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Das Gewesne wollte hassen
Unsre rüstigen, neuen Besen.
Ich schreibe nicht für bevorzugte Geschlechter, ich schreibe nicht für Gelehrte, ich schreibe einzig und allein für mein Volk, für mein deutsches Volk!
Ich habe mit den ersten nichts zu tun, denn ich weiß, daß jeder Versuch, auf sie einzuwirken, von vornherein an ihrer vornehmen Indolenz scheitern müßte; sie fürchten den Genius und ziehen sich zurück, wo sie sein Brausen verspüren. In der Poesie gibt es keine Stammtafeln, gibt es keine Wappenschilde, in der Poesie gibt es Menschen, nichts als Menschen; die Poesie ist die größte Gleichmacherin auf Erden und darum eben nicht salonfähig.
Ich achte die Wissenschaft, ich liebe sie als unser höchstes Kleinod, aber ich schreibe nicht für ihre falschen Vertreter; für jene Perücken, die den Geist auf die Folter leerer Formen spannen. Den echten Jüngern der Wissenschaft hingegen habe ich nichts Neues zu sagen; aber auch das Alte, nach meiner Art vorgetragen, würden sie vielleicht nicht verstehen; wir suchen eine Wahrheit, allein unterscheiden uns durch die Methode; unser Weg, zu der Wahrheit zu gelangen, ist ein zwiefacher.
Ich schreibe einzig und allein für mein Volk, für mein deutsches Volk! Was seine besten Genien in stillen Nächten geträumt und gesungen, was sie Tiefes heraufgefördert aus den Schachten der Kunst und Wissenschaft, das will ich meinem Volke zeigen, ich will es ihm zu deuten und zu erklären versuchen. Echte Kritik ist ja nichts anderes als Vermittlung der Produktion an die Masse. Wo etwas Tüchtiges in der Literatur geleistet worden ist, wo ein Dichterherz im Einklang geschlagen hat mit dem Herzen des Volkes, wo ein Sänger gesungen von unsern Freuden, mitgelitten unsere Lei. den, wo ein Sänger Balsam geträufelt in unsere Wunden, da will ich keinen Augenblick anstehen und begeisternd rufen: »Das ist der Mann, den sollt ihr lieben; das ist der Dichter, dem sollt ihr eure Teilnahme schenken! Kümmert euch nicht um das Geschrei mutwilliger Toren, und stoßt ihn nicht weg von euch; hilft euch das Schwert nicht, hilft euch das Kreuz nicht, so helfen euch am Ende die Musen!«
Nicht Verachtung, wie so viele getan, Liebe will ich predigen dem deutschen Volke für seine Literatur, für seine Poesie, für seine auserwählten, berufenen Geister. Aber Liebe nicht nur für den toten marmornen Ruhm, Liebe nicht bloß für Schiller und Goethe, für Herder und Lessing, für Tieck und Novalis, Liebe nicht bloß für das künstlerische Erbe der Vergangenheit, nein, Liebe, warme, brünstige Liebe auch für die Samenkörner der Zukunft, für die poetischen Sprößlinge, die so herrlich gedeihen vor unsern Augen. Ich möchte die Liebe der Nation erwecken für ihre aufblühende, für ihre junge Literatur. Denn ich lebe derselben Überzeugung, die jüngst in diesen Blättern, im Artikel »Staatsleben und Literatur«, so entschieden ausgesprochen wurde, nämlich der Überzeugung, daß die gegenwärtige Beschaffenheit der schönen Wissenschaften in Deutschland keineswegs eine rückgängige Bewegung verrate, sondern auf einen bedeutenden Fortschritt der Zeit hinweise. Warnen will ich die