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Dufroy: (in seiner freiwilligen, rückhaltlosen Selbstanklage, fast wie befriedigt sich vor Georg endlich so bekennen zu dürfen, weiter) Du hättest dein Schicksal . . . nie an dieses Unglückshaus gekettet . . . nichts hätte sich ereignet . . . alles wäre dir erspart geblieben . . . wenn ich nicht vor fünfunddreißig Jahren . . . allen vernünftigen, sachlichen Erwägungen und Gegengründen zum Trotz, aller Einsicht zum Hohn, trotzdem mein Innerstes mich davor warnte . . . Mariettes und Mariannes Mutter . . .
Georg: (dem es jetzt plötzlich über die letzte, innerste, nobelste Struktur seines Schwiegervaters wie Schuppen von den Augen fällt; trotzdem, oder vielmehr grade dadurch im Moment stärkst sarkastisch) Oder wenn anno Eins unser aller Urvater Adam nicht aus purem Leichtsinn, Unverstand, oder aus Versehn . . .
Dufroy: (Georgs momentane Seelenstimmung begreifend, wenn auch durch seine Worte nicht grade angenehm berührt) Ich kann deine großmütige Absolution . . .
Georg: (ehrlich) Du kannst sie ruhig . . .
Dufroy: (in seiner Selbstverurteilung noch entschiedner) Ich kann . . . und werde mich von diesem . . . Verbrechen . . .
Georg: (unwillig abwehrend) »Ver . . .«
Dufroy: (sich noch steigernd) Verbrechen, verübt und begangen aus krassester, unverzeihlichster Eigensucht, weichmütig rührseligster Willensohnmacht, Widerstandsunfähigkeit und Schwäche, von diesem charakterlosen Ideeenverrat, dieser apostatischen Abtrünnigkeit von mir selbst, vor meinem eignen, innerlichsten Gewissensforum nie freisprechen!
Georg: (wieder, da er sieht, daß er nach dieser Richtung nichts gegen ihn ausrichten kann, diesmal hinterm Schreibtisch, auf und ab) Für deinen struggle for life-Standpunkt . . . für deine modern mitleidslose Doktrin . . . vom forschen, freien, braven, frohgemuten, naturgewollten Kampf aller gegen alle . . . dieser Weltausdeutung, die dich zu nichts verpflichtet . . . eine zartnervige Skrupelhaftigkeit, für die ich dir mit dem Hut in der Hand . . .
Dufroy: (versöhnlich; in dem Bestreben, zu Georg endlich wieder die alte Brücke zu finden) Wir haben harte Worte gewechselt! Und ich mag denn auch . . . tatsächlich . . . noch mal . . . und zum zweitenmal in meinem Leben . . . damals . . . als ich dir meine erste Tochter . . .
Georg: (peinlich-hastig) Es hat wirklich . . .
Dufroy: (eifrig-hartnäckig) Als ich dir meine erste Tochter . . . ohne es zu wissen, jedenfalls aber, ohne es zu wollen . . . und schließlich nur . . . auf das damals wiederholt eindringliche Flehen Mariannes selbst . . .wie du dies nanntest, »unterschlug« . . .
Georg: (gequält) Wozu jetzt . . .
Dufroy: (von neuem) Ich mag damals . . . (abbrechend, offen-herzlich) Liebster Junge! . . .
Georg: (durch seinen Ton »getroffen«; wie in seelisch äußerster und letzter Abwehr vor sich selbst; zermartert ausbrechend) Häng dein . . . Herz an nichts!
Dufroy: (sich trotzdem dadurch nicht in seiner so aufrichtig und ehrlich gemeinten Milde zu ihm beirren lassend; eindringlich stockend-weich) Wäre es nun nicht doch . . . zwischen uns angebracht und am Platz . . .
Georg: (der ihn nicht anblickt; nicht fähig, dem sich so andauernd und redlich um ihn Mühenden einen Korb zu erteilen) Gewiß! . . . Und es war von mir . . . (abbrechend und sofort wieder weiter) Wenn du aber glaubst . . . daß dadurch das Geschehne . . .
Dufroy: (eindringlich, überzeugt) Es handelt sich nicht mehr . . . um das Geschehne . . . (impulsiv nach Marianne rüber) sondern vielleicht . . .
Georg: (schneidend, fast höhnisch) Optimistisch, wie immer!
Dufroy: (da die Uhr in diesem Moment Viertel schlägt und Georg, hinterm Schreibtisch rechts plötzlich stehngeblieben, wieder wie verstört nach ihr rüberblickt; von ihm nach der Uhr) Du scheinst dir wahrhaftig . . . einzubilden . . .
Georg: (scharf) Bitte, was?
Dufroy: (wie vorhin) Daß das Leben Mariannes . . .
Georg: (da Dufroy jetzt einen Augenblick zögert) Ja? M?
Dufroy: (noch tadelnd-vorwurfsvoller) Nur noch nach Stunden . . .
Georg: (der sich wieder in Bewegung setzt; seinen Satz ihm schließend) Oder gar bloß noch nach Minuten zählt! Das kannst weder du . . .
Dufroy: (einfallend; es mit dem Satz Georgs ebenso machend) Noch ich wissen! . . . Nur daß ich als Arzt . . . (nach Marianne hin) auch nicht den geringsten Grund sehe . . .
