleichen Maße wie Unbewußtes bewußt wird, auch Bewußtes wieder unbewußt wird. Die in Geist verwandelte Natur muß ersetzt werden durch entsprechend viel in Natur zurückverwandelten, veredelten Geist oder: dem in Erfahrung verwandelten Instinkt entsprechend muß Erfahrung in Instinkt verwandelt werden. Auf diese Weise halten sich Natur und Geist stets im Gleichgewicht und bildet der Mensch einen ganzen Organismus, bestehend aus der Natur, ihrem Innern, dem Geist, und der beides verbindenden Seele. Wird aber fortwährend Natur in Geist verwandelt und nicht ersetzt, so bleibt zuletzt anstatt schönem, natürlich gewordenen Geist und veredelter Natur, nur denaturierter Geist und geistlose Natur, eigentlich ein Widerspruch in sich, ein Nichts, das als etwas Einseitiges für die Seele gar keine Verwendung mehr hat, also seelenlos ist. Solche Menschen, die keine Dreieinheit mehr bilden, sondern wesentlich denaturierter Geist sind, erscheinen am Ende einer Entwicklung, und man nennt sie dekadent. Sie sind der Abfall der auf Vergeistigung hinzielenden Naturentwicklung und entsprechen dem in Beginn einer Entwicklung auftretenden überpositiven, tierhaften Menschen. In rückläufigen Epochen tauchen sehr viele Persönlichkeiten auf, die nichts als Persönlichkeit sind, und deren Persönlichkeit deshalb wie eine Larve wirkt, seelenlos und lebensunfähig.
Der Stolz des persönlichen, abweichenden, sich als einzig empfindenden Menschen wirkt nur dann schön, wenn er sich sofort durch die Wirkung der Persönlichkeit als berechtigt ausweist; denn der persönliche Mensch wirkt nicht durch Leistungen oder Taten, sondern durch sich selbst. Darin liegt seine Gottähnlichkeit, daß er sich nicht handelnd und schaffend bestätigen muß, sondern daß er ist; aber er ist nur so viel, wieviel Natur er in Geist, wieviel Geist er in Natur verwandelt hat, und er ist nichts, was er nicht selbst darstellt.
Ist der schlechtbegründete Stolz einer Persönlichkeit lächerlich, so ist der gutbegründete gefährlich. Je gottähnlicher der Mensch ist, je weiter er sich von der Natur und den Menschen entfernt hat, desto mehr nähert er sich dem Abgrund, der die Menschheit von der Gottheit scheidet, und in welchen Luzifer stürzte. Die Erkenntnis, daß er nicht Gott gleich sein kann, muß den zu äußerster Negativität vorgedrungenen, titanischen Menschen wieder mit der Natur und den weniger vollendeten Menschen versöhnen.
Die Polarität alles Lebendigen, das Vergens ad bonum und Vergens ad malum, zeigt sich nirgends so schroff wie auf der höchsten Stufe der Entwicklung des Lebendigen; die Kehrseite des Geistvollen ist das Naturlose, d. h. die Entwicklung zum Bewußten geschieht auf Kosten des Unbewußten, der Gewinn an Geist gründet sich auf Verlust von Natur, welche doch die Grundlage des menschlichen Lebens ist. Dadurch, daß der Mensch seine Natur in Geist verwandelt hat, besitzt er sie wissend, ins Zentrum des Zentrums, in das Innerste des Inneren versetzt, in sein Ich. Durch dies Ich genießt er sich selbst und die Welt und macht sich zum Ebenbilde Gottes, aber nur auf Augenblicke; als räumlich-zeitliche Existenz ist er durch den Verlust an Natur mangelhaft und schwach. Er ist der Vogel, dessen Heimat die Luft geworden ist, der aber doch, als von der Erde ausgegangen, an die Erde gebunden ist und zu ihr zurückkehren muß, und der auf der Erde schwach, eine Beute der irdischen Gewalten ist.
Der zentrale Mensch, durch seine Persönlichkeit einzig, durch sein Selbstbewußtsein sich und die Welt umfassend, ist der Herr der Welt, in dem alles Erscheinen und Geschehen mündet und sich spiegelt, solange er nur erkennend, genießend, anregend sich verhält; er ist derjenige, dem die Götter alle unendlichen Wonnen und Qualen ganz geben, der seine Qualen nicht gegen das höchste Glück eines anderen tauschen würde, weil sie seine Qualen sind, eine Bestätigung seines Ichs.
Der absolute Selbstgenuß wäre das Selbstbewußtsein im schlechten Sinne; aber wie durch Liebe das destruktive Handeln zum Guthandeln oder Helfen wird, so wird durch Liebe aus dem Selbstgenuß Religiosität. Der in den Vollbesitz seines Ich und seines Selbstbewußtseins gelangte Mensch, der eigentliche Mann, ist der wesentlich religiöse Mensch. Als Mittelpunkt des menschlichen Kosmos erfaßt er sich als Ebenbild des Mittelpunktes der Welt, also als Ebenbild Gottes. Seine Geistigkeit bringt es mit sich, daß er die Natur liebt, und er ist infolgedessen zunächst geneigt, das Weib als Geschlechtswesen zu lieben, wie ja auch gerade religiöse Menschen oft ausschweifend leben oder doch die Neigung dazu haben; sowie er aber sich selbst als Ebenbild Gottes erfaßt, begreift er erstens seine Pflicht, dies Ebenbild rein zu erhalten, und erfaßt er zweitens alle Menschen als werdende Ebenbilder Gottes und erkennt seinen Beruf, Mittler zwischen Gott und den Menschen zu sein.
