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Ihr könnt mich nur nach leichten Worten messen,
In diesen Busen konntet ihr nicht sehn:
Ach, jeder Schmerz ist nur ein Selbstvergessen,
Und jedes Lächeln kommt mich hoch zu stehn.
Man hat es vielleicht kaum begriffen, manche allzu leidenschaftliche Freunde haben es mir wohl gar bitter verdacht, daß ich einen Mann, der nie in die nächste Berührung mit dem Volke gekommen, so hastig und begeistert in die Reihe der Demokraten eingeführt habe. Das ist eben der beklagenswerte, unverzeihliche Fehler unserer Partei, daß sie überall sogleich abspricht, wo sie nicht den unmittelbarsten Ausdruck ihrer Sinn- und Denkweise findet, daß sie so blind ist, den Genius der Freiheit zu verkennen, wenn er einmal statt der Jakobinermütze den Lorbeer trägt. Das Auditorium eines Dichters ist immer zahlreicher als das eines Publizisten; der Demokrat sollte daher mit viel weniger Mißtrauen und weit mehr Liebe an einen Sänger herangehen, der, wenn er auch keine Adressen verfertigt und keine Broschüren über Preßfreiheit verfaßt, doch in seiner Art das gleiche mit den Edelsten seiner Zeit angestrebt. Auch der beste Staat hat für den Einzelmenschen erdrückende Institutionen, und solange es Dichter gibt, haben sich dieselben in Opposition gestellt mit den Satzungen der Politik. Das harmloseste Lied ist, wenn man Konsequenzen daraus ziehen wollte, hochverräterisch. Eine Seite der Freiheit wird der Welt nie verlorengehen, und das ist die Seite, welche sich in den Sängern der Völker herausgebildet; die Subjektivität wird ewig Protest einlegen gegen jegliche Beengung durch die Objektivität. Mit dem ersten Dichter wurde der erste Protestant geboren; schon Homer war ein Protestant. Der Protestantismus war dem Begriffe nach längst in der Poesie vorhanden, ehe die Religion noch den glücklichen, zutreffenden Ausdruck für denselben gefunden hatte. Glücklicher Ausdruck? Ach! unsere schönsten Gedanken klingen in fremden Lauten an unser Ohr, und vielleicht nicht ohne Bedeutung ist es, daß das herrliche Wort »Demokrat« das Wort eines untergegangenen Volkes ist!
Sonderbar, um wieder auf die Dichter zurückzukommen, ist es, daß sie gerade von Dichtern am schmerzlichsten Mißverstanden werden. Hinter jeder trüben Wolke soll allerdings das Morgenrot der Versöhnung lauschen – die trübe Wolke selbst aber darf nicht wegdisputiert werden, man muß ringen mit ihr, um durchzubrechen zum Frieden. Herr Prutz, der doch selbst Dichter ist, will in den »Halleschen Jahrbüchern« alle Poeten zum Glücke kommandieren und kann nicht begreifen, wie es in einer so hübschen Zeit, als die unsrige ist, so viele Mißgestimmte gebe, warum nicht von jeder Leier ein Halleluja erklinge auf die göttliche Notwendigkeit und Hymnen des Dankes erschallen an den Weltgeist für unsere artigen Zustände. Prutz will die Poesie auf das Postament der Philosophie hinaufschrauben und verlangt Dinge von den Dichtern, wodurch die Dichter eben aufhören würden, Dichter zu sein. Die Herren wollen doch sonst allem möglichen in der Welt seine Berechtigung vindizieren, warum nicht auch diesem Laut des Schmerzens, der durch alle Dichtungen der Gegenwart hindurchklingt?
Diese Unzufriedenheit, dieses Mißbehagen schützt uns vor der Verknöcherung unserer jetzigen Lage und trägt sein gutes Teil dazu bei, die Weltgeschichte im Fluß zu erhalten. Ich beklage einen Dichter, ich beklage ein Volk, das zufrieden ist.
Die Nation urteilt immer gerechter als die Kritik, und keine hochtrabende Phrase ist imstande, sie Männern abspenstig zu machen, die sie einmal für ihre Lieblinge erklärt hat; sie läßt eher zehn Philosophen als einen Dichter untergehen, und wird sich die Liebe zu ihrem Nikolaus Lenau, zu ihrem Anastasius Grün, zu ihrem Adelbert Chamisso, selbst zu Heine, wo er seine Unarten nicht zur Schau trägt, nie rauben lassen. Sie wird es mit Gleichgültigkeit anhören, wenn man ihr vorsagt: dieser Reim ist unecht, dieses Bild ist zu weit getrieben, diese Farbe zu stark aufgetragen; sie wird ewig glühend den Sänger ans Herz drücken, der ihren liebsten Regungen Sprache verliehen, ihrem Kummer Worte gegeben, ihr Elend in Harmonien gebracht, der ein Spiegel ist, in dem sie sich selbst anschaut.
Zuweilen begegnet es, daß mutwillige Kritiker ein Vorurteil erwecken gegen einen Schriftsteller, das erst viele Jahre nachher mit Mühe und Not ausgerottet werden kann. Es ist dies der Fall mit August Platen, dessen Zukunft man seit seiner »Verhängnisvollen Gabel« und dem »Romantischen Ödipus« schon zum voraus beiseite gelegt hatte. Die Masse des Volks hat man ihm abwendig gemacht, und meine Aufgabe soll sein, von Zeit zu Zeit nachzuweisen, welche mit unserm ganzen Wesen und Treiben verwandte Töne in seinen Liedern zu vernehmen sind, wenn man das richtige Gehör besitzt, wie wir, trotz seiner oft schroffen Eigentümlichkeit, uns selbst ganz wiederhaben in seinen Dichtungen ...