Georg: (hinterm Schreibtisch rechts wieder stehngeblieben; ganz überrascht-erstaunt) » Nicht den . . .?« (draußen, beide haben unwillkürlich aufgehorcht, seltsam plumpe, stapfende Schritte) Nanu? (durch die Tür, an der es polternd getastet, schwankend-schwerfällig, in Haltung und Aussehen fast eines Betrunknen, Onkel Ludwig; von ihm zu Dufroy rüber) Ich denke . . .
Dufroy: (ganz erregt-entsetzt auf ihn zu und die Tür hinter ihm schließend) Du sollst dich doch schonen!
Onkel Ludwig: (der sich an seinem Stock nur mit Mühe aufrecht hält; brubbelnd vor sich hin) »Schonen!« . . . »Schonen!« . . . (nach der Tür zurück) Wenn sich da oben . . . (entsprechende, »drehende« Geste) alles um einen . . .
Dufroy: (besorgt-ungehalten) Es wäre für dich wirklich angebrachter und besser . . .
Georg: (der sich nicht von seinem Platz gerührt; noch verstärkt nach Marianne rüber) Du kannst hier unmöglich . . .
Onkel Ludwig: (wie blöde ihn anstarrend) »Un . . .?«
Dufroy: (fast aufgebracht) Allein schon mit deinen drei Morphiumeinspritzungen im Leib!
Onkel Ludwig: (der sich erst jetzt, ganz bestürzt, im Raum umblickt) Das . . .?
Georg: (noch immer an seinem Platz; anderer Tonfall; begütigend) Also nun laß dir hübsch zureden und . . .
Onkel Ludwig: (wankend und fast in Gefahr zu Boden zu stürzen) Das . . . Rosenzimmer!!
Dufroy: (ihn mit beiden Händen fest aufrecht haltend; erbittert durch die Zähne) Herr des . . . Himmels!
Georg: (schnell ebenfalls zugesprungen) Auch das noch!
Onkel Ludwig: (mit der zitternd ausgestreckten Rechten, plötzlich wie irrsinnig, nach dem kleinen Schrägsofa links; »a« kurz) Da!
Dufroy: (zornig) »Da!« . . . Was?! . . . Wo?! . . . »Da!«
Onkel Ludwig: (noch gesteigert) Da!! . . Da!!
Georg: (der sofort gestutzt hat; noch »ahnungslos«; von beiden nach dem betreffenden »Indizium«) Ein Polstermöbel, wie . . .
Dufroy: (peinlichst; sich bereits vollkommen darüber klar, was jetzt in Onkel Ludwig vor sich geht) Lieber . . . Georg . . .
Onkel Ludwig: (vage, sich wie durch die Luft schlotternde Gesten nach der Ecke links) Die Tür . . . steht auf . . . das Licht . . . das . . . Licht . . .
Dufroy: (der ihn mit Gewalt wieder zu sich bringen will) Ruck dich zusammen!
Onkel Ludwig: (wie vorhin) Das Licht . . . fällt quer . . .
Dufroy: (zu Onkel Ludwig; mit einem irritiert-scheuen, halb wie entschuldigenden Blick nach Georg rüber) Du . . . siehst . . .
Onkel Ludwig: (noch immer, als ob er das Gesprochne vor sich sähe) Fällt . . . quer . . .
Dufroy: (heftig) Du siehst, was nicht da ist!
Georg: (der das offenbar stärkst persönlich gefärbte Interesse Dufroys, dessen ganze Art zu dem Delirierenden eine sonst ungleich mildere und nachsichtigere wäre, längst bemerkt und entsprechend bei sich registriert hat; trotzdem, mit Rücksicht auf den Moment, ihm zur Hilfe kommend) Die Tür ist zu . . . die Ecke liegt im Halbdunkeln . . .
Onkel Ludwig: (dem die heftigen Worte Dufroys erst jetzt ins Bewußtsein dringen) Was nicht . . .?
Dufroy: (noch heftiger; wieder, unwillkürlich, ähnlich wie vorhin, Blick nach Georg rüber) Was nicht da ist!
Onkel Ludwig: (sich vor die Stirn fassend; halb nach der Tür rechts zurück) Wie . . . bin ich . . . denn bloß . . .?
Georg: (ungehalten, scharf) Hat dich der Diener . . .?
Dufroy: (noch erregter) Ich hatte ihm doch ausdrücklich anbefohlen . . .
Onkel Ludwig: (triumphierend) Den hatt ich längst . . . (sich aufruckend, Geste) Wenn der mir nicht . . .
Dufroy: (ihn beruhigend) Du darfst dich nicht wieder . . .
Onkel Ludwig: (von neuem, wenn auch nicht mehr ganz so verstört und aus allen Fugen wie vorhin, nach der Ecke links zurück; allerschwerst; nachgrollend) Die eigne . . . Mutter!! Die eigne . . .
Dufroy: (zu Georg, von dem er fühlt, daß jetzt die letzten Worte ihm den fraglichen Zusammenhang, wenn natürlich auch nur im bloßen Umriß und ungefähr, verraten haben müssen) Laß ihn! . . . Er weiß in seinem phantastischen . . . Rausch-Stadium . . .
