Autorenseite

   weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Einen Sommer lang hatte ich auf der Universität häufigen und vertrauten Verkehr mit einem jungen Manne, dessen seelenvolles Gesicht und edle Sitten auf jeden, der ihm nur flüchtig nahe kam, einen gewinnenden Eindruck machten. Vertraut darf ich unser Verhältniß wohl nennen, weil ich der Einzige aus unserem studentischen Kreise war, den er aufforderte, ihn zu besuchen, und der dann und wann seinen Besuch empfing. Aber von jener ungebundenen, überschwänglichen, nicht selten zudringlichen Verbrüderung, wie sie unter der studirenden Jugend hergebracht ist, waren wir, als wir uns im Herbst trennten, fast so weit entfernt, wie auf jenem ersten Spaziergange längs dem Rheinufer, wo uns der gleiche Weg und das gleiche Entzücken an der wundervollen Frühlingslandschaft zusammenführten.

Selbst in seine äußeren Verhältnisse hatte er mich nur nothdürftig eingeweiht. Ich wußte, daß er aus einem alten gräflichen Hause stammte, seine Knabenzeit im Schloß seines Vaters unter der Leitung eines französischen Hofmeisters verlebt hatte, dann mit diesem auf Reisen geschickt und endlich auf seinen ausdrücklichen Wunsch zur Universität gegangen war. Hier erst hatte er klar erkannt, was ihm bisher nur als eine dunkle Ahnung nachgegangen war, daß es ihm an aller regelmäßigen Bildung fehlte. Nun schloß er sich Jahre lang mit Büchern und Privatlehrern ein, ließ draußen das wilde Burschenleben vorüberbrausen, ohne von seiner Arbeit aufzusehen, und war, da ich ihn kennen lernte, so weit gediehen, daß er mit der Politik des Aristoteles aufstand und mit einem Chorgesang des Euripides zu Bette ging.

Kein Hauch von pedantischem Notizenstolz, kein Anflug von unfruchtbarem Staube beschwerte seinen Geist nach diesen ernst angespannten Lehrjahren. So viele fleißige Leute arbeiten, um nur nicht leben zu müssen. Er erlebte alles, was er arbeitete, denn er arbeitete immer aus dem Vollen, mit allen Organen zugleich. Einen geistigen Gewinn, der nicht zugleich seinem Charakter zu Gute kam und mit den Bedürfnissen seines Gemüths im Widerspruch stand, kannte er nicht, erkannte er nicht an. In diesem Sinne war er vielleicht die idealste Natur, die mir je begegnet ist, wenn das Wort nicht in dem platten Sinne mißbraucht wird, wo es eine weiche Schönseligkeit, eine Abkehr von der kalten und unsanften Wirklichkeit der Dinge bedeutet, sondern den freilich seltneren Trieb, aller engen, fachmäßigen Abrichtung, selbst um den Preis glänzender Erfolge, auszuweichen und ein Menschheits-Ideal mit festem Muth und bescheidener Hoffnung im Auge zu behalten.

So war es auch begreiflich, daß die gewöhnlichen studentischen Vergnügungen unseren jungen Einsiedler wenig lockten. Man legte es ihm als aristokratischen Hochmuth aus, von dem er völlig frei war. Allerdings hatte seine Erziehung einen Widerwillen gegen das Rohe, Unsäuberliche und Maßlose in ihm befestigt. Aber das Bedürfniß äußerer Reinlichkeit war ihm schon angeboren, eben so sehr, wie ein fast weibliches Zartgefühl in allen sittlichen Dingen. Ich habe nie eine größere Willensstärke, eine männlichere Energie des Geistes mit so viel mädchenhafter Scheu, von Herzensangelegenheiten zu reden, vereinigt gefunden. Darum mied er die lauten Gelage, in denen zwischen Weindunst und Tabaksqualm über Vaterland, Freiheit, Liebe und Freundschaft, Gott und Unsterblichkeit mit gleichem breiten Behagen, wie über den letzten Ball oder den Schnitt einer neuen Corpsmütze verhandelt wurde. Ja, auch unter vier Augen, wo er über ein wissenschaftliches Problem aufs beredteste sich ergeben konnte, gerieth er nur selten auf Fragen, über die nur die geheimste, persönlichste Natur im Menschen entscheidet. Politik, Historie, Staatswissenschaft und die Alten trieb er mit Leidenschaft; da wurde er in der Debatte oft so warm und überströmend, als spräche er zu einem ganzen Volk, das er mit fortzureißen trachtete. Die täglichen Dinge berührte er kaum. Von seiner Familie habe ich ihn niemals sprechen hören.

Nur einmal nannte er seinen Vater. Ich besuchte ihn eines Abends, um ihn zu einer Wasserfahrt aufzufordern, wie er sie sehr liebte, wo wir im kleinen Kahn uns zu einer Weinschenke eine Stunde unterhalb der Stadt hinunter ruderten, um dann nach einem einfachen Mahl unterm Sternenhimmel zurückzuwandern. Ich fand ihn, da er eben seine Feder weggeworfen hatte und mit dem Entschlusse rang, sich zu einer Gesellschaft anzukleiden. Beklagen Sie mich! rief er mir entgegen (zum »Du« haben wir es nie gebracht). Sehen Sie das prachtvolle Abendroth und stellen Sie sich vor, daß ich ihm den Rücken wenden muß, um mich an der Erhabenheit gestirnter Fracks zu weiden.

Dabei nannte er mir eines der ältesten adligen Häuser der Stadt, wo zu Ehren eines durchreisenden Gesandten eine Soiree veranstaltet war.

Und Sie müssen? fragte ich mit aufrichtigem Mitgefühl.

Ich muß wohl, seufzte er. Mein Vater, der mit Gewalt einen Diplomaten aus mir machen will, würde sehr ungehalten sein, wenn ich nach Hause käme und wüßte nicht zu sagen, ob die Soupers des Barons N., an den er mich angelegentlich empfohlen, noch immer ihren europäischen Ruf rechtfertigen. Darum habe ich mich sträflicher Weise zu wenig gekümmert und muß nun zu guter Letzt die Lücken in meinem Cursus ausfüllen.