Nation, daß sie sich nicht hintergehen lasse von den Lügenworten einiger Obskuranten, die Schmähung, über Schmähung häufen auf die schönsten Talente, deren wir uns in diesem Augenblicke erfreuen! Wo will das Volk Trost suchen für sein unsägliches Elend, wenn es seine dichterische Zukunft im Keime erstickt? Wer wird ihm Blumen flechten um das gequälte, sorgenvolle Haupt, wenn es seine Sänger verstoßen wollte? jede Zeit. jedes Jahrhundert hat seinen eigenen Gedanken, der seine Offenbarung findet in den erleuchteten Geistern einer Nation. Wir haben solche Geister. Es ist ein großes Vermächtnis – das Vermächtnis der deutschen Literatur vor dem Jahre 1830, aber werden seine Zinsen groß genug sein, uns zu ernähren in alle Zukunft? Werden wir nicht neuer Organe, neuer Fürsprecher der Menschheit bedürfen? Darum fordere ich Wartung und Pflege, ja Achtung selbst in ihrer Verirrung für die junge Literatur! Mein geringes Talent gehört ihr ausschließlich an, und ich werde mich nicht scheuen, ihr jegliches Opfer zu bringen. Ich verhehle mir dabei nicht, daß sie mancherlei Verirrungen sich hat zuschulden kommen lassen, daß sie manche Fehler begangen hat; aber was ihren bessern Teil betrifft, war sie sich stets des reinsten Strebens bewußt bei all diesen Verirrungen, und ihre Fehler waren nur eine Ausartung ihrer Tugenden. Ach! sie hat ihre Schwächen so sehr, so schmerzlich schwer gebüßt. Anstatt an Apollo und die Musen in letzter Instanz zu appellieren, berief sich der Fanatismus auf den Staat, der, wie ich ewig behaupten werde, in Sachen des Herzens, des Gemüts, der unzugänglichste Richter ist, ja dem gar keine Stimme hierüber zukommt, was er auch selbst zugestanden hat durch jenes gemäßigte Verfahren bei einem bekannten literarischen Prozesse. Die junge Literatur besaß den Mut, keck die Fragen des Jahrhunderts herauszugreifen aus dem Zetteltopfe der Zeit und sie poetisch zu gestalten. Man hat ihr daraus ein Verbrechen, ein großes Verbrechen gemacht. Was in der Wirklichkeit vor ihr liegt, sollte sie denn das nicht dichterisch behandeln dürfen? »Wenn an dem Glauben, an der Liebe, an der Ehre gerüttelt wird und der Dichter dieses kecke, mitunter wohl auch freche Treiben darstellt, ohne die Subjekte desselben zu verdammen, wenn er seine, seien es auch zum Verderben bestimmte Gefäße der Unehre mit einer gewissen Langmut trägt: so erheben kurzsichtige oder böswillige Beurteiler ihr moralisches Zeter. Bedächten sie doch, daß, so gewiß in den Grundsätzen und Instituten, an welchen auf diese Weise gerüttelt wird, etwas Wahres ist, dieselben so gewiß nur geläutert und neu befestigt aus dem Prozesse hervorgehen können; daß aber auch, so gewiß der Geist seine Unendlichkeit sucht, diese Richtung der Zeit nicht zurückgedrängt werden kann.« – Es ist aber nicht genug, daß dieselbe nicht zurückgedrängt werde, man soll die Geburten des modernen Geistes nach Kräften erleichtern, damit wir bald möglichst unsere Bedürfnisse erkennen und über uns ins klare kommen! Das deutsche Volk wird, hoffe ich, so billig sein und der jungen Literatur trotz allen fanatischen Einflüsterungen endlich einmal ihr Recht angedeihen lassen.
