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Dufroy: (von neuem sich steigernd; wieder von einem zum andern) Diese »Schutzpatronin der reuigen Sünderinnen« . . . die in Aussehn und Gestalt . . . ich muß sagen, skandalöserweise, (zu Marianne jetzt ganz besonders) dir anfangs absolut ähnlich gewesen sein soll . . .
Georg: (mokant zu ihr rüber) Madam?
Marianne: (unwillig zu ihm zurück) Es ist wirklich nicht der Augenblick . . .
Dufroy: (wie vorhin; von diesem kleinen Intermezzo kaum unterbrochen, noch in seinem selben Satz weiter) Diese bekehrte Venuspriesterin . . . mißt, der verläßlichen Angabe (entsprechender »Blick«) dieses vertrauenswürdigen Chronisten zufolge . . . (auf einen heftigen Anruck Georgs, in der begründeten Furcht, daß dieser »vertrauenswürdige Chronist« ihn in seinem Redefluß sonst allerenergischst unterbrechen könnte) bitte, laß mich ausreden! . . . eines schönen Tages, oder vielmehr spät abends, da ihr ja anders nie, wie ihr dies nanntet, zu »experimentieren« pflegtet, auf schüchtern geäußerte Zweifel an ihrer Identität plötzlich drei Zentimeter mehr als du, ihr Haar ist aus dunklem Kastanienbraun auf einmal tiefblauschwarz geworden und, um die Metamorphose voll zu machen, radebrecht sie schließlich, als ihre angebliche Fraumuttersprache, Altgriechisch!
Marianne: (ausweichend) Ich kann dir da wirklich nicht . . .
Georg: (der sich den »vertrauenswürdigen Chronisten« – na, warte – gemerkt hat; schnell; einfallend) Selbstver ständlich nicht!
Dufroy: (wieder von einem zum andern; wie nach einer »Entschuldigung« oder »Erklärung« für »alle diese Dinge« suchend) Ich glaube ganz sicher . . . mal irgendwie wo gehört oder gelesen zu haben, daß alle Medien ohne Ausnahme unbewußt . . .
Georg: (während Marianne, wie es scheint, ganz überrascht, sofort aufgehorcht hat) Kostbar! Wie soll Marianne »unbewußt« plötzlich tiefblauschwarzes Haar bekommen und gleichzeitig unter meinem Meßapparat . . .
Dufroy: (sich verteidigend; wie vorhin; fast desolat-kläglich) Aber wenigstens das Altgriechisch stimmt doch damit so einigermaßen!
Georg: (amüsiert-ironische Geste; fast verächtlich) Gegen eine solche . . . glänzende Art der Beweisführung . . .
Dufroy: (der es vorzieht, ihn wieder nicht erst ausreden zu lassen; Notizblock) Ferner! Noch auf derselben Seite! . . . Dies holde Geschöpf aus dem Jenseits . . .
Georg: (ihn sofort unterbrechend) »Jenseits«? Warum grade Jenseits?
Dufroy: (ungehalten-unwirsch) Oder sonstwoher! (in seinem unterbrochen Satz weiter) Ist mit einem weißen, »wallenden Gewand« behaftet, »leuchtend, wie aus frisch gefallnem Schnee«, du wirst an dieser Stelle sogar poetisch, und mit einer Papierschere . . .
Georg: (sich »relativistisch« in seinen Satz eingliedernd; die »betrübliche Tatsache« noch unterstreichend) Die du noch dazu selbst mir mal geschenkt hattest . . .
Dufroy: (nickend; wieder »ganz ahnungslos«) Ja. Die ich noch dazu selbst dir mal geschenkt hatte! (von neuem) Mit dieser Papierschere schneidest du aus dem Kostüm der Dame, (»Marginal«-Bemerkung; »feinsinnig«) selbstverständlich mit deren Einwilligung . . .
Georg: (hinter seinem Schwiegervater an »Delikatesse« jetzt, scheinbar, nicht zurückstehend) Versteht sich!
Dufroy: (durch diese Zustimmung kaum unterbrochen; in seinem neuen Satz weiter und diesen mehr und mehr mit »attischem Salz« würzend) Ein über Hand großes Stück; die liebreizende Tausendkünstlerin, mit einer graziösen Bewegung ihrer feingeformten Rechten, (das Betreffende exekutierend) streicht nur einmal über den Defekt . . . (kleine Überraschungspause) und das Gewebe ist wieder ganz!
Georg: (scheinbar wie nur zu Marianne rüber; ihn damit gleichzeitig abfertigend; »zwei Fliegen mit einer Klappe«) Worüber du dich natürlich ebenfalls etwas verwunderst.
Dufroy: (während Marianne wieder nur die Achseln zuckt; Notizblock; Geste) Auch hier kommt's noch besser! Auf Seite dreihundertundneunundsiebzig verschickst du kleine Proben dieses interessanten Stoffs an so ziemlich alle ersten Modewarenhäuser der Welt, und nicht eine einzige dieser Firmen ist imstande, dich über den mysteriösen Ursprung dieses seltsamen Fabrikats aufzuklären!
Georg: (gelassen-gleichmütig) Was ich, als das für mich Wahrscheinlichste, auch bereits vorausgesehn hatte!