Georg: (dem nichts daran liegt, Dufroy, dem er als Mann nachfühlt, die Situation noch peinlicher zu machen) Aber . . . selbstver ständlich!
Onkel Ludwig: (noch immer in seinem Dusel) Seit meinem dreizehnten Jahr . . .
Dufroy: (gequält) Schrecklich!
Onkel Ludwig: (sich nieder umblickend; über Marianne dabei weg, als sähe er sie garnicht) Habe ich diesen Raum . . .
Dufroy: (der die seelische Folter, unter der er leidet, kaum noch ertragen kann) Hörst du nicht endlich . . .
Onkel Ludwig: (hartnäckig) Nich mehr betreten!
Georg: (ungeduldigst ablehnend, um die Sache damit zu erledigen) Familiengeschichten! Was uns die jetzt. . .
Onkel Ludwig: (nickend, allerschwerst, als ob sich Abgründigeres garnicht sagen ließe) »Familien«-Geschichten!!
Dufroy: (zu Georg rüber; Blick nach dem Sessel vor dem Schreibtisch) Es bleibt uns nichts übrig . . .
Georg: (zornigst-verbissen; nach dem Hintergrund zu sich wieder in Bewegung setzend) Herrlich!
Dufroy: (zu Onkel Ludwig; veränderter Tonfall; ihn mit beiden Händen leitend) Du wirst müde sein! . . . Komm! . . . Setz dich!
Onkel Ludwig: (jetzt im Sessel, den Dufroy ihm zurechtgerückt) Da oben . . . so allein . . . so allein mit seinen . . . grausigen, gräßlichen, gräulichen Gedanken . . . Wer . . .
Georg: (schärfst; sein Gestammel unterbrechend) Glaubst du, daß wir hier, trotz deines sogenannten »Rosenzimmers«, (wieder, wie schon so dutzendfach vorhin, Blick nach der Kaminuhr) auf Rosen gebettet sind?
Onkel Ludwig: (die Hand vor der Stirn; wie um dahinterzukommen, was Georg damit wohl meint) »Rosen?« . . . »Rosen?!« . . . Wes halb und . . . warum grade . . . ?
Dufroy: (neben ihm links; jetzt, einen Moment, nieder etwas nervös-ungeduldig; mit einem Blick nach Marianne rüber) Du scheinst völlig vergessen zu haben, daß . . .
Onkel Ludwig: (noch immer nichts kapierend) Daß . . . Daß . . . ? . . . (plötzlich im Lehnstuhl die regungslose Kranke erblickend; erstickt-gurgelnder, sich jäh überkippender Kehllaut) Hhäh?! . . . (vorgebeugt, wie um sich besser überzeugen zu können, daß ihn nicht wieder eine Vision äfft) Marianne?!!
Georg: (noch immer hinterm Schreibtisch, jetzt etwas rechts, auf und ab) Und zwar noch immer und genau so, (wieder Blick nach der Kaminuhr) wie vor zweieinhalb Stunden!
Onkel Ludwig: (vergeblich bemüht, in seinem umnebelten Hirn das seinem Gedächtnis Entglittne sich wieder zu rekonstruieren) »Wie vor . . . ?« War ich denn . . . ganz . . . ?
Dufroy: (ihm dabei behilflich) Die paralysierende Wirkung des dir injizierten Narkotikums hatte dich für einige Zeit eingeschläfert, und du kommst nun aus deiner halben Betäubung allmählich . . .
Onkel Ludwig: (als ob seine Zunge noch wie gelähmt wäre) All . . . m . . . mählich . . .«
Georg: (dem diese ganze »Operation« schon wieder bedeutend zu lange dauert, Dufroys Satz schleunigst fortsetzend) In diese herrliche Wirklichkeit wieder zurück, die wir Bevorzugteren . . . (wieder nach der Uhr; Pferdegetrappel).
Onkel Ludwig: (noch immer nicht imstande, sich aus sich rauszuheddern) »Die wir . . .«
Dufroy: (gereizt; von Georg nach der Uhr) Du brauchst wahrhaftig und wirklich nicht . . .
Georg: (noch gesteigert) Nein, nein! . . . »Wahrhaftig und wirklich nicht!« . . . (seinen Blick wiederholend) Ich weiß!
Dufroy: (nervös-mißbilligendes Achselzucken) Du . . .
Georg: (das Wort »weißt!« ihm schnell abknappend) Schon gut! Schon gut!!
Onkel Ludwig: (der jetzt versucht, sich nach Marianne rüber von seinem Sessel zu erheben) Mein alter . . . elender . . . niederträchtiger Korpus . . .
Dufroy: (Geste; abwehrend) Du . . . kannst . . .
Onkel Ludwig: (wie vorhin) Is mir so schwer . . .
Dufroy: (noch nachdrücklich-bestimmter) Du kannst ihr nichts nützen!
Onkel Ludwig: (ganz hilflos-»unglücklich«) Ich muß doch . . . dem armen Kind . . .
Dufroy: (jetzt hinterm Lehnstuhl bei Marianne) Sie ist vollständig bewußtlos, ahnt von uns dreien hier nicht das Geringste und wird morgen um diese Zeit, wie ich zuversichtlich hoffe, vorausgesetzt, daß keine Komplikation eintritt . . .