Da die Natur sich von Stufe zu Stufe entwickelt, so hat jedes Wesen den Trieb, sich einem höher entwickelten zu unterwerfen, das ihm Mittler zur höchsten Stufe wird: das Tier unterwirft sich dem Menschen, das Kind dem Erwachsenen, der unentwickelte Mensch dem höherentwickelten; der Mittler des Höchstentwickelten ist Christus. Christus war der erste vollkommen selbstbewußte Mensch, die erste vollkommen zentrale Persönlichkeit in der Geschichte, damit zugleich die alte Geschichte, die Epoche der Kindheit, abschließend und die neue Epoche, die der selbstbewußten Menschheit, eröffnend. Als Gottmensch, als höchste, der Menschheit erreichbare Spitze, war er der Vertreter der leidenden Kreatur. Solange die Kreatur unbewußt, d. h. tierhaft, und bewußt, d. h. weibhaft, litt, empörte sie sich nicht gegen das Leiden, das sie nicht als selbstbewußtes Ich empfand; erst der Gottmensch empfand es und hob es zugleich auf, indem er den Weg aus Raum und Zeit in das leidensfreie Reich des Geistes wies. Als Geistmensch war Christus unsterblich und mußte das Leiden sowie den Tod von sich weisen; denn das selbstbewußte geistige Ich ist durch und durch Leben und deshalb todverneinend. Die primitiven, noch unpersönlichen Menschen kennen keine Todesfurcht, und dieser Sterbensbereitschaft entspricht die Nichtachtung des Lebens, die im Naturleben und auf frühen Entwicklungsstufen herrscht, welches beides den selbstbewußten Menschen oft befremdet. Die urbildliche Tragik Christi, die die Menschheit stets mehr als jede andere erschüttert, ist die seines notwendigen, wesentlichen Unsterblichkeits- und Persönlichkeitswillens, der nach unsäglichen Kämpfen das Leiden und den Tod, die Erbschaft des Menschen, freiwillig auf sich nimmt. Der höchste Augenblick, wo Christus sich mit den Worten: »Nicht wie ich will, sondern wie du willst« unterwirft und zum Leiden und Sterben bereit erklärt, wird in jedem Menschenleben unbewußt wiederholt in der zweiten Krise, durch welche sich die Umbiegung zum Alter und zum Tode vollzieht, muß aber auch von jedem Menschen bewußt wiederholt werden. Der tragische Held muß in erster Linie das Tier in sich überwinden; Christus war der einzige, in dem das Tier bereits überwunden war und der nur noch die Persönlichkeit zu überwinden hatte. Ist nun auch der selbstbewußte, religiöse Mensch der höchsten Stufe Christus in der Tierfreiheit nicht gleich, so ist doch auch seine wesentliche Aufgabe die Überwindung der Persönlichkeit.
Neben Christus hat die Symbolik den ewigen Juden gestellt, den auf seinen Geist stolzen Pharisäer, der die Versöhnung des Geistes mit der Natur, die Christus durch seinen Tod vollzieht, nicht annehmen will. Logischerweise trifft ihn dafür die Strafe des Nichtsterbenkönnens.
Wie tief Christus die Gefahr erkannte, die das Selbstbewußt- und Geistwerden für den Menschen einschloß, beweist außer seinem Tode auch sein Hinweis auf das Kind als das Vorbild des Menschen, also auf die Natur und das Unbewußte. Tatsächlich liegt hier das Problem für den höchstentwickelten Menschen: da Geist ohne Natur nicht bestehen kann, wie soll er die Natur beherrschen, ohne sich über die Natur zu erheben, wie soll er sich mit der Natur berühren, ohne sich von ihr herabziehen zu lassen?
Wie es das Problem des persönlichen Künstlers ist, sein Werk zu typisieren, so ist es das Problem des persönlichen Menschen, seine Persönlichkeit im Verkehr mit anderen Menschen zu dämpfen, sie endlich zu überwinden. Wie schwer dieser Kampf ist, begreift der Unpersönliche nicht, der in der Natur wurzelt, wie der persönliche in seiner Persönlichkeit. Der ganz persönliche, ganz geistige Mensch ist der ewige Jude, der, die Natur von sich stoßend, nur aus dem Geiste leben will und als Geist ewig leben muß. Er sehnt sich nach dem Tode, kann sich aber nicht entschließen, seine Persönlichkeit aufzugeben und aus der Sphäre des Geistes in die mit dem Tode verbundene Sphäre der Natur oder des Raumes herabzusteigen. Die Natur löst das Problem im gewöhnlichen Leben dadurch, daß sie den Alternden typisch und weiblich macht und ihn so zum Tode hinübergeleitet.