Dufroy: (in seinem Rapport weiter) Die so zurückerhaltenen Bruchteilchen verschließt du in eine ovale Metallkapsel, verlötest diese eigenhändig, und als du dann diese Kapsel nach Ablauf von sechs Wochen, (von neuem wieder Notizblock) Seite vierhundertvierundachtzig, wieder öffnest . . . (auch jetzt wieder die kleine Pause) ist die Kapsel leer!
Georg: (noch immer an sich haltend; so versteckt-drohend es aus seinen Worten auch bereits klingt; Vorhänge wieder dunkel) Und wenn ich nun den Spieß, lieber Schwiegervater, plötzlich umdrehe? Und dir ebenfalls mit einem kleinen Fragezeichen komme? . . . (da der »liebe Schwiegervater« ihn nicht sofort »versteht«; noch nachdrücklicher und seinen Wischer von vorhin ihm jetzt mit Zinsen wieder heim- und zurückzahlend) Glaubst du in einem vielleicht jetzt normalen Moment wirklich, daß ich mir meine »verläßlichen Angaben« als »vertrauenswürdiger Chronist« bloß um dich und allenfalls auch noch einige andre Leute deiner Denk- und Anschauungsart zu ärgern, grob deutsch gesagt, aus den Fingern gesogen habe?
Dufroy: (in die »Luft« vor sich hin; mit den Fingern der Rechten auf der Armlehne seines Sessels trommelnd) Man kann sich täuschen!
Georg: (langsam; fast lauernd) Hältst du mich . . . für einen . . . (scharf wie aus der Pistole) Simpel?!
Dufroy: (wie vorhin; nur noch verstärkt) Oder auch, wenn dir dies ehrenvoller und respektabler vorkommt, sich täuschen lassen!
Marianne: (schnell; unterdrückt-heftig; ihren Anschuldiger jetzt endlich »stellend«) Durch mich oder durch Onkel Ludwig?
Dufroy: (aufgebracht-ablehnend) Wie soll ich das wissen?!
Georg: (zu Marianne rüber; ihr sekundierend) Aha!
Marianne: (noch entschiedner) Wenn du mit einer . . . gelinde gesagt, derartig gewagten Behauptung kommst?
Dufroy: (»in die Ecke gedrängt«-ausweichend) Es wäre immerhin möglich . . . und vielleicht schließlich gar nicht einmal so weit von sich abzuweisen . . . daß unter Umständen . . . selbst auch noch dieser greise und schon beinah halb irre Fanatiker . . .
Marianne: (die ihn nicht ausreden läßt; noch energischer) Also, mit andern Worten, jedenfalls ich, als die dabei Hauptbeteiligte!
Dufroy: (der sie nicht anblickt; Georg, ihren »Parteigänger«, aber ebensowenig) Ich sage nicht ja und sage nicht nein!
Georg: (vor solcher »Taktik« fast »sprachlos«; unwillkürlich; losplatzend) Sehr gut! Wirklich! Ganz ausgezeichnet!
Marianne: (noch immer zu ihrem Vater; als sähe sie eine ganze, große Seite seines Wesens plötzlich zum erstenmal, oder doch wenigstens in einem für sie gänzlich neuen »Licht«) Das ist für dich die einzige Erklärung?
Dufroy: (heftig; wieder keinen von beiden anblickend) Ich sehe mich bis jetzt vergeblich . . .
Georg: (ihn unterbrechend; scharf, aber doch mit aller Kraft an sich haltend) Und da doch für gewöhnlich niemand etwas ohne jeden Grund und ohne eine gewisse Absicht tut . . . wie denkst du dir ungefähr, in diesem Falle, die Motive deiner Tochter?
Dufroy: (achselzuckend; noch immer wie vorhin; bereits beinahe mit einem Stich ins Verächtliche) Die Motive einer Frau . . .
Georg: (zu Marianne rüber; höhnisch, fast schadenfroh) Sieh, sieh!
Marianne: (auch sie noch wie vorhin; dabei aber zwischendurch, einen kurzen Moment, jetzt erregt nach Georg rüberblickend; ihre Stimme hat auf einmal einen fast harten Klang) Du wirst mir doch damit . . . hoffentlich . . . nicht etwa andeuten wollen . . .
Dufroy: (unbeherrscht; losbrechend; jede Steuerung seiner selbst und überhaupt der ganzen Situation vollkommen verlierend) Was sich seit drei Jahren in diesem Hause hier abgespielt hat . . . und noch abspielt . . . ihr mögt mir sagen und versichern, was ihr wollt . . . ist für mich von einer Unkontrollierbarkeit . . .
Georg: (seinen Paroxysmus unterbrechend; brodelnder Vesuv mit einer plötzlich zehn Meter dicken, künstlichen Eisschicht über sich) Also, liebe Marianne . . . da sich jetzt die ganze Geschichte so angenehm ins Persönliche dreht . . .
Dufroy: (der schnell und sofort wieder »zur Besinnung« gekommen; zurückstoppend) Du darfst meine kleinen Einwände . . .