Georg: (sarkastisch-bissig) »Vorausgesetzt!«
Dufroy: (zu ihm rüber; erbittert) Aber ganz selbstver ständlich vorausgesetzt!
Onkel Ludwig: (die Augen angstvoll auf Marianne) Man . . . merkt ja . . . kaum . . .
Dufroy: (ihren Zustand noch weiter erläuternd) Atmung schwach, Respirationsfrequenz etwas herabgesetzt, aber sonst und im Übrigen . . . (hat ihre Linke, die wie leblos über die Armlehne hängt, etwas erhoben und läßt sie nun wieder fallen).
Onkel Ludwig: (ganz erschüttert-entsetzt) Die . . . Hand! Die . . .
Dufroy: (überzeugt-sicher; jede, wie er glaubt, übertriebne Besorgnis ihm zu zerstreuen versuchend) Für dich als Laien natürlich beängstigend, für mich als Arzt . . .
Onkel Ludwig: (der auf Dufroys Worte, die ihm seinen schrecklichen, visuellen Eindruck nicht ausreden, oder auch bloß verwischen können, kaum hört, noch gesteigerter als vorhin) Wie . . . tooot . . . !
Georg: (schnell, hart, ohne nach ihm hinzublicken) Sprich keinen Unsinn!
Dufroy: (zu Georg; Onkel Ludwig entschuldigend) Du lieber Gott, wenn . . .
Onkel Ludwig: (noch immer sich steigernd und zu Marianne rüber; mit heimlich in seiner Stimme aufsteigenden Tränen) An mir altem . . . morosen . . . abgebrauchten Krüppel . . . liegt ja nichts mehr! . . . Aber du . . . du . . .
Georg: (der den alten Weimerian in diesem Augenblick zu allen Teufeln wünscht; einen Moment stehngeblieben und zu ihm rüber; auffahrend-heftig) Es hat doch wahrhaftig jetzt keinen Zweck . . .
Dufroy: (fast empört) Beruhige dich!
Georg: (der sich wieder in Gang gesetzt) »Beruhige!!« . . . (wieder Blick nach der Uhr) »Beruhige!!« . . . (Uhr) Jede Minute, die verstreicht, jede Sekunde, die verrinnt . . . (Uhr; es hat in diesem Augenblick, irgendwo unten, laut geschellt, und alle, Georg wieder stehngeblieben, horchen auf).
Onkel Ludwig: (noch mit dem Ohr nach der Tür) Die . . . Hausglocke??
Dufroy: (zu Georg rüber) Jetzt? . . . (nach der Uhr) Fast um . . . ?
Onkel Ludwig: (von einem zum andern) Wer . . . kann das . . . ?
Georg: (der schnell wieder nach der Uhr blickt) Einen Augenblick! . . . (bereits auf dem Weg nach der Tür) Ich werde sofort . . . (bevor er diese hinter sich schließt, zu den übrigen zurückgedreht) Ihr gebt auf Marianne acht!
Dufroy: (immer noch ganz starr, zu Onkel Ludwig rüber) Mitten . . . in der Nacht . . . ? Wo euch doch sonst . . .
Onkel Ludwig: (dem, wie es scheint, der plötzliche Glockenlaut vorhin in sein Hirn etwas wie Klarheit gegossen) Wenn das nicht mit diesem . . . verdammten, diesem . . . Schlingel und Strick, diesem . . . malefikanten Lotterbuben . . . den ich euch noch dazu selbst . . .
Dufroy: (dessen Gedanken unterdessen bereits nach der gleichen Richtung gearbeitet) Du . . . meinst?
Onkel Ludwig: (halb zu Dufroy halb nach der Tür) Ich kenne doch . . . Georg? . . . Das kann . . . nur . . .
Dufroy: (beschwichtigende Geste mit der erhobnen Linken und unwillkürlich halb auf Spitzzehen nach der Tür zu) Erlaube!
Onkel Ludwig: (sich von seinem Sitz aufrappelnd) Das . . . kann nur . . .
Dufroy: (einen Moment nach ihm zurück) Du solltest ruhig . . .
Onkel Ludwig: (jetzt bereits ebenfalls auf dem Weg nach der Tür) Ich bin jetzt wieder . . . ganz . . .
Dufroy: (bevor er die Tür leise aufklinkt) Aber daß er uns ja nicht . . . (von unten, ans dem Hausflur, deutlich: – »N Abend, lieber Usedom!« . . . »N Abend!« . . . »Erledigt?« . . . »Wenn du vielleicht einige Minuten . . .« »Bitte, tritt näher!« Die Tür wieder schließend; mit vor überraschter Entrüstung beinahe zitternder Stimme; von Onkel Ludwig nach Marianne rüber und wieder zurück) Major von Usedom!
Onkel Ludwig: (zornig-triumphierend) Hatt ich . . . recht?!
Dufroy: (erregt auf und ab) Georg hat mir fest und heilig versprochen . . . (Auto).
Onkel Ludwig: (ihm nachblickend; dabei schwer auf seinen Stock gestützt; sehr bestimmt) Er hat dir . . . nur versprochen . . .