Er sah mich lächeln und setzte schnell hinzu: Sie müssen wissen, mein Vater denkt über die galonnirte Nichtigkeit, die in den meisten dieser Kreise sich spreizt, wo möglich noch unhöflicher als ich, wenn er auch Anderes dort vermißt, als was mir zu wünschen übrig bleibt. Er ist ein Mann der alten Schule, ein Diplomat des Empire; er hat die Welt in Flammen stehen sehen und kann die dämonische Beleuchtung nicht vergessen, in der damals Gut und Böse, schön und Häßlich, Hoch und Niedrig an ihm vorüberzog. Jetzt ist Alles friedlich, aber grau, zahm, aber schläfrig – wie es ihm vorkommt. Aber gleichviel, es ist immer noch eine Welt, und wer sie in seinem Kreise beherrschen will, muß sie kennen. Er hat mir nicht viel gute Lehren mit auf den Weg zur Universität gegeben, aber die eine mir in hundert Variationen eingeschärft: Lies mehr in Menschen, als in Büchern. Als ich in deinen Jahren war, pflegte er zu sagen, spielten die Bücher eine viel bescheidnere Rolle; ich kannte manchen genialen Mann, der seit seinem Eintritt in die Gesellschaft nie etwas Anderes las, als den neuesten Roman und die Kriegs-Bulletins, und nichts schrieb als Depeschen und Liebesbriefe. Desto mehr Zeit blieb ihm zum Handeln, wo es nöthig war, und zum Denken – und wo wäre das nicht nöthig? Aber lernen, aus Büchern lernen – das fiel Niemand im Ernste ein; man wußte Alles, es lag in der Luft, und wo ihr heute mit eurem Latein bald zu Ende seid, reichten wir mit unserem Französisch noch eine gute Strecke. – Ich habe mir das gesagt sein lassen und immer wieder einen Anlauf genommen, mich in diese Menschen hineinzulesen. Aber schon nach dem ersten Blättern sah ich gewöhnlich, daß ihre Titel das einzig Wichtige an ihnen sind. Ich muß entweder ein schlechter Leser sein – und ein »geneigter« bin ich freilich nicht – oder die vornehme Welt der neuen Schule lebt wirklich in einem geistloseren Stil. – Der Wagen fuhr vor, und ich ging, denn ich hatte schon öfter bemerkt, daß es ihn verlegen machte, wenn Jemand bei seinem Ankleiden zugegen war. Als ich hernach zufällig an dem Hause vorbeischlenderte, wo das glänzende Fest die ganze Aristokratie versammelte, sah ich ihn eben aussteigen, und wir wechselten einen kurzen, halb ironischen Blick. Ich freute mich an der hohen, kräftigen Gestalt und der wahrhaft ritterlichen Haltung meines Freundes, als er langsam die mit Teppichen bedeckten Stufen hinaufstieg. Auch wußte ich von mehr als Einer Seite, daß er den Frauen gefährlich war; ja man erzählte von einer vornehmen Engländerin, die nach verschiedenen, sehr unzweideutigen Versuchen, ihn zu gewinnen, endlich in heller Wuth und Verzweiflung abgereist sei und zuvor noch einem Papagei den Hals umgedreht habe, der wochenlang bei Tag und bei Nacht den Namen des spröden jungen Grafen zum Fenster hinaus zu schreien pflegte.

Mir war es nie gelungen, etwas Näheres von diesem oder einem anderen Abenteuer zu erfahren; denn überhaupt ging er allem Gespräch über Frauen geflissentlich aus dem Wege, obwohl er mit keinem Worte je den Verdacht erweckte, als denke er gering von ihnen, oder trage etwa eine Wunde durchs Leben, die er neu aufzureißen fürchte. Ich legte mir das nach seiner ganzen Sinnesart so zurecht, daß er, seinen ernsten Zielen nachstrebend, für ein leichtherziges Getändel keine Zeit übrig habe und von einer tieferen Neigung noch nicht berührt worden sei. Seine Mutter war bald nach der Geburt dieses ersten Kindes gestorben. Zuweilen empfing er Briefe einer weiblichen Hand und sagte mir, daß sie von seiner alten Wärterin kämen, die Mutterstelle bei ihm vertreten. Er schien ihr sehr anzuhängen, verweilte aber auch bei ihr nicht lange, da ihm immer Gespräche über seine und meine Studien auf der Seele brannten.

Er war mir um mehrere Jahre voraus und ging, als wir uns im Herbst trennten, nach Berlin, dort sein diplomatisches Examen zu bestehen. Wir sagten uns herzlich, aber ohne Hoffnung eines fortdauernden Verkehrs, Lebewohl. Beide wußten wir, daß es unmöglich sein würde, was wir bisher ausgetauscht, auch in Briefen mit einander zu theilen. Wir waren jung; wir schieden mit dem sicheren Vertrauen, daß uns das Leben unfehlbar wieder zusammenführen würde.

Aber viele Jahre hindurch war er bis auf den Namen für mich verschollen. Das Letzte, was ich über ihn erfuhr, las ich in der Zeitung, daß ein Graf Ernst *** zum Gesandtschafts-Secretair in Stockholm ernannt worden sei. Dann verging wieder eine geraume Zeit ohne die geringste Kunde von ihm, und ich bekenne, daß sein Bild in meinem Andenken ziemlich erblaßt war, als ich, auf einer Fußwanderung begriffen, unvermuthet den Namen seines väterlichen Schlosses auf einem Wegweiser las, der in einen verwachsenen Hohlweg hinaufdeutete, von meiner Straße am Rande des Gebirges im rechten Winkel ablenkend. Ich stand plötzlich still, und wie durch den Schlag eines Zauberstabes war die Gegend um mich her verwandelt. Der Rhein rauschte zu meinen Füßen, und ich sah die edle Gestalt des jungen Mannes wie damals daher wandeln, den Hut in der Hand, das volle, etwas ins Röthliche spielende Haar leise vom Uferwinde bewegt, die schönen, sinnigen Augen über Strom und Gebirge hinstaunend, bis mein Gruß ihn aus seinen Gedanken losriß. Nur einen Moment dauerte dieses Spiel einer visionären Erinnerung. Dann aber fühlte ich ein unbezwingliches Verlangen, der Wirklichkeit selbst wieder ins Gesicht zu sehen und das so lange Versäumte recht aus dem Vollen nachzuholen. Es war früh am Nachmittag. Ich hoffte den Weg nicht zu fehlen und zweifelte nicht im Geringsten, daß ich den Freund in dieser Herbstzeit auf dem Schlosse antreffen würde, da er ein leidenschaftlicher Jäger war und mir von den Bäumen, unter denen er aufgewachsen, mehr als von den Menschen erzählt hatte.

Wohl eine Stunde war ich durch die Schlucht hinauf gewandert, als es mir doch seltsam auffiel, daß die Straße völlig verwahrlost und offenbar über Jahr und Tag von Wagen nicht mehr passirt worden war. In tiefen Rissen moderte das Laub vom vergangenen Herbst, hie und da traf ich auf Felsstücke und morsche Aeste, die ein Wintersturm vom Rande des Hohlwegs hinabgeschleudert hatte, und nur die Spur von Menschentritten ließ sich in dem zähen Boden erkennen. Ich beschwichtigte meine Zweifel mit dem Gedanken, daß wohl längst ein minder abschüssiger Paß vom Schloß nach der Ebene hinaus gebahnt worden sei, obwohl ich freilich beim Eingang in die Schlucht gesehen hatte, daß kein geraderer Weg nach dem nahen Fabrikstädtchen führen konnte. Jetzt aber, auf der Höhe des Passes angelangt, stand ich wirklich rathlos, denn hier oben liefen ein halb Dutzend gleichmäßig verwilderter Wege zusammen. Ich klomm eine alte, breitästige Buche hinan und überblickte nun erst die Gegend. Ein tiefer und sehr regelmäßig ausgerundeter Thalkessel lag mir zu Füßen, den in prachtvollen, dunkelgrünen Wogen die dichteste Buchenwaldung wie ein tiefer See ausfüllte. Unten, ganz in der Mitte, erhoben sich einige Sinnen und Schornsteine des Schlosses, über dessen Dächern die Wildniß zusammenschlug. Es hatte etwas Märchenhaftes in der klaren Herbst-Abendsonne, die Wetterhähne auf den kleinen Thürmchen blitzen zu sehen, wie man von versunkenen Zauberpalästen erzählt, deren letzte Zinnen bei klarer Luft aus dem Meeresgrunde auftauchen. Dazu erscholl nirgends ein Laut des Menschenlebens. Die Spechte scheiteten eintönig im Wald, ein sorgloses Reh lief an mir vorüber und sah mich mehr verwundert als erschrocken an, und in allen Aesten wimmelte es von dreisten Eichhörnchen, die mit den Hülfen der Bucheckern nach dem Eindringling zielten.