Der persönliche Mensch ist, wie gesagt, nicht wesentlich handelnd und schaffend, sondern wesentlich wollend, also führend und anregend, was er trotzdem schafft, wird weniger sachlichen als eben persönlichen Wert haben, wird mehr subjektiv als objektiv sein. Die Persönlichkeit stellt sich nämlich so zwischen das Bewußtsein und die Natur, zwischen das Schauende und das Angeschaute, daß sie keine adäquaten Bilder aufnehmen kann; ihr eigener Schatten fällt auf das Angeschaute und färbt es persönlich. Die Subjektivität macht die Leistungen hervorragender Persönlichkeiten, selbst wenn sie sachlich zu bemängeln wären, so außerordentlich reizvoll und wirksam.
Die Berufe des persönlichen Mannes sind der des Regenten, Feldherrn, Volksführers, Lehrers und Geistlichen, lauter Berufe, die weniger auf Leistungen als auf dem unmittelbaren Einfluß der Persönlichkeit beruhen. Daß viele unserer Dichter und Schriftsteller Söhne von Geistlichen waren, daß andererseits die Kinder von Geistlichen oft ausarten, erklärt sich aus der starken Negativität, die zum Wesen des Geistlichen gehört, wenn er seinen Beruf aus innerem Drang ergriffen hat.
Ein universaler Mensch, wie etwa Goethe, dessen Natur ebenso stark war wie sein Geist, muß als eine verhältnismäßig vollkommene irdische Erscheinung angesehen werben, doch muß man zugeben, daß auch der genialste Schaffende nicht so wesentlich Geist sein kann wie ein mit weniger starker Natur verbundener Mensch, mit anderen Worten: kein Künstler kann in dem Maße Führer der Menschen sein wie Christus oder ein Christus ähnlicher.
Ist aber ein hochentwickelter Geist mit einer so schwachen oder geringen Natur verbunden, daß er ewig zwischen höchster Erhebung und verächtlichster Erniedrigung schwankt, so darf ein primitiver Mensch sich ihm überlegen fühlen. Der Geist, der nicht stärker ist als die Natur, sinkt unter die Natur herab.
Die Verschiedenheit von Mann und Weib zeigt sich deutlich an diesem Punkte. Der weibliche bewußte Mensch schwingt sich zwar selten zur höchsten Höhe des Selbstbewußtseins auf; aber er steht immer über der Natur, er bleibt immer sittlich, ideal, ästhetisch; die Natur, in der er wurzelt, ist ihm gehorsam und trägt ihn, empört sich nicht gegen ihn. Im allgemeinen kann man daher sagen, daß dem Manne die höchste Spitze der Menschheit, der Universalmensch und der religiöse Mensch, eher erreichbar ist als dem Weibe, daß aber das durchschnittliche Weib höher entwickelt ist als der durchschnittliche Mann.
Die Aufgabe des höchsten Menschen ist es, aus der Polarität der gespaltenen Natur herauszutreten, um polar zur Geist-Natur zu werden; er soll über der Geschlechtsliebe stehen, die Menschheit als Ganzes lieben, des einzelnen sich erbarmen. Demjenigen, der Mittler zwischen Gott und den Menschen sein will, verzeiht der Tieferstehende mit Recht keine Schwäche, unterwirft sich ihm aber willig, wenn er die Natur wirklich überwunden, d. h. vergeistigt hat.
Das Bewußtwerden ist ein Spannungsvorgang, der sich zugleich als Geschlechtsliebe äußert; die sexuelle Liebe nimmt also mit dem Geistigwerden zu; dies bedingt die scheinbar widersprechende Erscheinung, daß gerade der selbstbewußte, geistige Mensch sehr sexuell ist. Er ist der wesentlich liebende Mensch, und es ist vom Punkte der Sexualität aus, daß er entweder fällt, d. h. von der unbewußten Natur herabgezogen und gelähmt wird, oder daß er sich zur höchsten Höhe aufschwingt, wenn es ihm gelingt, seine Liebesfähigkeit ins Geistige zu übertragen und die unbewußte Natur zu sich emporzuziehen. Die Regel ist, daß der Mann, anstatt veredelnd auf die unbewußte Natur zu wirken, was sie so sehnlich von ihm verlangt, sich von ihr herunterziehen läßt; das bewußte Weib hingegen wirkt veredelnd von der sicheren Basis der Natur aus; sie weist von der Erde zur Höhe, wenn sie auch die Erde nicht ganz von sich stößt.
Der ganz von der Natur gelöste, absolute Geist ist das Feuer, in dem nichts mehr lebt. Deswegen ist die Verbrennung die Bestattungsart der Menschen in der Rücklaufszeit der sich vollendenden Menschheit. Das Feuer verzehrt, die Erde gibt wieder; den unbewußten Menschen, der noch eine lange Entwicklung vor sich hat, zieht es in die Erde, das Element der Lebendigen.