Dufroy: (empört; seine ihm so im Prinzip bestrittne Behauptung noch verstärkt) Schon allein mit Hinblick auf Marianne!
Onkel Ludwig: (der sich dadurch nicht ins Bockshorn jagen läßt; hartnäckigst) Ich stand dabei und habe . . . deutlich . . .
Dufroy: (dessen Erregung noch fortwährend wächst; einen Augenblick jetzt nach ihm zurückgedreht) Er hat mir in die Hand versprochen, seinen Gegner auf keinen Fall für morgen früh . . .
Onkel Ludwig: (ihm wieder ins Wort; seines erneuten Triumphs über ihn bereits sicher) Und wenn der Austrag . . . erst morgen . . . abend steigt?
Dufroy: (wieder von ihm abgekehrt; ärgerlich) Das hab ich doch natürlich . . .
Onkel Ludwig: (achselzuckend) Was du . . . »gemeint« hast . . .
Dufroy: (ihn nicht mehr anblickend; in seiner ganzen Art jetzt, ohne daß er es ahnt, ähnlich wie vorhin Georg) Ich halte es für barbarisch und mit meinem sittlichen Empfinden nicht vereinbar, einen Menschen . . .
Onkel Ludwig: (grimmig; noch immer auf seinen Stock gestützt) So!
Dufroy: (in seinem Satz, sich noch steigernd, weiter) Und mag er mir in . . . egoistischer Skrupellosigkeit selbst das Allerschlimmste angetan haben . . .
Onkel Ludwig: (der ihn nicht aus den Augen läßt; noch grimmiger) So!!
Dufroy: (auch jetzt wieder, kaum von ihm unterbrochen, noch immer sich steigernd) Zumal, besonders und noch obendrein, wenn ich überzeugt bin, wenn alles in mir bis in die letzte Faser davon durchdrungen ist, wenn mein ganzes Innre es gradezu wie eine Art fatalistische Gewißheit verspürt, daß sein Leben in meiner Hand liegt, daß ich nur zuzuknallen brauche, um ihn vor mir niederbrechen zu sehn, und daß er, überzeugt und durchdrungen von der gleichen, ehernen, unabwendbaren Gewißheit, sich mir zu diesem Zweck freiwillig und von selber stellen wird . . . in eigner Sache zugleich Richter und Nachrichter, kalten Bluts . . .
Onkel Ludwig: (nickend; höhnisch) So . . . brav und christlich . . .
Dufroy: (wie grade durch dieses Wort ganz besonders getroffen) »Christlich!«
Onkel Ludwig: (loslegend) Na! . . . Denn werd ich dir mal . . . was sagen! . . . (mit seinem Stock zweimal hart aufstoßend) Und wenn der Tod . . . (auf eine betreffende, nervös-abwehrende Geste Dufroys; schwerst) Du magst abwinken . . . soviel du willst! . . . Was mir nach diesem ersten . . . gemütvollen . . . trostreichen Antrittsfandango . . .
Dufroy: (auch jetzt noch auf und ab; ihn noch immer nicht anblickend; erbittert mit beiden Armen hoch) Aber mein Gott!
Onkel Ludwig: (in seiner »Selbstdiagnose«, fast als ob ihm das den ausgesucht grimmigsten Spaß macht, noch gesteigert, weiter) Diesem deliziösen . . . einstweiligen Vorschmackhäppchen . . . und vielversprechenden Fidulitätsanfang . . .
Dufroy: (der ihn vergeblich zu unterbrechen versucht) Ich habe dir versichert . . .
Onkel Ludwig: (noch stärker) Trotz deiner einlullenden Gifte und Opiate . . . jetzt droht und bevorsteht . . . weiß ich!
Dufroy: (heftig; in seinem Tonfall jetzt ganz, wenn auch natürlich wieder völlig unbewußt, Georg) Du weißt gar nichts!
Onkel Ludwig: (von neuem; mit womöglich noch nachdrücklicherer Wucht, als vorhin) Und wenn der Tod . . . (sich nach beiden Seiten wie nach ihm umblickend) das Rabenaas . . .
Dufroy: (stehngeblieben; zu ihm rüber) Du glaubst doch nicht etwa . . .
Onkel Ludwig: (wie eben; nur noch verstärkt) Der feige Mordracker . . . und . . . Sensenhalunke . . .
Dufroy: (sarkastisch-ungehalten; mit dem Versuch, ihn dadurch wieder zu sich zu bringen) Du stellst dir den Herrn . . .
Onkel Ludwig: (noch immer sich steigernd) Vielleicht auch schon längst . . . da irgendwo so . . . grinsend hinter mir steht . . .
Dufroy: (der sich anders nicht mehr zu helfen weiß; durch die Situation, so sehr er sich auch dagegen wehrt und gegen das Grauen, das ihn in diesem Augenblick durchgrieselt, ankämpft, gepackt; stärkst) Du phantasierst!
Onkel Ludwig: (an Kraft unvermindert, ja sogar eher noch an ihr gewinnend, erst jetzt seinen Satz schließend) Und auf mich . . . lauert und wartet!
Dufroy: (diese bewußte »Lüge« aber auch ohne das geringste Bedenken über die Lippen bringend) Du kannst noch zwanzig . . .