Georg: (»kühl«) »Kleine Einwände« ist vorzüglich! . . . (wieder zu Marianne rüber, die ihn groß anstarrt) Ich habe mir also unsre Sache . . . nun doch wieder anders überlegt! Ich werde meine Papiere weder vernichten, wie ich dies in meinem Unmut . . . (abbrechend und sofort wieder weiter) noch, und vor allem . . . (letzte, eiserne Entschieden- und Entschlossenheit) Ich werde jetzt dieses Haus nicht verlassen!
Dufroy: (vor Überraschtheit fast »Salzsäule«) Du . . . wolltest . . . ?
Georg: (kurz) Ja. Es war meine übereilte Absicht gewesen, dir aus schwiegerpersönlicher Rücksichtnahme . . . (abbrechend) Es war Torheit! . . . (von neuem zu Marianne) Du wirst mir die Liebe tun, die besprochne letzte Sitzung . . . (auf eine unwillkürliche, fast wie entsetzte Bewegung von ihr; noch verstärkt) jawohl! . . . ganz gleich, ob dein Vater nun an ihr teilnehmen will, oder nicht . . . mit mir abzuhalten, (jetzt zu seinem Schwiegervater rüber, der, in seinen Sessel zurückgesunken, kaum seinen Ohren traut; wieder hellste Sonne) und ich werde schon morgen die sofortige Wiederaufnahme meiner Vorlesungen ankündigen!
Marianne: (aufgestanden; letzte, zitternde Angst und Freude gleichzeitig in ihrer Stimme; ihren Vater in diesem Augenblick ganz vergessend) Georg!!
Georg: (sitzengeblieben; jeden Akzent schärfst betont) Es wäre eine Feigheit von mir sondergleichen, einen Tatsachenverhalt, von dessen realer Existenz mich meine Gott sei Dank noch vollkommen gesunden Sinne überführt und überzeugt haben . . .
Dufroy: (sich jetzt ebenfalls erhebend; mit beiden Händen noch hinter sich auf seinen Armstuhl gestützt; stammelnd) Bist du . . .
Georg: (der sich jetzt gleichfalls erhoben; die Rechte auf sein Tischchen gestützt; die Linke leicht in der Seite; zu seinem Schwiegervater rüber; dessen diesem vor innerer Erregung steckengebliebne Frage prompt beantwortend) Ich fühle mich vollständig im Besitz meiner Vernunft und überblicke durchaus die Tragweite dessen . . .was ich dir eben eröffnet habe!
Dufroy: (der ihn noch immer anblickt, seine Worte nur mit Mühe aus sich rauspressend) Von deinem Berliner Lehrstuhl . . . als ordentlicher Professor der Chemie und Physik . . .
Georg: (ihn unterbrechend und in seinem Satz, von sich aus, weiter; jeden Akzent wieder aufs schärfste betont) Unter dem denkwürdigen Rektorat meines schwiegerväterlichen Lehrfreundes, Beschützers und Gönners Professor Doktor Eduard Charles Gaston Dufroy-Regnier, geboren Achtzehnhundertachtundvierzig zu Massana in der Republik Andorra . . .
Dufroy: (unwillig, heftig) Was hat hier die Republik Andorra . . .
Georg: (durch diese Unterbrechung in seinem »Stiehm« noch gesteigert und erst jetzt seinen Satz zu Ende führend) Werde ich die Stirn und den »herostratischen Mut« haben, inmitten einer trampelnden, oder wenn du willst, auch scharrenden Zuhörerschaft der erstaunten, nördlicheren Hemisphäre diese Riesenbären aufzubinden! Verlaß dich drauf!
Dufroy: (nachdem er sich von dem Schreck, in den ihn diese Wiederholung der ihm von seinem Gegner gemachten Eröffnung versetzt hat, einigermaßen wieder erholt hat; als ob er ihn plötzlich von einer Art Koller befallen, oder für »gelinde gesagt blödsinnig« hielte) Und zu welchem . . . falls ich mich überhaupt noch unterstehn darf, darnach zu fragen . . . zu welchem Zweck . . . willst du dich in dieser Weise opfern?
Georg: (aufrecht, regungslos, fest) Um einer Idee . . . die älter ist, als eure ganze, sogenannte moderne Wissenschaft . . . einen Streiter mehr zuzuführen!
Dufroy: (ihm an seinem Platz ebenso aufrecht gegenüber; Schultern und Kopf hochmütig zurückgeworfen; ihn feindselig messend) Und diese »Idee« . . . nennt sich, oder ist?
Georg: (mit der gleichen, ehernen Ruhe, wie vorhin) Einer armen, gequälten Menschheit, der dies elende, unsinnige, irdische Jammerdasein nicht genügt, und die an ihm verzweifelt, die Unsterblichkeit derselben Seele unwiderlegbar zu beweisen, die ihr unter euern Seziermessern . . . nie habt finden können! . . . (feurig; seine Stimme noch hebend; mau merkt ihm an, wie er bei seinen Worten »mit ganzem Herzen, mit ganzem Gemüt und mit ganzer Seele« ist) Um dieses höchste Problem . . . dem kein andres gleicht . . . mit dem an Wert und Wichtigkeit . . . sich nichts messen kann . . . hinter dem alles zurücksteht . . . um das unser Hirn sich müht, seit es denken gelernt . . . und gegen das euer ganzer, sich »modern« schimpfender »Fortschritts«-Schwindel . . . mit seinen Dreadnoughts, Luftkreuzern und Unterseebombenbooten kaum noch die hohle, blutleere Bedeutung eines nichtigen, müßigen Spielwerks für kleine Kinder hat . . . wird . . . seit einer Generation bereits . . . der entscheidende Kampf gekämpft!