Ich war drauf und dran, meinen Vorsatz aufzugeben, wenn nicht bei schärferem Hinblicken ein dünner Rauch, der über dem verwunschenen Schloß aufstieg, mir angezeigt hätte, daß es nicht ausschließlich Gespenster beherbergen konnte. Daß der Graf sich lange hier nicht hatte blicken lassen, konnte ich aus dem verwilderten Forst mit Sicherheit schließen. Aber irgend ein Schloßvogt oder Waldhüter schien drunten zu hausen. Und so hoffte ich wenigstens Nachrichten von Leben und Ergehen meines Jugendfreundes zu gewinnen und eine Nacht an dem Orte zu schlafen, an dem sein ganzes Herz gehangen hatte.

Aufs Gerathewohl schlug ich einen Pfad thalabwärts ein und versank bald in der wunderbaren Waldnacht, die je über meinem Haupte gerauscht hat.

Aber in der Waldnacht kommen Träume, und sie hatten mich bald so fest eingesponnen, daß ich völlig vergaß, wo ich war und wohin ich wollte, und blindlings die Füße für mein Fortkommen sorgen ließ. Die schritten gleichmüthig aus, so lange, bis sie wohl still stehen mußten, an einem breiten Bach, der dunkel zwischen den Buchen hinfloß. Dabei war aber keine Spur des Weges mehr zu entdecken. Die Bäume standen dicht und verschränkten ihre Zweige mit dem zähen Unterholz zu einer undurchdringlichen Mauer. Ich kehrte sofort um und schritt den Abhang wieder hinauf, bis mich ein Weg zur Rechten ablockte. Den verfolgte ich getrost, suchte dann wieder einen Pfad zu Thal, ging zum zweiten Mal in die Irre und streifte so stundenlang in der ganzen Runde des Thalrings umher, ohne auch nur einen Stein des Schlosses durch die Wildniß schimmern zu sehen. Der Mond glänzte bereits hinter den Buchenwipfeln und ich machte mich darauf gefaßt, in einer luftigen Herberge übernachten zu müssen.

Auf einmal aber, da ich mich's am wenigsten versah, öffnete sich das Gehölz, und wie auf einer Insel mitten im See von Grün stand das graue, alte Schloßgebäude plump und groß mit unzähligen blinden Fenstern, ohne jede Spur, daß Menschen darin wohnten, vor mir da. Eine breite steinerne Brücke lief über den trocknen Schloßgraben in einen dunklen Hof hinein, um welchen die drei viereckigen, schmucklosen Flügel des Baues schwerfällig aufstiegen. Kein Erker, kein Balkon belebte die einförmigen Mauern, nur ein gewaltiges in Stein gehauenes Wappen über dem Hauptportal, dessen heraldische Zeichen ich vom Siegelringe meines Jugendfreundes noch in guter Erinnerung hatte. Oben ums Dach sah das Schloß lustiger und bunter aus. Die Kupferplatten am Giebel glommen sanft im Mondlicht, und über die zahlreichen Thürmchen der Schornsteine mit ihren Fahnenstangen und Wetterhähnen war es wie Silber verspritzt. Ein Licht brannte nirgends, kein Fester sah ich der gelinden Abendkühle geöffnet, und auch der Rauch überm Dach, den ich von oben beobachtet hatte, war verwelkt. Als ich die Brücke betrat und die wilde Vegetation, die aus dem Graben heraufrankte, dazu den Wald betrachtete, der bis dicht an den Burgfrieden vorgedrungen war, konnte ich mich des Gedankens nicht erwehren, daß über fünfzig Jahre all dieses Menschenwerk von der wuchernden Naturkraft verschlungen und durchdrungen sein würde, daß die hohen Buchen ihre Zweige in die verlassenen Säle hineinstrecken, vom Hofe Besitz ergreifen und die Wurzeln in die Kellerverließe hinabsenden würden, bis Stein von Stein weichen müßte und der Wald wieder Alleinherrscher sein dürfte.

So betrat ich den Hof, und das schöne lange Gras, das hier zwischen den Steinplatten wuchs, dämpfte den Wiederhall meiner Schritte. Da hörte ich plötzlich aus einem Häuschen, das an die Schloßmauer neben der Brücke angeflickt war, einen seltsamen Ton, den ich zuerst für das Knarren eines vom Wind regelmäßig bewegten Fensterladens, bald aber nur für das Schnarchen einer groben Baßstimme halten konnte. Ich sah jetzt auch ein Licht in dem einen Fenster und trat leise herzu, ins Innere zu spähen. Zwei Männer saßen da in einem niedrigen, engen Gemach an einem Tisch, auf welchem Weinflaschen und halbgeleerte Gläser zwischen einem Kartenspiel standen. Der Eine hatte sich in die Ecke gedrückt und schlief, der Andere starrte, die kurze Pfeife zwischen den Zähnen, die Ellbogen aufgestützt, mit schläfrig schwimmenden Augen ins Licht, fing dann und wann eine Fliege und verbrannte sie an der Kerzenflamme und wandte kaum den Kopf, als ich an die Scheibe klopfte.

Was giebt's wieder? rief er mit einer vom Trinken durchlöcherten Stimme. Die Mamsell solls Essen herüberschicken, oder der Teufel soll sie holen!

Ehe ich noch etwas erwiedern konnte, hörte ich über den Hof her eine zartere Stimme, die mich anrief: Wer ist da? Ist jemand Fremdes drüben? – Ich wandte mich um und sah unter dem Haupteingang eine weibliche Gestalt, die ich sogleich nach ihrem großen Schlüsselbund am Gürtel für eine Haushälterin und Beschließerin nehmen mußte. Sie war ganz in Schwarz gekleidet bis auf eine mächtige weiße Haube, deren Bänder wunderlich um ihr welkes feines Gesicht flatterten. Ich grüßte sie höflich und fragte, indem ich mich ihr näherte, ob dies auch wirklich das Schloß des Grafen Ernst ***, und er selbst trotz des verödeten Ansehns doch vielleicht anwesend sei. Als ein alter Bekannter, der freilich seit mehr als zehn Jahren nichts von sich hören lassen, wünschte ich zu ihm geführt zu werden.

Die alte Dame sah mich mit einem traurig forschenden Blick eine Zeit lang an und sagte: Dies ist freilich das gräflich ***sche Schloß, aber die Herrschaften, die Sie suchen, finden Sie nicht hier. Es ist schon zwei Jahre her, daß unser Graf Ernst für immer von diesem Schloß Abschied genommen hat. Oder wissen Sie gar nicht, daß er jetzt in Schweden lebt?

