Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

14.

Der Gang in den Gormischen Pallast

Der Herr Professor, Lina und Gustchen warteten mit gespannter Neugierde auf meine Beschreibung von der gesehenen Oper. Jener fing aber, ehe ich zum Worte kommen konnte, mit einer kurzen Geschichte der Musik an, und behauptete, das allererste Instrument sey eine Art von Haarlaute gewesen, ein mit Thierhaaren bespanntes Saiten-Instrument, von Jubal, dem Sohne Lamechs, schon vor der Sündfluth erfunden. Er nannte Laban und Hiob als tüchtige Paukenschläger, und erzählte, daß Moses, auf diesem schwierigen Instrumente, den Gesang seiner Schwester Mirza accompagnirt habe. Er kam, von dem Gesinge der Leviten, auf die älteste Kirchenmusik der ersten Christen bei ihren Agapis oder Liebesmalen, von dieser auf den vierzehnhundertjährigen Ambrosianischen Ambrosius war bekanntlich Erzbischoff von Mailand, und hatte um die Verbesserung des Kirchengesanges bleibende Verdienste. Er behielt von den alten Melodieen nur einige bei, die seitdem authenticae genannt werden. Antiphonie ist das wechselweise Absingen der Psalmen vor der Messe, durch zwei Chöre, vom Pabste Cölestinus, im Jahr 424 schon eingeführt. Responsoria aber heißen die, von Gregor dem Großen 592 veranstalteten Psalmen-Auszüge. Gesang; auf die Antiphonien, Authenticas und responsoria, dann auf die, von Luther zuerst eingeführte deutsche Kirchenmusik, und auf die, von Johannes de Muria erfundene, und erst vor zweihundert Jahren in Deutschland bekannt gewordene Figural-Musik nach Noten; sprang jetzt, vom Juden- und Christenthum, in die heidnische Vorzeit zurück, und bewies aus den musikalischen Instrumenten, die man im Grabe des Osymanduas bei Theben gefunden, das Uralter der Musik unter den Aegyptiern, da Osymanduas zwei tausend Jahre vor Christus gelebt habe.

Morgen, liebes Onkelchen, die Fortsetzung, bat Caroline, und fragte, sich zu mir wendend: wie mir Oper und Ballet gefallen; Gustchen aber wollte wissen, was jedes angehabt, ob Zephyr und sein lustiges Gesindel, die Amoretten, weiß oder fleischfarben gegangen, wie Psyche's Mutter, Madame Endelechia costümirt gewesen, und dergleichen wichtiges mehr, und setzte, in Bezug auf ihr Theaterpuppen-Personal, leiser, aber sehr ernsthaft hinzu: ein Ballet, lieber Theodor, fehlt uns noch gänzlich.

Vor allen pries ich Signora Libertini; und der Herr Professor nickte beifällig. Dann ließ ich mich über die Tendenz des Ballets aus, und schalt auf Psyche, daß sie so, mir nichts dir nichts, mit dem ersten beßten Abendwinde, einem steinfremden Incognito in die Arme geflogen sey. Lina nicke, die Augen niederschlagend, erröthend und beifällig; dann endlich erzählte ich von den Nachbarn meines Paradieses, von dem Gebackenen der Kapellmeister-Köchin, vom Pfefferkuchen der Schneiderdonna, und Gustchen nickte auch beifällig; aber von meinem süßen Himmels-Manna, von der liebreizenden Gräfin sagte ich nichts. ›Nehmt der Liebe den Schleier des Geheimnisses‹, und ihr streift den schönsten Goldstaub vom Flügel des Schmetterlings.

Ich eilte nach dem Essen auf mein Kämmerlein, und freute mich auf die Träume dieser Nacht. Aber der Herr Professor hatte mir, mit seiner Vorlesung über die Musik der Alten, meine unschuldige Freude zu Wasser gemacht. Ich träumte wohl von der Angebeteten, aber nichts als verrücktes, verworrenes Zeug. Bald war die liebliche Gorm meine Schwester Mirza, und ich begleitete ihren Gesang, in dem ich den der Libertini wieder fand, mit meinen obligaten Pauken; bald war ich Judal, der Sohn Lamechs, und spielte der Gefeierten ihren Lieblingwalzer auf der eben erfundenen Haarlaute vor; bald saß ich mit ihr bei den Agapis, und sang die, von der unwillkommenen Kantor-Christel eingelegte Antiphonie:

Jungfer Lieschen etc.

bald wieder wanderte ich mit dem Herrn Professor, auf seiner Stube, lm Lande der alten Aegyptier umher, mußte ihm, auf einer, stante pede, gefertigten Landcharte, das Grab des Osymanduas bei Theben zeigen, um die dort befindlich seyn sollenden Ahnen unserer heutigen Geigen, Guitarren, Serpents und englischen Flügelklapphörner aufzusuchen, und fand, statt alles dessen, die Sandalen der Gräfin, und in diesen ihr Liliputfüßchen, und am Ende die ganze holdselige kleine Frau, unter duftigen Rosenblättern begraben, frisch und lebendig, und die Arme verlangend nach mir ausgebreitet. Immer waren, zu meinem größten Aerger, die Gräfin und Josephine eine und die nämliche Person. Ein einziges Mal sah die Gräfin anders aus, aber da wies sie meine Huldigungen mit Hohn und einem solchen Spottgelächter zurück, daß ich, empört von diesem widrigen Gefühl, erwachte, und, den bösen Traum noch im Kopfe, dem jungen Morgen, der mir in die Fenster lachte, ein recht grämliches Gesicht machte.

Alberner Mensch, dachte ich, und lächelte dem lachenden entgegen: es war ja nichts, als ein dummer, einfältiger Traum. Laß dir den Muth nicht durch ein solches Geisterbild nehmen.

Ich kleidete mich sorgfältig an; besah mich im Spiegel, meinte, daß der liebe Gott und mein Schneider an mir nichts versäumt hätten, ging nun stracks und mit festen Schritten in den Gräfl. Gormischen Pallast, und ließ mich bei der Frau Gräfin melden.


 << zurück weiter >>