Die junge Literatur unterscheidet sich ganz wesentlich von jeder früheren, und die Nation ist ihr zu besonderem Danke verpflichtet. Die junge Literatur ist nämlich durch und durch von ihrem Ursprunge an demokratisch, was sich zum Teil bis in die kleinsten Nuancen derselben hinaus nachweisen läßt. Sie braucht zu ihren Tragödien und Novellen nicht mehr jenen fürstlichen Apparat, der selbst Shakespeare zu großartigen Effekten noch zuläßlich dünkte. Für sie ist in jedem Zimmer ein Roman, für sie rauscht in jedem Herzen die Melodie des Schicksals. Während der Dichter in früheren Zeiten sich zurückzog aus dem Gewühle der Welt, stürzt die junge Literatur sich mitten in den Strom des Lebens und schöpft aus ihm die meisten Wellen. Der Dichter vereinsamt sich nicht mehr, er sagt sich von keiner gesellschaftlichen Beziehung mehr los, kein Interesse des Volkes und der Menschheit bleibt seinem Herzen fremd; er ist nicht nur demokratischer, er ist auch universeller geworden. Es fällt heutzutage manches in den Bereich poetischer Gestaltung, woran vor einem Jahrzehent noch keine Seele gedacht. Mag auch der Tendenz seither oft die Schönheit geopfert worden sein, es ist ein Fehler, der sich leicht gutmachen läßt, und wirkliche Produktionen der neuesten Zeit, namentlich im Fache des komischen Romans, beruhigen vollkommen über die echte Schöpfungskraft unserer jungen Autoren. Unsere neue Literatur ist eine Tochter der Kritik, unsere besten Schriftsteller haben in den Journalen ihre Studien vor dem Publikum gemacht, manches keimende Talent schlägt noch jetzt denselben Weg ein. – Die Kritik hat uns von der Form der Tyrannei befreit und uns befruchtende Ideen zugeführt, die auch in neuen schönen Gestalten sich verkörpern werden, wenn nicht alle Anzeichen trügen. Wir sind auf einer Höhe philosophischer Betrachtung angelangt, wie sie kaum Lessing geahnt haben mag. Unsere Kritik kann Goethe und Börne nacheinander ans Herz drücken; sie kann Goethe lieben und braucht Börne doch nicht zu tadeln, daß er so grausam mit jenem Dichter verfahren. Sie weiß, daß Börne ein Blitz war, der nur die Höhen der Welt getroffen.
Ich gedenke in einer Reihenfolge von Artikeln die Geschichte der jungen Literatur bis zu ihrer jetzigen Gestaltung und leider auch Spannung sowie die Bedeutung der einzelnen literarischen Persönlichkeiten zu entwickeln und will nur einen vorläufigen kurzen Umriß ihres Ursprungs und ihrer Verzweigung geben.
Die JulirevolutionEs ist mir gar wohl bekannt, daß Börne seine schriftstellerische Laufbahn schon weit früher begonnen; seine eingreifende Wirksamkeit datiert sich übrigens erst von der Julirevolution erweckte in Deutschland zwei Genien, deren Einfluß auf die Jugend seinesgleichen sucht, die nicht nur die Schöpfer neuer Ideen, sondern auch die Schöpfer einer ganz neuen Sprache geworden sind. Ich meine Heinrich Heine und Ludwig Börne. Es herrscht bloß der Unterschied zwischen beiden, daß es Börne zeit seines Lebens mit jeder Silbe Ernst, fürchterlicher Ernst gewesen, bei Heine dagegen alles Spiel, wenn auch genialisches Spiel, ist; daß Börne als unerbittlicher Sansculotte gestorben und Heinrich Heine allem Anschein nach als Adjunkt des Fürsten Pückler enden wird. Erst seit Börnes Tod stellte sich der gewaltige Unterschied der beiden Männer so schlagend heraus. Die literarische Jugend wollte sich lange nicht für den einen gegen den anderen aussprechen. jetzt ist es geschehen, die erste Begeisterung, der erste Rausch hat sich verloren; die Literatur teilt sich unbedingt in zwei feindliche Lager; das Feldgeschrei des einen ist Börne, das Feldgeschrei des andern lautet Heine.
Dort steht Gutzkow mit einer kleinen Zahl Befreundeter, hier stehen die Herren Laube, Kühne und Mundt. Ich meine, die Nation sollte nicht lange unschlüssig sein, wem sie ihre literarische Zukunft anvertrauen will.