Es ist auch wahr, setzte sie nach einer kurzen Pause hinzu, es geht draußen in der Welt bunter und lauter zu als hier im Walde. Was mir lebenslang im Ohre nachklingt, kommt draußen nicht einmal weit unter die Leute. Aber treten Sie doch ein. Sie können die Nacht doch nicht wieder fort und müssen hier schon fürlieb nehmen. Früher sah es anders aus, gastlicher, und man war gern eine ganze Woche hier auf Besuch. Seitdem aber das Schloß für die zwei kleinen Junker verwaltet wird, ist Alles verfallen. Sie haben selbst gesehen, wie der Schloßvogt, der Monsieur Pierre, und der Forstmeister ihre Zeit mit Sünden todtschlagen. In nichts wird aufgeräumt, als im Weinkeller, und wenn ich ein Wort sage, was geschehen müßte, drehen sich die schlechten Menschen auf dem Absatz herum, und es ist, als hätt' ich's an die Wand hin geredet. Ich selbst bin alt, und meine Augen werden immer schwächer, daß ich's kaum mit der nöthigen Reinlichkeit mehr so genau nehmen kann, wie es recht wäre. Aber so treten Sie doch ein, mein Herr, und genießen etwas und erzählen mir von meinem theuren Grafen Ernst, von dem ich sonst hier nur mit den leeren Zimmern und alten Bildern reden kann. Sie erweisen mir eine wahre Wohlthat durch Ihren Besuch.

Ich stand noch immer in seltsamer Bewegung an den Stufen des Portals, und die dünne, bebende Stimme der Alten, die verblichenen blauen Augen, mit denen sie mich wehmüthig ansah, steigerten die Schauer des Ortes und aller Erinnerungen, die mich hier überfielen.

Sie sind ohne Zweifel, sagte ich endlich, Mamsell Flor, von der mein Freund auf der Universität zuweilen Briefe erhielt. Sie müssen mir viel von seinem früheren Leben erzählen. Er schien Ihnen sehr zugethan zu sein.

Ihre Augen gingen bei diesen Worten plötzlich über. Kommen Sie, sagte sie und streckte mir eine schmale welke Hand entgegen. Sie kennen mich. Wir sind wie alte Freunde. Es thut mir sehr noth, kann ich sagen, einmal wieder ein gutes und zutrauliches Menschengesicht zu sehen. Denn es ist nun schon lange genug, daß ich hier allein unter Dienstboten hause und ich bin es besser gewohnt gewesen.

Sie führte mich in den dunkeln Flur und dann durch einen gewölbten Gang in eine große Halle, die von einigen Kerzen spärliches Licht empfing. Zwei Knechte und eine alte Magd saßen da bei der Abendmahlzeit um einen schweren steinernen Tisch und starrten verwundert auf, als eine fremde Stimme ihnen guten Abend wünschte. Meine Begleiterin gab der Magd einige leise Befehle und wandte sich dann wieder zu mir.

Wir haben nur bescheidene Vorräthe im Haus, sagte sie. Es muß Alles drei Stunden weit durch den Wald herangeschleppt werden, und ich selbst brauche wenig zum Leben. Aber für eine Nacht wird es Ihnen nicht auf feine Küche ankommen. Sehen Sie, die Halle hier diente vor Zeiten zur Capelle, als die Grafen noch katholisch waren. Dann stand sie lange völlig verstaubt und verfallen, bis Graf Heinrich, der Vater unseres Grafen Ernst, den Altar und die Bilder und Stühle wegräumen und hier einen Eßsaal einrichten ließ. Sie können noch die kleine halbrunde Chornische erkennen, da, wo der Boden erhöht und mit Brettern verschlagen ist. Da sehen Sie, da steht der Herrentisch, derselbe, an dem Graf Heinrich, so lange er lebte, jeden Abend speiste, mit den Beamten, dem Förster, dem Schloßvogt (damals noch nicht Monsieur Pierre) und dem Verwalter, und ich mit dem Gesinde, das gar zahlreich war, hier unten am Steintisch. Dann sprachen wir alle kein Wort, auch der Graf that nur selten eine Frage. Hatte er aber vornehme Gäste, so wurde oben im Saal gedeckt, und so auch zu Mittag, wo er immer mit der Frau Gräfin allein speiste. Nun will ich einmal wieder den Armleuchter auf dem Herrentisch anzünden; wer weiß, ob ich ihn im Leben noch einmal brennen sehe!

Sie deckte den Tisch mit einem feinen, schneeweißen Tuch, setzte einen fünfarmigen Kandelaber von schwerem Silber darauf, und bald war ein Mahl aufgetragen, das weit frugaler hätte sein dürfen, um mir nach der langen Wanderung dennoch köstlich zu dünken. Während ich aß und trank, verschwand das alte Fräulein und ließ mich in meiner nachdenklichen Stimmung allein; denn auch die Knechte hatten die Halle verlassen. Da sah ich nun in die dämmerhafte Tiefe des öden Raumes hinab, in den durch wenige schmale Spitzbogenfenster das Mondlicht fiel. Die Kreuzgewölbe der Decke ruhten auf einigen Pfeilern, welche von großen Hirschgeweihen starrten; derselbe Schmuck bedeckte in regelmäßigen Abständen die Wände, unter jedem Geweih ein Täfelchen, das den Namen des Schützen und das Datum des Jagdtages anzeigte. Wie hatte sich die Welt verwandelt seit dem Tage, an dem hier die erste Messe gelesen wurde, bis heute, wo ein Fremder an dem verlassenen Herrentisch sich niederließ und die verstaubten Jagdtrophäen betrachtete! Ich ergriff den Armleuchter und trug ihn die Wand entlang, auf den kleinen Schildern die Namen lesend; sie reichten in zwei Jahrhunderte hinauf, Grafen, Fürsten und einige fürstliche Prälaten. Selbst ein paar hohe Damen hatten ihr Jagdglück hier verewigt. Und jetzt las ich einen wohlbekannten Namen unter einem stattlichen Vierzehn-Ender: »Am 20. September hat Junker Ernst diesen starken Hirsch, der so viel Enden trug, als der junge Graf Jahre zählt, an der Lichtung beim Rehbrunnen geschossen, Anno Domini 183*.«