Dufroy: (höhnisch; ihm noch immer gegenüber) Mit sich drehenden Tischen, mit Musikinstrumenten, die durch die Luft fliegen, und mit aneinandergeschraubten Schiefertafeln, die sich von innen selbsttätig beschreiben!
Georg: (unerschüttert) Womit ist gleichgültig. Deine mechanistische Wissenschaft, wenn du dir in dieser linguistischen Blumigkeit gefällst, hat zu Galvanis Zeiten mit zuckenden Froschschenkeln gefochten, zu den Zeiten Newtons mit dem diesem zufällig vor die Nase gefallnen Apfel und in den Tagen Watts mit dessen übergekochtem Teekessel! Der Kampf, von dessen ersten Anfängen du damals, über deinen »prähistorischen Prolegominis«, versäumtest Notiz zu nehmen, (letzte, wuchtigste Steigrung) wird heute in seinem letzten Stadium zum Austrag gebracht, und du darfst jetzt davon überzeugt sein, ich werde in ihm meinen Mann stehn! . . . (nach einer kurzen Pause; Radfahrer) Marianne! . . Willst du mir dabei . . . als treuer Kamerad . . .
Dufroy: (während sie von Georgs feuriger Begeistrung hingerissen, noch dasteht und ihn mit leuchtenden Augen anblickt) Wähle! . . . (nach einer kleinen Pause; noch schwerer; seine Brust arbeitet) Kann dir die Wahl . . . und wenn ich dich eben . . . auch vielleicht noch so mit Unrecht beschuldigt haben sollte . . . überhaupt schwer fallen?
Marianne: (zu Georg, den sie noch immer anblickt; beinahe ekstatisch) Ich bleibe . . . wo du bleibst!
Dufroy: (fast zurückgetaumelt; sie ganz entsetzt anstarrend) Du . . . (nicht fähig, seine Frage zu beenden).
Georg: (aufgereckt) Nun? . . . (halb nach Marianne rüber; Geste) Noch ist die Möglichkeit . . .
Dufroy: (plötzlich wie »um zehn Jahre gealtert«; unwillkürlich, einen Schritt von sich aus nach rechts; den Blick zu Boden, die Linke vor der Stirn; trübe Halbsonne) Das also . . .
Georg: (einen Moment fast wie Mitleid) Du willst jetzt . . . gehn?
Dufroy: (fast feindselig-scheu zu Marianne rüber; noch immer wie halb gebrochen) Ich . . . hätte überhaupt erst nicht . . .
Marianne: (leise, weich, zärtlich) Vater!!
Dufroy: (mit dem Versuch, sich wieder zusammenzuraffen) Ich bedaure . . . daß du in solche Hände geraten bist! . . . Aber . . . so Gott will . . . (sich hastig »verbessernd«) Das heißt . . . ich hoffe . . .
Georg: (noch immer aufrecht; eindringlich) Versuchs und überzeug dich! (unwillkürlich betreffende Geste) Ich biete dir noch mal die Hand! Nur so . . . (abbrechend und sofort wieder weiter) Das große Wissensgebiet, das zu betreten du dich weigerst, ist ein so riesenhaftes, über jede seiner Diszipline existieren bereits so umfangreiche Bibliotheken, die lange Ehrenphalanx glänzender, ruhmreicher, exaktester Denker und Forscher, die sich mit ihm beschäftigt haben, ist schon eine so fast unabsehbare, daß die Vogelstraußpolitik, die du treibst . . .
Dufroy: (der so lange, mit sich kämpfend, dagestanden; letzter Versuch, sich noch mal zur Wehr zu setzen) Ich glaube nicht, daß du durch solche Angriffe . . .
Georg: (ungeduldig, heftig; jeden weiteren Widerstand damit abschneidend) Sich gegen alle diese Dinge heute noch radikal ablehnend zu verhalten, ist nicht mehr »berechtigter Skeptizismus«, sondern einfach glatteste, platteste Unwissenheit!
Dufroy: (Marianne noch immer nicht wieder anblickend; schwankend, unschlüssig, im letzten und eigentlichsten aber doch schon gewonnen; wieder helle Sonne) Und . . . mein Bruder? . . . Wenn ich nun wirklich . . . mich überwinden . . . und an eurer Sitzung teilnehmen wollte . . . würde der nicht sofort wieder . . .
Georg: (verändert-entgegenkommend; halb bereits wie gewandelt) Ich glaube, um diesen Preis . . . würde sogar ganz im Gegenteil auch Onkel Ludwig . . .
Dufroy: (sich vergewissernd) Das hältst du wirklich . . . für so sicher?
Georg: (eifrig, nachdrücklich; das Eisen schmiedend, so lange es noch usw.) Ich bin überzeugt, daß auch deine Tochter Marianne . . .