Onkel Ludwig: (hohnvollst-erbittert) »Zwanzig!«
Dufroy: (mit »eherner Stirn«) Jawohl! Zwanzig!
Onkel Ludwig: (grimmigst-verbissen) Danke! . . . Merßi! . . . (noch immer sich steigernd; zornbebend; fast gradezu feindselig) Warum nu . . . nich noch gar . . . und auch noch gleich . . .
Dufroy: (andrer Tonfall; gequält-schmerzlichst) Liebster Ludwig!
Onkel Ludwig: (sich unwillkürlich reckend; alles, was in ihm noch »Mann« ist, zusammenraffend) Ich habe mein Saldo . . . mit mir abgeschlossen . . .
Dufroy: (bittend, fast weich) Es ist doch noch nicht gesagt . . .
Onkel Ludwig: (fest) Wünsche, mich auf diesem glühenden Marterrost . . .
Dufroy: (als hätte der ärmste, zum allerqualvollsten Tode Verdammte sich mit diesem Wort die denkbar größte Übertretung erlaubt) »Marterrost!«
Onkel Ludwig: (in seinem Satz, vor dessen Gewalt Dufroy ohnmächtig ringend dasteht, nach wie vor weiter) Dessen Wonnen ich mit meinem alten, ausgemürbten Kadaver . . . kaum eben erst zu proben und zu kosten bekommen habe . . .
Dufroy: (vergeblich nach etwas »suchend«) Du mußt nicht in deiner Ungeduld . . .
Onkel Ludwig: (wie vorhin) Nicht noch soundso viel mal rumwälzen und rumwinden zu müssen . . .
Dufroy: (immer kopfloser) Wenn du aber natürlich nichts auf mein Urteil . . .
Onkel Ludwig: (noch immer sich steigernd) Und hoffe daher . . . daß mich der gerechte, gnädge Allgütge . . . oder sein Satan . . .
Dufroy: (ganz ratlos-verzweifelt) Ich wiederhole dir noch mal . . . und versichre dir ernstlich . . .
Onkel Ludwig: (abbrechend und in seinem Tonfall jetzt fast verächtlich) Wiederhole und versichre, was dich bedünkt, mach mir und dir vor, was dir beliebt, und dem sei, wie ihm wolle! (betreffende Geste mit der Rechten) Wenn meine Hand nicht bereits so zitterte, daß ich das Schießzeug . . .
Dufroy: (dem der schon beinahe Schlotternde in diesem Augenblick fast gradezu burlesk erscheint) Du bist . . .
Onkel Ludwig: (nochmal und mit Gewalt seine ganze, letzte Kraft zusammennehmend) Und Georg nicht der Kerl wäre, der er zum Glück, und Gott sei dafür auf den Knieen bedankt, ist, ich würde mir dies Früchtchen . . . dieses smarte, glatte, windige Bürschchen . . . dies Brüderchen Amoroso . . .
Dufroy: (ihm wieder ärgerlich den Rücken drehend) Das magst du vor deinem theosophischen Gewissen verantworten! Ich für meinen Teil . . . (irgendwo aus der Ferne dumpfes Auto).
Onkel Ludwig: (ihm wieder nachstierend; gereizt; sein Gehirn, das die ganzen letzten Minuten über bereits klarer gewesen, beginnt sich wieder zu umdunkeln) »Theosophischen . . . Gewissen?«
Dufroy: (schärfst, jeden Iktus betont; wie er glaubt, damit seinen letzten, Onkel Ludwig »vernichtenden« Trumpf ausspielend) Du hast bisher dein ganzes Leben . . .
Onkel Ludwig: (noch verstärkt) »Theosophischen Gewissen?!« . . . Wo uns eben erst der Leibhafte . . .
Dufroy: (wieder nach ihm zurückgedreht; ihn, fast entsetzt, anstarrend) Aber liebster, bester Bruder!
Onkel Ludwig: (immer zornig-erbitterter; fast schwankend) Aus seinem dubiosen, unerschöpflichen Gnadenfüllhorn . . .
Dufroy: (noch ganz paff; mit dem krampfhaften Versuch, Onkel Ludwigs »schnurrigen Einfall« »humoristisch« zu nehmen) So sehr und so gern ich . . .
Onkel Ludwig: (in seine plötzliche Vorstellung sich wie mit wütendster Wonne grabend) Einem nach dem andern, jedem separatim, und in verführerischstem Habitus . . .
Dufroy: (dem jetzt bald der »Verstand« still steht) Tu mir den einzigen Gefallen und . . .
Onkel Ludwig: (ergrimmt; wieder, diesmal bei der dritten Silbe, mit seinem Stock aufstoßend) Est ut est! Im dicksten, dustersten Urschleim aller Dinge . . .
Dufroy: (um ihn durch irgendwelche Einrede nicht noch mehr zu reizen) Nun ja, ja, ja!
Onkel Ludwig: (sich permanent wieder steigernd) Am letzten, untersten Wurzelanfang alles Seins und Geschehns . . .
Dufroy: (ihn vergeblich zu beruhigen versuchend) Gewiß! Gewiß!
Onkel Ludwig: (immer nachdrücklich-wütender) Schon seit und vor dem Beginn aller Tage . . .