In diesem Augenblick hallten schwere Fußtritte über den Gang und zwei Männer traten ungestüm in die Halle. Ich erkannte sogleich das edle Paar neben der Brücke. Die Knechte mochten drüben angezeigt haben, daß ein Fremder im Schlosse sei, und sie hatten sich gewaltsam von Schlaf und Rausch aufgerafft, um ihren Hausrechten nichts zu vergeben. Monsieur Pierre, der Schloßvogt, blinzte mich aus kleinen, gelben, stark gerötheten Augen von Kopf bis zu Fuß an, mit einer Miene, in der Schläfrigkeit und Unverschämtheit spaßhaft mit einander kämpften. Er stammelte in einem heiseren, schlechten Französisch allerlei confuse Fragen heraus, die sein Begleiter mit brutaler Amtsstimme abschnitt, indem er gerade auf mich zutrat: Wer ich sei und was ich hier wolle? – Da ich trocken erwiederte, daß ich als ein Freund des Grafen Ernst das Schloß zu sehen wünschte, änderte das saubere Gespann plötzlich Ton und Haltung. Der Vogt überschüttete mich unter fortwährenden katzenhaften Verbeugungen mit seinem ganzen Vorrath devoter Redensarten, der Förster fand aufs glücklichste den Uebergang aus der herrischen Rohheit in eine respectvolle waidmännische Biederkeit, und ich erkannte deutlich, daß ich für eine viel wichtigere Person gehalten wurde, als ich war, für nichts Geringeres, als einen Abgesandten der gräflichen Familie, der den Stand der Dinge auf dem Schloß einer unerwarteten Inspection unterwerfen sollte. Diensteifrig nahm mir der Förster den Armleuchter ab, nöthigte mich, von Neuem Platz zu nehmen, schickte den Knecht in den Keller, vom Aeltesten einige Flaschen heraufzuholen, und ermunterte den immer noch verschlafenen Kollegen durch heimliche Fußtritte und halblaute Flüche, den Ernst der Situation zu begreifen. Mir war wenig darum zu thun, in das Detail der Schloß- und Forstverwaltung eingeweiht zu werden, und das unterwürfige, heuchlerische Geschwätz der beiden Spießgesellen widerte mich an. Als ich daher das alte Fräulein wieder eintreten sah, brach ich kurz ab, entschuldigte mich mit meinem beschwerlichen Tagemarsch und bat, mir mein Nachtlager anzuweisen.

Die Alte warf einen bedeutsamen Blick auf die Zwei, die nur mit Mühe abzuhalten waren, mich hinauf zu begleiten. Haben Sie bemerkt, sagte sie, als sie mir die enge Steintreppe hinauf leuchtete, wie mir der Monsieur Pierre ein drohendes Gesicht schnitt und der Forstmeister gar das Messer aufhob? Sie fürchten, ich möchte sie bei Ihnen verklagen. Lieber Himmel, als ob nicht Jeder von selbst auf den ersten Blick sähe, wie hier Alles drunter und drüber geht. Ich habe es auch einmal nach Schweden geschrieben, aber der Weg ist weit, und aus der Ferne ist dem Uebel doch nicht abzuhelfen. Wer jedoch bessere Zeiten hier erlebt hat, dem nagt der Wurm, der überall in Holz und Seide frißt, geradezu an der Seele.

Es ist ein bischen hoch, entschuldigte sie sich, als wir an die dritte der steilen Treppen kamen; ich habe Sie zu oberst untergebracht, denn ich dachte mir, es würde Ihnen lieb sein, in den Zimmern zu übernachten, wo unser Graf Ernst aufgewachsen ist und auch hernach immer am liebsten war. Da ist's auch am wohnlichsten, denn ich halte da Alles selbst im Stand und fege fleißig den Staub aus den Winkeln. Und wenn Sie morgen aufwachen, können Sie vom Fenster aus unseres Junkers Lieblingsbaum abreichen, der ist inzwischen bis dicht herüber gewachsen. Ja, ja, wer alt wird, sieht manches junge Kind und manchen jungen Baum bis in den Himmel wachsen und klettert ihnen mühsam nach.

Mit diesen Worten langten wir oben an, wo ein langer Corridor an einer Reihe kaum übermannshoher Mansardenzimmer hinlief. Der Lichtschein erschreckte ein paar eben flügge gewordene Fledermäuse, die zappelnd am Boden hinflatterten. Es ist hier irgendwo ein Loch unterm Dach, da dringt mir das Ungeziefer herein, sagte die Alte kopfschüttelnd. Zehnmal hab ich's dem Knecht zu flicken befohlen; er behauptet immer, er könne es nicht finden. So geht's mit allen Sachen. – Indem öffnete sie eine Thür und ließ mich in ein großes, niedriges Gemach vorangehen, wo schon ein Licht auf dem Spiegeltischchen brannte und sogleich eine reine, wohnlichere Luft uns anwehte. Da sind wir, sagte das Fräulein, hier hat er gewohnt, bis er mit seinem Hofmeister, dem Herrn Leclerc, auf Reisen ging, und dann wieder, als er von Universitäten nach Hause kam, und auch das letzte Mal. Es steht und liegt noch Alles, wie sonst. Die Gobelins mit den großen Jagdstücken sind nur noch etwas verschossener, und da der alte Secretär mit dem Bronzebeschlag am Fenster – der Holzwurm wirthschaftet so gräulich darin, daß ich alle Wochen den gelben Staub fingerdick wegzukehren habe. Aber da auf dem Tische steht seine schöne, blaue Wasserflasche und das Mundglas mit der alten Vergoldung, das ihm sein Lehrer einmal geschenkt, und vor dem Bett das Fußdeckchen, ich hab es ihm selber gestickt zu seiner Einsegnung, er hat es nie weggeben wollen, auch da die Stickerei schon ganz zergangen war. Das Bett freilich ist nicht mehr dasselbe, seines habe ich hinunter genommen – und mit einem leichten Erröthen, das dem alten, zarten Gesicht einen rührenden Anstrich von Jugend verlieh, setzte sie hinzu: Ich selber schlafe darin.

Liebe Mamsell Flor, sagte ich, er ist es werth, daß Sie ihn so treu im Herzen tragen. Die unverfälschteste Seele stand ihm an der adligen Stirn geschrieben, daß ihm jeder sogleich alles Beste zutraute, der ihn auch nur von fern vorbeigehen sah. Ich lernte ihn kennen, als er schon verschlossener war. Aber wie muß er Ihnen erst theuer geworden sein, da Sie ihn von Geburt an aufgezogen und wie eine Mutter Alles mit ihm getheilt haben! Warum ist er denn, wie Sie sagen, auf immer aus seiner Heimath weggegangen, die ihm doch so sehr ans Herz gewachsen war?