Marianne: (einfach, schlicht) Ich denke wie Georg.
Dufroy: (der sich jetzt endlich »wiedergefunden«) Gut! . . . Man soll nicht sagen, daß ich mich kleinlich geweigert hätte . . . selbst das mir allerschwerste Opfer zu bringen, wo es den Frieden . . .
Georg: (einfallend; »aufs höchste befriedigt«) In deiner Familie galt! Gewiß nicht! (zu Marianne rüber; fester Tonfall) Wir werden also unsre Sitzung, und zwar wir alle vier, noch heute abend . . .
Onkel Ludwig: (hinterm Perlenvorhang links eben die Tür aufmachend) Kommen Sie nur, Baronchen! . . . (»Knax«) Eh! . . . Kommen Sie!
Uexküll: (noch draußen) Respektvollsten Dank!
Onkel Ludwig: (den man ebenfalls noch nicht sieht) Werd's schon machen! Sollen zufrieden sein!
Georg: (der sofort, ganz erstaunt-ungehalten, aufgehorcht hatte; erst nach der Tür, dann zu den beiden übrigen) Sollte dieses . . . enfant terrible . . . ?
Onkel Ludwig: (durch den Perlenvorhang; einen Moment vor dem Anblick Dufroys ganz starr; erst dann nähertretend; ihn von oben bis unten zornfunkelnd messend; Halbsonne) Wer ist . . . das?!
Dufroy: (durch die Anwesenheit jetzt auch zugleich Uexkülls, der hinter Onkel Ludwig »ehrerbietig« aufgetaucht ist, in der »freien Entfaltung« seines versöhnlichen, stiefbrüderlichen »Entgegenkommens« unwillkürlich etwas behindert) Lieber Bruder . . .
Onkel Ludwig: (losplatzend; mit »schwellender Zornader«; erst zu Georg und Marianne rüber, dann zu Dufroy) Ich dachte . . . der Scheiterhaufen . . .
Georg: (ihn unterbrechend; mißbilligend; von Uexküll zu Dufroy) Möchtest du die Güte haben?
Onkel Ludwig: (durch diesen »Supps« wieder zu sich gekommen) Ah so! . . . (»a« kurz) Ja! . . . Natürlich! . . . (nachgrollend) Warum nich? . . . (beide einander vorstellend) Mein alter Freund Baron Uexküll . . . (Gemisch aus Stolz, Sarkasmus, Selbstüberhebung und noch verschiednen andern schönen Dingen) Herr Professor Doktor Dufroy-Regnier, Wirklicher Geheimer Rat, Exzellenz, Rektor der Friedrich-Wilhelms-Universität, mein Stiefbruder!
Uexküll: (den Hut nicht mehr in der Hand, so daß er ihn also wahrscheinlich auf Veranlassung von Onkel Ludwig irgendwo draußen abgelegt haben muß; gewandt-korrekt) Hohe Ehre!
Dufroy: (ohne es zu wollen, unter dem Druck des Moments, etwas steif-frostig) Angenehm.
Onkel Ludwig: (ähnlich wie vorhin; seine alte Feindseligkeit wieder aufnehmend) Also die Exekution . . .
Dufroy: (schnell; ihn unterbrechend; in der Hoffnung, ihn dadurch in ein andres Fahrwasser zu lenken) Georg war so freundlich, mich zu eurer heutigen, (diese Worte lebhaft unterstrichen) letzten Sitzung zu laden!
Onkel Ludwig: (fast wie »vor den Kopf geschlagen«; den betreffenden »Attentäter« anstarrend) Georg?!!
Georg: (brüsk) Ja!
Dufroy: (zu seinem Stiefbruder) Du scheinst . . . zu meinem aufrichtigen Bedauern . . .
Onkel Ludwig: (noch ganz »gekränkte Leberwurst«; zu sämtlichen drei Beteiligten) Ohne . . . mich . . . ? Ohne vorher mich . . .
Georg: (eisig) Ja! Denke dir nur dies Majestätsverbrechen!
Onkel Ludwig: (da er fühlt, daß sich in diesem Augenblick gegen seinen » neveu« nicht ankämpfen läßt; von neuem halb nach Dufroy rüber) Und das gesalbte Oberhaupt der Gegenpartei . . .
Georg: (fast heftig; in Gegenwart Uexkülls für den Angegriffnen energischst eintretend) Ich muß doch bitten!
Onkel Ludwig: (noch ergrimmter; in seinem unterbrochnen Satz weiter) Lehnt natürlich . . .
Dufroy: (wie vorhin; eifrig; nochmal prallste Sonne) Absolut nicht! (mit feiner »Eröffnung« das Gegenteil von unzufrieden; sich unwillkürlich etwas reckend) Ich habe mich, nach allerdings innerm Kampf, entschlossen . . . .
Onkel Ludwig: (als hätte er nicht recht gehört) »Ent . . . ?«
Dufroy: (noch entschiedner; jetzt auch zu Georg und Marianne rüber) Entschlossen, dem von euch behaupteten Tatsachenkomplex . . .
Georg: (zu Onkel Ludwig) Du hörst!
Dufroy: (noch in seinem selben Satz weiter) Trotz meiner vorläufig prinzipiellen Stellungnahme gegen ihn . . .