Dufroy: (schon fast ratlos; ihm vollständig beipflichtend) Aber ganz ohne jeden Zweifel!
Onkel Ludwig: (wuchtig; wie jeden etwa möglichen Widerspruch allein schon durch seinen Ton von vorneherein und im Keim erstickend) Sitzt und thront nicht, wie wir uns das banghasig, memmenhaft und feigherzig vorlügen, vorschwindeln und vorflunkern . . .
Dufroy: (in seiner Atempause) Allerdings! Allerdings!
Onkel Ludwig: (fast keuchend) Auf seinem dreibeinigen . . .
Dufroy: (der gar nicht mehr weiß, wie er sich zu einer derartig abstrusen Phantastik überhaupt äußern soll) »Dreibeinigen!«
Onkel Ludwig: (von neuem; immer eigensinniger-verbissner) Wackligen Wolkenstühlchen, allbarmherzig, allweise und allgerecht, Paradiese und Höllen in seinem Sack . . .
Dufroy: (wie vorhin) »Sack!«
Onkel Ludwig: (noch gesteigert) Weißbärtig und rotbäckig, der alte, liebe, gute Gott Weihnachtsmann . . .
Dufroy: (in der Hoffnung, ihm den Faden damit endlich abzuknipsen) Nun hör aber . . .
Onkel Ludwig: (noch intensiver) Sondern glupt und hockt . . .
Dufroy: (wieder ähnlich wie vorhin) »Hockt!«
Onkel Ludwig: (sich abermals steigernd) Allboshaft, allhartherzig und allhundsföttisch . . .
Dufroy: (fast verzweifelt) Du kannst einen wirklich . . .
Onkel Ludwig: (noch immer in seinem selben Satz unbarmherzig weiter) Mit gekringeltem Bocksschwanz, grünen, glasigen Meerkateraugen . . .
Dufroy: (sich mit beiden Händen an den Kopf packend) Mein Hirn! Mein armes . . .
Onkel Ludwig: (in seinem Detail immer ausschweifender) Und gezückten, giftglimmrigen, krummschnäbligen Eisenklauen . . .
Dufroy: (beide Arme, wie flehend, erhoben) Hab Erbarmen!
Onkel Ludwig: (als ob er das betreffende Monstrum vor sich sähe) Vipernzüngig, krötenumwabert und drachenflüglig . . . (plötzlich, die Augen starr aufgerissen, ganz entsetzt, nach Marianne rüber, die in diesem Moment, wie unter seiner Phantasmagorie zusammengezuckt, den Kopf, der bisher nach links lag, nach rechts gedreht) Hast du . . . gesehn?!
Dufroy: (zusammengefahren) Was?! . . . (bereits neben ihr) Marianne??
Onkel Ludwig: (sich nicht recht klar, ob er nicht wieder das Opfer einer Sinnestäuschung geworden) Mir war doch . . . als ob sie eben . . .
Dufroy: (ebenfalls in einem solchen Zweifel; nach der betreffenden Stelle hin) Lag ihr Kopf . . . nicht vorhin hier links?
Onkel Ludwig: (Marianne, die wieder wie vollkommen leblos liegt, noch immer anstarrend) Das . . . kann ich dir . . . nicht . . .
Dufroy: (unter seiner Hand jetzt die Wärme fühlend) Aber ganz gewiß! . . . Ich spüre noch deutlich . . . (abbrechend, zu Onkel Ludwig rüber) Seltsam!
Onkel Ludwig: (der dies sonderbare Intermezzo grade in diesem Augenblick plötzlich als einen »strafenden Fingerzeig Gottes« nimmt; ganz geknickt-erschüttert) Hätt ich doch meine freche . . . vorwitzige Zunge . . .
Dufroy: (durch den eben erlebten Zwischenfall, den er sich nicht recht erklären kann, innerlichst zwar etwas beunruhigt, aber doch mit aller Gewalt sich wieder darüber hinweghelfend) Nun! Es ist ja wohl . . . überhaupt . . .
Onkel Ludwig: (noch »geschlagner«) Eine Kreatur . . . die so lästert . . .
Dufroy: (wie vorhin) Zu wirklicher . . . ernsthafterer Besorgnis . . .
Onkel Ludwig: (noch immer bei seinem »Fingerzeig«; fast lallend) Ein so nichtiger Erdenwurm . . .
Dufroy: (nervös nach der Tür rechts rüber) Was nur Georg . . .
Onkel Ludwig: (wie blöde vor sich hinbrubbelnd) Welche . . . wollen sagen . . .
Dufroy: (noch in seinem selben Satz; einen Moment fast wie lauschend) Da unten so lange . . .
Onkel Ludwig: (aus seinem Dusel wieder um sich blickend und von neuem nach der Ecke links rüber) Das . . . Rosenzimmer!!
Dufroy: (der diesen Blick, höchst peinlich davon berührt, wieder bemerkt hat) Lieber Bruder, ich . . . weiß . . . und wollte dir eigentlich . . . fast schon vorhin . . .
Onkel Ludwig: (der ihn gar nicht gehört; mit dem linken Zeigefinger erst auf das Bild links deutend, dann die Hand auf dem Stock wechselnd und mit dem rechten Zeigefinger auf das Bild rechts) Dort . . . dein Vater . . . und dort . . .
