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Morgentraum

Und auf den Straßen tönt der Schrei des Riesen
Durch Kinderlärmen und den Sturmgesang
Der Telegraphendrähte. Horch! Er brüllt.
Wie Wagenrasseln tönt sein Ruf zum Kampf.

Zum Kampf mit Ihm, um den die Engel weinen?
Das Opferlamm, des Blut die Welt verhüllt,
Daß alle Sonnen nur verdrossen scheinen?

Und des Planeten Antlitz taucht jetzt auf
Mit schmutzigem Haar, vom Fiebertraum entzahnt,
Und heisrer Atem fauchend übers Meer
Sich Schmerzenswege auf zum Himmel bahnt.

Dann siehst du Menschen wie in Kerkern wohnen,
In Zimmern hockend, jedem Blick bedrängt.
Der Horizont ist mit Geschrei verhängt.
Doch Lachen schallt von goldnen Wolkenthronen.

Und Markt und Straßen, wo die Wagen rasseln,
Der Ruf des Riesen mahnend überquert.
Wie Mittagswut und tausend Flammen prasseln.
Und kalt und blutig naht dir Gottes Schwert.

Und goldne Nacht enthülle mich als Traum.

Es muß verruchte Märchengötzen geben,
Die steinern drohen durch den großen Raum.

Und jäh wie Leid, das mein Gehirn zerreißt,
Entströmt die Lust der Nächte allen Bronnen.
Nächte sind weißer von Gedankensonnen
Als je der tiefe Tag im Süden weiß.

Schwärzliche Mauern starren zu den Sternen
Von müden Männern hastig aufgebaute.
Hellgrüne Himmel bersten. Aus den fernen
Vorstädten stößt zu dir das laute
Geschrei der Sklaven, die die Fäuste heben.

Grüße den Schrei! Denn du, weißt du denn jetzt
ob dich Verzweiflung durch die Straßen hetzt
Oder die Seligkeit zu leben?

O Nacht zärtlicher Sterne Gefunkel
In liebesklarer Luft
Lebendigen Traumes Flammendunkel.
Über schmalen Wegen der Bergeskluft,
Hoch im Gebirg' in den eisigen Gipfeln ein Raunen.
Musik der Seele. Tanz und Märchen erstaunen.

Mehr als zu sein und mehr als nicht zu sein!
Wer darf den Leib denn denken, den er liebt!
Wer darf vermessen durch die Wälder schrein,
Daß Gott ihm nie den Tag der Schönheit gibt?
Farbiger Rauch steigt auf aus den Städten der Qual,
Wo der weiße Bruder bedächtig die Tonpfeife raucht,
Wie ein Feuer von Fieberträumen hingehaucht,
Fern am lauernden Horizont.


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