Sie schüttelte schmerzlich den Kopf und setzte sich auf das alte Kanapee, als würde es ihr im Stehen zu sauer, die Wucht aller Erinnerungen zu tragen, die auf sie einstürmten. Eine Weile blieb sie so in sich versunken, zog dann ein Achatdöschen aus der Tasche und nahm ganz tiefsinnig eine zierliche Prise Tabak, wie um sich zu stärken. Dann sagte sie: Das sind seltsame Geschichten, lieber Herr, und Niemand weiß sie so genau, wie ich. Aber jetzt darf ich wohl davon reden, denn es ist leider über manchem Haupte Gras gewachsen, das viele Jahre jünger war, als mein schwacher Kopf. Nun wird es zu Weihnachten neunundvierzig Jahre, daß ich hier zum ersten Mal die Treppen heraufstieg; ich war damals ein grünes, dummes Ding, eine arme Lehrerstochter, und ich dachte, ich käme geradezu in den Himmel, da mich die Frau Gräfin in ihren Dienst nahm, als eine Art Kammermädchen. Der junge Graf war noch nicht auf der Welt, auch gar geringe Aussicht dazu. Denn mit der Liebe und Zärtlichkeit der gräflichen Herrschaften stand es nicht zum besten. Zwar die Frau Gräfin betete ihren Gemahl noch immer an, trotz Allem, was er sich zu Schulden kommen ließ. Aber sie taugten doch wenig zusammen, und wenn Graf Heinrich, der die meiste Zeit des Jahres auf Reisen war, für ein paar Herbstmonate zur Jagd nach dem Schlosse kam, war seine schöne Frau, die sich so lange nach ihm gesehnt hatte, fast noch unglücklicher. Schon nach wenigen Tagen wußte ich, daß sie großen Kummer hatte, und mußte selbst weinen, wenn ich Morgens ihr Kopfkissen ganz naß und sie selbst mit verschwollenen Augen fand. Denn sehen Sie, der Graf war ein wilder, ungestümer Herr und die Gräfin die Sanftmuth selbst, und so war sie ihm immer zu still und er konnt es nicht lange bei ihr aushalten. Ich meine auch, er hat sie nur seinem Herrn Vater zu Liebe geheirathet. Für ihn hätte so eine schwarzäugige, stolze, eigensinnige Dame gepaßt, eine Französin oder Spanierin, wie sie manchmal zum Besuch hier waren, die ihm was auf zu rathen gegeben hätte, heut auf Tod und Leben erzürnt, morgen auf Tod und Leben versöhnt. Denn er liebte nur, was er mit Gewalt bezwingen mußte, ritt immer die hitzigsten Pferde und schoß nur die stärksten Hirsche. Unsere Gräfin hatte ihn viel zu lieb, das war ihr Unglück. Im Gesicht glich ihr der junge Graf Zug für Zug, und das war sein Unglück auch. Nur kleiner und zarter war sie von Gestalt und hatte eine Stimme, wie eine reine Glocke. Als sie nach langem vergeblichen Harren das Kind unterm Herzen trug, sah sie geradezu wie ein blonder Engel aus, so schön und still leuchtete ihr das Glück aus den Augen. Auch schien der Graf damals milder gegen sie zu werden, und blieb sogar über den Sommer zu Hause, das Kind zu erwarten. Wie aber dann die Wehmutter es ihm reichte und es so schmächtig in den Windein lag mit seinen blonden Härchen, sagte er kein Wort, legte es kopfschüttelnd in die Wiege zurück und verließ das Zimmer. Ich sah wohl, daß es der Gräfin sehr nahe ging und war selbst so aufgebracht, daß ich vor mich hin sagte: zu Pferde kommen die Buben freilich nicht auf die Welt. Sogleich bereute ich's, denn die Gräfin hatte es wohl gehört und schickte mich hinaus. Eine Woche darauf starb sie; das Kindbettfieber raffte sie hin.

Ich mußte die Botschaft dem Grafen bringen, der gerade am Flügel saß und spielte, was er ganz herrlich that, daß man ihm Stunden lang zuhören mochte. Es war am Morgen; er hatte die Nacht in ihrem Vorzimmer gewacht und war eben hinaufgegangen, da es besser schien. Aber statt sich zum Schlafen hinzulegen, spielte er, und während dessen war sie verschieden. Jetzt stand er auf, ohne eine Miene zu verändern, schloß erst noch den Flügel und ging dann mit seinem gewöhnlichen stolzen Schritt die Treppe hinab zu seiner todten Frau. Im Vorzimmer lag der kleine Junker und schlief, armes Kind! Sein Vater ging an ihm vorbei, als wäre das Würmchen auch schon, wo seine Mutter war. Als er wieder herauskam aus dem Sterbezimmer, sagte er: Man soll nach einer Amme schicken. Indessen nehme Sie sich des Kindes an, Flor; ich mache Sie dafür verantwortlich, daß nichts versäumt werde.

Dann ließ er sich seinen Lieblingshengst vorführen und ritt hinweg und kam vor Abend nicht wieder ins Schloß.

Drei Tage darauf wurde die Gräfin begraben auf dem Kirchhof des Städtchens drüben. Der Graf selbst ritt dem Leichenzuge voran, daß ich noch dachte, Gott verzeih mir's: Da sprengt er hin wie ein Sieger, und das arme Opfer führt er im Triumph sich nach. Als die traurige Handlung vorbei war und die ganze Dienerschaft unten in der Halle beim Trauermahl still beisammen saß, ich aber war bei der Wiege des Junkers geblieben und weinte so für mich hin, während ich ihn in Schlaf sang, tritt auf einmal der Graf herein, sieht den Kleinen eine Weile starr an und sagt dann: Die Amme hat wieder fortgeschickt werden müssen, weil das Kind sich nicht an sie gewöhnen konnte?

Ja, Ew. Gnaden.

Es wird schwer sein, in dem Neste drüben eine passende Amme aufzutreiben. Getraut Sie Sich, Flor, den Knaben allein aufzuziehen mit Milch und Wasser, wie sie's in Frankreich machen? Sie ist eine zuverlässige Person. Ich lasse das Kind ruhiger in Ihren Händen zurück, als bei zehn Ammen.

Ich brach in ein lautes Schluchzen aus und griff nach der Hand des Grafen, die ich küßte. Denn wenn er wollte, hatte er was im Betragen und in der Stimme, das selbst seine bittersten Feinde versöhnen mußte. – Es ist gut, sagte er und zog seine Hand zurück. Ich werde lange abwesend sein. Sie schreibt mir zweimal im Jahr, wie es mit dem Knaben steht. Ich werde Befehl geben, daß Ihr Niemand drein redet.

Damit ging er hinaus und noch denselben Tag verließ er das Schloß, und wir sahen ihn viele Jahre nicht wieder.

Ich will Sie nicht langweilen, lieber Herr, und haarklein erzählen, wie mein kleiner Junker herangewachsen ist, obwohl ich noch Alles weiß, wie gestern, und manche einsame Stunde mir Alles wiederhole, vom ersten Zahn bis zum ersten Vogel, den der Kleine mit der Windbüchse schoß. Wenn ich ihm so zusah, wie er auf dem Hof sich mit den Hunden jagte oder auf dem Pferde des Verwalters in den Wald hinausritt, wie eine Feder jede Muskel, so leicht und geschmeidig, dazu das herzige Gesicht und das liebe Stimmchen – ich mußte immer wieder den Kopf schütteln über den Herrn Vater der lieber draußen in der Fremde herumfuhr, als das Alles miterlebte. Freilich, der Knabe hatte nichts von ihm, als die Lust an Pferden und Wild, dem Gemüth nach und im Gesicht war er die ganze Mutter. Darum runzelte auch sein Vater so fremd und kalt die Stirn, als er das Kind in seinem zehnten Jahre zuerst wieder sah, und Abends fragte mich der Junker: Flor, ist der Vater immer so ernsthaft? – Ich durfte ihm die Wahrheit doch nicht sagen.