Dufroy: (schnell einfallend; das erste Wort ebenso stark wie das zweite) Unsre Mutter!
Onkel Ludwig: (höhnisch-bitter; nach dem Portrait starrend) »Unsre . . .«
Dufroy: (noch bestimmter) Unsre Mutter!
Onkel Ludwig: (wieder jetzt zuerst nach dem Bild links, dann nach dem rechts) Der . . . »apollinischste . . . aller Professoren« . . . und sein . . . (die Herrschaft über sich wieder völlig verlierend) mänadisches . . . brunsttolles . . .
Dufroy: (mit dem vergeblichen Versuch, ihn zu unterbrechen) Hör . . .
Onkel Ludwig: (als ob er das Bild, allein schon durch seinen Blick in tausend Fetzen reißen wollte) Buhlerisches . . .
Dufroy: (fast wie nach Luft ringend; zerquält) Hör auf!
Onkel Ludwig: (erst jetzt mit seinem ganzen Haß niederkommend) Teufelsweib, das mich aus diesem Haus . . . durch die ganze Welt . . . und auch erst eben . . . (nach der Tür rechts) von dort oben wieder . . .
Dufroy: (auf ihn zu; erregt) Nun bitte ich dich aber dringend . . .
Onkel Ludwig: (beide Arme, zwei Schritte vor ihm zurück, wie Windmühlenflügel; keuchend) Bastard!! . . . (wieder zwei Schritte auf ihn zu und ihm nochmal elementar ins Gesicht) Bastard!!!
Dufroy: (straff-aufrecht; vor Zorn fast zitternd) Komm zu dir!!
Onkel Ludwig: (zwei Schritte noch mal zurück und die Hand wieder, wie blöde, vor der Stirn) »Komm« . . . (plötzlich, wie aus einem tiefsten Traum erwacht; mit weit ausgebreiteten Armen, fast schluchzend) Bruder!!!
Dufroy: (ihn an beiden Schultern wieder fest aufrecht haltend) Du kannst dich ja kaum noch . . .
Onkel Ludwig: (noch mal nach dem Bild rechts zurück) Die . . . hat mir schon was . . .
Dufroy: (ihn wieder nach dem Sessel führend) Also nun sei schon vernünftig und . . . (ihn setzend) So! . . . (nachdem er sich kurz gesammelt; mild-vorwurfsvoll; entsprechende Kopfbewegung nach der Tür rechts) Warum hattest du vorhin den Diener . . .
Onkel Ludwig: (verschmitzt-rauh, wie mit der Stimme eines Betrunkenen) Den . . . hatt ich noch grade . . . rechtzeitig . . . (abbrechend; entsprechende Geste) der war . . . knapp raus, da . . . (wieder abbrechend; Geste, als ob sich plötzlich alles um ihn wie in Schaukelbewegung befände).
Dufroy: (den kleinen Hocker neben dem Lehnstuhl zu sich heranziehend und dabei gleichzeitig dem wieder wie halb Delirierenden gut zuredend) Du kannst zu mir, als deinem Arzt . . .
Onkel Ludwig: (immer mit den entsprechenden Gesten) Da . . . ging der Tanz . . . da brach die Hetz . . . (wieder abbrechend).
Dufroy: (der sich inzwischen, etwas vor ihm nach links, gesetzt hat) In welcher . . . Form und Gestalt? In was für . . . Vorstellungsbildern? Willst du mir nicht . . . wenigstens andeutungsweise . . .
Onkel Ludwig: (erst allmählich sich rausheddernd) Da muß ich mich erst . . . das . . . kann ich dir wirklich . . . Ja, ja! Oder . . . ob mir das bloß so . . .? I wo! Nein, nein! . . . Aber auch ganz bestimmt! . . . Über meinem Bett . . . mit der gewürfelten Decke . . . in Glas und Papprahmen . . .
Dufroy: (um seinen Bericht etwas zu beschleunigen; da er fürchtet, daß der auch jetzt noch wie halb Umnebelte sonst aus dem Hundertsten ins Tausendste kommen könne) Den du dir selbst geklebt hast, hängt noch deine alte Schmetterlingssammlung! Nun ja! Und?
Onkel Ludwig: (naiv weiter) Das waren aber . . . keine Kiefernspanner, Ligusterschwärmer, Goldeulen, Perlmutterfalter und Pfauenaugen mehr . . .
Dufroy: (drängend) Sondern?
Onkel Ludwig: (erst noch etwas zaudernd, dann immer lebhafter; mit fortwährend wechselndem Mienenspiel und ebensolchen Gesten) Ich . . . weiß nich, aber . . . Aus allen Ecken, auf allen Ranken, im ganzen Gitterwerk, mitten durchs Zimmer und quer über die Decke weg! . . . Das zwitscherte, kreischte, kletterte, schwirrte, huschte, hüpfte, schoß, schmetterte und glitzerte! Kolibris, Kakadus, Araras, Flamingos, Marabus, Smaragdfinken, Purpurschwalben, kleine, silbrig singende, persische Bülbüls und Nashornvögel!
Dufroy: (der sich aus alledem noch »keinen« Vers machen kann) Nun ja, ja! Aber . . .