Georg: (jetzt zu Dufroy direkt) Die dir niemand verübelt!
Dufroy: (seine Oratio schließend) Doch, behufs ernstafter, eingehender Prüfung, vorurteilslos, näherzutreten!
Onkel Ludwig: (sich mit der Linken flach vor die Stirn fassend; von einem zum andern blickend; noch immer wie verdattert; aber doch bereits ganz andrer Tonfall) Bin ich . . . bei Verstand? . . . Hab ich . . .
Marianne: (die durch das plötzliche Wiederauftauchen Uexkülls wieder in eine merkliche Unruhe verfallen war, jetzt aber, wie es scheint, sich gar nicht mehr um ihn bekümmert; zu ihrem Vater, vermittelnd) Du siehst, wie Onkel Ludwig . . .
Onkel Ludwig: (noch gesteigerter als vorhin; betreffende Haltung und entsprechender Blick) Stürzt hier nächstens . . . die Decke ein?
Dufroy: (der jetzt merkt, daß er sein Spiel gewonnen; warm, herzlich; ihm »offen und ehrlich« die Hand bietend) Es freut mich . . . daß du als mein Bruder . . .
Onkel Ludwig: (ganz wie ausgewechselt; mit ausgebreiteten Armen zwei Schritte vor ihm zurück; wie ein großer Bär) Laß dich mal . . . sehn! . . . Wie kuckste denn . . . überhaupt aus?!
Dufroy: (etwas geniert-unbehaglich halb zu Uexküll rüber) Herr Baron . . . wird zwar etwas verwundert sein . . .
Georg: (zornigst-mißbilligendes Räuspern; wie um dieser »Familienszene« vor einem so unberufnen Dritten ein möglichst schleuniges Ende zu machen) Hhr . . . mm!!
Onkel Ludwig: (fast »empört«, zu ihm und Uexküll rüber) Wenn man nach zwei Menschenaltern . . .?
Uexküll: (»diskret«) Aber ich bitte!
Georg: (knapp, kurz) Die Sache ist also abgemacht! Herr Doktor Brodersen hat gegen die Assistenz von Herrn Professor Dufroy nichts einzuwenden, und da die Herren . . .
Onkel Ludwig: (aufgeräumt, ihn unterbrechend) Famos! (die »Gelegenheit« am »Zipfel« packend) Herr Baron, der sich für solche Vorführungen lebhaft ebenfalls interessiert . . .
Uexküll: (ihm assistierend; »bescheiden«; zu Georg und Dufroy gleichzeitig) Falls meine Bitte . . .
Georg: (auffahrend; bei Dufroy und Onkel Ludwig sofort Protest erhebend) Ich möchte da doch . . .
Dufroy: (Geste; ihn beruhigend; aber dabei doch diplomatisch für Onkel Ludwig Partei ergreifend) Auch mir, lieber Georg . . . (halb zu Uexküll rüber) wäre die Zuziehung eines gänzlich Unbeteiligten . . .
Onkel Ludwig: (unwillkürlich) Bravo!
Dufroy: (wie vorhin; noch verstärkt) Und also damit gewissermaßen Unparteiischen . . .
Uexküll: (sich verbeugend) Zu gütig!
Dufroy: (wieder zu Georg; erst jetzt seine »Befürwortung« schließend) Nur lieb!
Georg: (nach Marianne hin; scharf; wie von dieser Unterstützung und Hilfe erwartend) Ich weiß aber nicht . . .
Onkel Ludwig: (zu Marianne rüber; ahnungslos; wieder »neugeborner Wickelknabe«) Dir is das doch nich unangenehm?
Marianne: (aufgerichtet; Uexküll jetzt fest anblickend; ihre Worte seltsam betont) Wenn Herr Baron . . . sich von dieser Sitzung . . . (Auto) etwas verspricht?
Georg: (dem dieser Tonfall auffällt; schnell; von einem zum andern blickend) »Verspricht«? . . . Inwiefern?
Uexküll: (ihn ignorierend; verbindlich zu Marianne rüber) Tausend Dank!
Onkel Ludwig: (entzückt; unwillkürlich zweimal leicht in die Hände schlagend) Bravissime!
Georg: (ungehalten-mißgestimmt) Dann kann ich natürlich als Einzelner . . .
Uexküll: (zu Georg; höflich) Falls aber Herr Professor . . .
Onkel Ludwig: (zu Uexküll; ganz »Autorität«; ihm die majestätisch erhobne Rechte fest auf die Schulter legend) Junger Mann . . . ich habe Ihnen mein Wort gegeben, und mein Wort . . .
Dufroy: (jetzt endlich ebenfalls wieder eingreifend; zu Georg und Marianne) Nur noch eine Bedingung . . . (rücksichtsvoll zu Onkel Ludwig rüber) Das heißt . . .
Onkel Ludwig: (Geste, lebhaft mit beiden Händen) Alles, alles, was du . . .
Dufroy: (zu Georg; sein »Amendement« sehr nachdrücklich betont) Als Raum, würde ich mir dieses Mal erlauben, nicht dein Laboratorium in Vorschlag zu bringen, das ich nun schon seit Jahren nicht mehr betreten . . .