Im Uebrigen wurde es mit der Zeit besser, und der Graf kam nun wieder alljährlich zu den Herbstjagden und war dann ganz väterlich zu seinem Junker, obwohl zärtlich und zutraulich nie. Ich mag mich besinnen, so viel ich will, ich meine, er hat ihn nie umarmt oder auch nur die Wange gestreichelt. Doch schenkte er ihm, als er dreizehn Jahre alt war, zum Geburtstage ein kleines, lichtgelbes Pferdchen mit einer buschigen Mähne wie eine dichte Bürste und schönem Sattel; auf dem durfte ihn dann der Junker in den Wald begleiten, und sie ritten oft halbe und ganze Tage lang fort zu Besuchen in der Nachbarschaft, wo sich die Herrschaften immer sehr an Junker Ernst erfreuten. Aber es durft' es Niemand aussprechen, wie sehr er seiner Mutter glich, so wurde der Graf auf der Stelle verstimmt. Ueberhaupt war nie von der Gräfin die Rede, und ihr lebensgroßes Bild hing in einem Zimmer, das nicht mehr im Gebrauch war. Nur der Junker ging dann und wann hinein und hatte es sehr lieb, und ich mußte ihm viel von der Seligen erzählen. Aber glauben Sie wohl, daß er nie mit dem Vater von der Mutter sprach? Er war so klug, er hatte längst begriffen, daß selbst der Tod die Eltern nicht näher zusammengeführt hatte. Auch mochte er wohl sehen, wie auf den Gütern in der Nachbarschaft gerade die ausgelassensten und stolzesten schönen Frauen – denn damals gab es noch manche Schönheiten in der Umgegend – dem Grafen am meisten nachstellten, und wie der mit allen spielte und ein ganz Anderer war, als daheim. Das paßte ihm nicht wohl zusammen mit dem, was er von seiner Mutter gehört hatte. – Armes Kind! dachte ich, wenn dir nur nicht einmal eine Stiefmutter bescheert wird, die zum Vater paßt.

Aber dazu hatte es gar nicht den Anschein. Man stellte die Netze in der Nachbarschaft umsonst, und nach und nach hieß es allgemein, der Graf wolle seine Liebschaften in Paris, wo er meist den Winter zubrachte, nicht aufgeben und denke an keine zweite Heirath. Von so etwas ahnte freilich der Junker nichts. Der war unschuldig wie ein Mädchen, und selbst der Monsieur Pierre, der abscheuliche Mensch, der damals als Kammerdiener bei dem Grafen war und sich den schlechten Spaß machte, jedes ehrbare Mädchen mit zweideutigen Reden verlegen zu machen – vor dem Junker that er gar sittsam. Er war ein durchtriebener Vogel und konnte sich in Jeden schicken, wenn er wollte, übrigens ein Bauernbursch aus der Umgegend, mit Namen Peter, wovon man ihm aber nichts sagen durfte, seit er in Paris gewesen war. Der begleitete den Grafen auf allen Reisen und war ihm unentbehrlich, hatte aber eine heillose Furcht vor ihm und hielt ihn für einen Gott, obwohl er ihn fortwährend bestahl. Und nun denken Sie, als der Junker eben zwölf Jahre alt geworden war, war der Graf schon so gut wie entschlossen, diesen Menschen ihm als eine Art Hofmeister beizugesellen, und sprach mit mir davon, was ich meinte. Französisch müsse der Junker lernen und dann erst etwas Anderes. – Ich erschrak, als wenn mir einer das Kind hätte vergiften wollen; dann faßte ich mir ein Herz und sagte dem Herrn rund heraus meine Meinung über Monsieur Pierre, und daß ich dann nur lieber gleich meinen Abschied nehmen möchte, um das Elend nicht mit ansehen zu müssen. – Der Graf ließ mich auch ruhig ausreden und ward gar nicht zornig, winkte dann aber mit der Hand, daß ich gehen sollte, und sprach kein Wort mehr davon. Im folgenden September aber, als er wiederkam, brachte er einen Fremden mit, einen Franzosen, den stellte er uns als den Hofmeister des Junkers vor, und wir nannten ihn Monsieur Leclerc. Er hieß aber eigentlich anders und war ein Heruntergekommener von Adel, der nun froh sein mußte, hier eine anständige Zuflucht zu finden. Es war ein harmloser Herr, der bis an sein Ende kein Wort Deutsch lernen wollte, so daß wir alle bald das Französische weg bekamen. Allerlei Künste verstand er und lehrte sie den Junker, Tanzen, Florettfechten und ein wenig Flöte blasen. Auch lasen sie verschiedene Bücher mit einander, aber der Junker erzählte mir mit Lachen, nach den ersten drei Seiten pflege Monsieur Leclerc fest einzuschlafen, daß er dann auf seine eigene Hand weiter lese, bis die große Wanduhr die Stunde schlage. Dann fahre der Herr Hofmeister auf, sage: Eh bien, c'est ça! stäube sich den Puder vom Aermel, der beim Einnicken darauf gefallen war, und mache es in der nächsten Stunde gerade so. Desto eifriger war er bei seiner Lieblingskunst, kleine Figürchen in rothem Wachs zu bossiren, die er dann mit Farben und Firnissen aufs niedlichste herausputzte, daß sie ganz wie lebendige Vicomtes und Marquisen aussahen. So hatte er schon einen ganzen Hofstaat zu Stande gebracht, und alle Herren und Damen tanzten Menuett, und unter einem Thronhimmel sah eine reizende kleine Königin zu. Später hab' ich einmal vom Junker erfahren, daß sich Monsieur Leclerc eingebildet, Marie Antoinette sei in ihn verliebt gewesen. So alt war er schon, obwohl er mit Tanzschritten ging wie ein Dreißiger.

Aber was erzähle ich Ihnen alles, und Sie wollen am Ende lieber schlafen! Ja, wenn man zurück denkt, da ist kein Ende zu finden, und jeder Stuhl in diesem Schloß könnte lange Geschichten erzählen. Sehen Sie, gerade wo Sie jetzt sitzen stand ich eines Morgens, und der Junker saß hier auf meinem Platz im Sopha und er hatte Nachts zuvor auf einem Honoratioren-Ball im Städtchen drüben zum elften Mal getanzt. Er war damals sechszehn Jahre alt, aber schon völlig ausgewachsen, nur etwas schlanker, als Sie ihn gekannt haben. Nun, Junker Ernst, fragte ich ihn, wie hat es Ihnen gefallen? Haben Sie schöne Mädchen kennen gelernt? Mit wem haben Sie getanzt, und wem haben Sie beim Cotillon Ihre Sträußchen gebracht?

Flor, sagte er, – so nannte er mich immer, und ich war auch die einzige Person, die er in seinem Leben geduzt hat, bis er sich verheiratete – Flor, es war sehr schön, und Eine war die Schönste.

Dabei glänzten ihm seine Augen so verstohlen und lieblich, wie ich's noch nie an ihm wahrgenommen hatte, und er wurde auch ein klein wenig roth.

Ei, Junker Graf, sagt' ich, Sie machen mich neugierig. War's ein Mädchen aus der Stadt, oder auch eine Adlige, die man eingeladen hatte?

Ich werde nichts weiter verraten, Flor, erwiederte er. Genug, daß sie sehr schön war und auch klug, und die allerhübschesten Sachen zu erzählen wußte, und daß ich wollte, es wäre heut Abend wieder Ball.

Das ist ja ganz gefährlich, Junker Graf, sagte ich lachend. Die Nacht durch getanzt, dann drei Stunden in den Morgen hinein geritten und schon wieder nichts als Tanzen im Kopf? Der gnädige Herr Vater wird zufrieden sein, wenn er das hört. Und das ist wirklich Ihr letztes Wort, und die treue Flor soll weiter nichts zu hören kriegen?

Nicht ein Sterbenswort, Flor. Das ist mein Geheimniß und soll es bleiben.

So stecke ich mich hinter Monsieur Leclerc. Er wird doch wissen, mit wem Sie am meisten getanzt haben.