Georg: (neugierig-ungeduldig) Sondern?
Dufroy: (jetzt auch noch zu den beiden übrigen) Euren alten Musiksaal!
Georg: (der sofort zu Marianne rübergeblickt, die nur wie gleichmütig die Achseln zuckt; trotzdem unangenehm von dieser Forderung überrascht) Das erschwert uns zwar die Sitzung in einer Weise . . .
Onkel Ludwig: (ihm, bedenklich, zustimmend) Allerdings! Allerdings!
Dufroy: (ans seinem Verlangen, das er sich »schuldig« zu sein glaubt, bestehn bleibend) Mag sein! Ich maße mir da nach der Richtung kein Urteil an! Aber ich hätte dann die Garantie . . . (abbrechend und sofort wieder weiter) Ihr habt ihn in der Zwischenzeit nicht benutzt, er hat nur die eine, große Tür, die aus dem Gartensaal führt . . .
Georg: (jetzt innerlich bereits zu seinem Entschluß gekommen) Schön! . . . Dann ist es aber vernünftger . . . sein Oberlicht kann jederzeit von uns abgestellt und, je nach Bedarf, durch künstliches ersetzt werden, wir warten nicht erst den Eintritt der Dunkelheit ab . . .
Onkel Ludwig: (jovial einfallend und ihm seinen Satz von sich aus schließend) Sondern überführen unsre Herren Skeptiker sofort!
Dufroy: (sich unwillkürlich wieder die Hände reibend) Einverstanden!
Georg: (nicht lange »fackelnd«; wie einen Moment unbestimmt, ob er den Raum durch die Tür links oder rechts verlassen soll) Dann werde ich gleich . . . (sich unterbrechend und noch mal nach der für ihn jetzt »Hauptperson« rüber) Also Marianne?
Marianne: (ruhig, fest; alle Anwesenden überblickend) Ich bin bereit.
Georg: (schon an der Tür links; noch mal halb zurück und betreffende, leichte Kopfbewegung) Vielleicht halten sich die Herren . . . so lange im Garten auf!
Onkel Ludwig: (sofort nachdem Georg verschwunden, ebenfalls auf die Tür zu; zu seinem Stiefbruder) Herr Frater?
Dufroy: (der ihm den Vortritt lassen will) Nach dir, lieber Ludwig! Nach dir!
Onkel Ludwig: (der ihm bereits den Perlenvorhang gehoben) Keine Widerrede!
Dufroy: (den Perlenvorhang passierend) Nun! Damit du nicht denkst . . .
Onkel Ludwig: (nochmal zu Uexküll zurück) Herr Baron? . . . (zu Marianne; ihr gelaunt-scherzhaft mit dem Finger drohend) Hn? . . . Mariannl?
Uexküll: (kaum daß nun auch noch Onkel Ludwig verschwunden, sofort bis in die Mitte der Bühne und verhalten-erregt zu Marianne rüber, die ihn hochaufgerichtet, stolz-abweisend und fast verächtlich anblickt; dunkelste Lichtstimmung des ganzen Akts) Gnädigstes Fräulein . . . sehn mich noch ganz erschüttert! Hätte mir nicht eben Ihr Herr Onkel selbst . . .
Marianne: (die nur noch mit Mühe an sich hält) Sie werden dieses Haus . . . unter irgendeinem Vorwand . . . sofort und auf der Stelle . . .
Uexküll: (sich schnell und leidenschaftlich steigernd) Vertreiben Sie mich nicht! Verjagen Sie mich nicht! Stoßen Sie mich nicht von sich! Das traurige Geschick Ihrer armen Frau Schwester . . .
Marianne: (deren Stimme fast zittert) Ich verbiete Ihnen . . .
Uexküll: (über ihre Unterbrechung hinweg) Sie sind zu grausam zu mir! Sie sind zu hart! Mein ganzes Leben seit jenem glücklich-unglücklichen Abend ist ein einziges Suchen gewesen! Wo ich auch war, wo ich auch weilte, immer wieder hat es mich hierher zurückgezogen! Und nun, wo ich für die Verlorne . . .
Marianne: (außer sich) Sie . . . wagen es . . .
Uexküll: (noch in seinem selben Satz weiter) Den wunderbarsten, köstlichsten Ersatz gefunden . . .
Marianne: (noch gesteigert) Sie besitzen die Stirn . . .
Uexküll: (der sie mit seinen Augen »verschlingt«) Sie sind ja noch tausendmal . . .
Marianne: (die sich kaum noch kennt) Sie riskieren es, mir sogar noch obendrein . . .
Uexküll: (plötzlich; einen Schritt zurück; veränderter Tonfall) . . . Bitte?
Marianne: (flammend) Sie wollen nicht gehn??
Uexküll: (ruhig, »kühl«, selbstbeherrscht; als hätte sie ihm mit diesem Verlangen den pursten Irrsinn zugemutet) Durch was . . . ich wäre ja sonst . . . vor mir der naivste Tor . . . könnten Sie mich im Moment dazu zwingen?
Marianne: (ausholend-drohend; jeden Akzent nachdrücklichst betont) Ich . . . warne Sie! Hüten Sie sich! Nehmen Sie sich in acht!!
Uexküll: (sich bereits wieder steigernd) Es wäre das erste Mal in meinem Leben, daß ich vor dem . . . entzückenden, anbetungswürdigen . . . Haß . . . oder Zorn einer Frau . . .
Marianne: (noch stärker) Der Mann, den Sie beleidigt haben . . . so tief und so tödlich, wie ein Mann einen Mann nur beleidigen kann . . .
Uexküll: (ihre Energie noch überbietend) Sie . . . lieben diesen . . . Mann!
Marianne: (vor diesem »direkten Sturmangriff« nicht znrückschreckend) Und . . . wenn ichs . . . täte?
Uexküll: (noch erregt-leidenschaftlicher) Sie . . . lieben ihn!
Marianne: (mit letzter, fast höhnischer Selbstsicherheit und Kraft; sich unwillkürlich noch höher richtend) Seit dem ersten Augenblick . . . wo er mir vor acht Jahren . . . im Garten dieses Hauses . . . gegenübertrat!
Uexküll: (dessen »Besinnung« jetzt mit ihm »durchgeht«; wieder veränderter Tonfall; »kalte Wut«) Dann . . . weiß ich jetzt auch . . . aus welchen Gründen . . . (Pferdegetrappel) Ihre arme, bedauernswerte Frau Schwester an jenem siebzehnten Märzabend . . .
Marianne: (ihn unterbrechend; unwillkürlich einen halben Schritt zurück) Mein . . . Herr!!
Uexküll: (seine Eifersucht nicht mehr zügelnd) Sie . . . lieben diesen Mann und . . . (allerstärkst; wenn auch, wie überhaupt diese ganze Szene, durch den Moment und die Situation instinktiv etwas gedämpft) Sie betrügen ihn zugleich! . . . Ihre ganze, sogenannte, angebliche Mediumschaft . . .
Marianne: (zusammengezuckt; heftig) Sie . . . erfrechen sich . . .
Uexküll: (von seiner Anschuldigung nichts zurücknehmend; im Gegenteil sie noch unterstreichend; mit »eiserner Stirn«) Ich »erfreche« mich zu bezweifeln, was für mich einem Zweifel überhaupt erst gar nicht unterliegt!
Marianne: (von neuem ausholend; langsam; ihre Worte beginnen einen fast seltsamen, versteckt-warnenden Klangton anzunehmen) Sie . . . könnten sich . . . täuschen! Ihre Schuld . . .
Uexküll: (ungehalten-unmutig; dieses Wort weit von sich weisend) »Schuld!« »Schuld!« Es gibt keine Schuld!!
Marianne: (noch verstärkt) Ihre Schuld ist eine so erschreckend große . . . daß, wenn sie jetzt für uns alle (letzte, beinahe qualvolle Steigrung) frei an den Tag käme . . .
Uexküll: (sie unterbrechend; überzeugteste, weder durch ihre Worte, noch durch ihr Verhalten auch nur im geringsten erschütterte Sicherheit und Bestimmtheit) Sie werden als . . . Tochter Ihres Vaters, als . . . Schwester Ihrer . . . Schwester . . . unter keinen Umständen und unter keiner Bedingung den Mut finden . . .
Marianne: (ausbrechend; fast verzweifelt) Als ob das . . . dann noch in meiner Macht läge! Als ob das . . . dann überhaupt noch (sich wieder und noch mal zusammenraffend) Ich warne Sie noch mal . . . und zum letztenmal!
Uexküll: (energisch-äußerste, durch nichts mehr umzustürzende Entschlossenheit) Er . . . oder ich! . . . Ich oder er! . . . Sie werden mich aus diesem Hause . . . heute durch nichts mehr verdrängen . . . und ich werde meine Augen (drohend) offen halten!
Marianne: (die sich jetzt wieder vollständig gefaßt hat; ihn von oben bis unten messend; ganz »Dame«) . . . Sie sind . . . kein Gentleman!
Uexküll: (unter diesem »Peitschenhieb« nicht einmal zurückgezuckt; ihre »Blicke« erwidernd) Weil ich nicht ohne Kampf . . . und zwar, falls es nottun sollte, nicht ohne Kampf bis aufs äußerste und letzte . . . vor einem Ziel, das ich mir nun mal gesteckt habe . . .
Marianne: (höhnisch-verächtlich) Ein . . . nettes Ziel!
Uexküll: (von seiner Leidenschaft einen Moment wieder überwältigt) Das . . . herrlichste . . . lockendste, das ich mir je . . .
Marianne: (an ihm vorüber, ohne ihn anzublicken, und auf die Tür links zu; bevor sie diese ganz erreicht hat, sich noch mal nach ihm umdrehend und ihm elementar ins Gesicht) Ich . . . hasse und . . . verabscheue Sie! (durch den Perlenlöwen ab).
Uexküll: (der ihr »ohnmächtig« nachgeblickt; einen Moment, die Hände unbewußt seitlich geballt, mit sich ringend; halblaut, finster vor sich hin) Und wenn es mein . . . (plötzlich, mit einem Ruck, sich zusammenraffend und ebenfalls auf die Tür links zu) Verderben ist! (ab durch das Perlenungetüm).
(Vorhang)