Frag ihn dreist, Flor, sagte der schlimme Junge. Dem sind alle meine Tänzerinnen eine wie die andere jeunes filles allemandes, jolies bourgeoises. Er hat viel mehr nach meinen Pas gesehen, als nach meinen Augen, und übrigens saß er den ganzen Abend beim Ecarté mit dem Salinen-Director. Ach, Flor, ich habe gar nicht geglaubt, daß es so schöne Augen geben könne. Ich dachte, die deinigen seien die schönsten auf der Welt.

Sehen Sie, das mußte ich mir von ihm gefallen lassen, für all meine Treue und Pflege! Aber die lustige Laune hielt nicht lange vor; schon über Tag wurde er ganz in sich gekehrt, wich meinen Fragen absichtlich aus und schloß sich früh in seinem Zimmer ein. Da hörte ich ihn noch lange die Flöte blasen. Das schöne Mädchen, sah ich nun wohl, hatte es ihm ernstlich angethan. Erst war es nur ein angenehmes Brennen gewesen, und er konnte darüber scherzen. Aber das Wundfieber kam ernstlich nach. Er hielt es nicht länger aus als vierundzwanzig Stunden und ritt am andern Vormittag ganz allein hinüber, kam aber schon am Abend sehr niedergeschlagen zurück. Offenbar hatte er die Schöne nicht wieder gesehen und sich gescheut, so geradezu in ihr Haus zu dringen. Das wiederholte sich noch ein paar Mal, mit vermiedenem Glücke. Einmal war sein Herz sogar so voll davon, daß er mir am Abend, da ich ihm zu Bett leuchtete, ganz strahlend sein Abenteuer erzählte. Du lieber Himmel! für jeden Anderen war es kaum der Rede werth, und Graf Heinrich hätte bah! dazu gesagt. Ihm aber schien es ein Glück ohne Gleichen. Gerade vor dem Thor war sie ihm mit zwei Freundinnen begegnet, und alle drei hatten Rosen in den Händen getragen. Als er nun grüßend vorübersprengte, machte sein Pferd einen munteren Satz, daß die Schöne erschrak und eine Rose fallen ließ. Ich sah es, sagte der Junker, und augenblicklich war ich vom Sattel, hatte die Blume aufgehoben und sie ihr wieder überreicht. Sie dankte sehr freundlich und ging dann in den Wald.

Und Sie ritten ins Thor hinein, und das Fräulein gab Ihnen nicht einmal eine Rose zum Dank? Ein Anderer an Ihrer Stelle hätte die Blume aufgehoben, ins Knopfloch gesteckt und wäre mit seinem Raube triumphirend davon gesprengt.

Er sah mich betroffen an. Flor, sagte er, du weißt wahrhaftig mehr von solchen Dingen, als ich, obwohl du ein Frauenzimmer bist.

Vielleicht weil ich es bin, Junker, erwiederte ich. Ei ei, das Fräulein hat entweder wenig Mutterwitz, oder Ihr seid ihr sehr zuwider.

Das sagte ich natürlich im Scherz, denn wie könnt' es mein Ernst sein, daß er einem Mädchen nicht gefallen sollte! Aber er wurde ganz still darauf, und ich sah es ihm an, daß er sich fest einbildete, der Schönen widerwärtig zu sein. Nur einmal noch ritt er in die Stadt. Dann blieb er trübsinnig zu Hause, sprach mit Niemand, schrieb viel auf seinem Zimmer, ich glaube gar Verse, spielte auf der Flöte und zehrte sich dergestalt ab, daß Graf Heinrich, als er wieder ins Schloß kam, sehr unzufrieden mit seinem Aussehen war und ihn heftig zur Rede stellte, daß er zu viel sitze. Ich wurde ebenfalls befragt, ob der Junker krank gewesen sei. Daß er Liebeskummer litt, scheute ich mich dem Grafen zu vertrauen. Der Junker hätte es mir nie vergeben und Graf Heinrich nur dazu gelacht. Also ward beschlossen, daß mein junger Graf mit Monsieur Leclerc eine Zeit lang auf Reisen gehen solle, und Beide waren es ganz wohl zufrieden. Flor, sagte der Junker, es ist gut, daß ich fort komme, das Leben hier hat allen Reiz für mich verloren.

Reisen Sie mit Gott, theuerster Junker, sagte ich zu ihm. Die Welt ist so schön, hab' ich sagen hören, daß man nicht lange auf Reifen traurig sein kann.

Er sah mich mit einem ungläubigen Lächeln an, schrieb mir aber bald darauf aus Wien, daß er sich wohl fühle und oft an mich denke. Ich aber, Gott weiß! ich dachte Tag und Nacht an ihn.

So bekam ich ihn drei Jahre nicht wieder zu sehen und dachte oft, wenn er mir schrieb von den großen Städten, wo er in alle Gesellschaften und selbst zu Hofe ging: Sie werden mir meinen Junker recht standesmäßig verderben, daß ich ihn gar nicht wieder erkenne. Aber weit gefehlt. Als er endlich zurückkam, fast zwanzig Jahre alt und ohne den guten Monsieur Leclerc, der in Rußland am Klima gestorben war: Flor, war sein erstes Wort, wie befindet sich Fräulein Mimi? (so hieß nämlich meine Katze, auf die er schon als Kind förmlich eifersüchtig war.)

Ich danke der Nachfrage, Junker Graf, sagte ich, sie ist gerade in den Wochen und freut sich, wie wir Alle, Ew. Gnaden wieder zu sehen.

Die Freude wird nicht lange dauern, Flor, sagte er. Und Abends, als ich ihm wie sonst zu Bett leuchtete, erzählte er mir Alles, daß er seinem Vater den Willen gethan, die große Welt kennen zu lernen, und nun habe er genug von ihr gelernt, um sich herzlich darin zu langweilen, und habe es mit vieler Mühe durchgesetzt, daß er ein paar Jahre ganz in der Stille studiren dürfe, denn es sei eine Schande, wie kunterbunt es in seinem Kopf aussähe. – Ich starrte ihn groß an, denn er war in Allem wie ein fertiger Mann, und ich dachte, gescheiter könne kein Mensch sein, wenn ich ihn so mit Andern reden hörte. Aber er mußte es wohl wissen. Und weil ich auf ganz andere Dinge neugierig war, widersprach ich ihm nicht, sondern fragte ihn nach dem Leben, das er während der Zeit geführt, und ob die großen Damen, mit denen er getanzt, nicht doch noch schöner seien, als drüben im Städtchen die Honoratioren-Töchter. Sehen Sie, lieber Herr, da wurde Ihnen der ausgewachsene, fertige Cavalier, der eben aus der großen Welt zurückkam, so roth wie ein Knabe und sagte nur: Manche wohl, und Andere wieder nicht. – Daraus sah ich, daß alte Liebe immer noch nicht rosten wollte. Und richtig ritt er am andern Tag in das Städtchen hinüber, wohl um nachzuforschen, ob sie inzwischen schon vergeben worden sei. Ich konnt' es natürlich nicht wissen, denn ich kannte ja den Namen nicht. Aber als er Abends mit sehr ernster Miene wiederkam, sagte ich zu mir selbst: Es wird wohl vorbei sein, und am Ende ist's besser so. Was hätte endlich daraus werden sollen?


   weiter >>